Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Mai 2015 - XI ZR 397/14

bei uns veröffentlicht am12.05.2015
vorgehend
Amtsgericht Rheinbach, 10 C 117/13, 09.01.2014
Landgericht Bonn, 6 S 30/14, 04.08.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X I Z R 3 9 7 / 1 4
vom
12. Mai 2015
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
1. Nachdem die Revision begründet worden ist, kann ein prozessual wirksames
Anerkenntnis nur noch von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt abgegeben werden (Fortführung von BGH, Anerkenntnisurteil
vom 6. Mai 2014 - X ZR 11/14, WM 2014, 1553 Rn. 8).
2. Besteht der Kläger nach Gewährung rechtlichen Gehörs auf einer Entscheidung
, ist sein Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils wegen des Fehlens
eines wirksamen Anerkenntnisses im Beschlusswege entsprechend § 335
Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
BGH, Beschluss vom 12. Mai 2015 - XI ZR 397/14 - LG Bonn
AG Rheinbach
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ellenberger, den Richter Dr. Matthias sowie die Richterinnen Dr. Menges,
Dr. Derstadt und Dr. Dauber
am 12. Mai 2015

beschlossen:
Der Antrag des Klägers vom 25. Februar 2015 auf Erlass eines Anerkenntnisurteils gegen die Beklagte wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten um die Rückzahlung eines Bearbeitungsentgelts nebst Zinsen, welches die Beklagte im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Darlehensvertrages erhoben hat.
2
Das Amtsgericht hat die auf Rückzahlung gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision ist vom Kläger fristgerecht eingelegt und begründet worden. Nach Eingang der Revisionsbegründung hat die Beklagte durch ihren zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten die Klageforderung anerkannt. Der Kläger hat daraufhin den Erlass eines Anerkenntnisurteils durch den erkennenden Senat beantragt.

II.

3
Der Antrag des Klägers auf Erlass eines Anerkenntnisurteils ist zurückzuweisen , da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
4
1. Der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten konnte die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche des Klägers gegenüber dem Revisionsgericht nicht wirksam anerkennen.
5
a) Die Erklärung eines Anerkenntnisses unterliegt als Prozesshandlung dem Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 ZPO). Vor den Gerichten des höheren Rechtszugs kann eine dem Anwaltszwang unterliegende Prozesshandlung grundsätzlich wirksam nur von einem Rechtsanwalt vorgenommen werden, der bei dem Gericht zugelassen ist, dem gegenüber die Prozesshandlung zu erklären ist. Wenn der Rechtsstreit in der Rechtsmittelinstanz anhängig ist, können daher grundsätzlich auch die Prozesshandlungen, die sich an das Rechtsmittelgericht richten - wie die Abgabe eines prozessualen Anerkenntnisses -, nur von einem beim Rechtsmittelgericht zugelassenen Rechtsanwalt vorgenommen werden (BGH, Anerkenntnisurteil vom 6. Mai 2014 - X ZR 11/14, WM 2014, 1553 Rn. 5). Von diesem Grundsatz hat der Bundesgerichtshof eine Ausnahme zugelassen , wenn das Anerkenntnis vor Eingang der Revisionsbegründung abgegeben wird, weil dann der Schutzzweck des § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO eine Bestellung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts nicht erfordere , da diesem mangels Revisionsbegründung keine andere Beurteilungsgrundlage zur Verfügung stehe als dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten (BGH, aaO Rn. 8).
6
b) Die Voraussetzungen dieser Ausnahme liegen hier nicht vor, da die Revision vor Abgabe des Anerkenntnisses begründet worden ist. Das Anerkenntnis hätte daher von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechts- anwalt abgegeben werden müssen. Das vom zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten erklärte Anerkenntnis ist unwirksam.
7
Da sich nach Eingang der Revisionsbegründung die Grundlage für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage für die beklagte Partei wandelt und nun insbesondere revisionsrechtliche Fragen hinsichtlich Zulässigkeit und Begründetheit des Rechtsmittels im Vordergrund stehen, deren Beurteilung spezielle Rechtskenntnisse erfordert, die sich gerade die beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte angeeignet haben, kann nach Eingang der Revisionsbegründung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO keine weitere Ausnahme vom oben dargestellten Grundsatz zugelassen werden. Es bedarf in dem hier vorliegenden Verfahrensstadium zur Abgabe eines Anerkenntnisses zwingend des Handelns eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts.
8
2. Der Kläger ist vom Senatsvorsitzenden darauf hingewiesen worden, dass ein Anerkenntnisurteil wegen fehlender Postulationsfähigkeit des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht ergehen kann. Da er auf einer Entscheidung des Senats bestanden hat, ist sein Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils wegen des Fehlens eines wirksamen Anerkenntnisses im Beschlusswege entsprechend § 335 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen (vgl. OLG Schleswig, NJW-RR 1993, 930, 932), denn die Frage nach der Wirksamkeit des Anerkenntnisses ist verfahrensrechtlich einer Prozessvoraussetzung gleichzustellen.
9
3. Eine Kostenentscheidung ergeht nicht, weil der zurückweisende Beschluss gerichtsgebührenfrei ergeht und weitere Anwaltskosten nicht anfallen (vgl. Hk-ZPO/Pukall, 6. Aufl., § 335 Rn. 12).
Ellenberger Matthias Menges Derstadt Dauber

Vorinstanzen:
AG Rheinbach, Entscheidung vom 09.01.2014 - 10 C 117/13 -
LG Bonn, Entscheidung vom 04.08.2014 - 6 S 30/14 -

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Mai 2015 - XI ZR 397/14 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 78 Anwaltsprozess


(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so m

Zivilprozessordnung - ZPO | § 555 Allgemeine Verfahrensgrundsätze


(1) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Abschnitts ergeben, die im ersten Rechtszuge für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Einer Güteverhandlung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 307 Anerkenntnis


Erkennt eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil an, so ist sie dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es insoweit nicht.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 335 Unzulässigkeit einer Versäumnisentscheidung


(1) Der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils oder einer Entscheidung nach Lage der Akten ist zurückzuweisen:1.wenn die erschienene Partei die vom Gericht wegen eines von Amts wegen zu berücksichtigenden Umstandes erforderte Nachweisung nicht zu

Referenzen

(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.

(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

Erkennt eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil an, so ist sie dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es insoweit nicht.

(1) Der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils oder einer Entscheidung nach Lage der Akten ist zurückzuweisen:

1.
wenn die erschienene Partei die vom Gericht wegen eines von Amts wegen zu berücksichtigenden Umstandes erforderte Nachweisung nicht zu beschaffen vermag;
2.
wenn die nicht erschienene Partei nicht ordnungsmäßig, insbesondere nicht rechtzeitig geladen war;
3.
wenn der nicht erschienenen Partei ein tatsächliches mündliches Vorbringen oder ein Antrag nicht rechtzeitig mittels Schriftsatzes mitgeteilt war;
4.
wenn im Falle des § 331 Abs. 3 dem Beklagten die Frist des § 276 Abs. 1 Satz 1 nicht mitgeteilt oder er nicht gemäß § 276 Abs. 2 belehrt worden ist;
5.
wenn in den Fällen des § 79 Abs. 3 die Zurückweisung des Bevollmächtigten oder die Untersagung der weiteren Vertretung erst in dem Termin erfolgt oder der nicht erschienenen Partei nicht rechtzeitig mitgeteilt worden ist.

(2) Wird die Verhandlung vertagt, so ist die nicht erschienene Partei zu dem neuen Termin zu laden.

(1) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Abschnitts ergeben, die im ersten Rechtszuge für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Einer Güteverhandlung bedarf es nicht.

(2) Die Vorschriften der §§ 348 bis 350 sind nicht anzuwenden.

(3) Ein Anerkenntnisurteil ergeht nur auf gesonderten Antrag des Klägers.

(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.

(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(1) Der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils oder einer Entscheidung nach Lage der Akten ist zurückzuweisen:

1.
wenn die erschienene Partei die vom Gericht wegen eines von Amts wegen zu berücksichtigenden Umstandes erforderte Nachweisung nicht zu beschaffen vermag;
2.
wenn die nicht erschienene Partei nicht ordnungsmäßig, insbesondere nicht rechtzeitig geladen war;
3.
wenn der nicht erschienenen Partei ein tatsächliches mündliches Vorbringen oder ein Antrag nicht rechtzeitig mittels Schriftsatzes mitgeteilt war;
4.
wenn im Falle des § 331 Abs. 3 dem Beklagten die Frist des § 276 Abs. 1 Satz 1 nicht mitgeteilt oder er nicht gemäß § 276 Abs. 2 belehrt worden ist;
5.
wenn in den Fällen des § 79 Abs. 3 die Zurückweisung des Bevollmächtigten oder die Untersagung der weiteren Vertretung erst in dem Termin erfolgt oder der nicht erschienenen Partei nicht rechtzeitig mitgeteilt worden ist.

(2) Wird die Verhandlung vertagt, so ist die nicht erschienene Partei zu dem neuen Termin zu laden.