Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Aug. 2010 - XII ZB 138/10

bei uns veröffentlicht am11.08.2010
vorgehend
Landgericht Hannover, 3 T 23/10, 29.03.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 138/10
vom
11. August 2010
In der Betreuungssache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. August 2010 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin
Dr. Vézina und die Richter Dose und Schilling

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 29. März 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

1
Durch Beschluss des Amtsgerichts - Betreuungsgericht - vom 8. März 2010 ist die Beteiligte zur Betreuerin der Betroffenen mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Rechts-, Antragsund Behördenangelegenheiten, insbesondere Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen in Sorgerechtsangelegenheiten, bestellt worden. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.

2
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
3
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Nr. 1 FamFG statthaft; das Betreuungsverfahren ist auf Anregung des Klinikums W. vom 18./19. Februar 2010, mithin nach dem 31. August 2009, eingeleitet worden (Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG).
4
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
5
a) Zwar durfte das Beschwerdegericht - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - von einer persönlichen Anhörung der Betroffenen absehen.
6
Nach § 278 Abs. 1 FamFG hat das Betreuungsgericht den Betroffenen vor der Bestellung eines Betreuers persönlich anzuhören (Satz 1) und sich - ggf. in der üblichen Umgebung des Betroffenen (Satz 3) - von diesem einen persönlichen Eindruck zu verschaffen (Satz 2). Diese Anhörungspflicht gilt gemäß § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG auch im Beschwerdeverfahren. Nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG kann das Beschwerdegericht allerdings von der Durchführung einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Dies gilt grundsätzlich auch für die Anhörungspflicht nach § 278 Abs. 1 FamFG (vgl. auch - für den Fall der persönlichen Anhörung nach § 420 FamFG - BGH Beschlüsse vom 17. Juni 2010 - V ZB 3/10 - juris Tz. 9, vom 4. März 2010 - V ZB 222/09 - FGPrax 2010, 154 und vom 28. Januar 2010 - V ZB 2/10 - FGPrax 2010, 163). Im vorliegenden Fall war die Betroffene bereits vom Amtsgericht - am 23. Februar 2010, also nur rund einen Monat zuvor - zur Frage einer Betreuerbestellung persönlich ange- hört worden. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien. Diese Einschätzung ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Besondere sonstige Umstände , die eine erneute Anhörung der Betroffenen geboten hätten (vgl. etwa BGH Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 3/10 - juris Tz. 9), sind nicht ersichtlich.
7
b) Die angefochtenen Entscheidungen verletzen jedoch - von der Rechtsbeschwerde zutreffend gerügt - aus anderem Grund das Recht der Betroffenen auf rechtliches Gehör.
8
Das Amtsgericht hat seinen Beschluss vom 8. März 2010 tragend auf ein Gutachten gestützt, das die Fachärztin Dr. G. am 7. Oktober 2009 - im vorausgehenden Betreuungsverfahren - erstattet hat. Entsprechend der Empfehlung der Gutachterin ist das Gutachten der Betroffenen nicht ausgehändigt worden, um das paranoide Erleben der Betroffenen nicht zu verstärken. Auch im vorliegenden Verfahren ist eine solche Aushändigung nicht erfolgt.
9
Zwar kann von der vollständigen schriftlichen Bekanntgabe eines Gutachtens abgesehen werden, wenn zu besorgen ist, die Bekanntgabe werde die Gesundheit des Betroffenen schädigen oder zumindest ernsthaft gefährden. In einem solchen Fall muss jedoch ein Verfahrenspfleger bestellt werden, diesem das Gutachten übergeben werden und die Erwartung gerechtfertigt sein, dass der Verfahrenspfleger mit dem Betroffenen über das Gutachten spricht (vgl. MünchKomm/Schwab BGB 5. Aufl. § 1896 Rdn. 182 m.w.N.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Betroffene nicht anwaltlich vertreten ist. Im vorliegenden Verfahren war für die anwaltlich nicht vertretene Betroffene kein Verfahrenspfleger bestellt. Zwar hat das Betreuungsgericht der Betroffenen mit Beschluss vom 8. März 2010 Rechtsanwalt F. als Verfahrenspfleger bestellt. Diese Bestellung erfolgte jedoch zeitgleich mit dem hier angefochtenen Beschluss über die Einrichtung der Betreuung und betraf ausdrücklich nur die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts und die Unterbringung und Zwangsmedikation der Betroffenen , daher nicht den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
10
Dem angefochtenen Beschluss sind mithin Tatsachen zugrunde gelegt worden, zu denen die Betroffene sich - mangels Kenntnis - weder selbst noch durch einen Verfahrenspfleger oder Verfahrensbevollmächtigten verhalten konnte. Dieser Gehörsverstoß wird nicht dadurch geheilt, dass die Entscheidung des Amtsgerichts - ebenso wie die Entscheidung des Beschwerdegerichts - auch auf die fachärztliche Stellungnahme vom 18. Februar 2010 gestützt wird, mit der Ärzte des Klinikums W. erneut die Bestellung eines Betreuers für die Betroffene angeregt hatten. Zum einen wird diese Stellungnahme in den angefochtenen Entscheidungen nur ergänzend - zur Bestätigung des gutachtlichen Befundes und als Beleg für dessen fortdauernde Aktualität - herangezogen. Zum anderen hat gemäß § 280 FamFG der Bestellung eines Betreuers eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit dieser Maßnahme vorauszugehen. Die fachärztliche Stellungnahme erfüllt - schon mangels Einholung durch das Gericht - diese Voraussetzung nicht. Sie könnte - als ärztliches Zeugnis - das von § 280 FamFG geforderte Gutachten nur unter den Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 FamFG ersetzen. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor.
Hahne Wagenitz Vézina Dose Schilling
Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 08.03.2010 - 667 XVII M4149 -
LG Hannover, Entscheidung vom 29.03.2010 - 3 T 23/10 -

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(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

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(1) Vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts hat eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatri

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(1) Das Gericht hat den Betroffenen vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts persönlich anzuhören und dessen Wünsche zu erfragen. Es hat sich einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen zu verschaffen. D

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(1) Das Gericht hat den Betroffenen vor der Anordnung der Freiheitsentziehung persönlich anzuhören. Erscheint er zu dem Anhörungstermin nicht, kann abweichend von § 33 Abs. 3 seine sofortige Vorführung angeordnet werden. Das Gericht entscheidet hierü

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(1) Anstelle eines Sachverständigengutachtens nach § 280 genügt ein ärztliches Zeugnis, wenn der Betroffene die Bestellung eines Betreuers beantragt und auf die Begutachtung verzichtet hat und die Einholung des Gutachtens insbesondere im Hinblick auf

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(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.

