Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2010 - V ZB 121/10

bei uns veröffentlicht am07.05.2010
vorgehend
Amtsgericht Idar-Oberstein, 9 XIV 9/10 B, 25.02.2010
Landgericht Bad Kreuznach, 1 T 74/10, 23.04.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

Beschluss
V ZB 121/10
vom
7. Mai 2010
in der Abschiebehaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Mai 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Dem Betroffenen wird für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 23. April 2010 Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt Wassermann beigeordnet. Die Vollziehung der durch Beschluss des Amtsgerichts IdarOberstein vom 25. Februar 2010 angeordneten und mit Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 23. April 2010 aufrechterhaltenen Abschiebungshaft wird einstweilen ausgesetzt.

Gründe:


I.

1
Der Betroffene, ein georgischer Staatsangehöriger, reiste mithilfe einer Schleuserorganisation im Jahr 2000 in das Bundesgebiet ein. Er gab vor, irakischer Staatsangehöriger zu sein und stellte unter Angabe falscher Personalien einen Antrag auf Asyl. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nachfolgend Bundesamt) lehnte den Asylantrag am 29. November 2000 als offensichtlich unbegründet ab und drohte die Abschiebung in den "Herkunftsstaat" an. In dem Bescheid weist das Bundesamt darauf hin, dass die Abschiebung auch in einen Staat erfolgen könne, in den der Betroffene einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Der Betroffene kam dem nicht freiwillig nach und war über einen längeren Zeitraum unbekannten Aufenthalts im Bundesgebiet.
2
Auf Antrag des Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht am 25. Februar 2010 die Haft zur Sicherung der Abschiebung gegen den Betroffenen bis zum 19. Mai 2010 angeordnet. Hiergegen hat sich der Betroffene mit der sofortigen Beschwerde gewandt. Eine für den 13. April 2010 geplante Abschiebung hat das Verwaltungsgericht vorläufig nach § 123 VwGO untersagt und zur Begründung ausgeführt, dass es an einer hinreichend bestimmten Abschiebungsandrohung fehle. Die in dem Bescheid des Bundesamts vom 29. November 2000 enthaltene Abschiebungsandrohung sei zu unbestimmt, weil ein konkreter Zielstaat nicht genannt werde und die Ausländerbehörde eine Abschiebungsandrohung unter Bestimmung eines konkreten Zielstaats bislang nicht erlassen habe. Daraufhin erließ der Beteiligte zu 2 am 13. April 2010 eine Abschiebungsandrohung und bestimmte Georgien zum Zielstaat. Die Abschiebung des Betroffenen ist nunmehr für den 18. Mai 2010 vorgesehen.
3
Die gegen die Haftanordnung gerichtete sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Er beantragt, die Aussetzung des Vollzugs der Haftentscheidung bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde anzuordnen.

II.

4
Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung u.a. damit begründet, dass der Beteiligte zu 2 zwischenzeitlich wirksam den Zielstaat der Abschie- bung bestimmt habe. Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot liege nicht vor. Zwar sei es dem Beteiligten möglich gewesen, die erforderliche Abschiebungsandrohung so rechtzeitig nachzuholen, dass die für den 13. April 2010 geplante Abschiebung hätte durchgeführt werden können. Dass der Betroffene nunmehr erst am 18. Mai 2010 abgeschoben werden könne, sei mit dem Allgemeininteresse an einer tatsächlichen Abschiebung noch zu rechtfertigen, zudem bleibe die Verlängerung der Freiheitsentziehung noch in einem vertretbaren Rahmen, zumal der Betroffene jahrelang über seine Identität getäuscht und so die umfangreichen Nachforschungen verursacht habe.

III.

5
1. Der Aussetzungsantrag ist in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG statthaft (vgl. Senat, Beschl. v. 21. Januar 2010, V ZB 14/10 Rdn. 3 - juris; Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, Rdn. 3 - juris).
6
2. Er ist auch begründet.
7
Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die drohenden Nachteile für den Betroffenen gegeneinander abzuwägen. Die Aussetzung der Vollziehung einer Freiheitsentziehung , die durch das Beschwerdegericht bestätigt worden ist, wird danach regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (Senat, Beschl. v. 21. Januar 2010, V ZB 14/10, Rdn. 5 - juris; Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, Rdn. 5 - juris; ferner Senat, Beschl. v. 31. Oktober 2007, V ZB 114/07, WuM 2008, 95, 96). Die Rechtsbeschwerde bietet jedenfalls insoweit Aussicht auf Erfolg, als sie sich gegen die Aufrechterhaltung der Sicherungshaft richtet.
8
a) Die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass die Fortdauer der Haft noch dem im Rahmen der Prüfung des Haftgrundes zu beachtenden verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken.
9
Nach der gesetzlichen Wertung, wie sie in § 62 Abs. 2 Satz 5 AufenthG zum Ausdruck kommt (vgl. Entwurf v. 23. April 2007 eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU, BT-Drucks. 16/5065, S. 188), verliert die Haftanordnung ihre Wirksamkeit mit der konkreten Abschiebungsmaßnahme (vgl. OLG Frankfurt FGPrax 2009, 188, 189; OLG München OLGR 2006, 674). Dies gilt auch im Falle eines von dem Ausländer nicht zu vertretenden Scheiterns der Abschiebung (vgl. OLG Frankfurt, aaO; Hailbronner, AusIR, Stand: 68. Aktualisierung April 2010, § 62 AufenthG Rdn. 67). Schlägt diese ausschließlich wegen eines Fehlers der Ausländerbehörde fehl, ist die weitere Inhaftierung des Ausländers auf der Grundlage der ursprünglichen Haftanordnung nicht zu rechtfertigen (vgl. OLG Hamm OLGR 2009, 639 f.).
10
Davon dürfte hier auszugehen sein. Das Verwaltungsgericht hat die für den 13. April 2010 geplante Abschiebung einstweilen untersagt und dies mit dem Fehlen einer wirksamen Abschiebungsandrohung begründet. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist der Nachprüfung durch die Zivilgerichte entzogen und daher als Tatsache zu berücksichtigen und nicht auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen (vgl. BGH, Urt. v. 15. Juni 2007, I ZR 125/04, NVwZ-RR 1008, 154, 155). Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts hätte die Freiheitsentziehung mit der am 13. April 2010 durchzuführenden Abschiebung enden können, wenn der Beteiligte zu 2 rechtzeitig dem Betroffenen die Abschiebung nach Georgien angedroht hätte. Dies wäre dem Beteiligten zu 2 nach sorgfältiger Prüfung der Voraussetzungen der Abschiebung auch möglich gewesen. Keinesfalls ist die Untersagung der Abschiebung durch das Verwaltungsgericht dem Betroffenen anzulasten.
11
Der neue Sachvortrag des Beteiligten zu 2, dass er dem Betroffenen bereits am 25. Februar 2010 mündlich mitgeteilt habe, nach Georgien abgeschoben zu werden, kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden (vgl. Keidel/Meyer-Holtz, FamFG, 16. Aufl., § 74 Rdn. 35 m.w.N.).
12
b) Die Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung durfte das Beschwerdegericht schließlich nicht mit dem Allgemeininteresse an einer wirksamen Abschiebung oder damit rechtfertigen, dass die Verlängerung sich in einem "vertretbaren Rahmen" halte. Dem Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) kommt - je länger eine Haft andauert - ein immer größeres Gewicht gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Durchsetzung ausländerrechtlicher Vorschriften zu (BVerfG, NVwZ 1996, Beilage 3, S. 17 f.). Zudem muss die Behörde, schon wenn vorhersehbar ist, dass die Abschiebung erforderlich wird, alle notwendigen Anstrengungen unternehmen, damit der Vollzug der Haft auf eine möglichst kurze Zeit beschränkt werden kann (vgl. Senat, BGHZ 133, 235, 239; Beschl. v. 25. März 2010, V ZA 9/10, Rdn. 22 - juris).
Krüger Klein Stresemann
Czub Roth

Vorinstanzen:
AG Idar-Oberstein, Entscheidung vom 25.02.2010 - 9 XIV 9/10 B -
LG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 23.04.2010 - 1 T 74/10 -

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

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(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 64 Einlegung der Beschwerde


(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird. Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde sind bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten werden soll. (

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird. Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde sind bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten werden soll.

(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt. Die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ist in Ehesachen und in Familienstreitsachen ausgeschlossen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen.

(3) Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 14/10
vom
28. April 2011
in der Freiheitsentziehungssache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. April 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Prof.
Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. Januar 2010 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.


1
Der Betroffene ist libanesischer Staatsbürger und lebte seit 28 Jahren in Deutschland. Die beteiligte Behörde ordnete mit Bescheid vom 20. Februar 2007 seine Ausweisung an, weil er unter anderem wegen Erwerbs von Heroin und gefährlicher Körperverletzung zu mehreren Freiheitsstrafen verurteilt worden war, deren Vollstreckung nicht (mehr) zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach Eintritt der Bestandskraft der Ausweisung betrieb sie die Beschaffung der Ersatzpapiere, die sich indessen länger hinzog und bis zu dem nachträglich vorgezogenen Ende der Strafhaft nicht mehr gelang. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht die Sicherungshaft von drei Monaten gegen den Betroffenen angeordnet. Das Landgericht hat diese auf die Beschwerde des Betroffenen auf zwei Monate bis zum Ablauf des 31. Januar 2010 verkürzt, weil die Papiere inzwischen erteilt waren und die Abschiebung für den 26. Januar 2010 vorgesehen war und auch so durchgeführt wurde. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Feststellung beantragt, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.


