Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2006 - XI ZB 20/05

bei uns veröffentlicht am16.05.2006
vorgehend
Landgericht München I, 4 O 24740/04, 15.04.2005
Oberlandesgericht München, 19 W 1464/05, 20.06.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 20/05
vom
16. Mai 2006
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe, den Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die
Richter Dr. Ellenberger und Prof. Dr. Schmitt
am 16. Mai 2006

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 20. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert beträgt 1.100 €.

Gründe:


I.


1
DieRechtsvorgänger in der beklagten Hypothekenbank (im Folgenden : Beklagte) gewährte der Klägerin 1995 ein Darlehen. Im Jahre 2000 bewilligte sie die vorzeitige Ablösung gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Sie berechnete die Höhe der Entschädigung nach der so genannten Aktiv-Passiv-Methode und legte dabei als Rendite aus einer laufzeitkongruenten Wiederanlage des frei gewordenen Betrages die Rendite öffentlicher Anleihen zugrunde. Die Klägerin machte mit Schreiben vom 10. Dezember 2004 unter Bezugnahme auf ein Gutachten einer Verbraucherzentrale geltend, die Berechnung sei unzutreffend, bat, ins- besondere auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des erkennenden Senats vom 30. November 2004, um Überprüfung und setzte im Hinblick auf die drohende Verjährung eine Frist bis zum 17. Dezember 2004. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 23. Dezember 2004, die Umsetzung der Entscheidung vom 30. November 2004 sei noch nicht möglich , weil die schriftlichen Urteilsgründe noch nicht vorlägen. Sie verzichte deshalb bis zum 30. Juni 2005 auf die Einrede der Verjährung und werde noch mitteilen, ob ein Nachberechnungsanspruch bestehe. Ein Anerkenntnis auf Nachberechnung sei damit nicht verbunden. Dieses Schreiben ging der Klägerin am 28. Dezember 2004 zu.
2
Die Klägerin hat mit einem am 27. Dezember 2004 eingegangenen Schriftsatz vom 23. Dezember 2004 Klage auf Rückzahlung eines Teils der Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 20.855,11 € erhoben. Nach gerichtlicher Veranlassung des schriftlichen Vorverfahrens hat die Beklagte einen Tag nach Ablauf der Frist gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO mitgeteilt, sie sei bereit, eine Neuberechnung vorzunehmen und einen etwaigen Überschuss auszuzahlen. Entsprechend der Neuberechnung werde sie den Klageantrag gegebenenfalls ganz oder teilweise anerkennen. Sie werde sich gegen die Klage nur verteidigen, soweit diese nach der Neuberechnung unbegründet sei. Derzeit sei eine Neuberechnung noch nicht sinnvoll, weil die Entscheidungsgründe des Urteils vom 30. November 2004 noch nicht vorlägen.
3
1. März Am 2005 hat die Beklagte einen Betrag in Höhe von 6.837,74 € unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt und im Übrigen Klageabweisung beantragt. Die Klägerin hat die Klage daraufhin, soweit sie über den anerkannten Betrag hinausging, zurückgenommen.
Das Landgericht hat die Beklagte durch Anerkenntnisurteil zur Zahlung von 6.837,74 € verurteilt und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt. Auf deren sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht durch den angefochtenen Beschluss die Kostenentscheidung des Anerkenntnisurteils dahin abgeändert, dass die Klägerin zwei Drittel und die Beklagte ein Drittel der Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beklagte mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.