(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.

(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(1) Das Gericht hat den Betroffenen vor der Anordnung der Freiheitsentziehung persönlich anzuhören. Erscheint er zu dem Anhörungstermin nicht, kann abweichend von § 33 Abs. 3 seine sofortige Vorführung angeordnet werden. Das Gericht entscheidet hierüber durch nicht anfechtbaren Beschluss.

(2) Die persönliche Anhörung des Betroffenen kann unterbleiben, wenn nach ärztlichem Gutachten hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder wenn er an einer übertragbaren Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes leidet.

(3) Das Gericht hat die sonstigen Beteiligten anzuhören. Die Anhörung kann unterbleiben, wenn sie nicht ohne erhebliche Verzögerung oder nicht ohne unverhältnismäßige Kosten möglich ist.

(4) Die Freiheitsentziehung in einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses darf nur nach Anhörung eines ärztlichen Sachverständigen angeordnet werden. Die Verwaltungsbehörde, die den Antrag auf Freiheitsentziehung gestellt hat, soll ihrem Antrag ein ärztliches Gutachten beifügen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 3/10
vom
17. Juni 2010
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Das Beschwerdegericht darf von der erneuten Anhörung des Betroffenen nicht
absehen, wenn sich nach der Haftanordnung neue Gesichtspunkte ergeben haben.

b) § 420 Abs. 1 FamFG gibt dem Haftrichter keine inhaltlichen Vorgaben für die Gestaltung
der Anhörung des Betroffen.

c) Der Haftrichter hat die Anhörung des Betroffenen nach § 26 FamFG so zu gestalten
, wie es einer ordnungsgemäßen amtswegigen Sachaufklärung entspricht. Dazu
hat er den Betroffenen regelmäßig zu allen entscheidungserheblichen Punkten
zu befragen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Haftantrag der Behörde wesentliche
Punkte offen lässt.
BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 3/10 - LG Hamburg
AG Hamburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Juni 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der Zivilkammer 29 des Landgerichts Hamburg vom 29. Dezember 2009 und der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 13. November 2009 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zweckentsprechenden notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Beteiligten zu 2 auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene reiste etwa zwei bis drei Wochen vor dem 13. November 2009 nach Deutschland ein. An diesem Tag wurde er von Vollzugsbeamten der Beteiligten zu 2 festgenommen. Bei seiner Festnahme hatte er keine Ausweispapiere bei sich, behauptete aber, eine italienische Identitätskarte zu haben, die sich bei einem Freund befinde. Im weiteren Verlauf des Verfahrens legte er mehrere italienische Dokumente, darunter eine "Carta d’Identità (Personalausweis ) mit einer Gültigkeit bis zum 10. Juli 2018, eine "Permesso di Soggiorno" (Aufenthaltserlaubnis) mit einer Gültigkeit bis zum Ablauf des 23. Juli 2010 und einen "Titulo di Viaggio per Stranieri" (Fremdenpass) mit nicht lesbarer Angabe zur Gültigkeit, vor. Die Beamten der Beteiligten zu 2 stellten fest, dass der Betroffene in dem Eurodac-System erfasst ist, konnten aber Einzelheiten nicht klären. Die Beteiligte zu 2 beantragte die Anordnung der Haft zur Sicherung der Rückschiebung des Betroffenen nach Italien bis zum 15. Januar 2010.
2
Das Amtsgericht hat dem Antrag entsprochen. Die Beschwerde des Betroffenen ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen hat sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde gewandt. Er ist am 11. Januar 2010 nach Italien zurückgeschoben worden und beantragt die Feststellung, dass die Haftanordnung und die Beschwerdeentscheidung ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

3
Das Beschwerdegericht hält die Haftanordnung für rechtmäßig. Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG habe vorgelegen, weil der Betroffene nicht glaubhaft gemacht habe, dass er sich der Zurückschiebung nicht entziehen wolle. Er habe sich seit seiner Einreise nicht mit den Behörden in Verbindung gesetzt, keine Angaben zum Zwecke seines Aufenthalts gemacht, er sei ohne festen Wohnsitz und ohne Einkommen. Die Dauer der angeordneten Haft sei verhältnismäßig und das Verfahren auch fortwährend durch die Ausländerbehörde betrieben worden.

III.