2
Das Beschwerdegericht stützt die Sicherungshaft auf § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG. Es bestehe der begründete Verdacht, dass sich der Betroffene der vorgesehenen Abschiebung entziehe. Der Betroffene habe sich vor seiner Abschiebung in Strafhaft befunden und keinen festen Wohnsitz. Er sei 1981 nach Deutschland eingereist und nach der Zurückweisung seines Asylantrags Mitte 1982 untergetaucht. Er sei nicht bereit, die deutsche Rechtsordnung zu achten. Das belegten die Straftaten, die zu seiner Ausweisung geführt hätten. Er habe mehrfach falsche Personaldaten angegeben. Deshalb sei anzunehmen , dass er sich ohne eine Inhaftierung der Abschiebung entziehen werde. Die Anordnung der Haft sei auch verhältnismäßig, weil die Ausländerbehörde die Abschiebung mit der größtmöglichen Beschleunigung betrieben hätte.

III.


3
Die nach Erledigung der Hauptsache mit dem gestellten Feststellungsantrag statthafte (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151 Rn. 10) Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist unbegründet. Die Anordnung der Abschiebungshaft ist rechtlich nicht zu beanstanden.
4
1. Der Betroffene war auf Grund der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung nach §§ 53, 56 AufenthG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und auf Grund dieser Ausweisungsverfügung nach § 58 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG abzuschieben.
5
2. Rechtsfehlerfrei haben die Vorinstanzen den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG angenommen. Nach ihren Feststellungen bestand bei Anordnung der Abschiebungshaft und der Zurückweisung der Beschwerde der begründete Verdacht, der Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen. Diese Feststellungen sind im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.
6
a) Der Betroffene meint, es hätten keine konkreten, verlässlichen Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass er sich der Abschiebung entziehen wolle. Auf sein Untertauchen im Jahr 1982 könne nicht abgestellt werden. Er habe im Mai 2008 selbst um die Durchführung der Abschiebung gebeten, an der Beschaffung der Papiere aktiv mitgewirkt und erklärt, er werde sich mit seinem Übergangsgeld von 3.500 € in einer Pension einquartieren. Der Umstand, dass er keine aktiven familiären Bindungen habe, reiche allein nicht für die Anordnung von Sicherungshaft aus. Sein Verhalten vor der Strafhaft könne den konkreten Verdacht, dass er sich nach dem Vollzug der Strafhaft der Abschiebung entziehen wolle, nicht begründen. Darauf abzustellen, unterstelle, dass die Strafhaft die ihr gesetzten Ziele verfehlt habe.
7
b) Diese Einwände stellen die Feststellungen der Vorinstanzen nicht in Frage.
8
(1) Der begründete Verdacht, der Betroffene wolle sich dem Vollzug der Ausreisepflicht entziehen, ließ sich allerdings nicht auf sein Untertauchen im Jahr 1982 stützen. Dieser Vorfall hatte im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts keine Aussagekraft mehr. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung aber nicht allein auf diesen Vorfall, sondern - wie das Amtsgericht - gleichwertig auch auf die strafrechtlichen Verurteilungen des Betroffenen und die mehrfache Angabe unrichtiger Personalien gestützt. Das trägt die getroffene Prognose. Aus den strafrechtlichen Verurteilungen ergibt sich, dass der Betroffene in hohem Maß unzuverlässig ist. Das ist insbesondere dem gegen ihn ergangenen Strafurteil des Amtsgerichts Frankenthal/Pfalz vom 18. September 2006 zu entnehmen. Darin hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt und die Aussetzung der Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt. Begründet hat es diese Entscheidung damit, dass der Betroffene die Bewährungsauflagen aus früheren Verurteilungen zu Freiheitsstrafen nicht eingehalten und den ihm aufgegebenen Kontakt zu seinem Bewährungshelfer nicht gehalten hat. Vor allem aber hat es festgestellt, dass sich der Betroffene durch die vorangegangenen Verurteilungen in keiner Weise hat beeindrucken lassen und letztlich „macht, was er will“, wie es in dem Urteil heißt.
9
(2) Diesen Gesichtspunkt durften die Vorinstanzen auch nach dem Vollzug der Strafhaft ihrer Prognose zugrunde legen. Ein Ziel des Strafvollzugs ist zwar nach § 2 Satz 1 StVollzG, den Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Das besagt ohne zusätzliche Anhaltspunkte aber nicht, dass dieses Ziel durch den Vollzug auch erreicht worden ist. Hinzukommt, dass der Strafvollzug nach § 2 Satz 2 StVollzG auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten dient. Verlässliche Anzeichen dafür, dass sich der Betroffene in der Strafhaft grundlegend verändert hätte und dem Vollzug der Ausweisung nicht mehr entziehen würde, lagen nicht vor. Der Betroffene hatte zwar seinen Angaben zufolge nach Bestandskraft der Ausweisung im Mai 2008 um deren baldigen Vollzug gebeten und an der Beschaffung der Papiere mitgewirkt. Zu diesem Zeitpunkt hatte er allerdings noch etwa 18 Monate Freiheitsstrafe zu verbüßen. Deshalb war seinem Verhalten nicht, jedenfalls nicht sicher zu entnehmen, dass er sich mit einer Rückkehr in seine Heimat abgefunden hatte. Es war ferner nicht erkennbar, dass der Betroffene in Deutschland einen festen Bezugspunkt hatte oder begründen konnte, an dem er in dem für seine Abschiebung vorgesehenen Zeitpunkt angetroffen werden konnte. Daran änderte auch die erklärte Absicht des Betroffenen nichts, sich nach Entlassung aus der Haft in einer Pension einzumieten.
10
3. Entgegen der Ansicht des Betroffenen war die Anordnung der Sicherungshaft auch verhältnismäßig.
11
a) Die Anordnung der Sicherungshaft kann zwar unverhältnismäßig sein, wenn die Behörde den Vollzug der Ausweisung nicht mit Nachdruck betrieben und insbesondere nicht die notwendigen Anstrengungen unternommen hat, die Ausweisung während einer Strafhaft durchzuführen (BayObLGZ 1991, 258, 260). Das aus Art. 2 Abs. 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (vgl. BVerfGE 46, 194, 195) ist auch schon während des Laufs der Drei-Monatsfrist des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG zu beachten (Senat , Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 119/10, NVwZ 2010, 1575 [Ls.], Vollabdruck bei juris). Es ist verletzt, wenn die Ausländerbehörde nicht alle notwendigen Anstrengungen unternommen hat, um Ersatzpapiere zu beschaffen, damit der Vollzug der Abschiebungshaft auf eine möglichst kurze Zeit beschränkt werden kann (Senat, Beschlüsse vom 11. Juli 1996 - V ZB 14/98, BGHZ 133, 235, 239 und vom 10. Juni 2010 - V ZB 205/09, juris). Das Beschwerdegericht darf die Sicherungshaft deshalb nur aufrechterhalten, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt und zwar, gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, mit der größtmöglichen Beschleunigung (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 205/09, juris).
12
b) Gemessen daran ist die Anordnung der Sicherungshaft nicht zu beanstanden. Die beteiligte Behörde hat die Ausweisung zu Beginn der Strafhaft angeordnet. Sie hat kurz nach dem Eintritt der Bestandskraft ihrer Entscheidung die Beschaffung der Ersatzpapiere betrieben. Anlass, schon vorher damit zu beginnen, hatte sie nicht, zumal der Betroffene bei Erlass des verwaltungsgerichtlichen Urteils noch nahezu zwei Jahre Strafhaft zu verbüßen hatte. Dass die libanesischen Behörden in diesem langen Zeitraum zur Beschaffung der Ersatzpapiere nicht in der Lage sein würden, war nicht vorherzusehen. Entgegen der Ansicht des Betroffenen ist die verzögerte Sachbehandlung durch den ausländischen Staat den inländischen Behörden mangels Einwirkungsmöglichkeiten nicht anzulasten (Senat, Beschluss vom 25. März 2010 - V ZA 9/10, NVwZ 2010, 1175, 1176 Rn. 22).

IV.


13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung beruht auf § 128c Abs. 2, § 30 Abs. 2 KostO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub

Vorinstanzen:
AG Frankenthal (Pfalz), Entscheidung vom 03.12.2009 - 2 XIV 41/09 B -
LG Frankenthal, Entscheidung vom 08.01.2010 - 1 T 252/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 79/10
vom
18. August 2010
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. August 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 17. März 2010 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene ist Staatsangehöriger von Sri Lanka. Er verließ das Bundesgebiet nach der bestandskräftigen Ablehnung eines Asylantrags. Im Jahr 2007 reiste er, von Frankreich kommend, wiederum nach Deutschland ein und wurde nach Frankreich zurückgeschoben. Am 8. Februar 2010 reiste er abermals aus Frankreich ein. Bei einer Kontrolle versuchte er, sich mit einem entwendeten deutschen Personalausweis auszuweisen, und wurde verhaftet. Auf Antrag der Bundespolizeiinspektion Bad Bentheim hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 8. Februar 2010 gegen den Betroffenen Haft bis zu seiner Rückschiebung , längstens für die Dauer von drei Monaten, angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben.
2
Bemühungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), den Betroffenen nach Frankreich zurückzuschieben, blieben bis Mitte April 2010 erfolglos. Das Amtsgericht hat deshalb mit Beschluss vom 27. April 2010 die Haftanordnung aufgehoben und die Freilassung des Betroffenen angeordnet.
3
Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der Betroffene die Feststellung, dass der Beschluss des Amtsgerichts und der Beschluss des Landgerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, die Haftanordnung sei nicht zu beanstanden. Der Haftantrag sei von der zuständigen Behörde gestellt worden. Aufgrund der unerlaubten Einreise sei der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig gewesen. Es habe der begründete Verdacht bestanden, dass er sich der Rückschiebung habe entziehen wollen. Eine Aufenthaltsberechtigung habe er nicht gehabt. Die Anordnung der Haft für die Dauer von drei Monaten sei verhältnismäßig gewesen. Eine nochmalige Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht sei nicht erforderlich gewesen; auch habe eine in Frankreich lebende Ehefrau nicht angehört werden müssen.

