Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2008 - XII ZB 103/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Antragsteller ist der Vater des Kindes Yann Niklas, das im April 2004 geboren wurde. Das Kind lebt bei der Antragsgegnerin, seiner Mutter. Die Eltern sind und waren nicht miteinander verheiratet. Die Antragsgegnerin ist alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge.
- 2
- Zwischen dem Antragsteller, der in die Nachbarschaft der Antragsgegnerin umgezogen ist, und dem Sohn finden regelmäßige Umgangskontakte statt. Die Eltern sind zerstritten. Sie sind sich insbesondere uneinig hinsichtlich der Gesundheitsfürsorge. Der Antragsteller wirft der Antragsgegnerin ferner eine Bindungsintoleranz vor.
- 3
- Der Antragsteller hat vor dem Familiengericht in der Hauptsache beantragt , der Antragsgegnerin die elterliche Sorge zu entziehen und diese auf ihn zu übertragen, hilfsweise festzustellen, dass eine gemeinsame elterliche Sorge besteht.
- 4
- Das Familiengericht hat die Anträge zurückgewiesen. Es hat auf die mangelnde Zustimmung der Antragsgegnerin verwiesen. Die Entziehung der elterlichen Sorge nach § 1666 BGB komme nicht in Betracht, weil keinerlei Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bestünden. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Antragstellers als unzulässig verworfen.
- 5
- Dagegen richtet sich die vom Antragsteller eingelegte Rechtsbeschwerde.
II.
- 7
- 1. Wegen der Verweisung in § 621 e Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. ZPO ist auch die Rechtsbeschwerde gegen eine die Beschwerde als unzulässig verwerfende Endentscheidung in einer Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO zulässig. Erforderlich ist somit, dass eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts wegen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (Senatsbeschlüsse BGHZ 155, 21, 22 = FamRZ 2003, 1093 und vom 13. April 2005 - XII ZB 54/03 - FamRZ 2005, 975).
- 8
- 2. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung.
- 9
- a) Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, dass eine Beschwerdeberechtigung des Antragstellers nicht aus § 57 Abs. 1 Nr. 8 FGG folge. Auch aus § 20 Abs. 1 FGG ergebe sie sich nicht, weil der Antragsteller als nicht sorgeberechtigter Elternteil nicht in seinen Rechten beeinträchtigt sei. Eine Beschwerdebefugnis kraft eigenen Antragsrechts im Sinne von § 20 Abs. 2 FGG bestehe ebenfalls nicht, weil Maßnahmen nach § 1666 BGB nicht "nur auf Antrag" ergingen.
- 10
- b) Das Oberlandesgericht weicht mit seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Senats ab und befindet sich auch nicht im Widerspruch zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen.
- 11
- Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass die Beschwerdeberechtigung von der materiellrechtlichen Rechtsstellung des Beschwerdeführers abhängig ist.
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- aa) Die Beschwerdeberechtigung nach § 57 Abs. 1 Nr. 8 FGG gilt nicht für Endentscheidungen in Sorgerechtsverfahren, wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat (§§ 64 Abs. 3 Satz 3, 57 Abs. 2 FGG; vgl. Keidel/ Kuntze/Winkler/Engelhardt FGG 15. Aufl. § 57 Rdn. 31). Die Beschwerdeberechtigung nach § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG ist ebenfalls gemäß § 64 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 57 Abs. 2 FGG für Familiensachen ausdrücklich ausge- schlossen (Senatsbeschluss vom 13. April 2005 - XII ZB 54/03 - FamRZ 2005, 975, 976 m.w.N.).
- 13
- bb) Auch nach der allgemeinen Regelung in § 20 FGG steht dem von vornherein nicht sorgeberechtigten Vater kein Beschwerderecht gegen den Maßnahmen nach § 1666 BGB ablehnenden Beschluss des Amtsgerichts zu. Nach § 20 Abs. 1 FGG steht die Beschwerde jedem zu, "dessen Recht" durch die Verfügung beeinträchtigt ist. Wie ein Vergleich mit § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG zeigt, der "unbeschadet der Vorschrift des § 20" für Vormundschaftssachen eine weitergehende Beschwerdeberechtigung festlegt, erfordert die allgemeine Regelung einen unmittelbaren Eingriff in ein im Zeitpunkt der Entscheidung bestehendes subjektives Recht des Beschwerdeführers. Dass er ein berechtigtes Interesse an der Änderung oder Beseitigung der Entscheidung haben mag, genügt hingegen nicht (Senatsbeschluss vom 13. April 2005 - XII ZB 54/03 - FamRZ 2005, 975, 976 m.w.N.). Ebenso wenig genügt es in diesem Zusammenhang , dass der Antragsteller neben der Mutter Träger des Elternrechts gemäß § 6 Abs. 2 GG ist.