4
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO zulässige (BGH, Beschluss vom 3. März 2004 - IV ZB 21/03, NJW-RR 2004, 999) Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
5
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO liege nicht vor. Die Beklagte habe zwar keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Die Klägerin habe im Schreiben vom 10. Dezember 2004 eine zu knappe Frist gesetzt und die Verjährungsfrist bis zum Jahresende weitergehend ausschöpfen müssen. Außerdem habe sie nur eine Neuberechnung der Vorfälligkeitsentschädigung verlangt und den eingeklagten Betrag vor Klageerhebung nicht geltend gemacht. Die Beklagte habe den Anspruch aber nicht sofort anerkannt. Ein Anerkenntnis erfolge in der Regel nur dann sofort, wenn es spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Erklärung über die Verteidigungsbereitschaft gemäß § 276 ZPO erklärt werde. Dies sei hier nicht geschehen. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass sie erst nach Vorlage der schriftlichen Gründe des Urteils vom 30. November 2004 zu einer Neuberechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in der Lage gewesen sei. Anders als eine gesetzliche Neuregelung ändere eine neue höchstrichterliche Rechtsprechung die objektive Rechtslage nicht.
6
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Das Berufungsgericht hat der Beklagten gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu Recht die auf ihr Anerkenntnis entfallenden Kosten auferlegt. Die Voraussetzungen, unter denen diese Kosten gemäß § 93 ZPO von der Klägerin zu tragen wären, liegen nicht vor.
7
a) Ob nach Veranlassung eines schriftlichen Vorverfahrens (§ 272 Abs. 2, § 276 ZPO) ein Anerkenntnis nur dann sofort erklärt wird, wenn es, anders als im vorliegenden Fall, bereits im ersten Erklärungsschriftsatz erfolgt, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt (vgl. Bork, in: Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 93 Rdn. 6 m.w.Nachw. zum Meinungsstand; Vossler NJW 2006, 1034, 1035 zur Rechtslage nach der Neufassung des § 307 ZPO durch das Erste Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004, BGBl. I S. 2198). Diese Frage braucht nicht entschieden zu werden, weil die Beklagte jedenfalls Anlass zur Klageerhebung gegeben hatte.
8
b) Das vorprozessuale Verhalten eines Beklagten gibt Anlass zur Erhebung der Klage, wenn es vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt (BGH, Urteil vom 27. Juni 1979 - VIII ZR 233/78, WM 1979, 884, 885; Zöller/Herget, ZPO 25. Aufl. § 93 Rdn. 3, jeweils m.w.Nachw.). Diesen Schluss durfte die Klägerin berechtigterweise ziehen, weil ihre Forderung gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 Satz 1 EGBGB mit Ablauf des 31. Dezember 2004 zu verjähren drohte und die Beklagte ihr Schreiben vom 10. Dezember 2004 nicht innerhalb der gesetzten Frist bis zum 17. Dezember 2004 beantwortet hatte. Die Beklagte konnte zwar innerhalb dieser Frist das Schreiben der Klägerin nicht abschließend bearbeiten, weil die Klägerin um Berücksichtigung der Senatsentscheidung vom 30. November 2004 gebeten hatte, deren schriftliche Gründe noch nicht veröffentlicht waren. Sie konnte aber kurzfristig auf die Einrede der Verjährung verzichten und eine Neuberechnung der Vorfälligkeitsentschädigung verbindlich in Aussicht stellen. Hierzu bestand vor allem deshalb Anlass, weil die Beklagte unabhängig von dem Senatsurteil vom 30. November 2004 wissen musste, dass sie die Vorfälligkeitsentschädigung fehlerhaft berechnet hatte. Der Senat hatte bereits durch Urteil vom 7. November 2000 (BGHZ 146, 5, 12) entschieden, dass einer Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode die Rendite einer Wiederanlage in Hypothekenpfandbriefen und nicht, wie in der Berechnung der Beklagten, die Rendite von Wertpapieren der öffentlichen Hand zugrunde zu legen ist. Daran hatte sich durch das Urteil des Senats vom 30. November 2004 (BGHZ 161, 196 ff.) nichts geändert. Die Beklagte konnte der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 30. November 2004 und der anschließenden Berichterstattung in den Medien entnehmen, dass der Senat sich in seinem Urteil vom 30. November 2004 nur gegen eine Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung anhand der Wiederanlagerenditen des so genannten PEX-Index ausgesprochen hatte, den die Beklagte bei ihrer Berechnung ohnehin nicht herangezogen hatte. Selbst wenn sie angesichts des ausdrücklichen Wunsches der Klägerin um Berücksichtigung des Urteils vom 30. November 2004 nicht verpflichtet war, die Neuberechnung bereits vor der Veröffentlichung der schriftlichen Urteilsgründe vorzunehmen, war sie aufgrund der offensichtlichen Unrichtigkeit ihrer bisherigen Berechnung jedenfalls gehalten, auf das Schreiben der Klägerin vom 10. Dezember 2004 sofort, d.h. innerhalb der gesetzten Frist bis zum 17. Dezember 2004, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Der Klägerin war es nicht zuzumuten, die zur Verjährungsunterbrechung erforderliche Klageerhebung über den 23. Dezember 2004 hinaus bis zum Zugang des Schreibens der Beklagten am 28. Dezember 2004 zurückzustellen.