III.

5
Die Rechtsbeschwerde ist zwar statthaft und zulässig, aber unbegründet.
6
1. Das form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsmittel ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG ungeachtet des Umstands, dass sich die Hauptsache mit der Entlassung des Betroffenen aus der Haft erledigt hat, ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (vgl. nur Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151 = InfAuslR 2010, 249, 250).
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Weder die Haftanordnung noch die sie bestätigende Entscheidung des Beschwerdegerichts sind rechtlich zu beanstanden.
8
a) Die Rüge, der Betroffene sei - wenn überhaupt - verspätet über sein Recht belehrt worden, die konsularische Vertretung seines Heimatstaates von der Inhaftierung zu unterrichten (Art. 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK), weil die Belehrung weder bei der Ingewahrsamnahme noch bei der Anhörung zur Überprüfung der Ingewahrsamnahme erfolgt sei, bleibt ohne Erfolg. Denn das - vermeintlich - fehlerhafte Handeln der Beamten der Bundespolizei ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
9
b) Der Betroffene ist vor seiner Inhaftierung von dem Amtsrichter ordnungsgemäß nach § 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK belehrt worden. Den daran in der Rechtsbeschwerdebegründung geäußerten Zweifeln fehlt die Grundlage. Mag die Feststellung der Belehrung in dem Protokoll über die Anhörung des Betroffenen auch auf einem Textbaustein beruhen, bei dem das Wort "nicht" entsprechend dem Ergebnis der Befragung des Betroffenen zu streichen oder nicht zu streichen ist, hat der Senat mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen , dass die Belehrung erfolgte, und zwar rechtzeitig (siehe dazu Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 223/09, Rn. 18, juris).
10
c) Das Beschwerdegericht musste den Betroffenen nicht erneut anhören. Zwar ist die persönliche Anhörung auch in dem Rechtsmittelverfahren grundsätzlich erforderlich (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, FGPrax 2010, 154, 155). Aber hiervon kann nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen werden, wenn eine persönliche Anhörung des Betroffenen in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse von einer erneuten Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, aaO). So war es hier. Der Umstand, dass der Betroffene erstmals in seiner Anhörung durch Beamte der Bundespolizeiinspektion H. am 1. März 2010 vorgetragen hat, er sei mit einer legal in Frankreich lebenden Frau verheiratet, änderte nichts an dem Vorliegen der Voraussetzungen für die Haftanordnung. Denn der Betroffene hat nicht angegeben, dass er freiwillig zu dieser Frau zurückkehren wollte. Andere Anhaltspunkte für eine freiwillige Rückkehr gab es nicht. Auch die Rechtsbeschwerdebegründung erschöpft sich insoweit in vagen Vermutungen. Das Beschwerdegericht konnte seiner Beurteilung deshalb die Angabe des Betroffenen in seiner Anhörung bei dem Amtsgericht zugrunde legen , er wolle gerne in Deutschland leben.
11
d) Auch ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die - angebliche - Ehefrau des Betroffenen nicht an dem Verfahren beteiligt und sie nicht angehört hat. Eine Beteiligung nach § 418 Abs. 3 Nr. 1 FamFG, die im Ermessen des Gerichts steht (Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZR 9/10, Rn. 17, juris), schied aus, weil nach den Angaben des Betroffenen davon auszugehen war, dass er von der Frau dauernd getrennt lebte. Eine Beteiligung nach § 418 Abs. 3 Nr. 2 FamFG kam nicht in Betracht, weil der Betroffene die Frau nicht als Vertrauensperson benannt hatte.
12
e) Schließlich ist für einen Verstoß gegen das in Haftsachen geltende Beschleunigungsgebot (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 205/09, Rn. 16, juris) nichts ersichtlich. Auch nach der Weigerung der französischen Behörden, den Betroffenen zurückzunehmen, dauerten die Bemühungen um die Rückschiebung an.

IV.

13
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des Geschäftswerts auf § 128c Abs. 2 i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Nordhorn, Entscheidung vom 08.02.2010 - 11 XIV 4290 B -
LG Osnabrück, Entscheidung vom 17.03.2010 - 11 T 138/10 (7) -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 14/10
vom
28. April 2011
in der Freiheitsentziehungssache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. April 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Prof.
Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. Januar 2010 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.


1
Der Betroffene ist libanesischer Staatsbürger und lebte seit 28 Jahren in Deutschland. Die beteiligte Behörde ordnete mit Bescheid vom 20. Februar 2007 seine Ausweisung an, weil er unter anderem wegen Erwerbs von Heroin und gefährlicher Körperverletzung zu mehreren Freiheitsstrafen verurteilt worden war, deren Vollstreckung nicht (mehr) zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach Eintritt der Bestandskraft der Ausweisung betrieb sie die Beschaffung der Ersatzpapiere, die sich indessen länger hinzog und bis zu dem nachträglich vorgezogenen Ende der Strafhaft nicht mehr gelang. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht die Sicherungshaft von drei Monaten gegen den Betroffenen angeordnet. Das Landgericht hat diese auf die Beschwerde des Betroffenen auf zwei Monate bis zum Ablauf des 31. Januar 2010 verkürzt, weil die Papiere inzwischen erteilt waren und die Abschiebung für den 26. Januar 2010 vorgesehen war und auch so durchgeführt wurde. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Feststellung beantragt, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.


2
Das Beschwerdegericht stützt die Sicherungshaft auf § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG. Es bestehe der begründete Verdacht, dass sich der Betroffene der vorgesehenen Abschiebung entziehe. Der Betroffene habe sich vor seiner Abschiebung in Strafhaft befunden und keinen festen Wohnsitz. Er sei 1981 nach Deutschland eingereist und nach der Zurückweisung seines Asylantrags Mitte 1982 untergetaucht. Er sei nicht bereit, die deutsche Rechtsordnung zu achten. Das belegten die Straftaten, die zu seiner Ausweisung geführt hätten. Er habe mehrfach falsche Personaldaten angegeben. Deshalb sei anzunehmen , dass er sich ohne eine Inhaftierung der Abschiebung entziehen werde. Die Anordnung der Haft sei auch verhältnismäßig, weil die Ausländerbehörde die Abschiebung mit der größtmöglichen Beschleunigung betrieben hätte.

III.


