Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2016 - V ZB 50/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Oktober 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Dr. Brückner, den Richter Dr. Kazele, die Richterin Haberkamp und den Richter Dr. Hamdorf
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 2.500 €.
Gründe:
I.
- 1
- Die Beklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts vom 23. Oktober 2015, das unter Anwendung von § 495a ZPO ergangen ist, verurteilt worden, an den Kläger die Eigentumsurkunden zu zwei Pferden herauszugeben. Das Amtsge- richt hat den Streitwert auf 500 € festgesetzt. Die Beklagte hat gegen dieses, ihrem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 27. Oktober 2015 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist bei Gericht am 21. Januar 2016 eingegangen. Das Landgericht hat den Streitwert auf 2.500 € festgesetzt und die Berufung der Beklagten mit Beschluss vom 1. Februar 2016 als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde. Der Kläger beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
II.
- 2
- Das Berufungsgericht meint, die Berufung der Beklagten sei nicht innerhalb der am 28. Dezember 2015 abgelaufenen zweimonatigen Berufungsbegründungsfrist begründet worden.
III.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft; sie ist aber unzulässig, da die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2004 - XI ZB 6/04, BGHZ 161, 86, 87), nicht vorliegen.
- 4
- 1. Eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung oder zur Fortbildung des Rechts erforderlich.
- 5
- Entgegen der Ansicht der Beklagten wirft der Fall nicht die Frage auf, ob die irrtümliche Anwendung der Grundsätze des § 495a ZPO und die deshalb unterbliebene Verkündung des Urteils dessen wirksamer Verlautbarung entgegensteht. Diese Frage ist bereits geklärt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehen Verkündungsmängel dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Former- fordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht (vgl. BGH Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 14. Juni 1954 - GSZ 3/54, BGHZ 14, 39, 44 ff.; BGH, Urteil vom 16. Oktober 1984 - VI ZR 205/83, NJW 1985, 1782, 1783; Beschluss vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11, NJW 2012, 1591 Rn. 11 ff.; Senat, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 37/03, NJW 2004, 2019, 2020). Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden. Mit dem Wesen der Verlautbarung nicht unvereinbar ist eine Bekanntgabe des Urteils durch Zustellung statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung, da dies eine gesetzlich vorgesehene, wenn auch den in § 310 Abs. 3 ZPO aufgeführten Urteilen vorbehaltene Verlautbarungsform erfüllt. Wird ein § 310 Abs. 1 ZPO unterfallendes Urteil den Parteien - wie hier - an Verkündungs Statt förmlich zugestellt, liegt deshalb kein Verstoß gegen unverzichtbare Formerfordernisse, sondern ein auf die Wahl der Verlautbarungsart beschränkter Verfahrensfehler vor (Senat, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 37/03, NJW 2004, 2019, 2020; BGH, Urteil vom 2. April 1955 - IV ZR 261/54, BGHZ 17, 118, 122; BAG, Urteil vom 2. September 1965 - 5 AZR 24/65, BAGE 17, 286, 288). Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Beklagten angeführten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Oktober 1984 (VI ZB 25/83, VersR 1984, 1192, juris Rn. 10).
- 6
- 2. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Das Berufungsgericht hat durch die Verwerfung der Berufung weder gegen den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen noch den Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug in einer unzumutbaren , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es zu Recht davon ausgegangen, dass sie die Berufung nicht bereits mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2015 und damit noch innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet hat. Das Vorbringen aus diesem Schriftsatz genügt ersichtlich nicht den Mindestanforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO an den Inhalt einer Berufungsbegründung.
- 7
- Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird nach § 577 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 564 Satz 1 und § 577 Abs. 6 Satz 3 abgesehen.
Haberkamp Hamdorf
Vorinstanzen:
AG Niebüll, Entscheidung vom 23.10.2015 - 10 C 137/15 -
LG Flensburg, Entscheidung vom 01.02.2016 - 7 S 56/15 -
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Das Gericht kann sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert 600 Euro nicht übersteigt. Auf Antrag muss mündlich verhandelt werden.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Das Gericht kann sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert 600 Euro nicht übersteigt. Auf Antrag muss mündlich verhandelt werden.
(1) Das Urteil wird in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, oder in einem sofort anzuberaumenden Termin verkündet. Dieser wird nur dann über drei Wochen hinaus angesetzt, wenn wichtige Gründe, insbesondere der Umfang oder die Schwierigkeit der Sache, dies erfordern.
(2) Wird das Urteil nicht in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet, so muss es bei der Verkündung in vollständiger Form abgefasst sein.
(3) Bei einem Anerkenntnisurteil und einem Versäumnisurteil, die nach §§ 307, 331 Abs. 3 ohne mündliche Verhandlung ergehen, wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt. Dasselbe gilt bei einem Urteil, das den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil verwirft (§ 341 Abs. 2).
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.