Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2011 - V ZR 259/10

bei uns veröffentlicht am01.08.2011
vorgehend
Landgericht Ellwangen, 2 O 413/07, 09.11.2009
Oberlandesgericht Stuttgart, 13 U 198/09, 18.11.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 259/10
vom
1. August 2011
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. August 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. November 2010 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis zu 650.000 €.

Gründe:

I.

1
Die Klägerinnen, zwei Wohnungseigentümergemeinschaften, verlangen von der Beklagten Schadensersatz wegen Baumängeln. Sie haben ihre Klage sowohl auf Gewährleistungsansprüche gegen die Beklage als Bauunternehmerin gestützt als auch auf den Umstand, dass sie von der Beklagten als ehemaliger Verwalterin des Wohnungseigentums nicht auf das Bestehen solcher Rechte hingewiesen worden sind. Das Landgericht hat der Klage gestützt auf § 635 BGB aF stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

2
Das Berufungsgericht lässt offen, ob hinsichtlich des - in der Berufungsinstanz dem Grunde nach unstreitigen - Anspruchs gemäß § 635 aF Verjährung eingetreten ist. Wenn der Schadensersatzanspruch aus dem Bauvertrag verjährt sei, hafte die Beklagte nämlich wegen der Verletzung der Pflichten aus dem Verwaltervertrag gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG.

III.

3
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Indem das Berufungsgericht die Frage der Verjährung des Gewährleistungsanspruchs offen gelassen und den Schadensersatzanspruch alternativ entweder aus dem Bauvertrag oder aus dem Verwaltervertrag hergeleitet hat, hat es die Verurteilung auf beide Streitgegenstände gestützt.
4
1. Hinsichtlich des auf § 635 BGB aF gestützten Teils der Berufungsentscheidung ist die Nichtzulassungsbeschwerde mangels Begründung unzulässig.
5
2. Soweit sich die Beklagte gegen die Verurteilung wegen der Verletzung von Pflichten aus dem Verwaltervertrag gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG wendet, ist die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 62 Abs. 2 WEG nicht statthaft.
6
a) Das Berufungsgericht hat sachlich über einen Anspruch im Sinne von § 43 Nr. 3 WEG und damit über eine Wohnungseigentumssache gemäß § 62 Abs. 2 WEG entschieden. Auch eine auf die Verletzung von Verwalterpflichten gestützte Klage gegen einen ehemaligen Verwalter fällt unter § 43 Nr. 3 WEG (st. Rspr., zuletzt Senat, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - V ZB 190/10, WuM 2011, 185 Rn. 11 mwN). Dass das Oberlandesgericht über die Berufung entschieden hat, nachdem das Landgericht die ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts übersehen und in der Sache entschieden hat, ist ebenso unerheblich wie der Umstand, dass das Landgericht die bereits erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche wegen der Verletzung von Pflichten aus dem Verwaltervertrag sachlich nicht geprüft hat, weil es der Klage gestützt auf den Bauvertrag stattgegeben hat. Der Regelungstechnik des Gesetzes zufolge ist der Ausschluss der Nichtzulassungsbeschwerde nicht darauf bezogen, dass das Landgericht als Berufungsgericht entschieden hat, sondern auf das in der Berufungsinstanz angewandte materielle Recht.
7
b) Die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, die mit einem Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO begründet worden ist, führt nicht zur Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde. Im Kern macht die Beklagte geltend, das Berufungsgericht habe nur über den Anspruch aus § 635 BGB aF entscheiden dürfen und ihr sei der Sache nach die Nichtzulassungsbeschwerde abgeschnitten worden, indem die Entscheidung über die Verjährung dieses Anspruchs gestützt auf den Anspruch aus dem Verwaltervertrag unterblieben sei. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG eröffnet aber keinen gesetzlich nicht vorgesehenen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 107, 395, 411 f.), sondern muss mit der Anhörungsrüge gemäß § 321 a ZPO geltend gemacht werden. Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Beklagten herangezogenen Grundsatz der Meistbegünstigung, der schon deshalb nicht einschlägig ist, weil die Entscheidung in der richtigen Form ergangen ist. Ihr Einwand, der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG habe sich erst durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24. März 2011 (I ZR 108/09, GRUR 2011, 521 ff.) "konkretisiert" und sie habe daher keine fristgerechte Anhörungsrüge erheben können, führt nicht weiter. Abgesehen davon, dass nicht jeder Verfahrensfehler und erst recht nicht eine zeitlich nach der Urteilsverkündung ergangene höchstrichterliche Entscheidung einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör begründen kann, über- sieht die Nichtzulassungsbeschwerde, dass die Prüfung der von ihr bemängelten Verfahrensfehler die Zulässigkeit des Rechtsmittels voraussetzt. Insbesondere kann die behauptete fehlende sachliche Zuständigkeit des Berufungsgerichts keine weitere Instanz eröffnen.
8
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Schmidt-Räntsch Roth
Brückner Weinland
Vorinstanzen:
LG Ellwangen, Entscheidung vom 09.11.2009 - 2 O 413/07 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 18.11.2010 - 13 U 198/09 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2011 - V ZR 259/10