4
Das Rechtsmittel des Betroffenen hat Erfolg.
5
1. Die Rechtsbeschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie kann nach der Erledigung der Hauptsache auch mit dem Antrag fortgesetzt werden, die Rechtsverletzung durch die Haftanordnung und, wie hier, die Beschwerdeentscheidung festzustellen (Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, NVwZ 2010, 726 = juris Rdn. 9.; Senat , Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, InfAuslR 2010, 246 = juris Rdn. 6). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
6
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
7
a) Das Beschwerdegericht hat die gebotene persönliche Anhörung des Betroffenen versäumt.
8
aa) Die persönliche Anhörung des Betroffenen ist nach § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG (dazu: BVerfG NVwZ-RR 2009, 304, 305; BVerfG, Beschl. v. 1. April 2008, 2 BvR 1925/04, juris Rdn. 18) auch im Beschwerdeverfahren grundsätzlich zwingend vorgeschrieben. Hiervon darf das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur absehen, wenn eine ordnungsgemäße persönliche Anhörung des Betroffenen in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschl. v. 11. Mai 1995, V ZB 13/95, NJW 1995, 2226, insoweit in BGHZ 129, 383 nicht abgedruckt ; Beschl. v. 28. Januar 2010, V ZB 2/10, juris Rdn. 7; Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, InfAuslR 2010, 246 = juris Rdn. 13). Diese Voraussetzungen lagen hier ersichtlich nicht vor.
9
bb) Die Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht war, wie noch darzulegen sein wird, nicht ordnungsgemäß. Vor allem aber hatten sich seit dem Erlass der Haftanordnung neue Gesichtspunkte ergeben, die einem Abse- hen von der persönlichen Anhörung entgegenstanden und diese im Gegenteil sogar erforderlich machten. Der Betroffene hatte nämlich italienische Dokumente vorgelegt, die seine Einlassungen vor den Vollzugsbeamten der Beteiligten zu 2 bestätigten und die Fortdauer der Sicherungshaft in Frage stellten. Sie ergaben zwar nicht, dass der Betroffene Flüchtlingsstatus hat und schon deshalb nicht unerlaubt eingereist ist. Nach diesen Unterlagen konnte es aber aus anderen Gründen an einer unerlaubten Einreise, jedenfalls an einem Haftgrund fehlen. Diese Fragen konnte das Beschwerdegericht sachgerecht nur klären, indem es den Betroffenen erneut persönlich anhörte. Denn es kam dazu auch auf den persönlichen Eindruck von dem Betroffenen entscheidend an (dazu BVerfGE 58, 208, 220 ff.; BVerfG NJW 1990, 2309, 2310).
10
b) Die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde durch das Beschwerdegericht ist auch in der Sache fehlerhaft.
11
aa) Zu dieser Entscheidung durfte das Beschwerdegericht nur kommen, wenn der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig war, ein Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und/oder Nr. 5 AufenthG vorlag und die Fortdauer der Haft noch verhältnismäßig war. Die vollziehbare Ausreisepflicht des Betroffenen ergab sich hier nicht aus einer Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde oder des Verwaltungsgerichts, an die das Beschwerdegericht gebunden wäre. Sie konnte sich unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Einreise nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nur aus dem Gesetz selbst ergeben und war deshalb von dem Haftrichter selbständig festzustellen (Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, FGPrax 2010, 50 = juris Rdn. 7). Die danach erforderlichen Feststellungen hat das Beschwerdegericht nicht rechtsfehlerfrei getroffen.
12
bb) Schon die Feststellung der vollziehbaren Ausreisepflicht des Betroffenen ist rechtsfehlerhaft.
13
(1) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Beschwerdegericht zwar davon aus, dass die Einreise des Betroffenen nach § 14 Abs. 1 AufenthG unerlaubt war, wenn er ohne gültigen Pass oder Passersatz und ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel (regelmäßig ein Visum) eingereist ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat es aber nicht so aufgeklärt, wie das nach § 26 FamFG erforderlich war. Es hat sich allein darauf gestützt, dass der Betroffene bei seiner Festnahme keine Papiere bei sich führte und keinen Flüchtlingsstatus hat. Das ist unzureichend.
14
(2) Als Pass oder Passersatz genügt zwar nicht die italienische Identitätskarte , auf die sich der Betroffene von Anfang an und in der Sache auch zutreffend berufen hat. Ein solches Papier ist nach § 3 Abs. 3 Nr. 5 AufenthV nur bei den eigenen Staatsangehörigen des ausstellenden Mitgliedstaates der Europäischen Union ein ausreichender Passersatz, nicht bei Drittausländern, zu denen der Betroffene gehört. Der Betroffene hat aber im Beschwerdeverfahren auch eine Kopie seines italienischen Fremdenpasses vorgelegt, der nach seinem Inhalt für das Gebiet aller Vertragsstaaten des Schengener Übereinkommens und damit auch für die Bundesrepublik Deutschland gilt und als Reisedokument ausreicht. Die Vorlage dieses Dokuments aus der Sicherungshaft heraus spricht dafür, dass er diesen Pass auch bei der Einreise bei sich führte. Ob der Pass bei der Einreise und der Festnahme des Betroffenen noch gültig war, ist zwar aus der vorgelegten Kopie nicht eindeutig zu entnehmen. Dem war aber nachzugehen, weil die unerlaubte Einr eise Voraussetzung für die Haftanordnung ist und angesichts der vorgelegten anderen Dokumente Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Pass gültig war.
15
(3) Allerdings bliebe die Einreise nach § 14 Abs. 1 AufenthG unerlaubt, wenn der Betroffene ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel eingereist wäre. Ein Visum ist aus dem Fremdenpass des Betroffenen nicht ersichtlich. Er hat auch nicht behauptet, mit einem Visum eingereist zu sein. Ein Visum war auch nicht, darin ist dem Beschwerdegericht Recht zu geben, nach § 18 Satz 1 AufenthV entbehrlich, weil der Betroffenen keinen Flüchtlingsstatus hat. An dieser Stelle durfte das Beschwerdegericht seine Prüfung aber nicht abbrechen.
16
Drittausländer, die wie der Betroffene über eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union verfügen, dürfen sich nach Art. 21 Abs. 2 SDÜ unter den weiteren Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a, c und e der Verordnung (EG Nr. 562/2006, ABl. Nr. L 105 S. 1 - Schengener Grenzkodex) bis zu drei Monaten im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsstaaten des Schengener Übereinkommens auf Grund des Aufenthaltstitels und eines von dem Mitgliedstaat ausgestellten Reisedokuments bewegen. Der Betroffene hat dargelegt, dass er eine gültige befristete italienische Aufenthaltserlaubnis hat. Er durfte sich deshalb in Deutschland aufhalten, wenn er ein gültiges Reisedokument, das ihn zum Überschreiten der Grenze berechtigt, hatte und wenn er die übrigen Voraussetzungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchstaben c und e Schengener Grenzkodex erfüllte. Seinen Fremdenpass hat der Betroffene in Kopie vorgelegt. Dessen Gültigkeit und das Vorliegen der anderen Voraussetzungen für seinen visumsfreien Aufenthalt in Deutschland hat das Beschwerdegericht nicht überprüft. Anhaltspunkte, die das Vorliegen dieser Voraussetzungen von vornherein ausschlossen, bestanden und bestehen nicht. Der Betroffene ist mit gültigen Fahrscheinen nach und in Hamburg gereist und hat dort einen Freund besucht. Aus dem Umstand, dass er bei seiner Festnahme dessen Namen nicht genannt hat, lässt sich auf das Fehlen der Voraussetzungen nicht schließen. Denn dieser Freund hat wenige Tage später der Beteiligten zu 2 Papiere vorgelegt, die der Betroffene zu haben behauptet hatte. Je- denfalls haben sich weder die Beteiligte zu 2 noch das Beschwerdegericht mit diesen Fragen auch nur im Ansatz befasst. Das war aber zur Feststellung der Voraussetzungen für die Haftanordnung erforderlich.