3
Die nach Erledigung der Hauptsache mit dem gestellten Feststellungsantrag statthafte (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151 Rn. 10) Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist unbegründet. Die Anordnung der Abschiebungshaft ist rechtlich nicht zu beanstanden.
4
1. Der Betroffene war auf Grund der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung nach §§ 53, 56 AufenthG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und auf Grund dieser Ausweisungsverfügung nach § 58 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG abzuschieben.
5
2. Rechtsfehlerfrei haben die Vorinstanzen den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG angenommen. Nach ihren Feststellungen bestand bei Anordnung der Abschiebungshaft und der Zurückweisung der Beschwerde der begründete Verdacht, der Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen. Diese Feststellungen sind im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.
6
a) Der Betroffene meint, es hätten keine konkreten, verlässlichen Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass er sich der Abschiebung entziehen wolle. Auf sein Untertauchen im Jahr 1982 könne nicht abgestellt werden. Er habe im Mai 2008 selbst um die Durchführung der Abschiebung gebeten, an der Beschaffung der Papiere aktiv mitgewirkt und erklärt, er werde sich mit seinem Übergangsgeld von 3.500 € in einer Pension einquartieren. Der Umstand, dass er keine aktiven familiären Bindungen habe, reiche allein nicht für die Anordnung von Sicherungshaft aus. Sein Verhalten vor der Strafhaft könne den konkreten Verdacht, dass er sich nach dem Vollzug der Strafhaft der Abschiebung entziehen wolle, nicht begründen. Darauf abzustellen, unterstelle, dass die Strafhaft die ihr gesetzten Ziele verfehlt habe.
7
b) Diese Einwände stellen die Feststellungen der Vorinstanzen nicht in Frage.
8
(1) Der begründete Verdacht, der Betroffene wolle sich dem Vollzug der Ausreisepflicht entziehen, ließ sich allerdings nicht auf sein Untertauchen im Jahr 1982 stützen. Dieser Vorfall hatte im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts keine Aussagekraft mehr. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung aber nicht allein auf diesen Vorfall, sondern - wie das Amtsgericht - gleichwertig auch auf die strafrechtlichen Verurteilungen des Betroffenen und die mehrfache Angabe unrichtiger Personalien gestützt. Das trägt die getroffene Prognose. Aus den strafrechtlichen Verurteilungen ergibt sich, dass der Betroffene in hohem Maß unzuverlässig ist. Das ist insbesondere dem gegen ihn ergangenen Strafurteil des Amtsgerichts Frankenthal/Pfalz vom 18. September 2006 zu entnehmen. Darin hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt und die Aussetzung der Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt. Begründet hat es diese Entscheidung damit, dass der Betroffene die Bewährungsauflagen aus früheren Verurteilungen zu Freiheitsstrafen nicht eingehalten und den ihm aufgegebenen Kontakt zu seinem Bewährungshelfer nicht gehalten hat. Vor allem aber hat es festgestellt, dass sich der Betroffene durch die vorangegangenen Verurteilungen in keiner Weise hat beeindrucken lassen und letztlich „macht, was er will“, wie es in dem Urteil heißt.
9
(2) Diesen Gesichtspunkt durften die Vorinstanzen auch nach dem Vollzug der Strafhaft ihrer Prognose zugrunde legen. Ein Ziel des Strafvollzugs ist zwar nach § 2 Satz 1 StVollzG, den Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Das besagt ohne zusätzliche Anhaltspunkte aber nicht, dass dieses Ziel durch den Vollzug auch erreicht worden ist. Hinzukommt, dass der Strafvollzug nach § 2 Satz 2 StVollzG auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten dient. Verlässliche Anzeichen dafür, dass sich der Betroffene in der Strafhaft grundlegend verändert hätte und dem Vollzug der Ausweisung nicht mehr entziehen würde, lagen nicht vor. Der Betroffene hatte zwar seinen Angaben zufolge nach Bestandskraft der Ausweisung im Mai 2008 um deren baldigen Vollzug gebeten und an der Beschaffung der Papiere mitgewirkt. Zu diesem Zeitpunkt hatte er allerdings noch etwa 18 Monate Freiheitsstrafe zu verbüßen. Deshalb war seinem Verhalten nicht, jedenfalls nicht sicher zu entnehmen, dass er sich mit einer Rückkehr in seine Heimat abgefunden hatte. Es war ferner nicht erkennbar, dass der Betroffene in Deutschland einen festen Bezugspunkt hatte oder begründen konnte, an dem er in dem für seine Abschiebung vorgesehenen Zeitpunkt angetroffen werden konnte. Daran änderte auch die erklärte Absicht des Betroffenen nichts, sich nach Entlassung aus der Haft in einer Pension einzumieten.
10
3. Entgegen der Ansicht des Betroffenen war die Anordnung der Sicherungshaft auch verhältnismäßig.
11
a) Die Anordnung der Sicherungshaft kann zwar unverhältnismäßig sein, wenn die Behörde den Vollzug der Ausweisung nicht mit Nachdruck betrieben und insbesondere nicht die notwendigen Anstrengungen unternommen hat, die Ausweisung während einer Strafhaft durchzuführen (BayObLGZ 1991, 258, 260). Das aus Art. 2 Abs. 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (vgl. BVerfGE 46, 194, 195) ist auch schon während des Laufs der Drei-Monatsfrist des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG zu beachten (Senat , Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 119/10, NVwZ 2010, 1575 [Ls.], Vollabdruck bei juris). Es ist verletzt, wenn die Ausländerbehörde nicht alle notwendigen Anstrengungen unternommen hat, um Ersatzpapiere zu beschaffen, damit der Vollzug der Abschiebungshaft auf eine möglichst kurze Zeit beschränkt werden kann (Senat, Beschlüsse vom 11. Juli 1996 - V ZB 14/98, BGHZ 133, 235, 239 und vom 10. Juni 2010 - V ZB 205/09, juris). Das Beschwerdegericht darf die Sicherungshaft deshalb nur aufrechterhalten, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt und zwar, gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, mit der größtmöglichen Beschleunigung (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 205/09, juris).
12
b) Gemessen daran ist die Anordnung der Sicherungshaft nicht zu beanstanden. Die beteiligte Behörde hat die Ausweisung zu Beginn der Strafhaft angeordnet. Sie hat kurz nach dem Eintritt der Bestandskraft ihrer Entscheidung die Beschaffung der Ersatzpapiere betrieben. Anlass, schon vorher damit zu beginnen, hatte sie nicht, zumal der Betroffene bei Erlass des verwaltungsgerichtlichen Urteils noch nahezu zwei Jahre Strafhaft zu verbüßen hatte. Dass die libanesischen Behörden in diesem langen Zeitraum zur Beschaffung der Ersatzpapiere nicht in der Lage sein würden, war nicht vorherzusehen. Entgegen der Ansicht des Betroffenen ist die verzögerte Sachbehandlung durch den ausländischen Staat den inländischen Behörden mangels Einwirkungsmöglichkeiten nicht anzulasten (Senat, Beschluss vom 25. März 2010 - V ZA 9/10, NVwZ 2010, 1175, 1176 Rn. 22).

IV.


13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung beruht auf § 128c Abs. 2, § 30 Abs. 2 KostO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub

Vorinstanzen:
AG Frankenthal (Pfalz), Entscheidung vom 03.12.2009 - 2 XIV 41/09 B -
LG Frankenthal, Entscheidung vom 08.01.2010 - 1 T 252/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 79/10
vom
18. August 2010
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. August 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 17. März 2010 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene ist Staatsangehöriger von Sri Lanka. Er verließ das Bundesgebiet nach der bestandskräftigen Ablehnung eines Asylantrags. Im Jahr 2007 reiste er, von Frankreich kommend, wiederum nach Deutschland ein und wurde nach Frankreich zurückgeschoben. Am 8. Februar 2010 reiste er abermals aus Frankreich ein. Bei einer Kontrolle versuchte er, sich mit einem entwendeten deutschen Personalausweis auszuweisen, und wurde verhaftet. Auf Antrag der Bundespolizeiinspektion Bad Bentheim hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 8. Februar 2010 gegen den Betroffenen Haft bis zu seiner Rückschiebung , längstens für die Dauer von drei Monaten, angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben.
2
Bemühungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), den Betroffenen nach Frankreich zurückzuschieben, blieben bis Mitte April 2010 erfolglos. Das Amtsgericht hat deshalb mit Beschluss vom 27. April 2010 die Haftanordnung aufgehoben und die Freilassung des Betroffenen angeordnet.
3
Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der Betroffene die Feststellung, dass der Beschluss des Amtsgerichts und der Beschluss des Landgerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, die Haftanordnung sei nicht zu beanstanden. Der Haftantrag sei von der zuständigen Behörde gestellt worden. Aufgrund der unerlaubten Einreise sei der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig gewesen. Es habe der begründete Verdacht bestanden, dass er sich der Rückschiebung habe entziehen wollen. Eine Aufenthaltsberechtigung habe er nicht gehabt. Die Anordnung der Haft für die Dauer von drei Monaten sei verhältnismäßig gewesen. Eine nochmalige Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht sei nicht erforderlich gewesen; auch habe eine in Frankreich lebende Ehefrau nicht angehört werden müssen.

III.

5
Die Rechtsbeschwerde ist zwar statthaft und zulässig, aber unbegründet.
6
1. Das form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsmittel ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG ungeachtet des Umstands, dass sich die Hauptsache mit der Entlassung des Betroffenen aus der Haft erledigt hat, ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (vgl. nur Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151 = InfAuslR 2010, 249, 250).
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Weder die Haftanordnung noch die sie bestätigende Entscheidung des Beschwerdegerichts sind rechtlich zu beanstanden.
8
a) Die Rüge, der Betroffene sei - wenn überhaupt - verspätet über sein Recht belehrt worden, die konsularische Vertretung seines Heimatstaates von der Inhaftierung zu unterrichten (Art. 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK), weil die Belehrung weder bei der Ingewahrsamnahme noch bei der Anhörung zur Überprüfung der Ingewahrsamnahme erfolgt sei, bleibt ohne Erfolg. Denn das - vermeintlich - fehlerhafte Handeln der Beamten der Bundespolizei ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
9
b) Der Betroffene ist vor seiner Inhaftierung von dem Amtsrichter ordnungsgemäß nach § 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK belehrt worden. Den daran in der Rechtsbeschwerdebegründung geäußerten Zweifeln fehlt die Grundlage. Mag die Feststellung der Belehrung in dem Protokoll über die Anhörung des Betroffenen auch auf einem Textbaustein beruhen, bei dem das Wort "nicht" entsprechend dem Ergebnis der Befragung des Betroffenen zu streichen oder nicht zu streichen ist, hat der Senat mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen , dass die Belehrung erfolgte, und zwar rechtzeitig (siehe dazu Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 223/09, Rn. 18, juris).
10
c) Das Beschwerdegericht musste den Betroffenen nicht erneut anhören. Zwar ist die persönliche Anhörung auch in dem Rechtsmittelverfahren grundsätzlich erforderlich (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, FGPrax 2010, 154, 155). Aber hiervon kann nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen werden, wenn eine persönliche Anhörung des Betroffenen in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse von einer erneuten Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, aaO). So war es hier. Der Umstand, dass der Betroffene erstmals in seiner Anhörung durch Beamte der Bundespolizeiinspektion H. am 1. März 2010 vorgetragen hat, er sei mit einer legal in Frankreich lebenden Frau verheiratet, änderte nichts an dem Vorliegen der Voraussetzungen für die Haftanordnung. Denn der Betroffene hat nicht angegeben, dass er freiwillig zu dieser Frau zurückkehren wollte. Andere Anhaltspunkte für eine freiwillige Rückkehr gab es nicht. Auch die Rechtsbeschwerdebegründung erschöpft sich insoweit in vagen Vermutungen. Das Beschwerdegericht konnte seiner Beurteilung deshalb die Angabe des Betroffenen in seiner Anhörung bei dem Amtsgericht zugrunde legen , er wolle gerne in Deutschland leben.
11
d) Auch ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die - angebliche - Ehefrau des Betroffenen nicht an dem Verfahren beteiligt und sie nicht angehört hat. Eine Beteiligung nach § 418 Abs. 3 Nr. 1 FamFG, die im Ermessen des Gerichts steht (Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZR 9/10, Rn. 17, juris), schied aus, weil nach den Angaben des Betroffenen davon auszugehen war, dass er von der Frau dauernd getrennt lebte. Eine Beteiligung nach § 418 Abs. 3 Nr. 2 FamFG kam nicht in Betracht, weil der Betroffene die Frau nicht als Vertrauensperson benannt hatte.
12
e) Schließlich ist für einen Verstoß gegen das in Haftsachen geltende Beschleunigungsgebot (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 205/09, Rn. 16, juris) nichts ersichtlich. Auch nach der Weigerung der französischen Behörden, den Betroffenen zurückzunehmen, dauerten die Bemühungen um die Rückschiebung an.

