Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Sept. 2003 - XII ZB 188/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Die Parteien streiten darum, wer nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Der Kläger hat Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, daß der zwischen den Parteien bestehende Mietvertrag aufgrund klägerseitiger Kündigung vom 4. Juli 2001 zum 31. Dezember 2002 enden wird. Der Beklagte hat ange-kündigt, Klageabweisung zu beantragen. In der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2002 erklärte der Beklagte, der Untermieter werde das Mietobjekt zum 31. Dezember 2002 räumen. Daraufhin haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Landgericht (Einzelrichter) hat dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten hat das Oberlandesgericht (Einzelrichter) die landgerichtliche Entscheidung abgeändert und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Es hat die Auffassung vertreten, der Kündigende habe zwar aus Gründen der Rechtssicherheit und Planungssicherheit ein anerkennenswertes Interesse, bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist von dem Mieter zu erfahren, ob das Mietobjekt bis zum Ablauf des Mietvertrages geräumt werde. Jedoch könne einer in Rechtsprechung und Literatur zum Teil vertretenen Auffassung nicht gefolgt werden, derzufolge der Mieter auch bei einem sofortigen Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe, wenn er auf Anfrage des Vermieters nach der Wirksamkeit der Kündigung eine Erklärung über seine Räumungsabsicht unterlasse und für den Vermieter somit Anlaß zur Erhebung einer Räumungsklage entstehe. Der Mieter gebe keinen Anlaß zu sofortiger Klageerhebung, weil er zu einer Äußerung vor Fälligwerden des Räumungsanspruchs nicht verpflichtet sei. Er müsse sich auch nicht zur Vermeidung von Kostennachteilen der Kündigungserklärung des Vermieters unterwerfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde, die der Einzelrichter beim Oberlandesgericht zugelassen hat.
II.
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Einzelrichters und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft. Die Zulassung ist nicht deshalb unwirksam, weil der Einzelrichter die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, obwohl er bei Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache das Verfahren gemäß § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung hätte übertragen müssen. An eine unter Verstoß gegen § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO erfolgte Zulassung ist das Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 574 Abs. 3 S. 2 ZPO gleichwohl gebunden (vgl. BGH, Beschluß vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02 - NJW 2003, 1254 = WM 2003, 701 = FamRZ 2003, 669). 2. Allerdings hat der Einzelrichter die Zulassung der Rechtsbeschwerde nur mit dem Hinweis auf seine von einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart (NZM 2000, 95) abweichende Rechtsauffassung begründet und dabei auf § 574 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 ZPO (Fälle der Rechtsfortbildung und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung), nicht dagegen auf § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (Fälle der grundsätzlichen Bedeutung) verwiesen. Auch sehen die einschlägigen Vorschriften der §§ 348 Abs. 3, 348 a Abs. 2 und 568 ZPO eine Vorlage- bzw. Übertragungspflicht des Einzelrichters auf das Kollegialgericht ihrem Wortlaut nach lediglich im Falle besonderer Schwierigkeit rechtlicher oder tatsächlicher Art oder im Falle grundsätzlicher Bedeutung vor, nicht dagegen in Fällen der Divergenz oder der Erforderlichkeit der Rechtsfortbildung (vgl. Zöller /Greger ZPO 23. Aufl. § 348 Rdn. 22 i.V. mit § 568 Rdn. 3). Daraus kann in-dessen nicht gefolgert werden, daß der Einzelrichter in solchen Fällen von seiner Vorlage- bzw. Übertragungspflicht auf den Kollegialspruchkörper entbunden ist. Die grundsätzliche Bedeutung ist vielmehr im weitesten Sinne zu verstehen, so daß nicht der Einzelrichter, sondern das Kollegium entscheiden muß, wenn zur Fortbildung des Rechts oder zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts geboten ist (BT-Drucks. 14/4722 S. 99; Musielak/Ball ZPO 3. Aufl. § 568 Rdn. 5; Hannich/Meyer-Seitz ZPO-Reform 2002, § 568 Rdn. 7 i.V. mit § 348 Rdn. 47 vgl. auch Kopp/Schenke VWGO 12. Aufl. § 6 Rdn. 9). Daß im übrigen auch der Einzelrichter dem vorliegenden Fall eine grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat, ergibt sich aus den Gründen seiner Entscheidung , in der er sich mit der in Literatur und Rechtsprechung (zum unterschiedlichen Meinungsstand vgl. OLG Stuttgart NZM 2000, 95 und Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 61. Aufl. § 93 Rdn. 52 jeweils m.Nachw. auch zur Rechtsprechung) kontrovers diskutierten Frage der Erklärungspflicht des Mieters gegenüber dem Vermieter auseinandergesetzt hat. 3. Die angefochtene Entscheidung unterliegt jedoch der Aufhebung, weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist. Der Einzelrichter hat bei Rechtssachen, denen er - wie hier - grundsätzliche Bedeutung beimißt, zwingend das Verfahren an das Kollegium zu übertragen. Bejaht er mit der Zulassungsentscheidung zugleich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters. Dieser Verstoß ist vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu berücksichtigen (Beschluß vom 13. März 2003 aaO).
4. Wegen der durch die Rechtsbeschwerde angefallenen Gerichtskosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 8 GKG Gebrauch.
Hahne Sprick Weber-Monecke Fuchs Ahlt
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(1) Die Zivilkammer entscheidet durch eines ihrer Mitglieder als Einzelrichter. Dies gilt nicht, wenn
- 1.
das Mitglied Richter auf Probe ist und noch nicht über einen Zeitraum von einem Jahr geschäftsverteilungsplanmäßig Rechtsprechungsaufgaben in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten wahrzunehmen hatte oder - 2.
die Zuständigkeit der Kammer nach § 72a Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes oder nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts wegen der Zuordnung des Rechtsstreits zu den nachfolgenden Sachgebieten begründet ist: - a)
Streitigkeiten über Ansprüche aus Veröffentlichungen durch Druckerzeugnisse, Bild- und Tonträger jeder Art, insbesondere in Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen; - b)
Streitigkeiten aus Bank- und Finanzgeschäften; - c)
Streitigkeiten aus Bau- und Architektenverträgen sowie aus Ingenieurverträgen, soweit sie im Zusammenhang mit Bauleistungen stehen; - d)
Streitigkeiten aus der Berufstätigkeit der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer; - e)
Streitigkeiten über Ansprüche aus Heilbehandlungen; - f)
Streitigkeiten aus Handelssachen im Sinne des § 95 des Gerichtsverfassungsgesetzes; - g)
Streitigkeiten über Ansprüche aus Fracht-, Speditions- und Lagergeschäften; - h)
Streitigkeiten aus Versicherungsvertragsverhältnissen; - i)
Streitigkeiten aus den Bereichen des Urheber- und Verlagsrechts; - j)
Streitigkeiten aus den Bereichen der Kommunikations- und Informationstechnologie; - k)
Streitigkeiten, die dem Landgericht ohne Rücksicht auf den Streitwert zugewiesen sind.
(2) Bei Zweifeln über das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 entscheidet die Kammer durch unanfechtbaren Beschluss.
(3) Der Einzelrichter legt den Rechtsstreit der Zivilkammer zur Entscheidung über eine Übernahme vor, wenn
- 1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, - 2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 3.
die Parteien dies übereinstimmend beantragen.
(4) Auf eine erfolgte oder unterlassene Vorlage oder Übernahme kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn
- 1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder - 2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
In Strafsachen werden die Kosten, die dem verurteilten Beschuldigten zur Last fallen, erst mit der Rechtskraft des Urteils fällig. Dies gilt in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten entsprechend.