Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Feb. 2011 - V ZB 318/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 10. Februar 2010 die Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen für die Dauer von längstens drei Monaten und die sofortige Vollziehbarkeit der Entscheidung angeordnet. Die Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 11. März 2010 zurückgewiesen.
- 2
- Auf die Rechtsbeschwerde, mit der der Betroffene am 5. Mai 2010 nach der Entlassung aus der Haft die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung erstrebt hat, hat der Senat mit Beschluss vom 8. Juli 2010 (V ZB 89/10) die Beschwerdeentscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Dieses hat daraufhin den Feststellungsantrag als unzulässig zurückgewiesen , weil der Betroffene bereits im April 2010 bei dem Amtsgericht beantragt hatte, die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung festzustellen. Hiergegen richtet sich die erneute Rechtsbeschwerde; für dieses Verfahren beantragt der Betroffene die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe.
II.
- 3
- Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist der Feststellungsantrag wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig. Es könne nicht sowohl über die bei dem Amtsgericht als auch über die in dem ersten Rechtsbeschwerdeverfahren gestellten Anträge entschieden werden, weil anderenfalls die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen bestehe. Die Senatsentscheidung vom 8. Juli 2010 stehe der Zurückweisung als unzulässig nicht entgegen.
III.
- 4
- Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
- 5
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, juris Rn. 4). Sie hat jedoch keine Aussicht auf Erfolg.
- 6
- 2. Das Beschwerdegericht hat den in dem ersten Rechtsbeschwerdeverfahren gestellten Feststellungsantrag, der nach der Aufhebung der ersten Beschwerdeentscheidung und Zurückverweisung der Sache Gegenstand des zweiten Beschwerdeverfahrens war, zu Recht als unzulässig angesehen. Es hätte deshalb die Beschwerde zurückweisen müssen. Dass es stattdessen den Antrag nicht etwa als unzulässig verworfen, sondern zurückgewiesen hat, ist unschädlich. Denn darin liegt im Ergebnis die Zurückweisung der Beschwerde.
- 7
- a) Zutreffend hat das Beschwerdegericht angenommen, dass eine Bindungswirkung der Senatsentscheidung vom 8. Juli 2010 nach § 74 Abs. 6 Satz 4 FamFG hinsichtlich der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Feststellungsantrags im Hinblick auf die anderweitige Rechtshängigkeit nicht besteht.
- 8
- aa) Gebunden ist das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, an diejenige rechtliche Beurteilung, auf der die Aufhebung unmittelbar beruht (BGH, Urteil vom 16. Juni 2005 - IX ZR 27/04, NJW 2005, 3071, 3073; BGH, Urteil vom 12. Oktober 2000 - III ZR 242/98, NJW-RR 2001, 447, 448; BGH, Urteil vom 18. Januar 1996 - IX ZR 69/95, NJW 1996, 924, 925 - jeweils zum Revisionsverfahren).
- 9
- bb) Von der Bindungswirkung nicht erfasst sind Prozessvoraussetzungen , die nicht ausdrücklich Gegenstand der aufhebenden Entscheidung gewesen sind (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1958 - VIII ZR 80/56, MDR 1959, 121; MünchKommZPO/Wenzel, 3. Aufl., § 563 Rn. 12; Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl., § 563 Rn. 11; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 563 Rn. 4; aA: Stein/ Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 565 Rn. 12 unter Berufung auf BGH, Urteil vom 17. Dezember 1956 - II ZR 274/55, BGHZ 22, 373). So liegt es hier. Der Senat hat sich in seiner Entscheidung vom 8. Juli 2010 (V ZB 89/10) nicht mit der Zulässigkeit des in dem dortigen Verfahren gestellten Feststellungsantrags unter dem Gesichtspunkt der anderweitigen Rechtshängigkeit befasst. Deshalb war das Beschwerdegericht nicht gehindert, über die Zulässigkeitsvoraussetzungen erneut zu befinden und insoweit zu einem von seiner früheren Entscheidung und der Senatsentscheidung abweichenden Ergebnis zu gelangen.
- 10
- cc) Eine Bindungswirkung fehlt zudem, weil nach der Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht neue Tatsachen festgestellt worden sind und auf der Grundlage eines geänderten maßgeblichen Sachverhalts entschieden worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - Xa ZR 70/08, juris Rn. 4; BGH, Urteil vom 3. April 1985 - IVb ZR 18/84, NJW 1985, 2029, 2030; BGH, Beschluss vom 6. Mai 2004 - IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 127; BGH, Urteil vom 17. Dezember 1956 - II ZR 274/55, BGHZ 22, 373, 374 - jeweils zum Revisionsverfahren). Denn im Zeitpunkt der ersten Entscheidung des Senats war ihm der im April 2010 bei dem Amtsgericht gestellte Antrag des Betroffenen nicht bekannt. Dessen Existenz hat das Beschwerdegericht erstmals in der jetzt angefochtenen Entscheidung festgestellt.
- 11
- b) Rechtsfehlerfrei ist auch die Annahme des Beschwerdegerichts, der Feststellungsantrag vom 5. Mai 2010 sei wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig.
- 12
- aa) Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG kann während der Rechtshängigkeit dieselbe Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Die Vorschrift gilt nach § 13 GVG, § 2 EGGVG auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Allerdings gibt es für diese, außer für Ehesachen und Familienstreitsachen (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, §§ 253, 261 ZPO), keine Vorschriften über den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit. In Betracht kommen deshalb für diesen Zeitpunkt der Eingang des verfahrenseinleitenden Antrags (§ 23 Abs. 1 FamFG) bei dem Gericht oder die Übermittlung dieses Antrags an die Beteiligte zu 2 (§ 23 Abs. 2 FamFG). Welcher der beiden Zeitpunkte maßgeblich ist, kann offen bleiben. Denn der Antrag vom 6. April 2010 ist einen Tag später bei dem Amtsgericht eingegangen und von dort der Beteiligten zu 2 übermittelt worden.
- 13
- bb) Das dortige Verfahren und das vorliegende Verfahren haben denselben Gegenstand. Denn der Betroffene hat mit seinen Anträgen vom 6. April 2010 und 5. Mai 2010 dasselbe Rechtsschutzziel verfolgt, nämlich die Feststellung , dass die vollzogene Haftanordnung ihn in seinen Rechten verletzt hat.
Vorinstanzen:
AG Osnabrück, Entscheidung vom 10.02.2010 - 246 XIV 8/10 B -
LG Osnabrück, Entscheidung vom 07.12.2010 - 11 T 137/10 -
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(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden.
(2) Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Artikel 14 Abs. 3 Satz 4 und Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes bleiben unberührt.
Vor die ordentlichen Gerichte gehören die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.
(1) In Ehesachen und Familienstreitsachen sind die §§ 2 bis 22, 23 bis 37, 40 bis 45, 46 Satz 1 und 2 sowie die §§ 47 und 48 sowie 76 bis 96 nicht anzuwenden. Es gelten die Allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung und die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend.
(2) In Familienstreitsachen gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über den Urkunden- und Wechselprozess und über das Mahnverfahren entsprechend.
(3) In Ehesachen und Familienstreitsachen ist § 227 Abs. 3 der Zivilprozessordnung nicht anzuwenden.
(4) In Ehesachen sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über
- 1.
die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über Tatsachen, - 2.
die Voraussetzungen einer Klageänderung, - 3.
die Bestimmung der Verfahrensweise, den frühen ersten Termin, das schriftliche Vorverfahren und die Klageerwiderung, - 4.
die Güteverhandlung, - 5.
die Wirkung des gerichtlichen Geständnisses, - 6.
das Anerkenntnis, - 7.
die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über die Echtheit von Urkunden, - 8.
den Verzicht auf die Beeidigung des Gegners sowie von Zeugen oder Sachverständigen
(5) Bei der Anwendung der Zivilprozessordnung tritt an die Stelle der Bezeichnung
(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; - 2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.
(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; - 2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; - 3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.
(1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet.
(2) Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 entsprechender Schriftsatz zugestellt wird.
(3) Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen:
(1) Ein verfahrenseinleitender Antrag soll begründet werden. In dem Antrag sollen die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben sowie die Personen benannt werden, die als Beteiligte in Betracht kommen. Der Antrag soll in geeigneten Fällen die Angabe enthalten, ob der Antragstellung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen. Urkunden, auf die Bezug genommen wird, sollen in Urschrift oder Abschrift beigefügt werden. Der Antrag soll von dem Antragsteller oder seinem Bevollmächtigten unterschrieben werden.
(2) Das Gericht soll den Antrag an die übrigen Beteiligten übermitteln.