IV.

13
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des Geschäftswerts auf § 128c Abs. 2 i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Nordhorn, Entscheidung vom 08.02.2010 - 11 XIV 4290 B -
LG Osnabrück, Entscheidung vom 17.03.2010 - 11 T 138/10 (7) -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 114/07
vom
10. April 2008
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein Verfahrensfehler, der nach § 83 Nr. 6 ZVG zur Versagung des Zuschlags
führt, kann durch Nachholung der unterbliebenen Förmlichkeit geheilt werden,
wenn Rechte von Beteiligten nicht beeinträchtigt werden.

b) Das trifft in der Regel für Mängel bei der Titelzustellung zu (hier: unterbliebene
Zustellung der Vollmacht für eine Vollstreckungsunterwerfung).
BGH, Beschl. v. 10. April 2008 - V ZB 114/07 - LG Köln
AG Köln
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 10. April 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 20. August 2007 wird zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 154.000 € festgesetzt.

Gründe


I.


1
Die Gläubigerin betreibt seit September 2001 die Zwangsversteigerung des Einfamilienhauses der Schuldnerin aus Grundpfandrechten, in deren Ansehung sich der Grundstückseigentümer der Zwangsvollstreckung unterworfen hatte. In der Versteigerung gab die Ersteherin das Meistgebot ab. Einen Antrag der Schuldnerin auf einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung wegen einer Herzerkrankung, die sich "akut zu verschlechtern drohe", wies das Amtsgericht zurück. Es erteilte den Zuschlag dennoch nicht in dem Versteigerungstermin , weil die Schuldnerin geltend gemacht hatte, die Vollstreckungsunterwerfung habe auf einer Vorbelastungsvollmacht der seinerzeitigen Grundstückseigentümerin beruht, die aber nicht zugestellt worden sei. Vor dem Termin zur Verkündung des Zuschlags am 3. Juli 2007 holte die Gläubigerin die Zustellung auch der Vorbelastungsvollmacht nach. Darauf erteilte das Amtsgericht den Zuschlag. Die Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die von dem Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Schuldnerin.

II.