17
cc) Auch der von dem Beschwerdegericht angenommene Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
18
Bei einer - hier zudem schon nicht ordnungsgemäß festgestellten - unerlaubten Einreise des Betroffenen ist nach § 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG von der Anordnung der Sicherungshaft abzusehen, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Das Vorliegen dieser Ausnahme hat das Beschwerdegericht verfahrensfehlerhaft verneint. Der Betroffene durfte nach Vorlage seiner Dokumente davon ausgehen, dass diese zur Glaubhaftmachung ausreichten, und nach § 37 Abs. 2 FamFG und Art. 103 Abs. 1 GG einen Hinweis des Gerichts erwarten, wenn es Zweifel daran hatte. Außerdem war etwaigen Zweifeln in der ohnehin vorgeschriebenen persönlichen Anhörung nachzugehen. Beides ist nicht geschehen. Die nicht näher konkretisierten Zweifel des Beschwerdegerichts an der Glaubhaftmachung des Betroffenen waren jedenfalls nicht begründet. Der Betroffene hat sich von Anfang an auf seine italienische Identitätskarte berufen, die er tatsächlich besitzt. Er hat dargelegt, dass er in Italien ein gesichertes Aufenthaltsrecht hat und nach dem Fremdenpass jederzeit dorthin zurückkehren darf. Er hat in Italien seinen Wohnsitz und betreibt dort ein Asylverfahren. Weshalb er von seinem Rückkehrrecht keinen Gebrauch machen sollte, dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Dass der Betroffene eine Rückkehr nach Italien abgelehnt hätte, ist den Akten und den angefochtenen Entscheidungen nicht zu entnehmen. Das reichte unter den hier gegebenen Umständen zur Glaubhaftmachung aus.
19
dd) Die Zurückweisung der Beschwerde war schließlich auch deshalb fehlerhaft, weil die weitere Fortdauer der Haft jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht mehr verhältnismäßig war. Der Betroffene hatte gültige Papiere, die ihn zum Aufenthalt in Italien berechtigten und ihm die jederzeitige Rückkehr dorthin sicherten. Anhaltspunkte dafür, dass er nicht mit dem nächst erreichbaren Flugzeug nach Italien zurückkehren würde, sind nicht festgestellt. Der Rückkehr des Betroffenen stand auch die Bitte um Unterstützung bei der Rückführung an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht entgegen. Denn dieses hatte das dazu Erforderliche spätestens am 14. Dezember 2009 unternommen. Einen sachlichen Grund dafür, die Rückkehr des Betroffenen nach Italien erst für den 11. Januar 2010 vorzusehen und die Haft solange fortdauern zu lassen, gab es nicht.
20
3. Auch die Entscheidung des Amtsgerichts hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
21
a) Das ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass die Beteiligte zu 2 dem Amtsgericht die Ausländerakte nicht vorgelegt hat. Die beteiligte Behörde soll dem Haftrichter nach § 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG die (vollständige) Akte vorlegen. Der Haftrichter selbst wird die Ausländerakte regelmäßig schon nach § 26 FamFG von sich aus beizuziehen haben, weil sie notwendige Grundlage der Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft ist (vgl. BVerfG NVwZ 2008, 304, 305; InfAuslR 2008, 358, 360; NJW 2009, 2659, 2660; Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, InfAuslR 2010, 246 = juris Rdn. 19; Beschlussempfehlung zum FamFG in BT-Drucks. 16/9733 S. 299). Etwas anderes gilt nicht nur, wenn sich der unter Beiziehung der Ausländerakte festzustellende Sachverhalt aus den vorgelegten Teilen vollständig ergibt und die nicht vorgelegten Teile keine weiteren Erkenntnisse versprechen (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09 aaO), sondern auch dann, wenn die Verfahrensakte - wie hier - nur aus der dem Haftantrag zugrunde liegenden Verfügung besteht und dieser den Inhalt der Akten wiedergibt.
22
b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Amtsgericht auch nicht die nach § 420 Abs. 1 FamFG i.V.m. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG gebotene persönliche Anhörung des Betroffenen versäumt. Diese hat ausweislich des Protokolls vom 13. November 2009 im Beisein eines Vertreters der Beteiligten zu 2 und einer Dolmetscherin für die italienische Sprache stattgefunden. Das stellt die Rechtsbeschwerde auch nicht in Abrede. Sie leitet den Verstoß gegen § 420 Abs. 1 FamFG vielmehr aus der aus ihrer Sicht unzureichenden Durchdringungstiefe ab, die die Anhörung nach dem Inhalt des Protokolls gehabt habe. Eine im Einzelfall nicht ausreichende Durchdringungstiefe führt aber nicht dazu, dass die durchgeführte Anhörung gewissermaßen als "Nichtanhörung" anzusehen und § 420 Abs. 1 FamFG verletzt wäre. § 420 Abs. 1 FamFG begründet kein besonderes, neben § 26 FamFG tretendes Sachaufklärungsgebot. Die Vorschrift legt vielmehr fest, dass der Richter den Betroffenen persönlich anhören muss, aber nicht, in welchem Umfang das zu geschehen hat. Das ließe sich auch nicht allgemein festlegen. Der Umfang der Anhörung bestimmt sich vielmehr wie bei allen anderen Maßnahmen der Sachaufklärung gemäß § 26 FamFG danach, was nach den Umständen des Einzelfalls geboten ist, um den Sachverhalt sachgerecht von Amts wegen aufzuklären. Das bedeutet nicht, dass Unzulänglichkeiten bei der Anhörung folgenlos blieben. Eine inhaltlich unzureichende persönliche Anhörung des Betroffenen führt im Gegenteil dazu, dass der Sachverhalt nicht in dem gebotenen Umfang aufgeklärt ist, die Haftanordnung deshalb nicht ergehen darf und gegebenenfalls aufgehoben werden muss.
23
c) Dieser Fall ist hier eingetreten. Das Amtsgericht hat, was die Rechtsbeschwerde inhaltlich auch gerügt hat, den Sachverhalt nicht ansatzweise aufgeklärt. Seine Feststellungen tragen die Haftanordnung nicht.
24
aa) Die Angaben in dem Haftantrag der Beteiligten zu 2 boten keine taugliche Grundlage für den Erlass der beantragten Sicherungshaft. Daraus ergab sich zwar, dass der Betroffene bei seiner Festnahme keine Papiere bei sich führte. Die Beteiligte zu 2 hatte in dem Haftantrag aber auch dargelegt, dass der Betroffene behauptete, eine italienische Identitätskarte zu haben, die sich bei einem Freund befinde. Das konnte nach dem Haftantrag richtig sein, weil über den Betroffenen in Eurodac ein Eintrag für Italien zu finden war. Damit blieben alle für die Haftanordnung wesentlichen Fragen offen.
25
bb) Das hatte zur Folge, dass das Amtsgericht dem Haftantrag nur entsprechen konnte, wenn es selbst die von der Beteiligten zu 2 unterlassene Sachaufklärung vornahm und feststellte, ob der Betroffene tatsächlich unerlaubt eingereist, der - zudem in dem Haftantrag nicht spezifizierte - Haftgrund gegeben und die Anordnung der Haft verhältnismäßig war. Dazu war eine eingehende Befragung des Betroffenen zu den Umständen seiner Einreise und zu seinem aufenthaltsrechtlichen Status in Italien unerlässlich. Zusätzliche Veranlassung hierzu ergab die Erklärung des Betroffenen, er habe in Italien Asyl beantragt. Das entsprach den Angaben der Beteiligten zu 2 in dem Haftantrag. Die gebotene Sachaufklärung hat das Amtsgericht nicht vorgenommen. Es hat die persönliche Anhörung des Betroffenen schon nach dessen Hinweis auf das Asylverfahren in Italien abgebrochen, obwohl ihm dieser Hinweis erst recht Veranlassung gab, den Betroffenen eingehend zu den Umständen seiner Einreise, dem Vorhandensein von Papieren und dem aufenthaltsrechtlichen Status in Italien zu befragen.