- 14
- In eigener Rechtsstellung ist der Antragsteller nicht betroffen. Da der nicht mit der Mutter verheiratete Vater nicht schon kraft Gesetzes (Mit-)Inhaber der elterlichen Sorge wird und ihm eine Beteiligung am Sorgerecht nach §§ 1626 a, 1672 Abs. 1 Satz 1 BGB nur mit Zustimmung der Mutter offen steht, mangelt es insoweit an einer Beeinträchtigung seiner materiellen Rechtsstellung. Das Elternrecht begründet für sich genommen noch keine gleichwertige Rechtsstellung für beide Eltern, sondern bedarf der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber (BVerfG FamRZ 2003, 285, 287; FamRZ 2003, 1447, 1448). Das Bundesverfassungsgericht hat es in den genannten Entscheidungen nicht beanstandet , dass der Gesetzgeber die Beteiligung des Vaters am Sorgerecht vom Willen der Mutter abhängig macht, welcher entweder in einer Sorgeerklä- rung nach § 1626 a BGB oder in ihrer Zustimmung nach § 1672 Abs. 1 Satz 1 BGB seinen Ausdruck finden kann.
- 15
- Ob der nicht sorgeberechtigte Vater in anderen Fällen beschwerdeberechtigt sein kann, wenn er etwa ursprünglich Inhaber des Sorgerechts war, dieses aber entzogen worden ist (vgl. Jansen/Wick FGG 3. Aufl. § 64 Rdn. 167), oder aber nachdem das Familiengericht der Mutter das Sorgerecht nach § 1666 BGB entzogen hat (vgl. § 1680 Abs. 3 BGB und hierzu Orgis JAmt 2008, 243), bedarf hier keiner Entscheidung.
- 16
- Weil die für die Beschwerdeberechtigung maßgeblichen Aspekte in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie auch - soweit ersichtlich - der Oberlandesgerichte nicht unterschiedlich beurteilt werden (vgl. auch Jansen/ Wick FGG 3. Aufl. § 64 Rdn. 167; Zöller/Philippi ZPO 27. Aufl. § 621 e Rdn. 14 a m.w.N.) und auch die Rechtsbeschwerde abweichende Entscheidungen nicht aufzeigt, kann die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nicht begründen.
- 17
- c) Auch die Fortbildung des Rechts oder eine grundsätzliche Bedeutung erfordert keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
- 18
- Dem Senat ist es verwehrt, die der Beschwerdeberechtigung zugrunde liegende Ausgangsfrage anders zu beantworten als die insoweit eindeutige Gesetzeslage , an die die Gerichte gebunden sind.
- 19
- Eine Verfassungswidrigkeit der §§ 1626 a, 1672 BGB hat das Bundesverfassungsgericht verneint (BVerfG FamRZ 2003, 285, 287; FamRZ 2003, 1447, 1448). Zwar hat das Bundesverfassungsgericht insoweit dem Gesetzgeber aufgegeben, die tatsächliche Entwicklung zu beobachten und zu prüfen, ob dessen dem geltenden Recht zugrunde liegende Annahme, dass die an die Zu- stimmung der Mutter gebundene Beteiligung des Vaters am Sorgerecht dem Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG ausreichend Rechnung trägt, vor der Wirklichkeit Bestand hat. Dass der Gesetzgeber diese Verpflichtung verletzt hätte, ist indessen nicht ersichtlich.
- 20
- Auch wenn schließlich - abgesehen von den Besonderheiten des vorliegenden Falles - rechtspolitisch durchaus Gründe für eine erleichterte Beteiligung des Vaters am Sorgerecht sprechen dürften (vgl. dazu etwa Coester FamRZ 2007, 1137), besteht aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage jedenfalls kein Interpretationsspielraum, der etwa ein Antragsrecht des Vaters und seine dem folgende Beschwerdeberechtigung eröffnen könnte.
AG Potsdam, Entscheidung vom 31.03.2008 - 43 F 73/08 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 20.05.2008 - 15 UF 55/08 -
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(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.
(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.
(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere
- 1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen, - 2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen, - 3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält, - 4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen, - 5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge, - 6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.
(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.
(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.
(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.
(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere
- 1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen, - 2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen, - 3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält, - 4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen, - 5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge, - 6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.
(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.
(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.
(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.
(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere
- 1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen, - 2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen, - 3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält, - 4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen, - 5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge, - 6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.
(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.
(1) Stand die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zu und ist ein Elternteil gestorben, so steht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu.
(2) Ist ein Elternteil, dem die elterliche Sorge gemäß § 1626a Absatz 3 oder § 1671 allein zustand, gestorben, so hat das Familiengericht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, soweit einem Elternteil die elterliche Sorge entzogen wird.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.