2
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
3
1. Der Zuschlag ist nach § 83 Nr. 6 ZVG nur zu versagen, wenn die Zwangsversteigerung oder ihre Fortsetzung aus einem anderen als den in § 83 Nr. 1 bis 5 und 7 ZVG genannten – hier nicht einschlägigen – Gründen unzulässig ist. Ein solcher Grund liegt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht vor.
4
2. Allerdings hätte, das ist der Rechtsbeschwerde einzuräumen, die Zwangsversteigerung nicht angeordnet werden dürfen.
5
a) Die Gläubigerin betreibt die Zwangsversteigerung aus zwei zu ihren Gunsten eingetragenen Grundschulden, in deren Ansehung sich die damalige Grundstückseigentümerin nach näherer Maßgabe von § 800 Abs. 1 ZPO der Zwangsvollstreckung unterworfen hatte. Die Anordnung der Zwangsversteigerung setzte deshalb nach § 800 Abs. 2 ZPO zwar nicht die Zustellung auch der Urkunde voraus, aus welcher sich der Rechtserwerb der Schuldnerin ergab. Erforderlich war aber nach § 800 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 5, § 795 Satz 1 und § 750 ZPO die Zustellung der Urkunden, aus denen sich die (wirksame ) Unterwerfung der damaligen Grundstückseigentümerin unter die Zwangsvollstreckung ergab.
6
b) Zu diesen Urkunden gehörten nicht allein die – vor der Anordnung der Zwangsversteigerung zugestellten – Urkunden über die Bestellung der Grundschulden zugunsten der Gläubigerin unter den Bedingungen des § 800 Abs. 1 ZPO, sondern auch die in dem Kaufvertrag der Schuldnerin mit der damaligen Grundstückseigentümerin enthaltene Belastungsvollmacht.
7
aa) Bei der Errichtung der Grundschuldurkunden handelte die damalige Grundstückseigentümerin nämlich nicht selbst. Sie wurde vielmehr durch den Bürovorsteher des beurkundenden Notars vertreten. Dazu war dieser aufgrund einer Vorbelastungsvollmacht berechtigt, welche die damalige Grundstückseigentümerin in dem Grundstückskaufvertrag mit der Schuldnerin erteilt hatte. Hat aber ein Vertreter die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung erklärt, ist die Zwangsvollstreckung grundsätzlich nur zulässig, wenn die Vollmacht des Vertreters oder die Genehmigung von dessen Erklärungen seitens des Vertretenen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden dem Schuldner zugestellt worden sind oder mit dem Beginn der Vollstreckung zugestellt werden (Senat, Beschl. v. 21. September 2006, V ZB 76/06, NJW-RR 2007, 358, 359).
8
bb) An dieser Entscheidung hält der Senat unter Berücksichtigung der im Schrifttum neben Zustimmung (Bolkart, MittBayNot 2007, 338, 339) geäußerten Kritik fest.
9
(1) Teils richtet sich die Kritik gegen das Ergebnis. Die Zustellung auch der Urkunde, aus der sich die Vollmacht für die Vollstreckungsunterwerfung ergebe, sei unnötig, weil sich die Wirksamkeit der Vollmachtsunterwerfung auch unter Berücksichtigung von § 185 Abs. 2 BGB aus dem Grundbuch ergebe (Wolf, ZNotP 2007, 86, 88) und weil der Schuldner sich in solchen Fällen schon vorweg der Vollstreckung unterworfen habe (Alff, Rpfleger 2007, 38, 39). Teils richtet sich die Kritik nur gegen die Herleitung dieses Ergebnisses aus § 750 Abs. 2 ZPO; das nicht angegriffene Ergebnis folge unmittelbar aus § 750 Abs. 1 ZPO (Böttcher, BWNotZ 2007, 109, 111 f.; wohl auch: Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 15 Rdn. 40.24; Zimmer, ZfIR 2007, 111, 112). Beides überzeugt nicht.
10
(2) Die Zustellung auch der Vollmacht hat der Senat für entbehrlich gehalten, wenn der spätere Schuldner selbst den Grundstückseigentümer vertreten hat (Beschl. v. 14. April 2005, V ZB 9/05, NJW-RR 2005, 1359, 1360; zustimmend: Stöber, aaO, § 15 Rdn. 40.24). Dann nämlich wird die Vollstreckungsunterwerfung nach § 185 Abs. 2 BGB spätestens mit seinem Rechtserwerb wirksam (Senat, BGHZ 108, 372, 376). So lag es in dem von dem Senat am 21. September 2006 entschiedenen Fall (V ZB 76/06, aaO) indessen nicht. Auch im vorliegenden Fall ist eine solche Fallgestaltung nicht gegeben. Entsprechendes gilt für die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung aus einer Vorwegunterwerfung des späteren Schuldners. Auch diese Fallgestaltung lag seinerzeit nicht vor, weil die Grundschuld durch einen der mehreren Grundstückseigentümer namens auch der übrigen bestellt worden war. Im vorliegenden Fall scheitert die Möglichkeit einer Vorwegunterwerfung von vornherein daran, dass eine Ermächtigung zur Vorwegunterwerfung des Käufers und späteren Schuldners unter die Zwangsvollstreckung in das Grundstück in dem Kaufvertrag nicht vorgesehen ist.
11
(3) Hängt aber die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung von der Wirksamkeit der Vollstreckungsunterwerfung durch den Vertreter und damit von dessen Vertretungsmacht ab, ist diese Vertretungsmacht, das ist im Wesentlichen unbestritten (dazu Senat, Beschl. v. 21. September 2006, V ZB 76/06, aaO), bei der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung in entsprechender Anwendung von § 726 (Abs. 1) ZPO zu prüfen. Die gedanklich zwingende Folge hiervon ist, dass sich die Zustellung wie auch in anderen Fällen des § 726 Abs. 1 ZPO nach § 750 Abs. 2 ZPO richtet (LG Bonn Rpfleger 1990, 374; LG Halle JW 1932, 3216, 3217; Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, 2. Aufl., Rdn.38.14; Bolkart, MittBay Not 2007, 338; insoweit auch Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 797 Rdn. 15). Die Zwangsversteigerung hätte deshalb mangels Zustellung auch der Vollmacht nicht angeordnet werden dürfen.
12
3. Dieser Mangel ist aber dadurch geheilt worden, dass die Kaufvertragsurkunde , welche die Vorbelastungsvollmacht enthielt, im Verlaufe des Zwangsversteigerungsverfahrens nachträglich zugestellt worden ist.
13
a) Ob Verstöße gegen die in § 83 Nr. 6 ZVG bezeichneten Verfahrensvorschriften grundsätzlich heilbar sind, ist umstritten. Aus der Vorschrift des § 84 ZVG, nach der die Versagungsgründe in § 83 Nr. 1 bis 5 ZVG der Erteilung des Zuschlags nicht entgegenstehen, wenn das Recht des Beteiligten nicht beeinträchtigt wird oder er das Verfahren genehmigt, ergebe sich, so leitete die früher herrschende Meinung ab, dass die in § 84 ZVG nicht in Bezug genommenen Verfahrensmängel nach § 83 Nr. 6 ZVG als absolute Versagungsgründe nachträglich nicht "heilbar" seien (OLG Hamm Rpfleger 2000, 171, 172; KG JW 1932, 1980, 1981; OLG Köln JW 1938, 2225; Hintzen in: Dassler /Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 83 Rdn. 2; Steiner /Storz, ZVG, 9. Aufl., § 83 Rdn. 5). Der Bundesgerichtshof folgt dem nicht; er hält auch Verfahrensfehler nach § 83 Nr. 6 ZVG für grundsätzlich heilbar (Beschl. v. 30. Januar 2004, IXa ZB 285/03, NJW-RR 2004, 1366, 1367). Diese Entscheidung hat Zustimmung gefunden (Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 83 Rdn. 7 a.E.). Sie ist aber auch auf Ablehnung gestoßen; sie stehe im Widerspruch zu dem Willen des Gesetzgebers (Stöber, aaO, § 83 Rdn. 2.1, ders., NJW 2005, Sonderheft BayObLG S. 62, 63).
14
b) Dieser Einwand ist nicht berechtigt. Die grundsätzliche Heilbarkeit von Verfahrensfehlern nach § 83 Nr. 6 ZVG steht nicht im Widerspruch, sondern im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers und dem Zweck der Vorschrift.
15
aa) Aus der Vorschrift des § 84 ZVG lässt sich der Ausschluss einer Heilung der in § 86 Nr. 6 ZVG bezeichneten Verfahrensfehler nur ableiten, wenn sie als abschließend anzusehen ist und sie den Umkehrschluss zulässt, dass andere als die dort genannten Verfahrensfehler generell nicht heilungsfähig sind. Das setzt aber voraus, dass dieses Normverständnis auch dem Willen des Gesetzgebers und ihrem Zweck entspricht. Daran fehlt es. Der Gesetzgeber wollte eine Heilung von Verfahrensfehlern in Fällen verhindern, in denen sich "nicht mit Sicherheit übersehen" ließ, ob ihre Verletzung Rechte von Beteiligten beeinträchtigte (Hahn/Mugdan, Ges. Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, V. Bd., Materialien zum Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung und zur Grundbuchordnung, 1897 – ZVG-Materialien – S. 55). Diese Gefahr sah er bei der Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht, die wie die in § 83 Nr. 1 bis 5 ZVG bezeichneten Vorschriften dem Schutz bestimmter Beteiligter dienen. Deshalb hat er in § 84 ZVG die Möglichkeit einer Heilung bei Fehlen einer Beeinträchtigung oder bei nachtäglicher Zustimmung vorgesehen.
16
bb) Bei den anderen Vorschriften sah er demgegenüber eine solche Gefahr. Deshalb hat er hier eine Heilung nicht vorgesehen. Gedacht hat der Gesetzgeber dabei in erster Linie an die Bestimmung einer zu kurzen Versteigerungsfrist und an eine Verkürzung der Bieterstunde, von denen er annahm, dass sie in jedem Fall den Kreis der Bieter einzuschränken und sich auf die Höhe des Meistgebots nachteilig auszuwirken geeignet seien (ZVG-Materialien S. 55). Die Verletzung solcher Vorschriften berührt nicht nur bestimmte Rechte oder Beteiligte. Ihre beeinträchtigende Wirkung lässt sich deshalb regelmäßig nicht eindeutig überblicken. So liegt es indessen nicht bei allen in § 83 Nr. 6 ZVG angesprochenen Verfahrensvorschriften. Es gibt auch unter ihnen Vorschriften , die nur dem Schutz bestimmter Beteiligter dienen oder bei denen sich das Fehlen einer Beeinträchtigung eindeutig feststellen lässt. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber auch in solchen Fällen die Erteilung des Zuschlags ausschließen wollte, lassen sich den ZVG-Materialien nicht entnehmen.
17
c) Aus dem in den Materialien dargestellten Regelungskonzept ergibt sich vielmehr, dass auch andere Verfahrensfehler heilbar sind. Dafür genügt es indessen nicht, wenn ein Beteiligter sie genehmigt, wie dies in § 84 ZVG für die in § 83 Nr. 1 bis 5 ZVG bestimmten Fälle vorgesehen ist. Vielmehr kommt eine Heilung in den anderen Fällen nur, aber auch immer dann in Betracht, wenn sich eindeutig feststellen lässt, dass der Verfahrensfehler Rechte von Beteiligten nicht beeinträchtigt. Dem folgt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Bei dem Fehlen der Prozessfähigkeit lässt sich die Beeinträchtigung der Interessen von Beteiligten nicht eindeutig ausschließen. Deshalb hat der Bundesgerichtshof hier eine Heilung abgelehnt (BGH, Beschl. v. 5. November 2004, IXa ZB 76/04, FamRZ 2005, 200, 201). Demgegenüber lässt sich bei der Rückgabe des während des gesamten Zwangsversteigerungsverfahrens unverändert bestehenden Titels eine solche Beeinträchtigung eindeutig ausschließen. Deshalb hat der Bundesgerichtshof hier eine Heilung bejaht (Beschl. v. 30. Januar 2004, IXa ZB 285/03, NJW-RR 2004, 1366, 1367).
18
d) Bei Zustellungsmängeln liegt es genauso.
19
aa) Die Zustellung der Vollmacht, die der Vollstreckungsunterwerfung zugrunde liegt, hat ebenso wie die Zustellung der Unterwerfungsurkunde selbst den Zweck, dem Schuldner unmissverständlich klarzumachen, dass der Gläubiger die titulierte Forderung zwangsweise durchsetzen wird, ihn über die förmlichen Grundlagen der Zwangsvollstreckung zu unterrichten, ihm Gelegenheit zu geben, die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung zu prüfen und Einwendungen gegen die Vollstreckung geltend zu machen, und ihn letztmals vor der zwangsweisen Durchsetzung des titulierten Anspruchs zu warnen (Senat, Beschl. v. 21. September 2006, V ZB 76/06, NJW-RR 2007, 358, 359). Interessen anderer Beteiligter dient die Zustellung an den Schuldner nicht. Diese Zwecke werden erreicht, wenn Zustellungsmängel während des laufenden Zwangsversteigerungsverfahrens behoben werden.
20
bb) Zustellungsmängel können zwar im Einzelfall dazu führen, dass der Schuldner von der Anordnung der Zwangsversteigerung überrascht wird. Die Anordnung der Zwangsversteigerung gibt ihm aber Gelegenheit, sich auf die veränderte Situation einzustellen. Entscheidend ist dann, dass er über die Grundlagen der Zwangsversteigerung unterrichtet wird und diese prüfen kann. Dazu reicht die Nachholung oder Ergänzung der Zustellung aus. Sie ermöglicht ihm, die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung zu prüfen und Fehler zu beanstanden. Das gilt insbesondere in dem hier gegebenen Fall der fehlenden Zustellung allein der Vollmacht, die dem zugestellten Titel zugrunde liegt. In einer solchen Fallgestaltung ist der Schuldner über die Grundlage der Zwangsversteigerung ordnungsgemäß unterrichtet. Er hat lediglich noch zu prüfen, ob der Titel auch von der Vollmacht gedeckt ist. Das lässt sich ohne weiteres im weiteren Verlauf des Verfahrens nachholen.
21
cc) Daran ändert es nichts, dass die Zustellung auch der Vollmacht für die Vollstreckungsunterwerfung hier in der Frist für die Verkündung des Zuschlagsbeschlusses nachgeholt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Schuldnerin angesichts eines Verfahrensverlaufs von etwa sechs Jahren hinreichend Gelegenheit, die ihr zugestellte Urkunde über die Vollstreckungsunterwerfung auch darauf zu prüfen, ob sie von der Vollmacht gedeckt war. Dass die Vollmacht tatsächlich bestand, konnte die Schuldnerin nicht überraschen und war auch leicht festzustellen. Sie war nämlich als Teil einer Vorbelastungsvollmacht in dem Kaufvertrag enthalten, an dem die Schuldnerin selbst mitgewirkt hatte (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch LG Cottbus Rpfleger 2007, 563 f.). Sie diente auch allein dem Interesse der Schuldnerin, weil sie ihr die Finanzierung des Kaufpreises ermöglichen sollte.
22
4. Der Zuschlag war nicht im Hinblick auf die von der Schuldnerin geltend gemachten gesundheitlichen Gründe zu versagen. Sie werden von der Schuldnerin auch nicht mehr geltend gemacht.

IV.