IV.

26
Die Kostenentscheidung beruht auf § 128c KostO und § 83 Abs. 2, § 81 und § 430 FamFG (vgl. Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, juris). Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 13.11.2009 - 219e XIV 41237/09 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 29.12.2009 - 329 T 72/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 2/10
vom
28. Januar 2010
in der Abschiebehaftsache
Beteiligte:
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Januar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Der Antrag des Betroffenen, ihm für eine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 30. November 2009 Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Gründe:


I.

1
Der Betroffene ist algerischer Staatsangehöriger. Nach seiner Einreise nach Deutschland am 31. März 2008 beantragte er die Anerkennung als Asylberechtigter. Der Antrag wurde von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 24. April 2009 abgelehnt. Der Betroffene war seit dem 15. Mai 2009 vollziehbar zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet. Hiergegen gerichtete Rechtsmittel sind erfolglos geblieben.
2
Nachdem der Betroffene am 29. September 2009 und am 30. September 2009 jeweils nicht in seiner Wohnung angetroffen wurde, hat das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen die Sicherungshaft bis längstens 5. Oktober 2009 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Die dagegen erhobene Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen.
3
Hiergegen will sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde wenden. Für die Durchführung des Verfahrens beantragt er die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.
4
Am 5. Oktober 2009 ist der Betroffene nach Algerien abgeschoben worden.

II.

5
Das Beschwerdegericht meint, die Entscheidung des Amtsgerichts sei rechtmäßig. Es habe der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG bestanden , Abschiebungshindernisse lägen nicht vor. Eine Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren sei nicht erforderlich.

III.

6
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Aussicht auf Erfolg.
7
1. Das Beschwerdegericht war nicht zu einer Anhörung des Betroffenen verpflichtet (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Sie ist zwar auch im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich erforderlich. Davon kann aber - auch unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 EMRK - abgesehen werden, wenn der Betroffene in erster Instanz persönlich angehört worden ist, der Sachverhalt einfach gelagert ist und das Rechtsmittelgericht nach Aktenlage entscheiden kann (EGMR NJW 1992, 1813, 1814 Tz. 31 ff. - Helmers gegen Schweden; Senat, Beschl. v. 11. Mai 1995, V ZB 13/95, NJW 1995, 2226 - insoweit in BGHZ 129, 383 nicht abgedruckt; KG InfAuslR 2009, 356, 357; Hoppe ZAR 2009, 209, 213). Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Der Betroffene war am 1. Oktober 2009 durch das Amtsgericht angehört worden. Der Sachverhalt war einfach gelagert. Die Beteiligten hatten keine neuen Tatsachen vorgetragen. Der bekannte Sachverhalt war lediglich erneut zu würdigen.
8
2. Das Beschwerdegericht musste dem Betroffenen keine Akteneinsicht gewähren. Denn er wollte keine Einsicht in die diesem Verfahren zugrunde liegenden Akten, sondern allein in die dem Verwaltungsverfahren vor der Ausländerbehörde zugrunde liegenden Akten nehmen. Für die Gewährung von Einsicht in Verwaltungsakten sind jedoch die jeweiligen Verwaltungsbehörden zuständig.
9
3. Weder das Amtsgericht noch das Landgericht mussten die Rechtmäßigkeit der durch die Verwaltungsbehörde angeordneten Abschiebung prüfen, weil sich die Ausreisepflicht des Betroffenen aus einer bestandskräftigen Abschiebungsverfügung ergab (vgl. Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09 Rz. 7 - zur Veröffentlichung bestimmt). Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Westerburg, Entscheidung vom 01.10.2009 - 7 XIV 11/09 B -
LG Koblenz, Entscheidung vom 30.11.2009 - 2 T 763/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 3/10
vom
17. Juni 2010
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Das Beschwerdegericht darf von der erneuten Anhörung des Betroffenen nicht
absehen, wenn sich nach der Haftanordnung neue Gesichtspunkte ergeben haben.

b) § 420 Abs. 1 FamFG gibt dem Haftrichter keine inhaltlichen Vorgaben für die Gestaltung
der Anhörung des Betroffen.

c) Der Haftrichter hat die Anhörung des Betroffenen nach § 26 FamFG so zu gestalten
, wie es einer ordnungsgemäßen amtswegigen Sachaufklärung entspricht. Dazu
hat er den Betroffenen regelmäßig zu allen entscheidungserheblichen Punkten
zu befragen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Haftantrag der Behörde wesentliche
Punkte offen lässt.
BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 3/10 - LG Hamburg
AG Hamburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Juni 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der Zivilkammer 29 des Landgerichts Hamburg vom 29. Dezember 2009 und der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 13. November 2009 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zweckentsprechenden notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Beteiligten zu 2 auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene reiste etwa zwei bis drei Wochen vor dem 13. November 2009 nach Deutschland ein. An diesem Tag wurde er von Vollzugsbeamten der Beteiligten zu 2 festgenommen. Bei seiner Festnahme hatte er keine Ausweispapiere bei sich, behauptete aber, eine italienische Identitätskarte zu haben, die sich bei einem Freund befinde. Im weiteren Verlauf des Verfahrens legte er mehrere italienische Dokumente, darunter eine "Carta d’Identità (Personalausweis ) mit einer Gültigkeit bis zum 10. Juli 2018, eine "Permesso di Soggiorno" (Aufenthaltserlaubnis) mit einer Gültigkeit bis zum Ablauf des 23. Juli 2010 und einen "Titulo di Viaggio per Stranieri" (Fremdenpass) mit nicht lesbarer Angabe zur Gültigkeit, vor. Die Beamten der Beteiligten zu 2 stellten fest, dass der Betroffene in dem Eurodac-System erfasst ist, konnten aber Einzelheiten nicht klären. Die Beteiligte zu 2 beantragte die Anordnung der Haft zur Sicherung der Rückschiebung des Betroffenen nach Italien bis zum 15. Januar 2010.
2
Das Amtsgericht hat dem Antrag entsprochen. Die Beschwerde des Betroffenen ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen hat sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde gewandt. Er ist am 11. Januar 2010 nach Italien zurückgeschoben worden und beantragt die Feststellung, dass die Haftanordnung und die Beschwerdeentscheidung ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

