Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Sept. 2024 - XIII ZB 67/20

originally published: 23/10/2024 19:50, updated: 23/10/2024 19:57
Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Sept. 2024 - XIII ZB 67/20
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Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

Kirchhoff
Holzinger
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Amtliche Leitsätze

Ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens liegt nicht vor, wenn ein verfahrensbevollmächtigter Rechtsanwalt in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Anhörungstermin zwar kurzfristig, aber noch so rechtzeitig unterrichtet wird, dass er das Gericht über seine geplante Teilnahme informieren könnte, er dies aber unterlässt und die Anhörung dann ohne ihn erfolgt.

Bundesgerichtshof

Beschluss vom17. Sept. 2024

Az.: XIII ZB 67/20

 

 

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 31. August 2020 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

 

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

 

Gründe

I.    Der Betroffene, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste am 14. Juli 2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (fortan: Bundesamt) lehnte mit Bescheid vom 16. Oktober 2017 den Asylantrag des Betroffenen als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz blieb ohne Erfolg. Die Abschiebungsanordnung ist seit dem 15. Januar 2018 vollziehbar.

 

Die beteiligte Behörde nahm den Betroffenen am Vormittag des 25. Juni 2019 in Gewahrsam und stellte einen Haftantrag an das Amtsgericht. Dieses setzte ausweislich der vom Beschwerdegericht in Bezug genommenen Ladung einen Anhörungstermin auf 13.45 Uhr (und nicht, wie in der Beschwerdeentscheidung ausgeführt, auf 13.30 Uhr) desselben Tages fest. Davon erlangte der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen durch einen Anruf seiner - per Telefax vom Amtsgericht um 12.17 Uhr benachrichtigten - Kanzlei gegen 13.00 Uhr Kenntnis. Er teilte dem Amtsgericht jedoch weder mit, dass er an dem Anhörungstermin teilnehmen wolle, noch stellte er einen Antrag auf Terminsverlegung. Das Amtsgericht führte sodann ausweislich des durch den Vermerk der zuständigen Richterin vom 25.  Juni 2019 ergänzten Protokolls die Anhörung des Betroffenen zum angesetzten Zeitpunkt durch. Im Anschluss hat es gegen den Betroffenen antragsgemäß Haft zur Sicherung der Überstellung bis längstens 5. Juli 2019 angeordnet. Der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen erschien erst kurz nach der Verkündung dieses Beschlusses beim Amtsgericht. Die nach am 4. Juli 2019 erfolgter Entlassung des Betroffenen noch auf Feststellung gerichtete Beschwerde gegen den Haftanordnungsbeschluss hat das Landgericht mit Beschluss vom 31. August 2020 zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene sein Feststellungsbegehren weiter.

 

II.    Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

 

1.    Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Überstellungshaft sei zu Recht angeordnet worden. Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig und nach Maßgabe der Dublin-III-Verordnung nach Italien zu überstellen. Das Bundesamt habe mitgeteilt, dass die Überstellung am 4. Juli 2019 erfolgen solle und die Überstellungen in vergleichbaren Fällen nicht am Verhalten der italienischen Behörden gescheitert seien. Das Amtsgericht habe zu Recht Fluchtgefahr angenommen. Es liege auch kein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vor, weil der anwaltliche Bevollmächtigte des Betroffenen nicht am Anhörungstermin teilgenommen habe. Der Rechtsanwalt sei rechtzeitig vom Anhörungstermin in Kenntnis gesetzt worden, habe aber dem Gericht nicht mitgeteilt, dass er an der Anhörung teilnehmen wolle, und auch keinen Antrag auf Verlegung des Anhörungstermins gestellt.

 

2.    Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.

 

a)    Entgegen der Rechtsbeschwerde lag der Haftanordnung ein zulässiger Haftantrag zugrunde.

 

aa)    Ein zulässiger Haftantrag ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungs- oder Überstellungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung oder Überstellung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Diese Darlegungen dürfen zwar knapp gehalten sein; sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, InfAuslR 2012, 25 Rn. 8; vom 12. November 2019 - XIII ZB 5/19, InfAuslR 2020, 165 Rn. 8; vom 14. Juli 2020 - XIII ZB 74/19, juris Rn. 7; vom 25. Oktober 2022 - XIII ZB 116/19, NVwZ 2023, 1523 Rn. 7). Dazu müssen die Darlegungen auf den konkreten Fall bezogen sein und dürfen sich nicht in Leerformeln erschöpfen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 13; NVwZ 2023, 1523 Rn. 7 mwN; vom 20. Dezember 2022 - XIII ZB 40/20, juris Rn. 7).

 

bb)    Diesen Maßgaben wird der Haftantrag gerecht, insbesondere enthält er hinreichende Angaben zur erforderlichen Dauer der Haft. Hierfür genügt die Angabe, dass für den 4. Juli 2019 eine bestätigte Flugbuchung für eine begleitete Rückführung vorlag. In Anbetracht des organisatorischen Aufwands für eine begleitete Überstellung bedurfte es für die beantragte Haftdauer von nur elf Tagen keiner weiteren Erläuterungen.