23
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Beteiligen des Zwangsversteigerungsverfahrens grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen (Senat, BGHZ 170, 378, 381). Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 03.07.2007 - 91 K 98/01 -
LG Köln, Entscheidung vom 20.08.2007 - 6 T 239/07 -

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 125/04 Verkündet am:
14. Juni 2007
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Abs. 1, § 57 Abs. 2 Satz 2
Zur Tatbestandswirkung eines Bescheids (hier: Schreiben des Vizepräsidenten
der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 30. Juni 2000
an die Deutsche Post AG), durch den auf Antrag mitgeteilt wurde, dass eine
erteilte Genehmigung für genehmigungsbedürftige Briefpreisentgelte bis zu einem
bestimmten Zeitpunkt wirksam bleibt (hier: die der Deutschen Post AG erteilte
Genehmigung vom 3. Juni 1997).
BGH, Urt. v. 14. Juni 2007 - I ZR 125/04 - Kammergericht
LG Berlin
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Juni 2007 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant,
Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Kammergerichts vom 17. Juni 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der damalige Bundesminister für Post und Telekommunikation genehmigte auf Antrag der Beklagten, der Deutschen Post AG, vom 11. April 1996 mit Schreiben vom 3. Juni 1997 mit Wirkung ab 1. September 1997 und befristet bis zum 31. August 2000 die Änderung der Leistungsentgelte und entgeltrelevanten Bestandteile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Briefdienst im Monopolbereich des Postwesens. Am 29. März 2000 wies der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie (im Weiteren: Bundeswirtschaftsminister) die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (im Weiteren: Regulierungsbehörde ) an, "die Vorschrift des § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG so auszulegen, dass alle Genehmigungen, die vor dem 1. Januar 1998 erteilt worden sind, bis zum 31. Dezember 2002 wirksam bleiben" (Bundesanzeiger Nr. 69 vom 7.4.2000 S. 6374). Mit Schreiben vom 27. Juni 2000 stellte die Beklagte bei der Regulierungsbehörde den "Antrag auf Bescheidung", dass bestimmte Briefpreisgenehmigungen , darunter die ihr mit Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung, bis zum 31. Dezember 2002 fortgälten. Die Genehmigungsbescheide seien noch nicht auf die nur an die Regulierungsbehörde gerichtete Weisung vom 29. März 2000 abgestimmt und liefen nach ihrem Wortlaut am 31. August 2000 aus. Die Regulierungsbehörde antwortete der Beklagten hierauf mit Schreiben ihres Vizepräsidenten vom 30. Juni 2000 unter Bezugnahme auf die Weisung des Bundeswirtschaftsministers vom 29. März 2000, dass - neben anderen näher bezeichneten Genehmigungen - auch die mit Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung bis zum 31. Dezember 2002 wirksam bleibe.
2
Der Kläger trägt vor, das Unternehmen S. , das er damit beauftragt habe, seine Briefsendungen versandfertig zu machen, habe ihm für die Zeit von September 2000 bis Oktober 2001 an die Beklagte als Beförderungsentgelte bezahlte Portokosten für Briefe bis 1000 g (ohne Infopost über 50 g) in Höhe von 83.586,46 DM (= 42.737,08 €) in Rechnung gestellt. Er verlangt von der Beklagten aus eigenem Recht, hilfsweise aus abgetretenem Recht der S. , die Rückzahlung dieser Entgelte, soweit die Beklagte um sie ungerechtfertigt bereichert sei. Die der Beklagten mit dem Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung von Beförderungsentgelten sei nicht wirksam verlängert worden. Die Briefbeförderungsverträge in den Monaten September 2000 bis Oktober 2001 seien daher gemäß § 23 Abs. 2 Satz 2 PostG unwirksam gewesen.
3
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 42.737,08 € abzüglich der vom Gericht festzustellenden, gegebenenfalls zu schätzenden Kosten der effektiven Leistungsbereitstellung, die der Beklagten für den Transport der streitgegenständlichen Briefsendungen des Klägers vom 1. September 2000 bis 31. Oktober 2001 entstanden sind, zuzüglich Zinsen auf den verbleibenden Differenzbetrag zu zahlen, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 42.737,08 € zuzüglich Zinsen zu zahlen.
4
Die Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, die mit dem Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung sei mit dem Schreiben der Regulierungsbehörde vom 30. Juni 2000 wirksam verlängert worden.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
6
Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben (KG-Rep 2004, 559).
7
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine in den Vorinstanzen erfolglosen Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