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2011 - V ZR 259/10

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2011 - V ZR 259/10 zitiert 8 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 308 Bindung an die Parteianträge


(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen. (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch oh

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 635 Nacherfüllung


(1) Verlangt der Besteller Nacherfüllung, so kann der Unternehmer nach seiner Wahl den Mangel beseitigen oder ein neues Werk herstellen. (2) Der Unternehmer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 43 Zuständigkeit


(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 27 Aufgaben und Befugnisse des Verwalters


(1) Der Verwalter ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet, die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die 1. untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen oder2. zur

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2011 - V ZR 259/10 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2011 - V ZR 259/10 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Dez. 2010 - V ZB 190/10

bei uns veröffentlicht am 09.12.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 190/10 vom 9. Dezember 2010 in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Dezember 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke, Dr. SchmidtRäntsch und Dr. Roth
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Aug. 2011 - V ZR 259/10.

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Okt. 2011 - BLw 7/11

bei uns veröffentlicht am 17.10.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS BLw 7/11 vom 17. Oktober 2011 in der Landwirtschaftssache Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 17. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Lemke

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Mai 2012 - V ZR 228/11

bei uns veröffentlicht am 10.05.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZR 228/11 vom 10. Mai 2012 in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth, die Richte

Referenzen

(1) Verlangt der Besteller Nacherfüllung, so kann der Unternehmer nach seiner Wahl den Mangel beseitigen oder ein neues Werk herstellen.

(2) Der Unternehmer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.

(3) Der Unternehmer kann die Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.

(4) Stellt der Unternehmer ein neues Werk her, so kann er vom Besteller Rückgewähr des mangelhaften Werkes nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 verlangen.

(1) Der Verwalter ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet, die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die

1.
untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen oder
2.
zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines Nachteils erforderlich sind.

(2) Die Wohnungseigentümer können die Rechte und Pflichten nach Absatz 1 durch Beschluss einschränken oder erweitern.

(1) Verlangt der Besteller Nacherfüllung, so kann der Unternehmer nach seiner Wahl den Mangel beseitigen oder ein neues Werk herstellen.

(2) Der Unternehmer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.

(3) Der Unternehmer kann die Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.

(4) Stellt der Unternehmer ein neues Werk her, so kann er vom Besteller Rückgewähr des mangelhaften Werkes nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 verlangen.

(1) Der Verwalter ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet, die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die

1.
untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen oder
2.
zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines Nachteils erforderlich sind.

(2) Die Wohnungseigentümer können die Rechte und Pflichten nach Absatz 1 durch Beschluss einschränken oder erweitern.

(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

(2) Das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist ausschließlich zuständig für

1.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander,
2.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern,
3.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Verwalters einschließlich solcher über Ansprüche eines Wohnungseigentümers gegen den Verwalter sowie
4.
Beschlussklagen gemäß § 44.

11
b) Wegen des Zusammenhangs mit Verwalterpflichten steht der Anwendung des § 43 Nr. 3 WEG auch nicht entgegen, dass der Verwaltervertrag bei Klageerhebung bereits beendet war (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 1972 - VII ZR 35/70, BGHZ 59, 58, 63 f.; Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 43 Rz. 87 mwN). Grundsätzliche Bedeutung ergibt sich durch die Novelle nicht. Denn der Wortlaut entspricht dem des § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG in der bis zum 30. Juni 2007 geltenden Fassung. Eine inhaltliche Änderung war nicht beabsichtigt. Die Gesetzesbegründung zu § 43 WEG betont, dass der Entwurf die bisherige weite Auslegung nicht ändern sollte und verweist als Beispiel auf die vergleichbar gelagerte Klage gegen einen ausgeschiedenen Wohnungseigentümer (BT-Drucks. 16/3843 S. 27).

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

(1) Verlangt der Besteller Nacherfüllung, so kann der Unternehmer nach seiner Wahl den Mangel beseitigen oder ein neues Werk herstellen.

(2) Der Unternehmer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.

(3) Der Unternehmer kann die Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.

(4) Stellt der Unternehmer ein neues Werk her, so kann er vom Besteller Rückgewähr des mangelhaften Werkes nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 verlangen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)