 

cc)    Entgegen der Rechtsbeschwerde muss in einem Antrag auf Anordnung der Überstellungshaft nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO nicht dargelegt werden, dass der Zielstaat nach der Dublin-III-Verordnung zur Aufnahme verpflichtet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2020 - XIII ZB 53/19, InfAuslR 2020, 283 Rn. 9). Es obliegt grundsätzlich den Verwaltungsgerichten zu überprüfen, ob eine Aufnahme- oder Wiederaufnahmeverpflichtung des Zielstaates unter Einhaltung der dafür geltenden Regelungen besteht. Der Haftrichter hat grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die Ausländerbehörde die Überstellung zu Recht betreibt. Mit der Prüfung dieser Frage würde er in unzulässiger Weise in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit übergreifen (BGH, InfAuslR 2020, 283 Rn. 12 mwN). Erforderlich ist allerdings wegen der unterschiedlichen Regelungen des Haftgrundes die Angabe, dass eine Inhaftnahme nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO und nicht nach § 62 AufenthG beantragt wird (BGH, InfAuslR 2020, 283 Rn. 13). Diese enthält der Haftantrag.

 

b)    Die Haftanordnung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil den Vorinstanzen - wie die Rechtsbeschwerde rügt - die Ausländerakte nur bis Blatt 303, dem Aktenübermittlungsschreiben vom 10. August 2018 im vorangegangenen Haftverfahren, vorgelegen hätte (vgl. zur Erforderlichkeit der Beiziehung der Ausländerakte BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 2020 - 2 BvR 2345/16, NVwZ-RR 2020, 801 Rn. 47 bis 54). Das trifft nicht zu, weil die (vollständige) Ausländerakte mit dem Haftantrag vom 25. Juni 2019 (erneut) als elektronisches Dokument an das Amtsgericht übermittelt wurde. Das Landgericht hat die Ausländerakte mit Verfügung vom 28. Juni 2019 angefordert, und diese lag ihm ausweislich des angegriffenen Beschlusses vom 31. August 2020 auch vor. Dass die seit dem 10. August 2018 hinzugekommenen Aktenbestandteile nicht mehr ausgedruckt wurden, berührt die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung nicht.

 

c)    Die von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens durch das Amtsgericht liegt nicht vor.

 

aa)    Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert einem Betroffenen, sich zur Wahrung seiner Rechte in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen. Erfährt oder weiß das Gericht, dass der Betroffene einen Rechtsanwalt hat, muss es dafür Sorge tragen, dass dieser von dem Termin in Kenntnis gesetzt und ihm die Teilnahme an der Anhörung ermöglicht wird; gegebenenfalls ist unter einstweiliger Anordnung einer nur kurzen Haft nach § 427 FamFG ein neuer Termin zu bestimmen. Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies ohne Weiteres zur Rechtswidrigkeit der Haft; es kommt in diesem Fall nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf diesem Fehler beruht (vgl. zuletzt BGH, Beschlüsse vom 25. April 2022 - XIII ZB 50/21, NVwZ-RR 2022, 885 Rn. 6; vom 28. Februar 2023 - XIII ZB 70/21, Asylmagazin 2023, 275 Rn. 9; vom 12. September 2023 - XIII ZB 49/20, juris Rn. 6; vom 5. Dezember 2023 - XIII ZB 15/23, juris Rn. 7; vom 11. Juni 2024 - XIII ZB 35/21, juris Rn. 13).

 

bb)    Vorliegend hat das Amtsgericht durch seine Verfahrensgestaltung die Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung nicht vereitelt. Zwar ist die Terminsnachricht hier erst sehr kurzfristig erfolgt. Ein Rechtsanwalt ist aber gehalten, dafür Sorge zu tragen, dass er in geeigneter Weise von seiner Kanzlei über eilige Eingänge unterrichtet wird (BGH, Beschluss vom 22. März 2022 - XIII ZB 11/20, juris Rn. 7). Eine solche Unterrichtung ist hier so rechtzeitig erfolgt, dass auf Anweisung des Verfahrensbevollmächtigten dem Gericht hätte mitgeteilt werden können, dass er an der Anhörung teilnehmen werde und entweder auf ihn gewartet oder der Termin verlegt werden solle, falls er sich verspäte. Das Haftgericht ist grundsätzlich nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag zu einer Verlegung des Termins verpflichtet (BGH, Beschlüsse vom 15. Dezember 2020 - XIII ZB 28/20, juris Rn. 18; vom 23. Februar 2021 - XIII ZB 12/19, juris Rn. 17; vom 11. Juni 2024 - XIII ZB 35/21, juris Rn. 14).

 

3.    Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen. (2) Soweit sich in einer nichtvermögensrec
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Annotations

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro.

(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist von einem Geschäftswert von 5 000 Euro auszugehen.

(4) Wenn sich die Gerichtsgebühren nach den für Notare geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Notare geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden. Wenn sich die Notargebühren nach den für Gerichte geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Gerichte geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden.