Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Apr. 2011 - V ZB 26/11

bei uns veröffentlicht am01.04.2011
vorgehend
Landgericht Lüneburg, 6 T 58/10, 07.01.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 26/11
vom
1. April 2011
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. April 2011 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und
Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Die Vollziehung der durch Beschluss des Amtsgerichts Celle vom 2. Juli 2010 angeordneten und mit Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 7. Januar 2011 aufrechterhaltenen Abschiebungshaft wird einstweilen ausgesetzt.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein kosovarischer Staatsangehöriger, reiste 1999 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte seinen Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab. Die Entscheidung ist seit April 2002 bestandskräftig. Die Beteiligte zu 2 beabsichtigt, den Betroffenen in den Kosovo zurückzuschieben. Seit dem 9. Dezember 2009 liegt ihr eine Rückübernahmezusage der Republik Kosovo vor. Der Betroffene konnte jedoch bislang nicht abgeschoben werden, weil er zu den angekündigten Abschiebungsterminen unter seiner Meldeadresse nicht angetroffen werden konnte. Zeitweise befand sich der Betroffene in stationärer psychiatrischer Behandlung.
2
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 ordnete das Amtsgericht am 2. Juli 2010 die Haft zur Sicherung der Abschiebung für die Dauer von längstens drei Monaten und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an. Dazu hatte es den Betroffenen , der zu dem Anhörungstermin nicht erschienen war, nicht persönlich angehört. Die gegen die Haftanordnung gerichtete Beschwerde hat das Landgericht nach persönlicher Anhörung des Betroffenen und Einholung eines psychiatrischen Fachgutachtens am 7. Januar 2011 zurückgewiesen.
3
Hiergegen wendet sich der Betroffene, mit seiner Rechtsbeschwerde und möchte die einstweilige Aussetzung der Vollziehung der Haftanordnung erreichen. Bisher ist gegen den untergetauchten Betroffenen die angeordnete Sicherungshaft nicht vollstreckt worden.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebungshaft nach § 62 Abs. 2 AufenthG lägen vor. Abschiebungshindernisse bestünden nicht. Der Betroffene sei nach dem Ergebnis des psychiatrischen Fachgutachtens nicht ernsthaft suizidgefährdet und daher reisefähig. Auf den Gesundheitszustand der Mutter des Betroffenen komme es nicht an, da dieser volljährig sei. Da er sich bislang nicht in Haft befunden habe, sei auch die von dem Amtsgericht angeordnete Befristung der Haft nicht ausgeschöpft.

III.

5
1. Der Aussetzungsantrag ist in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG statthaft (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Mai 2010 - V ZB 121/10, Rn. 5, juris; Senat, Beschluss vom 21. Januar 2010 - V ZB 14/10, FGPrax 2010, 97; Senat, Beschluss vom 30. März 2010 - V ZB 79/10, FGPrax 2010, 158).
6
2. Er ist auch begründet.
7
Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die drohenden Nachteile für den Betroffenen gegeneinander abzuwägen. Die Aussetzung der Vollziehung einer Freiheitsentziehung , die durch das Beschwerdegericht bestätigt worden ist, wird danach regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Januar 2010 - V ZB 14/10, FGPrax 2010, 97) und dem Betroffenen durch die mögliche Vollziehung schon jetzt größere Nachteile drohen als der beteiligten Behörde bei Aussetzung der Vollziehung (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Oktober 2007 - V ZB 114/07, WuM 2008, 95, 96). So verhält es sich hier.
8
a) Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht angenommen, dass die von dem Amtsgericht angeordnete Befristung der Sicherungshaft auf drei Monate nicht ausgeschöpft sei, weil der Betroffene sich bislang nicht in Haft befunden habe.
9
Die Dauer der Freiheitsentziehung ist nach §§ 425 Abs. 1, 16 Abs. 1 FamFG zu berechnen, wenn sie nach Wochen oder Monaten bestimmt ist. Der Beginn der Frist richtete sich nach dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung , wenn - wie hier - ihre sofortige Wirksamkeit nach § 422 Abs. 2 FamFG angeordnet worden ist (Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 425 Rn. 4). Wirksam geworden ist die Entscheidung des Amtsgerichts vom 2. Juli 2010 durch ihre Bekanntgabe (§ 41 Abs. 1 FamFG) jedenfalls vor dem Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung am 3. August 2010. Damit war die Haftdauer im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung am 7. Januar 2011 abgelaufen.
10
Diese Fristberechnung gilt auch in den Fällen, in denen ein Betroffener untergetaucht ist (vgl. OLG Braunschweig, InfAuslR 2009, 118; Keidel/Budde, aaO, § 425 Rn. 4). Die Haftdauer beginnt nicht erst im Zeitpunkt der Ergreifung des Betroffenen. Selbst ein solcher ausdrücklich angeordneter Beginn der Sicherungshaft wäre unzulässig (OLG Frankfurt, InfAuslR 1996, 144, 145; BayObLG , FGPrax 1996, 240). Der Haftanordnung käme in einem solchen Fall die Wirkung eines Haftbefehls gleich. Eine solche Möglichkeit sieht das Freiheitsentziehungsverfahren nach den Vorschriften der §§ 415 ff. FamFG indes nicht vor (vgl. OLG Frankfurt, InfAuslR 1996, 144, 145, zum FGG). Der Beginn der Sicherungshaft darf nicht an die Verhaftung und damit an einen in der Zukunft liegenden ungewissen Zeitpunkt geknüpft werden (OLG Frankfurt, InfAuslR 1996, 144, 145).
11
Die Entscheidung des Beschwerdegerichts wird auch nicht aus anderen Gründen rechtmäßig sein. Soweit das Beschwerdegericht die Auffassung zu erkennen gegeben hat, die Haftvoraussetzungen lägen weiterhin vor, fehlt es an einem verfahrensfehlerfrei zustande gekommenen neuen Haftbeschluss (vgl. OLG Braunschweig, InfAuslR 2009, 118, 119). Da der Beschluss des Amtsgerichts durch Zeitablauf unwirksam geworden ist, durfte eine neue Haftanordnung nur aufgrund eines neuen Haftantrags der zuständigen Behörde ergehen (§ 417 FamFG). An einem solchen neuen Antrag, der die Vorgaben nach § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG erfüllt, fehlt es.
12
b) Die Abwägung der gegenläufigen Interessen der Beteiligten gebietet die Aussetzung der Vollziehung, obgleich der Betroffene derzeit untergetaucht ist und sich nicht in Haft befindet.
13
Sollte der Betroffene aufgegriffen werden, würde ihm auf Grundlage der unwirksamen, jedoch durch die Beschwerdeentscheidung mit dem Rechtsschein der Rechtmäßigkeit und Vollziehbarkeit versehenen Haftanordnung vom 2. Juli 2010 die Freiheit entzogen. Es besteht deshalb die Gefahr, dass der Betroffene im Falle seiner Festnahme eine rechtswidrige Freiheitsentziehung zumindest vorübergehend hinnehmen müsste. Hingegen hat die Beteiligte zu 2 anderweit die Möglichkeit, sich des Betroffenen im Fall seines Aufgriffs zum Zwecke der Abschiebung zu versichern. Sie kann grundsätzlich nach § 427 Abs. 2 FamFG eine - allerdings nur begrenzt gültige - vorläufige Anordnung der Haft beantragen. Darüber hinaus ist jede Ausländerbehörde am Aufgriffsort grundsätzlich befugt, einen untergetauchten Ausländer nach § 62 Abs. 4 AufenthG festzuhalten und die Abschiebungshaft zu beantragen (vgl. Senat, Beschluss vom 18. März 2010 - V ZB 194/09, FGPrax 2010, 156, 157). Krüger Schmidt-Räntsch Roth Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Celle, Entscheidung vom 02.07.2010 - 25 XIV 34 B -
LG Lüneburg, Entscheidung vom 07.01.2011 - 6 T 58/10 -

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 62 Abschiebungshaft


(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 417 Antrag


(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen. (2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:1.die Identität des Betroffenen,2.den gewöhnlichen Aufent

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 64 Einlegung der Beschwerde


(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird. Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde sind bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten werden soll. (

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 427 Einstweilige Anordnung


(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedür

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 422 Wirksamwerden von Beschlüssen


(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, wird mit Rechtskraft wirksam. (2) Das Gericht kann die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses anordnen. In diesem Fall wird er wirksam, wenn der Beschluss und die Anordnung der

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 41 Bekanntgabe des Beschlusses


(1) Der Beschluss ist den Beteiligten bekannt zu geben. Ein anfechtbarer Beschluss ist demjenigen zuzustellen, dessen erklärtem Willen er nicht entspricht. (2) Anwesenden kann der Beschluss auch durch Verlesen der Beschlussformel bekannt gegeben

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 425 Dauer und Verlängerung der Freiheitsentziehung


(1) In dem Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, ist eine Frist für die Freiheitsentziehung bis zur Höchstdauer eines Jahres zu bestimmen, soweit nicht in einem anderen Gesetz eine kürzere Höchstdauer der Freiheitsentziehung

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(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird. Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde sind bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten werden soll.

(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt. Die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ist in Ehesachen und in Familienstreitsachen ausgeschlossen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen.

(3) Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist.

5
1. Der Aussetzungsantrag ist in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG statthaft (vgl. Senat, Beschl. v. 21. Januar 2010, V ZB 14/10 Rdn. 3 - juris; Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, Rdn. 3 - juris).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 14/10
vom
21. Januar 2010
in der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
In entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG kann das Rechtsbeschwerdegericht
wie das Beschwerdegericht vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen,
insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen
ist.
BGH, Beschluss vom 21. Januar 2010 - V ZB 14/10 - LG Frankenthal (Pfalz)
AG Frankenthal (Pfalz)
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Januar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Der Antrag des Betroffenen, die Vollziehung des Beschlusses des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 3. Dezember 2009 in der Fassung des Beschlusses der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. Januar 2010 bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde auszusetzen, wird zurückgewiesen.

Gründe:


I.


1
Der Betroffene ist libanesischer Staatsbürger und lebt seit 28 Jahren in Deutschland. Die beteiligte Behörde ordnete mit Bescheid vom 20. Februar 2007 seine Ausweisung an, weil er unter anderem wegen Erwerbs von Heroin und gefährlicher Körperverletzung zu mehreren Freiheitsstrafen verurteilt worden war, deren Vollstreckung nicht (mehr) zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach Eintritt der Bestandskraft der Ausweisung betrieb sie die Beschaffung der Ersatzpapiere, die sich indessen länger hinzog und bis zu dem nachträglich vorgezogenen Ende der Strafhaft nicht mehr gelang. Auf Antrag der Behörde hat das Amtsgericht die Sicherungshaft von drei Monaten gegen den Betroffenen angeordnet. Das Landgericht hat diese auf die Beschwerde des Betroffenen auf zwei Monate bis zum Ablauf des 31. Januar 2010 verkürzt, weil die Papiere inzwischen erteilt sind und die Abschiebung für den 26. Januar 2010 vorgesehen ist. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, über die noch nicht entschieden ist. Mit dem hier zu bescheidenden Antrag möchte er die Aussetzung des Vollzugs der Haftentscheidungen erreichen.

II.

2
Der Antrag hat keinen Erfolg.
3
1. Er ist allerdings in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG statthaft. Der Gesetzgeber hat zwar in § 74 Abs. 4 FamFG nur eine Verweisung auf die Vorschriften des Verfahrens erster Instanz vorgesehen. Er hat dabei aber übersehen, dass die als Orientierung dienende Vorschrift des § 555 ZPO (vgl. Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 16/6308 S. 211) durch Sondervorschriften (§§ 565, 719 ZPO) ergänzt wird. Die dadurch entstandene planwidrige Lücke ist durch die entsprechende Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG zu schließen (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., § 74 Rdn. 61).
4
2. Der Antrag ist aber unbegründet.
5
a) Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die drohenden Nachteile für den Betroffenen gegeneinander abzuwägen. Die Aussetzung der Vollziehung einer Freiheitsentziehung , die durch das Beschwerdegericht bestätigt worden ist, wird danach regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (vgl. Senat, Beschl. v. 31. Oktober 2007, V ZB 114/07, WuM 2008, 95, 96).
6
b) Daran fehlt es hier. Die Anordnung der Sicherungshaft wird sich nach bisherigem Sachstand als rechtmäßig erweisen.
7
aa) Der Betroffene ist auf Grund der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung nach §§ 56, 58 AufenthG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet.
8
bb) Nach den dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnissen bestand bei Anordnung und besteht auch jetzt der begründete Verdacht, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen will (§ 62 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG).
9
(1) Der Betroffene meint, es lägen keinen konkreten, belastbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass er sich der Abschiebung entziehen werde. Er habe im Mai 2008 selbst um die Durchführung der Abschiebung gebeten, an der Beschaffung der Papiere aktiv mitgewirkt und erklärt, er werde sich mit seinem Übergangsgeld von 3.500 € in einer Pension einquartieren. Der Umstand, dass er keine aktiven familiären Bindungen habe, reiche allein nicht für die Anordnung von Sicherungshaft aus. Diese Einwände überzeugen den Senat nicht.
10
(2) Es ist zwar zweifelhaft, darin ist dem Betroffenen Recht zu geben, ob sich der begründete Verdacht, er wolle sich dem Vollzug der Ausreise entziehen , darauf stützen lässt, dass er zu Beginn seines Aufenthalts in Deutschland 1982 mehrfach untergetaucht ist. Dieser Verdacht ergibt sich aber daraus, dass der Betroffene in hohem Maß unzuverlässig ist. Das ist insbesondere dem gegen ihn ergangenen Strafurteil des Amtsgerichts Frankenthal/Pfalz vom 18. September 2006 zu entnehmen. Darin hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt und die Aussetzung der Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt. Begründet hat es diese Entscheidung damit, dass der Betroffene die Bewährungsauflagen aus früheren Verurteilungen zu Freiheitsstrafen nicht eingehalten und den ihm aufgegebenen Kontakt zu seinem Bewährungshelfer nicht gehalten hat. Vor allem aber hat es festgestellt, dass sich der Betroffene durch die vorangegangenen Verurteilungen in keiner Weise hat beeindrucken lassen und letztlich „macht, was er will“, wie es in dem Urteil heißt. Verlässliche Anzeichen dafür, dass sich der Betroffene in der Strafhaft verändert hat und dem Vollzug der Ausweisung nicht entzieht, liegen nicht vor. Der Betroffene hat zwar nach seinen Angaben nach Bestandskraft der Ausweisung im Mai 2008 um deren baldigen Vollzug gebeten und an der Beschaffung der Papiere mitgewirkt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Betroffene allerdings noch etwa 18 Monate Freiheitsstrafe zu verbüßen. Deshalb ist seinem Verhalten nicht, jedenfalls nicht sicher zu entnehmen, dass er sich mit einer Rückkehr in seine Heimat abgefunden hat. Es ist ferner nicht erkennbar, dass der Betroffene in Deutschland einen festen Bezugspunkt hat oder begründen könnte, an dem er an dem für seine Abschiebung vorgesehenen Zeitpunkt angetroffen werden könnte. Daran ändert auch die erklärte Absicht des Betroffenen nichts, sich nach Entlassung aus der Haft in einer Pension einzumieten.
11
cc) Entgegen der Ansicht des Betroffenen ist die Anordnung der Sicherungshaft auch verhältnismäßig. Die Anordnung der Sicherungshaft kann zwar auch dann unverhältnismäßig sein, wenn die Behörde den Vollzug der Ausweisung nicht mit Nachdruck betrieben und insbesondere nicht die notwendigen Anstrengungen unternommen hat, die Ausweisung während einer Strafhaft zu betreiben (BayObLGZ 1991, 258, 260). Gemessen daran ist die Anordnung der Sicherungshaft aber nicht zu beanstanden. Die beteiligte Behörde hat die Ausweisung zu Beginn der Strafhaft angeordnet. Sie hat kurz nach dem Eintritt der Bestandskraft ihrer Entscheidung die Beschaffung der Ersatzpapiere betrieben. Anlass, schon vorher damit zu beginnen, hatte sie nicht, zumal der Betroffene bei Erlass des verwaltungsgerichtlichen Urteils noch nahezu zwei Jahre Strafhaft zu verbüßen hatte. Dass die libanesischen Behörden in diesem langen Zeitraum zur Beschaffung der Ersatzpapiere nicht in der Lage sein würden, war nicht vorherzusehen.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub

Vorinstanzen:
AG Frankenthal (Pfalz), Entscheidung vom 03.12.2009 - 2 XIV 41/09 B -
LG Frankenthal (Pfalz), Entscheidung vom 08.01.2010 - 1 T 252/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 79/10
vom
30. März 2010
in der Abschiebehaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Von den Bundespolizeiinspektionen gestellte Haftanträge sind solche der jeweiligen
übergeordneten Bundespolizeidirektionen.
BGH, Beschluss vom 30. März 2010 - V ZB 79/10 - LG Osnabrück
AG Nordhorn
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. März 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Der Antrag des Betroffenen, die Vollziehung des Beschlusses des Amtsgerichts Nordhorn vom 8. Februar 2010 in der Fassung des Beschlusses der 11. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde auszusetzen, wird zurückgewiesen.

Gründe:


I.

1
Der Betroffene ist Staatsangehöriger von Sri Lanka. Er verließ das Bundesgebiet nach der bestandskräftigen Ablehnung eines Asylantrags. 2007 reiste er von Frankreich kommend wiederum nach Deutschland ein und wurde nach Frankreich zurückgeschoben. Am 8. Februar 2010 reiste er abermals aus Frankreich ein. Bei einer Kontrolle versuchte er, sich mit einem entwendeten deutschen Personalausweis auszuweisen, und wurde verhaftet. Auf Antrag der Bundespolizeiinspektion Bad Bentheim hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 8. Februar 2010 gegen den Betroffenen Haft bis zu seiner Rückschiebung, längstens für die Dauer von drei Monaten, angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde, mit der der Betroffene unter anderem die Unzuständigkeit der den Haftantrag stellenden Behörde geltend gemacht hat, ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen wendet sich der Betroffne mit der Rechtsbeschwerde. Er beantragt, die Aussetzung des Vollzugs der Haftentscheidung bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde anzuordnen.

II.

2
Der Antrag hat keinen Erfolg.
3
1. Er ist zwar in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG statthaft (vgl. Senat, Beschl. v. 21. Januar 2010, V ZB 14/10, juris, Rdn. 3; Keidel /Meier-Holz, FamFG, 16. Aufl. § 74 Rdn. 61).
4
2. Der Antrag ist aber unbegründet.
5
a) Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die drohenden Nachteile für den Betroffenen gegeneinander abzuwägen. Die Aussetzung der Vollziehung einer Freiheitsentziehung, die durch das Beschwerdegericht bestätigt worden ist, wird danach regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (Senat, Beschl. v. 21. Januar 2010, V ZB 14/10, juris, Rdn. 5; ferner Senat, Beschl. v. 31. Oktober 2007, V ZB 114/07, WuM 2008, 95, 96).
6
b) Daran fehlt es hier. Die Anordnung der Haft zur Zurückschiebung des Betroffenen wird sich nach bisherigem Sachstand nicht wegen einer Unzuständigkeit der antragstellenden Behörde als unrechtmäßig erweisen.
7
Das Vorliegen eines zulässigen Antrages ist Verfahrensvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (BayObLG FGPrax 1997, 117; OLG Schleswig FGPrax 1997, 236, 237; KG FGPrax 1998, 157; OLG Karlsruhe FGPrax 2008, 228, 229; OLG Celle FGPrax 2008, 227, 228; OLG Köln FGPrax 2009, 137, 138). Der nach § 417 Abs. 1 FamFG für die Freiheitsentziehung erforderliche Antrag ist von der zuständigen Behörde gestellt worden. Nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG sind die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unter anderem für Zurückweisungen und Zurückschiebungen an der Grenze zuständig. Der Grenzschutz des Bundesgebietes obliegt nach § 2 Abs. 1 Bundespolizeigesetz der Bundespolizei. Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Zuständigkeiten der Bundespolizeibehörden sind die Bundespolizeidirektionen als Unterbehörden, § 57 Abs. 1 Bundespolizeigesetz, zur Wahrnehmung der der Bundespolizei obliegenden Aufgaben sachlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich vorliegend aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung. Das führt in dem zu entscheidenden Fall zur örtlichen und sachlichen Zuständigkeit der Bundespolizeidirektion Hannover. Zu dieser gehört die Bundespolizeiinspektion Bad Bentheim. Dass diese den Haftantrag gestellt hat, ist unschädlich; denn das Handeln der Bundespolizeiinspektionen wird mangels einer organisatorischen Selbständigkeit der jeweiligen übergeordneten Bundespolizeidirektion zugerechnet.
8
aa) Die Bundespolizeiinspektionen sind keine Behörden. Der Begriff der Behörde ist in allen gesetzlichen Vorschriften in einem einheitlichen Sinn aufzufassen , und zwar im Sinn des Staats- und Verwaltungsrechts (st. Rechtspr., vgl. BGH, Beschl. v. 12. Juli 1951, IV ZB 5/51, NJW 1951, 799; Beschl. v. 16. Oktober 1963, IV ZB 171/63, NJW 1964, 299). Danach ist eine Behörde eine in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnete, organisatorische Einheit von Personen und sächlichen Mitteln, die mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder von ihm geförderter Zwecke tätig zu sein (BGH, Beschl. v. 16. Oktober 1963, aaO; BVerfGE 10, 20, 48; BVerwG NJW 1991, 2980). Es muss sich um eine Stelle handeln, deren Bestand unabhängig ist von der Existenz, dem Wegfall, dem Wechsel der Beamten oder der physischen Person, der die Besorgung der in den Kreis des Amtes fallenden Geschäfte anvertraut ist (BGH Beschl. v. 12. Juli 1951, aaO). Dass das Bundespolizeigesetz und die Verordnung über die Zuständigkeiten der Bundespolizeibehörden die Bundespolizeiinspektionen nicht nennen, ist insoweit ohne Bedeutung. Denn selbst fehlerhaft errichtete Behörden und deren Träger sind im Interesse der Rechtssicherheit bis zur endgültigen Feststellung der Unwirksamkeit nicht als inexistent zu behandeln (BVerfGE 1, 14, 38; BVerwG NvWZ 2003, 995, 996).
9
Für den Begriff der Behörde ist eine organisatorische Selbständigkeit notwendig (Schliesky in Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Aufl., § 1 Rdn 71; Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 1 Rdn. 248). Indiz für eine Verselbständigung der Einrichtung zu einer Behörde ist insbesondere die Fähigkeit der Einrichtung, in eigenem Namen zu handeln, die ihrerseits durch eine gesetzliche Regelung zuerkannt oder durch Rechtsvorschriften zugewiesen wird (Schliesky in Knack/Hennecke, aaO, § 1 Rdn. 72, 73). Eine solche Befugnis findet sich für die Bundespolizeiinspektionen weder im Bundespolizeigesetz noch in der Verordnung über die Zuständigkeiten der Bundespolizeibehörden. Die Bundespolizeiinspektionen sind unselbständige Untergliederungen der Bundespolizeidirektionen (Wagner, JURA 2009, 96, 97). Sie stehen den Arbeitseinheiten einer Behörde wie Ämtern und Dienststellen gleich (vgl. hierzu Schliesky in Knack/Hennecke, aaO, § 1 Rdn. 71; Schmitz in Stelkens/Bonk/ Sachs, aaO, § 1 Rdn. 248). Solchen Ämtern kommt eine Behördeneigenschaft nur dann zu, wenn sie kraft gesetzlicher Regelung gebildet werden müssen (Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, aaO, § 1 Rdn. 251). So verhält es sich mit den Bundespolizeiinspektionen anders als mit den früheren Bundespolizeiämtern (vgl. § 57 Abs. 2 Satz 1 Bundespolizeigesetz in der bis zum 29. Februar 2008 geltenden Fassung) gerade nicht. Sie nehmen öffentliche Aufgaben im Sinne von § 1 Abs. 4 VwVfG wahr, ohne dass ihnen eigener Behördencharakter zukommt (Wagner JURA 2009, 96, 97).
10
bb) Als Untergliederung der Bundespolizeidirektion wird das Handeln der Bundespolizeiinspektion mangels Selbständigkeit der jeweils zuständigen Bundespolizeidirektion zugerechnet (Wagner JURA 2009, 96, 97). Anträge, die eine Bundespolizeiinspektion stellt, sind Anträge der übergeordneten Bundespolizeidirektion. Antragstellende Behörde ist die jeweilige Bundespolizeidirektion, auch wenn diese nicht ausdrücklich als Antragstellerin ausgewiesen wird, sondern die Bundespolizeiinspektion als Antragstellerin erscheint. Deshalb ist es unschädlich , wenn der Antrag in Freiheitsentziehungssachen nicht (auch) die übergeordnete Bundespolizeidirektion nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 FamFG aufführt, da eine Bundespolizeiinspektion mangels eigener originärer gesetzlicher Zuständigkeiten nur als Vertreterin für die Bundespolizeidirektion auftreten kann. Dementsprechend ist die übergeordnete Bundespolizeidirektion und nicht (auch) die Bundespolizeiinspektion Beteiligte des Verfahrens im Sinne des § 418 Abs. 1 FamFG.
11
cc) Ohne Bedeutung ist schließlich auch, dass der Antrag vom 8. Februar 2010 das nicht mehr existierende Bundespolizeiamt Kleve aufführt. Nach den mit dem Aussetzungsantrag nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts ist von der Bundespolizeiinspektion Bad Bentheim versehentlich ein alter Vordruck benutzt worden. Die Bundespolizeiinspektion Bad Bentheim konnte und wollte allein für die Bundespolizeidirektion Hannover tätig werden. Dies ergibt sich auch aus den weiteren mit dem Aussetzungsantrag nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts, dass die Ingewahrsamnahme des Betroffenen und der Aufgriffsbericht durch die Bundespolizeiinspektion Bad Bentheim für die Bundespolizeidirektion Hannover erfolgt sind. Hierdurch wird zugleich deutlich, dass die Bundespolizeiinspektion ein dieser zuge- höriger Teil ist und allein die Bundespolizeidirektion Hannover zuständige Verwaltungsbehörde nach §§ 417 Abs. 1 FamFG, § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG, § 57 Abs. 1 Bundespolizeigesetz i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 Verordnung über die Zuständigkeiten der Bundespolizeibehörden für den vorliegenden Haftantrag ist. Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Nordhorn, Entscheidung vom 08.02.2010 - 11 XIV 4290 B -
LG Osnabrück, Entscheidung vom 17.03.2010 - 11 T 138/10 (7) -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 14/10
vom
21. Januar 2010
in der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
In entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG kann das Rechtsbeschwerdegericht
wie das Beschwerdegericht vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen,
insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen
ist.
BGH, Beschluss vom 21. Januar 2010 - V ZB 14/10 - LG Frankenthal (Pfalz)
AG Frankenthal (Pfalz)
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Januar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Der Antrag des Betroffenen, die Vollziehung des Beschlusses des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 3. Dezember 2009 in der Fassung des Beschlusses der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. Januar 2010 bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde auszusetzen, wird zurückgewiesen.

Gründe:


I.


1
Der Betroffene ist libanesischer Staatsbürger und lebt seit 28 Jahren in Deutschland. Die beteiligte Behörde ordnete mit Bescheid vom 20. Februar 2007 seine Ausweisung an, weil er unter anderem wegen Erwerbs von Heroin und gefährlicher Körperverletzung zu mehreren Freiheitsstrafen verurteilt worden war, deren Vollstreckung nicht (mehr) zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach Eintritt der Bestandskraft der Ausweisung betrieb sie die Beschaffung der Ersatzpapiere, die sich indessen länger hinzog und bis zu dem nachträglich vorgezogenen Ende der Strafhaft nicht mehr gelang. Auf Antrag der Behörde hat das Amtsgericht die Sicherungshaft von drei Monaten gegen den Betroffenen angeordnet. Das Landgericht hat diese auf die Beschwerde des Betroffenen auf zwei Monate bis zum Ablauf des 31. Januar 2010 verkürzt, weil die Papiere inzwischen erteilt sind und die Abschiebung für den 26. Januar 2010 vorgesehen ist. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, über die noch nicht entschieden ist. Mit dem hier zu bescheidenden Antrag möchte er die Aussetzung des Vollzugs der Haftentscheidungen erreichen.

II.

2
Der Antrag hat keinen Erfolg.
3
1. Er ist allerdings in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG statthaft. Der Gesetzgeber hat zwar in § 74 Abs. 4 FamFG nur eine Verweisung auf die Vorschriften des Verfahrens erster Instanz vorgesehen. Er hat dabei aber übersehen, dass die als Orientierung dienende Vorschrift des § 555 ZPO (vgl. Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 16/6308 S. 211) durch Sondervorschriften (§§ 565, 719 ZPO) ergänzt wird. Die dadurch entstandene planwidrige Lücke ist durch die entsprechende Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG zu schließen (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., § 74 Rdn. 61).
4
2. Der Antrag ist aber unbegründet.
5
a) Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die drohenden Nachteile für den Betroffenen gegeneinander abzuwägen. Die Aussetzung der Vollziehung einer Freiheitsentziehung , die durch das Beschwerdegericht bestätigt worden ist, wird danach regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (vgl. Senat, Beschl. v. 31. Oktober 2007, V ZB 114/07, WuM 2008, 95, 96).
6
b) Daran fehlt es hier. Die Anordnung der Sicherungshaft wird sich nach bisherigem Sachstand als rechtmäßig erweisen.
7
aa) Der Betroffene ist auf Grund der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung nach §§ 56, 58 AufenthG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet.
8
bb) Nach den dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnissen bestand bei Anordnung und besteht auch jetzt der begründete Verdacht, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen will (§ 62 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG).
9
(1) Der Betroffene meint, es lägen keinen konkreten, belastbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass er sich der Abschiebung entziehen werde. Er habe im Mai 2008 selbst um die Durchführung der Abschiebung gebeten, an der Beschaffung der Papiere aktiv mitgewirkt und erklärt, er werde sich mit seinem Übergangsgeld von 3.500 € in einer Pension einquartieren. Der Umstand, dass er keine aktiven familiären Bindungen habe, reiche allein nicht für die Anordnung von Sicherungshaft aus. Diese Einwände überzeugen den Senat nicht.
10
(2) Es ist zwar zweifelhaft, darin ist dem Betroffenen Recht zu geben, ob sich der begründete Verdacht, er wolle sich dem Vollzug der Ausreise entziehen , darauf stützen lässt, dass er zu Beginn seines Aufenthalts in Deutschland 1982 mehrfach untergetaucht ist. Dieser Verdacht ergibt sich aber daraus, dass der Betroffene in hohem Maß unzuverlässig ist. Das ist insbesondere dem gegen ihn ergangenen Strafurteil des Amtsgerichts Frankenthal/Pfalz vom 18. September 2006 zu entnehmen. Darin hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt und die Aussetzung der Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt. Begründet hat es diese Entscheidung damit, dass der Betroffene die Bewährungsauflagen aus früheren Verurteilungen zu Freiheitsstrafen nicht eingehalten und den ihm aufgegebenen Kontakt zu seinem Bewährungshelfer nicht gehalten hat. Vor allem aber hat es festgestellt, dass sich der Betroffene durch die vorangegangenen Verurteilungen in keiner Weise hat beeindrucken lassen und letztlich „macht, was er will“, wie es in dem Urteil heißt. Verlässliche Anzeichen dafür, dass sich der Betroffene in der Strafhaft verändert hat und dem Vollzug der Ausweisung nicht entzieht, liegen nicht vor. Der Betroffene hat zwar nach seinen Angaben nach Bestandskraft der Ausweisung im Mai 2008 um deren baldigen Vollzug gebeten und an der Beschaffung der Papiere mitgewirkt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Betroffene allerdings noch etwa 18 Monate Freiheitsstrafe zu verbüßen. Deshalb ist seinem Verhalten nicht, jedenfalls nicht sicher zu entnehmen, dass er sich mit einer Rückkehr in seine Heimat abgefunden hat. Es ist ferner nicht erkennbar, dass der Betroffene in Deutschland einen festen Bezugspunkt hat oder begründen könnte, an dem er an dem für seine Abschiebung vorgesehenen Zeitpunkt angetroffen werden könnte. Daran ändert auch die erklärte Absicht des Betroffenen nichts, sich nach Entlassung aus der Haft in einer Pension einzumieten.
11
cc) Entgegen der Ansicht des Betroffenen ist die Anordnung der Sicherungshaft auch verhältnismäßig. Die Anordnung der Sicherungshaft kann zwar auch dann unverhältnismäßig sein, wenn die Behörde den Vollzug der Ausweisung nicht mit Nachdruck betrieben und insbesondere nicht die notwendigen Anstrengungen unternommen hat, die Ausweisung während einer Strafhaft zu betreiben (BayObLGZ 1991, 258, 260). Gemessen daran ist die Anordnung der Sicherungshaft aber nicht zu beanstanden. Die beteiligte Behörde hat die Ausweisung zu Beginn der Strafhaft angeordnet. Sie hat kurz nach dem Eintritt der Bestandskraft ihrer Entscheidung die Beschaffung der Ersatzpapiere betrieben. Anlass, schon vorher damit zu beginnen, hatte sie nicht, zumal der Betroffene bei Erlass des verwaltungsgerichtlichen Urteils noch nahezu zwei Jahre Strafhaft zu verbüßen hatte. Dass die libanesischen Behörden in diesem langen Zeitraum zur Beschaffung der Ersatzpapiere nicht in der Lage sein würden, war nicht vorherzusehen.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub

Vorinstanzen:
AG Frankenthal (Pfalz), Entscheidung vom 03.12.2009 - 2 XIV 41/09 B -
LG Frankenthal (Pfalz), Entscheidung vom 08.01.2010 - 1 T 252/09 -

(1) In dem Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, ist eine Frist für die Freiheitsentziehung bis zur Höchstdauer eines Jahres zu bestimmen, soweit nicht in einem anderen Gesetz eine kürzere Höchstdauer der Freiheitsentziehung bestimmt ist.

(2) Wird nicht innerhalb der Frist die Verlängerung der Freiheitsentziehung durch richterlichen Beschluss angeordnet, ist der Betroffene freizulassen. Dem Gericht ist die Freilassung mitzuteilen.

(3) Für die Verlängerung der Freiheitsentziehung gelten die Vorschriften über die erstmalige Anordnung entsprechend.

(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, wird mit Rechtskraft wirksam.

(2) Das Gericht kann die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses anordnen. In diesem Fall wird er wirksam, wenn der Beschluss und die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit

1.
dem Betroffenen, der zuständigen Verwaltungsbehörde oder dem Verfahrenspfleger bekannt gegeben werden oder
2.
der Geschäftsstelle des Gerichts zum Zweck der Bekanntgabe übergeben werden.
Der Zeitpunkt der sofortigen Wirksamkeit ist auf dem Beschluss zu vermerken.

(3) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, wird von der zuständigen Verwaltungsbehörde vollzogen.

(4) Wird Zurückweisungshaft (§ 15 des Aufenthaltsgesetzes) oder Abschiebungshaft (§ 62 des Aufenthaltsgesetzes) im Wege der Amtshilfe in Justizvollzugsanstalten vollzogen, gelten die §§ 171, 173 bis 175 und 178 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes entsprechend, soweit in § 62a des Aufenthaltsgesetzes für die Abschiebungshaft nichts Abweichendes bestimmt ist.

(1) Der Beschluss ist den Beteiligten bekannt zu geben. Ein anfechtbarer Beschluss ist demjenigen zuzustellen, dessen erklärtem Willen er nicht entspricht.

(2) Anwesenden kann der Beschluss auch durch Verlesen der Beschlussformel bekannt gegeben werden. Dies ist in den Akten zu vermerken. In diesem Fall ist die Begründung des Beschlusses unverzüglich nachzuholen. Der Beschluss ist im Fall des Satzes 1 auch schriftlich bekannt zu geben.

(3) Ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, ist auch demjenigen, für den das Rechtsgeschäft genehmigt wird, bekannt zu geben.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 194/09
vom
18. März 2010
in der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die zuständige Ausländerbehörde am Aufgriffsort ist nach § 62 Abs. 4 AufenthG
nicht nur für die Festhaltung und Ingewahrsamnahme des aufgegriffenen Ausländers
zuständig, sondern auch für den Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft
BGH, Beschluss vom 18. März 2010 - V ZB 194/09 - LG Hannover
AG Hannover
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. März 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 28 des Landgerichts Hannover vom 22. Oktober 2009 wird auf Kosten des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.


1
Der Beteiligte zu 1 (Betroffener), ein togoischer Staatsangehöriger, hatte nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Juli 1999 einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter gestellt, der im August 1999 abgelehnt wurde; der Bescheid des Bundesamtes wurde im Dezember 1999 rechtskräftig. Während des Asylverfahrens hatte der Beteiligte zu 1 seinen Aufenthalt im Landkreis Bernburg, jetzt Salzlandkreis, in Sachsen-Anhalt.
2
Der Aufforderung zur Ausreise nach dem Abschluss des Asylverfahrens kam er nicht nach. Nachdem ihm im April 2000 die Abschiebung nach Togo angekündigt wurde, verließ er im Mai 2000 Halberstadt, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift über seinen Aufenthalt mitzuteilen. Er wurde von dem Landkreis im Mai 2000 als nach einem unbekannten Ort fortgezogen abgemeldet.
3
Von einem unbekannten Zeitpunkt an hielt sich der Beteiligte zu 1 in Hannover auf und arbeitete dort als Lagerist. In der Nacht zum Sonnabend, dem 26. September 2009, wurden bei einer Personenkontrolle seine Personalien von der Polizei überprüft. Dabei wurde er festgenommen, weil er sich mit auf einen Aliasnamen ausgestellten Papieren ausgewiesen hatte.
4
Nach Feststellung der Identität des Beteiligten zu 1 und seines Untertauchens nach angedrohter Abschiebung hat die Beteiligte zu 2 (Ausländerbehörde ) ihn am Nachmittag desselben Tages dem Haftrichter vorgeführt, der auf deren Antrag die Haft zur Sicherung der Abschiebung für drei Monate angeordnet hat. Seine Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Nachdem er inzwischen abgeschoben worden ist, hat er mit der Rechtsbeschwerde die Feststellung beantragt, dass die Anordnung der Abschiebehaft rechtswidrig gewesen sei.

II.

5
Das Beschwerdegericht meint, dass die Beteiligte zu 2 die örtlich zuständige Ausländerbehörde gewesen sei, weil der Beteiligte zu 1 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich dieser Behörde gehabt habe, da er in Hannover schon seit langer Zeit gewohnt und gearbeitet habe. Zudem ergebe sich die örtliche Zuständigkeit der Beteiligten zu 2 aus § 100 Nds. SOG, da der Beteiligte zu 1 durch seinen illegalen Aufenthalt geschützte Interessen in dem Bezirk der Behörde verletzt habe.
6
Der Beteiligte zu 1 sei nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG in Haft zu nehmen, weil auf Grund des Untertauchens nach der ersten Androhung der Abschiebung und der Benutzung auf einen Aliasnamen ausgestellter Personal- papiere der begründete Verdacht bestehe, dass er erneut im Bundesgebiet untertauchen werde, um sich seiner Abschiebung zu entziehen.

III.

7
1. Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 ist nach § 71 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
8
Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag ist, nachdem sich die Hauptsache durch die Abschiebung des Beteiligten zu 1 erledigt hat, nach § 70 Abs. 3 i.V.m. § 62 FamFG statthaft (vgl. Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, Umdruck S. 4 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
9
2. Der Feststellungsantrag ist jedoch unbegründet; die Inhaftierung des Beteiligten zu 1 zur Sicherung seiner Abschiebung war rechtmäßig.
10
a) Die Beteiligte zu 2 war die für die Beantragung der Abschiebungshaft sachlich und örtlich zuständige Verwaltungsbehörde. Die von der Rechtsbeschwerde erhobenen Angriffe sind unbegründet.
11
aa) Die Zuständigkeit der den Haftantrag stellenden Verwaltungsbehörde ist nach § 417 Abs. 1 FamFG eine Verfahrensvoraussetzung für die richterliche Haftanordnung. Das Vorliegen eines zulässigen Antrags ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (BayOblGZ 1997, 77, 78; OLG Karlsruhe FGPrax 2008, 228, 229; OLG Köln FGPrax 2009, 137, 138 - noch zu § 3 Satz 1 FEVG). Die Neuregelung des Verfahrens in den Freiheitsentziehungssachen hat in diesem Punkt sachlich nichts geändert (BT-Drucks 16/6308, S. 291).
12
bb) Zu Unrecht geht das Beschwerdegericht allerdings davon aus, dass die Beteiligte zu 2 die nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen in Bezug auf den Beteiligten zu 1 auch örtlich zuständige Ausländerbehörde war. Das war sie nicht, sondern - wie die Beteiligte zu 2 in ihrem Antrag auf Anordnung der Abschiebungshaft an das Amtsgericht selbst zutreffend ausgeführt hat - der Salzlandkreis.
13
Diejenige Ausländerbehörde, die für den dem Asylbewerber zugewiesenen Aufenthaltsort zuständig ist, bleibt für diesen auch dann zuständig, wenn der Ausländer sich unerlaubt aus ihrem Bezirk entfernt, um sich einer angedrohten Abschiebung zu entziehen. Die Aufenthaltsbeschränkung nach § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG besteht auch nach rechtskräftiger Ablehnung seines Asylantrags fort (dazu Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 56 Rdn. 36). Darüber hinaus waren die Behörden des Landes Niedersachsen schon deshalb für den Beteiligten zu 1 nicht die nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zuständigen Ausländerbehörden , weil bei vollziehbarer Ausreisepflicht durch die bundesgesetzliche Regelung in § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG der Aufenthalt des Ausländers auf das Gebiet eines Landes (hier war das Sachsen-Anhalt) räumlich beschränkt wird, was einem länderübergreifenden Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts grundsätzlich entgegensteht (Hailbronner, Ausländerrecht [Stand: Dezember 2008], § 61 Rdn. 7 ff.; HK-AuslR/Keßler, AufenthG, § 61 Rdn. 5).
14
Die Aufenthaltsbeschränkungen bestimmen die örtlich zuständige Ausländerbehörde , weil davon auszugehen ist, dass der Ausländer an einem anderen (seinem tatsächlichen) Aufenthaltsort nicht bleiben kann (OVG Greifswald NVwZ-Beilage I 1999, 22, 23; OVG Koblenz, Beschl. v. 29. März 2006, 7 B 10291/06, Rz. 3 - juris; KG, Beschl. v. 25. August 2006, 25 W 70/05, Rz. 13, 14 - juris; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 3 Rdn. 28; Hailbronner, AufenthG , Stand: August 2008, § 71 Rdn. 5a e.E.; aA bei einem mehr als 6 Monate andauernden Aufenthalt an einem anderen Ort: Bonk/Schmitz in Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 3 Rdn. 24).
15
cc) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar. Die Beteiligte zu 2 war auf Grund des Umstands, dass der Beteiligte zu 1 in ihrem Bezirk aufgegriffen wurde, auch zuständig, eine zur Sicherung der Abschiebung des Ausländers erforderliche Haft zu beantragen.
16
(1) Die Beteiligte zu 2 war für die den Aufgriffsort örtlich zuständige Ausländerbehörde. Welche Behörde das ist, bestimmt das jeweilige Landesrecht (HK-AuslR/Hofmann, AufenthG, § 71 Rdn. 5; Hailbronner Ausländerrecht [Stand: August 2008], § 71 Rdn. 4 f.). Im Land Niedersachsen ist nach § 100 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG die Ausländerbehörde örtlich zuständig, in deren Bezirk die zu schützenden Interessen durch den unrechtmäßigen Aufenthalt des Ausländers verletzt werden (vgl. OLGR Celle 2008, 587, 588).
17
Die Einwendungen, die die Rechtsbeschwerde gegen die Anwendung der polizeirechtlichen Zuständigkeitsregelung erhebt, sind nicht begründet. Die allgemeine Regelung zur Bestimmung der zuständigen Ausländerbehörden im Land Niedersachsen nimmt in § 2 Abs. 1 AllgZustVO-Kom die Durchführung von Abschiebungen und Zurückschiebungen aus ihrem Anwendungsbereich ausdrücklich aus. Soweit für die Durchführung ausländerrechtlicher Maßnahmen landesrechtlich nichts anderes angeordnet ist, wird die zuständige Behörde durch die Polizeigesetze der Länder bestimmt (vgl. Bahrenfuss/Grottkopp, FamFG, § 415 Fußnote 3). Enthält das anzuwendende Landesgesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung - wie hier in den §§ 100 bis 104 Nds. SOG - besondere Zuständigkeitsanordnungen, findet die allgemeine Bestimmung über die örtliche Zuständigkeit der Behörden in § 3 VwVfG nach § 1 Abs. 2 NVwVfG keine Anwendung.
18
(2) Die Beantragung der Sicherungshaft gehört zu dem Kreis der Maßnahmen , zu denen die für den Aufgriffsort eines untergetauchten Ausländers örtlich zuständige Ausländerbehörde befugt ist.
19
a) Die Rechtsprechung der für Rechtsbeschwerden in Freiheitsentziehungssachen bisher zuständige Oberlandesgerichte bejahte - in Anknüpfung an § 3 Abs. 4 Satz 1 VwVfG entsprechende Bestimmungen in den Verwaltungsge- setzen der Länder - eine (auch länderübergreifende) Notzuständigkeit der Ausländerbehörden am tatsächlichen Aufenthaltsort des Ausländers. Diese setzte Gefahr im Verzug voraus und war auf die Vornahme der unaufschiebbaren Maßnahmen beschränkt (KG FGPrax 1998, 157; OLG Karlsruhe FGPrax 2008, 228, 229; dazu Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl. § 417 Rdn. 3; Prütting /Helms/Jennissen, FamFG, § 417 Rdn. 3).
20
Die Voraussetzung für eine Eilzuständigkeit wäre danach hier zwar gegeben , wenn die nach dem gesetzlich bestimmten Aufenthaltsort zuständige Ausländerbehörde an dem Wochenende, als die Verhaftung des Beteiligten zu 1 erfolgte, nicht erreichbar gewesen sein sollte und damit die Beantragung der Haft durch die Ausländerbehörde in Bernburg (Saale) innerhalb der in Art. 104 Abs. 3 GG bestimmten Frist nicht erfolgen konnte, wie es die Beteiligte zu 2 in ihrem Haftantrag an das Amtsgericht ausgeführt hat. Es hätte aber nach bisheriger Rechtsprechung an der Kompetenz der Beteiligten zu 2 für die Beantragung der Abschiebungshaft gefehlt, weil nur der Antrag auf eine einstweilige, jedoch nicht der auf eine bis zur Abschiebung andauernde Haftanordnung als eine nach § 3 Abs. 4 Satz 1 VwVfG zulässige unaufschiebbare Maßnahme in Freiheitsentziehungssachen angesehen worden ist (so KG FGPrax 1998, 157, 158; anders jedoch Nummer 71.1.2.5 der von der Rechtsbeschwerde zitierten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung vom 26. Oktober 2009 [Entwurf in BR-Drucks. 669/09; veröffentlicht in GMBl. 2009, 878], nach der die Eilzuständigkeit der Ausländerbehörde des Aufenthaltsorts in diesen Fällen auch die Beantragung der Haft zur Sicherung der Abschiebung einschließen soll).
21
b) Die Frage, ob die Eilzuständigkeit nach § 3 Abs. 4 Satz 1 VwVfG die Ausländerbehörde am Aufgriffsort zu dem Antrag auf Sicherungshaft ermächtigt , kann hier dahinstehen. Nach § 62 Abs. 4 AufenthG ist nämlich die nach dem Landesrecht örtlich zuständige Ausländerbehörde an dem Aufgriffsort eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers, der unbefugt seinen Aufent- haltsort gewechselt hat, ohne der Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist (im Bundesgebiet untergetauchter Ausländer), nicht nur für dessen Festhaltung und Ingewahrsamnahme, sondern auch für den Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft sachlich zuständig.
22
aa) Nach Satz 1 dieser durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsund asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (BGBl. I 2007, S. 1970) in das Aufenthaltsgesetz eingefügten Bestimmung kann die für den Haftantrag zuständige Behörde einen Ausländer unter den dort bezeichneten Voraussetzungen auch ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, der nach Satz 2 dann unverzüglich dem Haftrichter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen ist. Mit dieser Vorschrift sollte eine gesetzliche Grundlage für eine vorläufige Festnahme durch die Ausländerbehörde zur Sicherung der Abschiebehaft aus dem in § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG benannten Haftgrund geschaffen werden. Erfasst werden sollten auch die Fälle, in denen ein untergetauchter Ausländer aufgegriffen wird (BT-Drucks. 16/5065, S. 188 f.).
23
Diese Vorschrift räumt der für den Haftantrag zuständigen Behörde ausdrücklich die Befugnisse zur Festhaltung, Ingewahrsamnahme und Vorführung ein. Den Ausländer festhalten und in Gewahrsam nehmen kann jedoch nur die Behörde an dem Ort, an dem sich der Ausländer auch tatsächlich befindet. Bei den untergetauchten Ausländern liefe die Vorschrift daher in der Regel leer und verfehlte damit ihren Zweck, wenn die Ausländerbehörde am Aufgriffsort nicht auch für den Haftantrag zuständig wäre. Der Senat teilt aus dem vorstehenden Grund die Auffassung von Budde (in Keidel/Budde, FamFG, 10. Aufl., § 417 Rdn. 2), dass der Umfang der zulässigen Eilmaßnahmen der Ausländerbehörde am Aufgriffsort eines untergetauchten Ausländers die Beantragung der Sicherungshaft einschließt. Die Festhaltung und Ingewahrsamnahme nach § 62 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, die Vorführung und die Beantragung der Haft nach § 62 Abs. 4 Satz 2 bei dem Haftrichter aus dem in § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Auf- enthG genannten Haftgrund sind nach dem Gesetzestext und dem mit ihm verfolgten Zweck ein einheitlicher Vorgang zur Durchsetzung der Ausreisepflicht gegenüber dem Ausländer, der sich einer angedrohten Abschiebung durch Untertauchen entzogen hat (vgl. Keidel/Budde, aaO).
24
bb) Die Zuständigkeit der Behörde am Aufgriffsort ist dabei nicht auf die Beantragung einer einstweiligen Anordnung zur Freiheitsentziehung nach § 427 Abs. 1 FamFG beschränkt. Vielmehr kann die Behörde auch gleich die Sicherungshaft beantragen, wenn der bei der Festhaltung des Ausländers vorliegende dringende Verdacht, dass die Voraussetzungen für eine Anordnung der Abschiebehaft vorliegen und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Einschreiten der Behörde besteht, infolge der unmittelbar danach gewonnenen Erkenntnisse bei der Feststellung der Identität und des aufenthaltsrechtlichen Status des Ausländers und dessen Einlassung bereits Gewissheit geworden ist.
25
Dass die Ausländerbehörde am Aufgriffsort auch zu dem Antrag auf Sicherungshaft befugt ist, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 62 Abs. 4 Satz 2 AufenthG. Ziel der von der Behörde unverzüglich zu veranlassenden Vorführung des Ausländers vor dem Haftrichter ist die Herbeiführung einer Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft im Sinne der gesetzlichen Begriffsbestimmung in § 62 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Durch § 62 Abs. 4 AufenthG entsteht damit zwar in vielen Fällen für den Haftantrag eine Parallelzuständigkeit der Ausländerbehörden am Aufgriffsort und an dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Ausländers. Das gibt es in Haftsachen jedoch auch bei den Zuständigkeiten anderer Behörden; so sind beispielsweise nach § 71 Abs. 5 AufenthG sowohl die Polizeibehörden der Länder als auch die Ausländerbehörden für den Haftantrag zuständig (vgl. BayObLGZ 1998, 224, 225).
26
cc) Die Zuständigkeit der Ausländerbehörde am Aufgriffsort für den Haftantrag setzt allerdings deren Befugnis zum Festhalten und zur vorläufigen Ingewahrsamnahme des Ausländers voraus, die hier vorlag.
27
Der dringende Verdacht für das Vorliegen eines Abschiebungsgrundes (§ 62 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) ergab sich aus den widersprüchlichen und unklaren Angaben des Beteiligten zu 1 zu seiner Identität und seinem Wohnort und den unrichtigen Ausweispapieren bei seinem Aufgreifen. Die Beteiligte zu 2 konnte die richterliche Anordnung auch nicht vorher einholen. Die Voraussetzung ist gegeben, wenn in der konkreten Situation eine richterliche Anordnung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann und die Gefahr des Untertauchens des Ausländers zu befürchten ist (BT-Drucks. 16/5065, S. 188). So war es hier. Die Beteiligte zu 2 konnte nicht schon vorher eine richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft (§ 62 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) einholen , weil ihr nicht bekannt war, dass der Beteiligte zu 1 sich in ihrem Bezirk aufhielt und sie daher dessen Angriffen durch die Polizei auch nicht vorhersehen konnte. Auf Grund des vorherigen Verhaltens des Beteiligten zu 1 war auch der für die Festhaltung und Ingewahrsamnahme notwendige Verdacht begründet, dass dieser sich der Abschiebung (erneut) entziehen wolle (§ 62 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 AufenthG).
28
b) Das Vorliegen des in § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG bestimmten Haftgrunds hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei bejaht. Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Einwendungen.

IV.

29
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG; die Festsetzung des Werts auf § 42 Abs. 3 FamGKG.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub

Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 26.09.2009 - 44 XIV 109/09 -
LG Hannover, Entscheidung vom 22.10.2009 - 28 T 52/09 -