9
3. Die Rechtsbeschwerde war demnach als unbegründet zurückzuweisen.
Nobbe Joeres Mayen Richter am Bundesge- Schmitt richtshof Dr. Ellenberger ist erkrankt und deshalb gehindert, seine Unterschrift beizufügen. Nobbe
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 15.04.2005 - 4 O 24740/04 -
OLG München, Entscheidung vom 20.06.2005 - 19 W 1464/05 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2006 - XI ZB 20/05

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2006 - XI ZB 20/05

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2006 - XI ZB 20/05 zitiert 7 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 93 Kosten bei sofortigem Anerkenntnis


Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 307 Anerkenntnis


Erkennt eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil an, so ist sie dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es insoweit nicht.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 276 Schriftliches Vorverfahren


(1) Bestimmt der Vorsitzende keinen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung, so fordert er den Beklagten mit der Zustellung der Klage auf, wenn er sich gegen die Klage verteidigen wolle, dies binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustell

Zivilprozessordnung - ZPO | § 272 Bestimmung der Verfahrensweise


(1) Der Rechtsstreit ist in der Regel in einem umfassend vorbereiteten Termin zur mündlichen Verhandlung (Haupttermin) zu erledigen. (2) Der Vorsitzende bestimmt entweder einen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung (§ 275) oder veranlas

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2006 - XI ZB 20/05 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2006 - XI ZB 20/05 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. März 2004 - IV ZB 21/03

bei uns veröffentlicht am 03.03.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZB 21/03 vom 3. März 2004 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja _____________________ ZPO §§ 93, 272 Abs. 1, 276 a) Bei Anfechtungen von Kostenentscheidungen nach §§ 93, 99 Abs. 2 ZPO ist

Referenzen

(1) Bestimmt der Vorsitzende keinen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung, so fordert er den Beklagten mit der Zustellung der Klage auf, wenn er sich gegen die Klage verteidigen wolle, dies binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht schriftlich anzuzeigen; der Kläger ist von der Aufforderung zu unterrichten. Zugleich ist dem Beklagten eine Frist von mindestens zwei weiteren Wochen zur schriftlichen Klageerwiderung zu setzen. Ist die Zustellung der Klage im Ausland vorzunehmen, so beträgt die Frist nach Satz 1 einen Monat. Der Vorsitzende kann in diesem Fall auch eine längere Frist bestimmen.

(2) Mit der Aufforderung ist der Beklagte über die Folgen einer Versäumung der ihm nach Absatz 1 Satz 1 gesetzten Frist sowie darüber zu belehren, dass er die Erklärung, der Klage entgegentreten zu wollen, nur durch den zu bestellenden Rechtsanwalt abgeben kann. Die Belehrung über die Möglichkeit des Erlasses eines Versäumnisurteils nach § 331 Abs. 3 hat die Rechtsfolgen aus den §§ 91 und 708 Nr. 2 zu umfassen.

(3) Der Vorsitzende kann dem Kläger eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Klageerwiderung setzen.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 21/03
vom
3. März 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________

a) Bei Anfechtungen von Kostenentscheidungen nach §§ 93, 99
Abs. 2 ZPO ist die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2
ZPO statthaft.

b) Ist eine Klage (hier: auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus einer
Grundschuld wegen fehlender Angaben zur Fälligkeit gemäß § 1193
BGB) zunächst nicht schlüssig, kann die beklagte Partei trotz angezeigter
Verteidigungsbereitschaft im schriftlichen Vorverfahren nach entsprechend
ergänztem Sachvortrag den Anspruch noch "sofort" i.S. von § 93
ZPO anerkennen.
BGH, Beschluß vom 3. März 2004 - IV ZB 21/03 - OLG Stuttgart
LG Heilbronn
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
am 3. März 2004

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden der Beschluß des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 26. Mai 2003 aufgehoben und die Kostenentscheidung im Anerkenntnisurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 6. März 2003 geändert.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Gegenstandswert der Beschwerde und der Rechtsbeschwerde wird auf bis zu 19.000

Gründe:


I. Die Klägerin nahm die Beklagte aus einer Grundschuld auf Duldung der Zwangsvollstreckung in Anspruch.
In der Grundschuldbestellungsurkunde vom 12. September 1989, an deren Errichtung die ehemaligen Grundstückseigentümer R. und R., nicht aber die Beklagte beteiligt gewesen waren, ist in Ziffer 1 vereinbart, daß die Grundschuld fällig sei. Nach der Zweckerklärung vom 10. Dezember 2001 werden mit der Grundschuld Forderungen der Klägerin unter anderem gegen die S. Fleisch- und Wurstwarenfabrik R. GmbH (im folgenden: GmbH) gesichert.
Am 31. Juli 2002 kaufte die Beklagte das mit der Grundschuld belastete Grundstück. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2002 an den Beklagtenvertreter , der auch die GmbH vertrat, forderte die Klägerin die GmbH auf, sich dinglich wie persönlich der Zwangsvollstreckung bis zum 16. Dezember 2002 zu unterwerfen. Am 18. Dezember 2002 wurde die Beklagte als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.
Die Klageschrift wurde der Beklagten am 22. Januar 2003 aufgrund gerichtlicher Verfügung vom 17. Januar 2003 zugestellt. In dieser Verfügung ordnete der Vorsitzende die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens an (§ 272 Abs. 2, 276 ZPO) und fragte außerdem an, woraus sich die Fälligkeit der Grundschuld (§ 1193 BGB) ergebe. Die Klageschrift enthielt dazu nichts. Am 30. Januar 2003 ging bei Gericht die Anzeige der Beklagten ein, daß sie sich gegen die Klage verteidigen wolle. Am selben Tag legte die Klägerin dem Gericht eine Kopie der Grund-

schuldbestellungsurkunde vor unter Hinweis auf die Fälligkeitsregelung in Ziffer 1, wovon die Beklagte am 5. Februar 2003 Ablichtungen erhielt. Mit am 17. Februar 2003 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz erkannte die Beklagte den Klageanspruch unter Protest gegen die Kostenlast an.
In dem darauf ergangenen Anerkenntnisurteil hat das Landgericht der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO liege nicht vor, weil die Beklagte zunächst umfassend ihre Verteidigungsbereitschaft mitgeteilt habe. Bei Anordnung eines schriftlichen Vorverfahrens könne ein sofortiges Anerkenntnis nur in der ersten Erwiderung erfolgen. Das Oberlandesgericht hat sich dieser Ansicht angeschlossen und die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen.
II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
1. Sie ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthaft.
Im Rahmen von Kostenentscheidungen nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen gemäß § 91a ZPO ist die Statthaftigkeit einer Rechtsbeschwerde allgemein anerkannt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. November 2002 - VIII ZB 66/02 - ZMR 2003, 333 unter II 1; 29. Juli 2003 - VIII ZB 55/03 - NJW-RR 2003, 1504 unter II 2; 29. Juli 2003 - VIII ZB 59/03 - WuM 2003, 637 unter II; 11. September 2003 - XII ZB

188/02 - WuM 2003, 709 unter II 1; 24. September 2003 - IV ZB 8/03 - unter II 1; 20. Oktober 2003 - II ZB 27/02 - unter II 1, zur Veröffentli- chung in BGHZ vorgesehen; 22. Dezember 2003 - VIII ZB 94/03 - unter II, zur Veröffentlichung vorgesehen; Musielak/Wolst, ZPO 3. Aufl. § 91a Rdn. 26; Thomas/Putzo, ZPO 25. Aufl. § 91a Rdn. 52; Baumbach/Lauterbach /Albers/Hartmann, ZPO 62. Aufl. § 91a Rdn. 156). Die demgegenüber mit Blick auf § 99 Abs. 1 ZPO vereinzelt gebliebenen Bedenken (BGH, Beschluß vom 8. Mai 2003 - I ZB 40/02 - NJW-RR 2003, 1075 unter 2 - obiter dictum), die die Rechtsbeschwerdeerwiderung auch hier für sich nutzbar machen möchte, greifen nicht durch.
Die besondere gesetzliche Regelung eines auf Rechtskontrolle beschränkten Rechtsmittels in § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist auch gegenüber der allgemeinen Regelung zur Anfechtung von Kostenentscheidungen des § 99 Abs. 1 ZPO klar und vom Gesetzgeber gerade auch auf diesem Rechtsgebiet in Anbetracht des bislang begrenzten Instanzenzuges gewollt (Treber in Hannich/Meyer-Seitz (Hrsg.) ZPO-Reform 2002 vor § 574 ZPO Rdn. 6 m.w.N.). Außerdem verlangt eine Überprüfung von Kostenentscheidungen gemäß § 93 ZPO im Rahmen der Rechtsbeschwerde weder eine umfassende Beurteilung der Hauptsache noch ermöglicht sie diese. Denn überprüft wird nur und zwar weitgehend ohne Rücksicht auf die materielle Rechtslage (vgl. Zöller/Herget, ZPO 24. Aufl. § 93 Rdn. 3), ob die anerkennende Partei Veranlassung zur Klage gegeben und ob sie sofort anerkannt hat. Insoweit unterliegt dieses Rechtsmittel eigenen, vom Zweck der Sperrwirkung des § 99 Abs. 1 ZPO nicht erfaßten Prüfungskriterien.

2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Vor- aussetzungen des § 93 ZPO liegen vor.

a) Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht angenommen, die Beklagte habe nach Anzeige ihrer Verteidigungsabsicht nicht mehr mit der Kostenfolge des § 93 ZPO sofort anerkennen können. Dabei kommt es nicht auf die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage an, ob nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens gemäß §§ 272 Abs. 2, 276 ZPO ein Anerkenntnis, um als "sofortiges" im Sinne von § 93 ZPO zu gelten, innerhalb der zweiwöchigen Notfrist für die Verteidigungsanzeige erklärt werden muß oder ob - nach Anzeige der Verteidigungsbereitschaft - noch innerhalb der anschließenden Frist zur Klageerwiderung "sofort" anerkannt werden kann (vgl. zum Streitstand nur Zöller/Herget, aaO Rdn. 4 und Zöller/Greger, aaO § 276 Rdn. 13 m.v.w.N.). Denn fehlt es zunächst an einer schlüssigen Klage, kann die beklagte Partei nach einhelliger Ansicht nach Behebung dieses Mangels noch "sofort" anerkennen (SchlHOLG JurBüro 2000, 657; KG JW 1929, 118 f.; Stein/Jonas /Bork, ZPO 21. Aufl. § 93 Rdn. 9; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, aaO § 93 Rdn. 99 unter "Substantiierung"; Zöller/Herget, aaO Rdn. 6 unter "Unschlüssige Klage"; Wieczorek/Schütze/Steiner, ZPO 3. Aufl. § 93 Rdn. 11; AK/Röhl, § 93 ZPO Rdn. 11). Für die von der Rechtsbeschwerdeerwiderung für möglich gehaltene Differenzierung zwischen einem unbegründeten und einem lediglich unschlüssig dargelegten Anspruch ist kein Raum. Eine Partei ist nicht gehalten, einen erst im weiteren Verlauf des Rechtsstreits substantiiert vorgetragenen Klageanspruch schon zuvor - gleichsam auf Verdacht - als begründet anzuerkennen , nur um sich der Kostentragungslast entziehen zu können.

So liegen die Dinge hier. Nach § 1193 Abs. 1 Satz 1 BGB wird das Kapital der Grundschuld erst nach vorheriger Kündigung fällig, die Kündigungsfrist beträgt gemäß § 1193 Abs. 1 Satz 3 BGB sechs Monate. In § 1193 Abs. 2 BGB hat der Gesetzgeber abweichende Bestimmungen für zulässig erklärt. Eine schlüssige Klage auf Duldung der Zwangsvollstrekkung aufgrund einer zugunsten des Klägers bestehenden Grundschuld setzt - entgegen der Rechtsbeschwerdeerwiderung - deshalb den Vortrag von Tatsachen voraus, aus denen sich ergibt, daß entweder die Grundschuld unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt oder aber eine Fälligkeitsvereinbarung getroffen worden ist, deren Voraussetzungen sämtlich gegeben sind. Einen derartigen Tatsachenvortrag enthält die Klageschrift nicht einmal ansatzweise. Er ist erstmals in dem am 30. Januar 2003 dem Gericht und am 5. Februar 2003 der Beklagten zugegangenen Schriftsatz enthalten. Die Beklagte hat den erst jetzt schlüssig gewordenen Klageanspruch bereits im nächsten bei Gericht eingereichten Schriftsatz und damit "sofort" im Sinne von § 93 ZPO anerkannt.

b) Die Beklagte hat keinen Anlaß zur Klage gegeben.
Das Beschwerdegericht hat diese Frage zwar offengelassen. Das bedingt aber keine Zurückverweisung der Sache gemäß § 577 Abs. 4 ZPO. Der Senat kann gemäß § 577 Abs. 5 ZPO in der Sache selbst entscheiden , da die dafür zugrunde zu legenden Tatsachen nicht im Streit sind und weiterer Vortrag dazu nicht zu erwarten, die Sache mithin entscheidungsreif ist.

Die Klägerin hat die Beklagte - entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerdeerwiderung - vorprozessual nicht aufgefordert, sich hinsichtlich der Grundschuld der Zwangsvollstreckung zu unterwerfen. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts richteten sich insbesondere die Unterwerfungsaufforderungen im Schreiben der Klägerin vom 2. Dezember 2002 an die GmbH. Die Beklagte ist nicht deren Rechtsnachfolgerin. Für die gegenteilige Behauptung der Klägerin ist nichts dargetan. Vielmehr existieren hier rechtlich selbständige Gesellschaften, bei denen auch der Umstand, daß sie ein- und denselben Rechtsanwalt zu ihrem (Prozeß-)Bevollmächtigten bestellt und mit der Wahrnehmung ihrer jeweiligen rechtlichen Interessen beauftragt haben , nicht dazu führen kann, mit der Aufforderung der einen Gesellschaft , sich in notarieller Urkunde der Zwangsvollstreckung zu unterwerfen , zugleich die andere Gesellschaft als ebenso aufgefordert zu betrachten. Die Beklagte hat sich vor Klageerhebung auch nicht in Verzug befunden. Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte (bzw. für sie handelnde natürliche Personen) jemals bekundet hätte(n), sie werde die Zwangsvollstreckung der Klägerin in das mit der Grundschuld belastete Grundstück nicht dulden und/oder eine entsprechende notarielle Urkunde werde nicht errichtet bzw. unterzeichnet, liegen ebenfalls nicht vor. Es bestand daher für die Klägerin kein hinreichender Grund anzunehmen, ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu ihrem Recht zu kommen.

Die Klägerin hat daher gemäß §§ 93, 97 ZPO die Kosten des Rechtsstreits insgesamt zu tragen.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Kessal-Wulf Felsch

Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

(1) Bestimmt der Vorsitzende keinen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung, so fordert er den Beklagten mit der Zustellung der Klage auf, wenn er sich gegen die Klage verteidigen wolle, dies binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht schriftlich anzuzeigen; der Kläger ist von der Aufforderung zu unterrichten. Zugleich ist dem Beklagten eine Frist von mindestens zwei weiteren Wochen zur schriftlichen Klageerwiderung zu setzen. Ist die Zustellung der Klage im Ausland vorzunehmen, so beträgt die Frist nach Satz 1 einen Monat. Der Vorsitzende kann in diesem Fall auch eine längere Frist bestimmen.

(2) Mit der Aufforderung ist der Beklagte über die Folgen einer Versäumung der ihm nach Absatz 1 Satz 1 gesetzten Frist sowie darüber zu belehren, dass er die Erklärung, der Klage entgegentreten zu wollen, nur durch den zu bestellenden Rechtsanwalt abgeben kann. Die Belehrung über die Möglichkeit des Erlasses eines Versäumnisurteils nach § 331 Abs. 3 hat die Rechtsfolgen aus den §§ 91 und 708 Nr. 2 zu umfassen.

(3) Der Vorsitzende kann dem Kläger eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Klageerwiderung setzen.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

(1) Der Rechtsstreit ist in der Regel in einem umfassend vorbereiteten Termin zur mündlichen Verhandlung (Haupttermin) zu erledigen.

(2) Der Vorsitzende bestimmt entweder einen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung (§ 275) oder veranlasst ein schriftliches Vorverfahren (§ 276).

(3) Die Güteverhandlung und die mündliche Verhandlung sollen so früh wie möglich stattfinden.

(4) Räumungssachen sind vorrangig und beschleunigt durchzuführen.

(1) Bestimmt der Vorsitzende keinen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung, so fordert er den Beklagten mit der Zustellung der Klage auf, wenn er sich gegen die Klage verteidigen wolle, dies binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht schriftlich anzuzeigen; der Kläger ist von der Aufforderung zu unterrichten. Zugleich ist dem Beklagten eine Frist von mindestens zwei weiteren Wochen zur schriftlichen Klageerwiderung zu setzen. Ist die Zustellung der Klage im Ausland vorzunehmen, so beträgt die Frist nach Satz 1 einen Monat. Der Vorsitzende kann in diesem Fall auch eine längere Frist bestimmen.

(2) Mit der Aufforderung ist der Beklagte über die Folgen einer Versäumung der ihm nach Absatz 1 Satz 1 gesetzten Frist sowie darüber zu belehren, dass er die Erklärung, der Klage entgegentreten zu wollen, nur durch den zu bestellenden Rechtsanwalt abgeben kann. Die Belehrung über die Möglichkeit des Erlasses eines Versäumnisurteils nach § 331 Abs. 3 hat die Rechtsfolgen aus den §§ 91 und 708 Nr. 2 zu umfassen.

(3) Der Vorsitzende kann dem Kläger eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Klageerwiderung setzen.

Erkennt eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil an, so ist sie dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es insoweit nicht.