3
Das Beschwerdegericht hält die Haftanordnung für rechtmäßig. Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG habe vorgelegen, weil der Betroffene nicht glaubhaft gemacht habe, dass er sich der Zurückschiebung nicht entziehen wolle. Er habe sich seit seiner Einreise nicht mit den Behörden in Verbindung gesetzt, keine Angaben zum Zwecke seines Aufenthalts gemacht, er sei ohne festen Wohnsitz und ohne Einkommen. Die Dauer der angeordneten Haft sei verhältnismäßig und das Verfahren auch fortwährend durch die Ausländerbehörde betrieben worden.

III.

4
Das Rechtsmittel des Betroffenen hat Erfolg.
5
1. Die Rechtsbeschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie kann nach der Erledigung der Hauptsache auch mit dem Antrag fortgesetzt werden, die Rechtsverletzung durch die Haftanordnung und, wie hier, die Beschwerdeentscheidung festzustellen (Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, NVwZ 2010, 726 = juris Rdn. 9.; Senat , Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, InfAuslR 2010, 246 = juris Rdn. 6). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
6
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
7
a) Das Beschwerdegericht hat die gebotene persönliche Anhörung des Betroffenen versäumt.
8
aa) Die persönliche Anhörung des Betroffenen ist nach § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG (dazu: BVerfG NVwZ-RR 2009, 304, 305; BVerfG, Beschl. v. 1. April 2008, 2 BvR 1925/04, juris Rdn. 18) auch im Beschwerdeverfahren grundsätzlich zwingend vorgeschrieben. Hiervon darf das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur absehen, wenn eine ordnungsgemäße persönliche Anhörung des Betroffenen in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschl. v. 11. Mai 1995, V ZB 13/95, NJW 1995, 2226, insoweit in BGHZ 129, 383 nicht abgedruckt ; Beschl. v. 28. Januar 2010, V ZB 2/10, juris Rdn. 7; Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, InfAuslR 2010, 246 = juris Rdn. 13). Diese Voraussetzungen lagen hier ersichtlich nicht vor.
9
bb) Die Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht war, wie noch darzulegen sein wird, nicht ordnungsgemäß. Vor allem aber hatten sich seit dem Erlass der Haftanordnung neue Gesichtspunkte ergeben, die einem Abse- hen von der persönlichen Anhörung entgegenstanden und diese im Gegenteil sogar erforderlich machten. Der Betroffene hatte nämlich italienische Dokumente vorgelegt, die seine Einlassungen vor den Vollzugsbeamten der Beteiligten zu 2 bestätigten und die Fortdauer der Sicherungshaft in Frage stellten. Sie ergaben zwar nicht, dass der Betroffene Flüchtlingsstatus hat und schon deshalb nicht unerlaubt eingereist ist. Nach diesen Unterlagen konnte es aber aus anderen Gründen an einer unerlaubten Einreise, jedenfalls an einem Haftgrund fehlen. Diese Fragen konnte das Beschwerdegericht sachgerecht nur klären, indem es den Betroffenen erneut persönlich anhörte. Denn es kam dazu auch auf den persönlichen Eindruck von dem Betroffenen entscheidend an (dazu BVerfGE 58, 208, 220 ff.; BVerfG NJW 1990, 2309, 2310).
10
b) Die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde durch das Beschwerdegericht ist auch in der Sache fehlerhaft.
11
aa) Zu dieser Entscheidung durfte das Beschwerdegericht nur kommen, wenn der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig war, ein Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und/oder Nr. 5 AufenthG vorlag und die Fortdauer der Haft noch verhältnismäßig war. Die vollziehbare Ausreisepflicht des Betroffenen ergab sich hier nicht aus einer Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde oder des Verwaltungsgerichts, an die das Beschwerdegericht gebunden wäre. Sie konnte sich unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Einreise nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nur aus dem Gesetz selbst ergeben und war deshalb von dem Haftrichter selbständig festzustellen (Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, FGPrax 2010, 50 = juris Rdn. 7). Die danach erforderlichen Feststellungen hat das Beschwerdegericht nicht rechtsfehlerfrei getroffen.
12
bb) Schon die Feststellung der vollziehbaren Ausreisepflicht des Betroffenen ist rechtsfehlerhaft.
13
(1) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Beschwerdegericht zwar davon aus, dass die Einreise des Betroffenen nach § 14 Abs. 1 AufenthG unerlaubt war, wenn er ohne gültigen Pass oder Passersatz und ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel (regelmäßig ein Visum) eingereist ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat es aber nicht so aufgeklärt, wie das nach § 26 FamFG erforderlich war. Es hat sich allein darauf gestützt, dass der Betroffene bei seiner Festnahme keine Papiere bei sich führte und keinen Flüchtlingsstatus hat. Das ist unzureichend.
14
(2) Als Pass oder Passersatz genügt zwar nicht die italienische Identitätskarte , auf die sich der Betroffene von Anfang an und in der Sache auch zutreffend berufen hat. Ein solches Papier ist nach § 3 Abs. 3 Nr. 5 AufenthV nur bei den eigenen Staatsangehörigen des ausstellenden Mitgliedstaates der Europäischen Union ein ausreichender Passersatz, nicht bei Drittausländern, zu denen der Betroffene gehört. Der Betroffene hat aber im Beschwerdeverfahren auch eine Kopie seines italienischen Fremdenpasses vorgelegt, der nach seinem Inhalt für das Gebiet aller Vertragsstaaten des Schengener Übereinkommens und damit auch für die Bundesrepublik Deutschland gilt und als Reisedokument ausreicht. Die Vorlage dieses Dokuments aus der Sicherungshaft heraus spricht dafür, dass er diesen Pass auch bei der Einreise bei sich führte. Ob der Pass bei der Einreise und der Festnahme des Betroffenen noch gültig war, ist zwar aus der vorgelegten Kopie nicht eindeutig zu entnehmen. Dem war aber nachzugehen, weil die unerlaubte Einr eise Voraussetzung für die Haftanordnung ist und angesichts der vorgelegten anderen Dokumente Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Pass gültig war.
15
(3) Allerdings bliebe die Einreise nach § 14 Abs. 1 AufenthG unerlaubt, wenn der Betroffene ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel eingereist wäre. Ein Visum ist aus dem Fremdenpass des Betroffenen nicht ersichtlich. Er hat auch nicht behauptet, mit einem Visum eingereist zu sein. Ein Visum war auch nicht, darin ist dem Beschwerdegericht Recht zu geben, nach § 18 Satz 1 AufenthV entbehrlich, weil der Betroffenen keinen Flüchtlingsstatus hat. An dieser Stelle durfte das Beschwerdegericht seine Prüfung aber nicht abbrechen.
16
Drittausländer, die wie der Betroffene über eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union verfügen, dürfen sich nach Art. 21 Abs. 2 SDÜ unter den weiteren Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a, c und e der Verordnung (EG Nr. 562/2006, ABl. Nr. L 105 S. 1 - Schengener Grenzkodex) bis zu drei Monaten im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsstaaten des Schengener Übereinkommens auf Grund des Aufenthaltstitels und eines von dem Mitgliedstaat ausgestellten Reisedokuments bewegen. Der Betroffene hat dargelegt, dass er eine gültige befristete italienische Aufenthaltserlaubnis hat. Er durfte sich deshalb in Deutschland aufhalten, wenn er ein gültiges Reisedokument, das ihn zum Überschreiten der Grenze berechtigt, hatte und wenn er die übrigen Voraussetzungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchstaben c und e Schengener Grenzkodex erfüllte. Seinen Fremdenpass hat der Betroffene in Kopie vorgelegt. Dessen Gültigkeit und das Vorliegen der anderen Voraussetzungen für seinen visumsfreien Aufenthalt in Deutschland hat das Beschwerdegericht nicht überprüft. Anhaltspunkte, die das Vorliegen dieser Voraussetzungen von vornherein ausschlossen, bestanden und bestehen nicht. Der Betroffene ist mit gültigen Fahrscheinen nach und in Hamburg gereist und hat dort einen Freund besucht. Aus dem Umstand, dass er bei seiner Festnahme dessen Namen nicht genannt hat, lässt sich auf das Fehlen der Voraussetzungen nicht schließen. Denn dieser Freund hat wenige Tage später der Beteiligten zu 2 Papiere vorgelegt, die der Betroffene zu haben behauptet hatte. Je- denfalls haben sich weder die Beteiligte zu 2 noch das Beschwerdegericht mit diesen Fragen auch nur im Ansatz befasst. Das war aber zur Feststellung der Voraussetzungen für die Haftanordnung erforderlich.
17
cc) Auch der von dem Beschwerdegericht angenommene Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
18
Bei einer - hier zudem schon nicht ordnungsgemäß festgestellten - unerlaubten Einreise des Betroffenen ist nach § 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG von der Anordnung der Sicherungshaft abzusehen, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Das Vorliegen dieser Ausnahme hat das Beschwerdegericht verfahrensfehlerhaft verneint. Der Betroffene durfte nach Vorlage seiner Dokumente davon ausgehen, dass diese zur Glaubhaftmachung ausreichten, und nach § 37 Abs. 2 FamFG und Art. 103 Abs. 1 GG einen Hinweis des Gerichts erwarten, wenn es Zweifel daran hatte. Außerdem war etwaigen Zweifeln in der ohnehin vorgeschriebenen persönlichen Anhörung nachzugehen. Beides ist nicht geschehen. Die nicht näher konkretisierten Zweifel des Beschwerdegerichts an der Glaubhaftmachung des Betroffenen waren jedenfalls nicht begründet. Der Betroffene hat sich von Anfang an auf seine italienische Identitätskarte berufen, die er tatsächlich besitzt. Er hat dargelegt, dass er in Italien ein gesichertes Aufenthaltsrecht hat und nach dem Fremdenpass jederzeit dorthin zurückkehren darf. Er hat in Italien seinen Wohnsitz und betreibt dort ein Asylverfahren. Weshalb er von seinem Rückkehrrecht keinen Gebrauch machen sollte, dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Dass der Betroffene eine Rückkehr nach Italien abgelehnt hätte, ist den Akten und den angefochtenen Entscheidungen nicht zu entnehmen. Das reichte unter den hier gegebenen Umständen zur Glaubhaftmachung aus.
19
dd) Die Zurückweisung der Beschwerde war schließlich auch deshalb fehlerhaft, weil die weitere Fortdauer der Haft jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht mehr verhältnismäßig war. Der Betroffene hatte gültige Papiere, die ihn zum Aufenthalt in Italien berechtigten und ihm die jederzeitige Rückkehr dorthin sicherten. Anhaltspunkte dafür, dass er nicht mit dem nächst erreichbaren Flugzeug nach Italien zurückkehren würde, sind nicht festgestellt. Der Rückkehr des Betroffenen stand auch die Bitte um Unterstützung bei der Rückführung an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht entgegen. Denn dieses hatte das dazu Erforderliche spätestens am 14. Dezember 2009 unternommen. Einen sachlichen Grund dafür, die Rückkehr des Betroffenen nach Italien erst für den 11. Januar 2010 vorzusehen und die Haft solange fortdauern zu lassen, gab es nicht.
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3. Auch die Entscheidung des Amtsgerichts hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
21
a) Das ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass die Beteiligte zu 2 dem Amtsgericht die Ausländerakte nicht vorgelegt hat. Die beteiligte Behörde soll dem Haftrichter nach § 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG die (vollständige) Akte vorlegen. Der Haftrichter selbst wird die Ausländerakte regelmäßig schon nach § 26 FamFG von sich aus beizuziehen haben, weil sie notwendige Grundlage der Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft ist (vgl. BVerfG NVwZ 2008, 304, 305; InfAuslR 2008, 358, 360; NJW 2009, 2659, 2660; Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, InfAuslR 2010, 246 = juris Rdn. 19; Beschlussempfehlung zum FamFG in BT-Drucks. 16/9733 S. 299). Etwas anderes gilt nicht nur, wenn sich der unter Beiziehung der Ausländerakte festzustellende Sachverhalt aus den vorgelegten Teilen vollständig ergibt und die nicht vorgelegten Teile keine weiteren Erkenntnisse versprechen (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09 aaO), sondern auch dann, wenn die Verfahrensakte - wie hier - nur aus der dem Haftantrag zugrunde liegenden Verfügung besteht und dieser den Inhalt der Akten wiedergibt.
22
b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Amtsgericht auch nicht die nach § 420 Abs. 1 FamFG i.V.m. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG gebotene persönliche Anhörung des Betroffenen versäumt. Diese hat ausweislich des Protokolls vom 13. November 2009 im Beisein eines Vertreters der Beteiligten zu 2 und einer Dolmetscherin für die italienische Sprache stattgefunden. Das stellt die Rechtsbeschwerde auch nicht in Abrede. Sie leitet den Verstoß gegen § 420 Abs. 1 FamFG vielmehr aus der aus ihrer Sicht unzureichenden Durchdringungstiefe ab, die die Anhörung nach dem Inhalt des Protokolls gehabt habe. Eine im Einzelfall nicht ausreichende Durchdringungstiefe führt aber nicht dazu, dass die durchgeführte Anhörung gewissermaßen als "Nichtanhörung" anzusehen und § 420 Abs. 1 FamFG verletzt wäre. § 420 Abs. 1 FamFG begründet kein besonderes, neben § 26 FamFG tretendes Sachaufklärungsgebot. Die Vorschrift legt vielmehr fest, dass der Richter den Betroffenen persönlich anhören muss, aber nicht, in welchem Umfang das zu geschehen hat. Das ließe sich auch nicht allgemein festlegen. Der Umfang der Anhörung bestimmt sich vielmehr wie bei allen anderen Maßnahmen der Sachaufklärung gemäß § 26 FamFG danach, was nach den Umständen des Einzelfalls geboten ist, um den Sachverhalt sachgerecht von Amts wegen aufzuklären. Das bedeutet nicht, dass Unzulänglichkeiten bei der Anhörung folgenlos blieben. Eine inhaltlich unzureichende persönliche Anhörung des Betroffenen führt im Gegenteil dazu, dass der Sachverhalt nicht in dem gebotenen Umfang aufgeklärt ist, die Haftanordnung deshalb nicht ergehen darf und gegebenenfalls aufgehoben werden muss.
23
c) Dieser Fall ist hier eingetreten. Das Amtsgericht hat, was die Rechtsbeschwerde inhaltlich auch gerügt hat, den Sachverhalt nicht ansatzweise aufgeklärt. Seine Feststellungen tragen die Haftanordnung nicht.
24
aa) Die Angaben in dem Haftantrag der Beteiligten zu 2 boten keine taugliche Grundlage für den Erlass der beantragten Sicherungshaft. Daraus ergab sich zwar, dass der Betroffene bei seiner Festnahme keine Papiere bei sich führte. Die Beteiligte zu 2 hatte in dem Haftantrag aber auch dargelegt, dass der Betroffene behauptete, eine italienische Identitätskarte zu haben, die sich bei einem Freund befinde. Das konnte nach dem Haftantrag richtig sein, weil über den Betroffenen in Eurodac ein Eintrag für Italien zu finden war. Damit blieben alle für die Haftanordnung wesentlichen Fragen offen.
25
bb) Das hatte zur Folge, dass das Amtsgericht dem Haftantrag nur entsprechen konnte, wenn es selbst die von der Beteiligten zu 2 unterlassene Sachaufklärung vornahm und feststellte, ob der Betroffene tatsächlich unerlaubt eingereist, der - zudem in dem Haftantrag nicht spezifizierte - Haftgrund gegeben und die Anordnung der Haft verhältnismäßig war. Dazu war eine eingehende Befragung des Betroffenen zu den Umständen seiner Einreise und zu seinem aufenthaltsrechtlichen Status in Italien unerlässlich. Zusätzliche Veranlassung hierzu ergab die Erklärung des Betroffenen, er habe in Italien Asyl beantragt. Das entsprach den Angaben der Beteiligten zu 2 in dem Haftantrag. Die gebotene Sachaufklärung hat das Amtsgericht nicht vorgenommen. Es hat die persönliche Anhörung des Betroffenen schon nach dessen Hinweis auf das Asylverfahren in Italien abgebrochen, obwohl ihm dieser Hinweis erst recht Veranlassung gab, den Betroffenen eingehend zu den Umständen seiner Einreise, dem Vorhandensein von Papieren und dem aufenthaltsrechtlichen Status in Italien zu befragen.

IV.

26
Die Kostenentscheidung beruht auf § 128c KostO und § 83 Abs. 2, § 81 und § 430 FamFG (vgl. Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, juris). Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 13.11.2009 - 219e XIV 41237/09 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 29.12.2009 - 329 T 72/09 -

(1) Vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts hat eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein.

(2) Der Sachverständige hat den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Das Ergebnis einer Anhörung nach § 279 Absatz 2 Satz 2 hat der Sachverständige zu berücksichtigen, wenn es ihm bei Erstellung seines Gutachtens vorliegt.

(3) Das Gutachten hat sich auf folgende Bereiche zu erstrecken:

1.
das Krankheits- oder Behinderungsbild einschließlich dessen Entwicklung,
2.
die durchgeführten Untersuchungen und die diesen zugrunde gelegten Forschungserkenntnisse,
3.
den körperlichen und psychischen Zustand des Betroffenen,
4.
den aus medizinischer Sicht aufgrund der Krankheit oder Behinderung erforderlichen Unterstützungsbedarf und
5.
die voraussichtliche Dauer der Maßnahme.

(1) Anstelle eines Sachverständigengutachtens nach § 280 genügt ein ärztliches Zeugnis, wenn der Betroffene die Bestellung eines Betreuers beantragt und auf die Begutachtung verzichtet hat und die Einholung des Gutachtens insbesondere im Hinblick auf den Umfang des Aufgabenkreises des Betreuers unverhältnismäßig wäre.

(2) § 280 Abs. 2 gilt entsprechend.