8
I. Das Berufungsgericht hat den vom Kläger geltend gemachten Bereicherungsanspruch als unbegründet angesehen und hierzu ausgeführt:
9
Die von der Beklagten geforderten Tarife seien auch in der Zeit von September 2000 bis Oktober 2001 genehmigt gewesen. Die in diesem Zeitraum geschlossenen Briefbeförderungsverträge seien daher nicht gemäß § 23 Abs. 2 Satz 2 PostG unwirksam.
10
Eine behördliche Genehmigung sei aufgrund der Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten der zivilgerichtlichen Kontrolle entzogen. Der Kläger hätte daher, soweit er sich durch das Schreiben der Regulierungsbehörde vom 30. Juni 2000 in seinen Rechten verletzt gesehen habe, hiergegen vor den Verwaltungsgerichten vorgehen können und müssen. Bei dem Schreiben habe es sich um einen Verwaltungsakt gehandelt. Da die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 27. Juni 2000 ausdrücklich um eine Entscheidung gebeten habe, habe sie das Schreiben vom 30. Juni 2000 nur so verstehen können, dass mit ihm die Fortgeltung der erteilten Genehmigungen von Leistungsentgelten geregelt werden sollte. Der Umstand, dass die Regulierungsbehörde auf Weisung des Bundeswirtschaftsministers gehandelt habe, stehe der Annahme eines Verwaltungsakts nicht entgegen.
11
Der ergangene Verwaltungsakt sei auch nicht deshalb nichtig, weil er von dem Vizepräsidenten der Regulierungsbehörde erlassen worden sei. Es habe nicht eine unzuständige Behörde, sondern allenfalls ein unzuständiges Organ gehandelt. Auch wenn es an einer gesetzlichen Grundlage für die Verlängerung gefehlt haben sollte, hätte dies nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts geführt.
12
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der vom Kläger unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Altern. 1 BGB geltend gemachte Anspruch auf zumindest teilweise Rückzahlung des bezahlten Briefportos nicht besteht.
13
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die in Rede stehenden Verträge über Briefbeförderungen nicht mangels Genehmigung der Entgelte gemäß § 23 Abs. 2 Satz 2 PostG unwirksam sind.
14
a) Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung mit Recht zugrunde gelegt , dass eine durch Verwaltungsakt ausgesprochene Genehmigung, solange sie nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein Verwaltungsgericht aufgehoben worden oder nichtig ist, der Nachprüfung durch die Zivilgerichte entzogen ist (vgl. BGHZ 73, 114, 116 f.; BGH, Urt. v. 19.6.1998 - V ZR 43/97, NJW 1998, 3055 f.; BGHZ 158, 19, 22). Es genügt, wenn der betreffende Bescheid durch Bekanntgabe an einen Betroffenen wirksam geworden ist (BGH NJW 1998, 3055 f.).
15
b) Das Berufungsgericht hat das Schreiben der Regulierungsbehörde vom 30. Juni 2000 zutreffend als Verwaltungsakt angesehen.
16
aa) Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 35 Satz 1 VwVfG). Die Frage, ob die Äußerung einer Behörde einen Verwaltungsakt darstellt, ist in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB nach den Grundsätzen zu bestimmen, die für die Auslegung von Willenserklärungen gelten. Danach richtet sich die Auslegung eines Verwaltungsakts nach dem erklärten Willen der erlassenden Behörde, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (vgl. BVerwGE 123, 292, 297 m.w.N.). Der Inhalt einer behördlichen Entscheidung ist vom Revisi- onsgericht selbständig auszulegen (vgl. BGH, Urt. v. 26.1.2007 - V ZR 137/06, Tz 14).
17
bb) Die Regulierungsbehörde hat in ihrem Schreiben vom 30. Juni 2000 eine verbindliche Festlegung getroffen, dass es nicht notwendig sei, die mit dem Schreiben vom 3. Juni 1997 befristet bis zum 31. August 2000 erteilte Genehmigung durch eine Entscheidung der Behörde zu verlängern, weil die Genehmigung ohnehin bis Ende 2002 fortgelte. Der Wortlaut des Schreibens vom 30. Juni 2000 spricht zwar eher dafür, dass die Regulierungsbehörde mit ihm lediglich ihre Rechtsauffassung mitgeteilt hat, die Laufzeit der vor dem 1. Januar 1998 erteilten Genehmigungen für genehmigungsbedürftige Entgelte sei unmittelbar durch § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG verlängert worden. Nach den Umständen konnte dieses Schreiben aber nur als behördliche Entscheidung verstanden werden. Die Beklagte hatte mit ihrem Schreiben vom 27. Juni 2000 ausdrücklich einen "Antrag auf Bescheidung" gestellt, weil die ergangenen Entgeltgenehmigungen nach dem Wortlaut der Genehmigungsbescheide am 31. August 2000 ausliefen. Nach § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG blieb eine Genehmigung , die vor dem 1. Januar 1998 erteilt worden war, bis zum Ablauf der im Genehmigungsbescheid bestimmten Geltungsdauer, längstens aber bis zum 31. Dezember 2002 wirksam. Eine Entscheidung der Regulierungsbehörde war daher ersichtlich erforderlich, weil der Wortlaut des § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG nicht ergab, dass die bestehenden Genehmigungen bis zum 31. Dezember 2002 ohne Weiteres wirksam bleiben sollten, und die am 29. März 2000 ergangene Weisung des Bundeswirtschaftsministers allein das Innenverhältnis der Behörden betraf. Für die Beklagte war, wie im Hinblick auf § 23 Abs. 2 Satz 2 PostG offensichtlich war, eine verbindliche Regelung unverzichtbar. Aus der Sicht der Beklagten konnte das Schreiben vom 30. Juni 2000 daher nur so verstanden werden, dass die Regulierungsbehörde das, was nach der Weisung des Bundeswirtschaftsministers vom 29. März 2000 Inhalt des § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG sein sollte, nunmehr als Verwaltungsakt erklärt hat, durch den die Frage, ob es notwendig war, die erteilte Entgeltgenehmigung zu verlängern oder eine neue Entgeltgenehmigung zu erteilen, verbindlich im verneinenden Sinn geklärt werden sollte (vgl. auch Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Stand April 2006, § 42 Rdn. 26 m.w.N.).
18
c) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der mit Schreiben vom 30. Juni 2000 erlassene Verwaltungsakt nicht nichtig ist.
19
aa) Es erscheint allerdings durchaus als fraglich, ob der Vizepräsident der Regulierungsbehörde für die Entscheidung darüber zuständig war, ob die Laufzeit einer der Beklagten vor dem 1. Januar 1998 erteilten Genehmigung für genehmigungsbedürftige Entgelte verlängert werden musste oder eine Verlängerung im Hinblick auf § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG entbehrlich war. Nach dem Inkrafttreten des Postgesetzes vom 22. Dezember 1997 ist für die Genehmigung genehmigungsbedürftiger Entgelte nach § 22 Abs. 2 PostG die Regulierungsbehörde zuständig, die dabei gemäß § 46 Abs. 1 PostG durch eine Beschlusskammer entscheidet. Nach dem Wortlaut des § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG kann nicht angenommen werden, dass mit ihm die Geltungsdauer befristeter Genehmigungen kraft Gesetzes verlängert werden sollte. Es liegt deshalb nahe anzunehmen, dass über die Frage, ob eine neue Genehmigung erforderlich war, die Entscheidung einer Beschlusskammer herbeizuführen gewesen wäre und diese gegebenenfalls auch die Vorfrage hätte entscheiden müssen, ob die der Beklagten mit Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung fortgalt (vgl. dazu auch Gramlich, CR 2000, 816, 822).
20
bb) Die Frage der Nichtigkeit des mit dem Schreiben vom 30. Juni 2000 erlassenen Verwaltungsakts richtet sich, da keiner der in § 44 Abs. 2 und 3 VwVfG besonders geregelten Fälle vorliegt, nach § 44 Abs. 1 VwVfG. Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt sich die Rechtsfolge der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts als Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass ein Akt staatlicher Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt. Der dem Verwaltungsakt anhaftende Fehler muss diesen schlechterdings als unerträglich, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lassen. Der Fehler muss zudem für einen verständigen Bürger offensichtlich sein. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts ist daher nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (BVerwG NVwZ 2000, 1039, 1040 m.w.N.). Ein Verwaltungsakt ist daher insbesondere nicht schon deshalb als nichtig anzusehen, weil er einer gesetzlichen Grundlage entbehrt (BVerwG NVwZ 1998, 1061, 1062 m.w.N.) oder weil ein behördenintern unzuständiges Organ gehandelt hat (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 44 Rdn. 166 ff.; Meyer in Knack, VwVfG, 8. Aufl., § 44 Rdn. 16; Schiedeck, Die Nichtigkeit von Verwaltungsakten nach § 44 Absatz 1 VwVfG, Diss. Regensburg 1993, S. 74 ff., 78 ff.). Auch das Handeln einer Einzelperson anstelle des innerhalb der Behörde zuständigen Kollegialorgans führt nur dann zur Nichtigkeit gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG, wenn die sachliche Unzuständigkeit der Einzelperson eine absolute ist, d.h. diese unter keinen wie auch immer gearteten Umständen mit der Sache befasst sein kann und der insoweit gegebene Fehler zudem offensichtlich ist (vgl. dazu auch BSG, Urt. v. 30.5.1988 - 2 RU 72/87, zitiert nach juris).
21
cc) Danach ist im Streitfall ein besonders schwerwiegender und offensichtlicher Fehler i.S. von § 44 Abs. 1 VwVfG zu verneinen. Dies gilt auch dann, wenn angenommen wird, dass die mit dem Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung gemäß § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG nur bis zum 31. August 2000 wirksam war. Der Vizepräsident der Regulierungsbehörde wollte ausweislich des Wortlauts seines Schreibens nicht wie eine Beschlusskammer entscheiden, sondern als Vertreter der Regulierungsbehörde lediglich verbindlich festlegen, dass bis zum 31. Dezember 2002 keine neue Genehmigungsentscheidung erforderlich sei, weil die alte Genehmigung fortgelte. Bei dieser Entscheidung handelte die Regulierungsbehörde durch ihren Vizepräsidenten nicht offensichtlich außerhalb jeder Rechtsgrundlage. Die geregelte Frage fiel als solche in die Zuständigkeit der Regulierungsbehörde. Die unter Berufung auf die Übergangsregelung in § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG getroffene Entscheidung betraf zudem einen Sachverhalt aus einer Übergangszeit und war im Hinblick darauf jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig.
22
dd) Entgegen der Ansicht der Revision kommt es nicht auf die Frage an, ob die Regulierungsbehörde dadurch gegen Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. L 15 vom 21.1.1998, S. 14) verstoßen hat, dass sie die in ihrem Schreiben vom 30. Juni 2000 getroffene Regelung durch ihren Vizepräsidenten und damit nicht durch eine unabhängige Stelle getroffen hat.
23
Bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts kommen - soweit ihm nicht spezielle Regelungen zu entnehmen sind - die formellen und materiellen Bestimmungen des nationalen Rechts zur Anwendung (vgl. EuGH, Urt. v. 19.9.2006 - C-392/04 und C-422/04, NVwZ 2006, 1277 Tz 57; BVerwG NVwZ 2000, 1039 f.). Insofern ist auch die Frage, ob ein auf nationales Recht gestützter Verwaltungsakt infolge des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nichtig ist, nach § 44 Abs. 1 VwVfG zu beantworten (BVerwG NVwZ 2000, 1039 f.). Ein Verstoß gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaft stellt nicht allein wegen des Rangs oder der Bedeutung der verletzten Bestimmung einen besonders schwerwiegenden Fehler i.S. von § 44 Abs. 1 VwVfG dar (vgl. BVerwGE 104, 289, 295 f.; BVerwG NVwZ 2000, 1039, 1040; Sachs in Stelkens/ Bonk/Sachs aaO § 44 Rdn. 106; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 44 Rdn. 4a m.w.N.). Dem Grundsatz der Effektivität des Gemeinschaftsrechts wird Rechnung getragen, wenn hinreichende Anfechtungsmöglichkeiten bestehen (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs aaO § 44 Rdn. 7). Dies ist hier der Fall (vgl. nachstehend unter e)).
24
d) Der von der Regulierungsbehörde mit Schreiben vom 30. Juni 2000 erlassene Verwaltungsakt bindet danach andere Gerichte und Behörden in den Grenzen seiner Bestandskraft (vgl. BGH, Urt. v. 21.9.2006 - IX ZR 89/05, NJW-RR 2007, 398 Tz 14 m.w.N.). Dementsprechend ist im Streitfall die mit dem Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung als bis zum 31. Dezember 2002 wirksam zu behandeln.
25
e) Die Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts steht nicht im Widerspruch zu dem aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. dazu auch BGH NJW 1998, 3055, 3056).
26
aa) Die Revision weist im rechtlichen Ansatz allerdings zutreffend darauf hin, dass es mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren wäre, wenn dem Kunden bei staatlich regulierten Entgelten sowohl eine verwaltungsrechtliche als auch eine zivilrechtliche Überprüfung ihrer materiellen Rechtmäßigkeit versagt wäre (vgl. BVerfG DVBl 2000, 556 f.; BVerwGE 117, 93, 104 ff.; a.A. Lübbig in Beck'scher PostG-Kommentar, 2. Aufl., § 22 Rdn. 66 ff.).
27
bb) Die mit dem Schreiben der Regulierungsbehörde vom 30. Juni 2000 getroffene Entscheidung über die Wirksamkeit der mit dem Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilten Genehmigung der Postentgelte konnte auch von den Kunden angefochten werden.
28
(1) Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung zur behördlichen Genehmigung von Entgelten allerdings wiederholt eine Befugnis der einzelnen Kunden, die Genehmigung anzufechten, verneint. Zur Begründung hat es dabei entweder ausgeführt, es sei jeweils noch eine Umsetzung notwendig (vgl. BVerwGE 75, 147, 149 ff.; 95, 133, 135; 117, 93, 97), oder darauf hingewiesen , die Genehmigung berechtige den Adressaten zwar zur Erhebung des erhöhten Entgelts, verpflichte ihn dazu aber nicht (BVerwGE 30, 135, 136; 95, 133, 135; vgl. auch BVerwGE 117, 93, 97 f.). Abweichendes gilt jedoch dann, wenn sich die Genehmigung unmittelbar auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Kunden und dem Leistungserbringer auswirkt und es weder eines privatrechtlichen Umsetzungsaktes bedarf noch auch für die Beteiligten irgendein Gestaltungsspielraum besteht (BVerwGE 100, 230, 234 f.; vgl. auch BGHZ 73, 114, 119). In solchen Fällen kann sich die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO aus Art. 2 Abs. 1 GG ergeben; denn diese Bestimmung gewährleistet auch die Freiheit, bei der Inanspruchnahme von Leistungen den Inhalt von Vergütungsvereinbarungen mit der Gegenseite auszuhandeln (vgl. BVerwGE 100, 230, 233).
29
(2) Eine unmittelbare Auswirkung auch gegenüber dem einzelnen Kunden in dem vorstehend unter (1) dargestellten Sinne ist bei dem streitgegenständlichen Verwaltungsakt anzunehmen, da dieser jedenfalls die Wirkung einer Genehmigung hatte. Dies folgt aus der Bestimmung des § 23 Abs. 2 PostG, wonach Verträge über Postdienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthalten, mit der Maßgabe wirksam sind, dass das genehmigte Ent- gelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts tritt, und die Verträge unwirksam sind, wenn es an einem genehmigten Entgelt fehlt, obwohl dieses nach § 19 PostG genehmigungsbedürftig ist. Danach steht den Vertragsparteien keinerlei Gestaltungsspielraum zu und ist die Sachlage insoweit mit dem Fall vergleichbar , dass die Tarife unmittelbar durch Verwaltungsakt festgesetzt werden (vgl. auch BGH, Urt. v. 2.7.1998 - III ZR 287/97, NJW 1998, 3188, 3191 f.; für einen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz Gramlich, CR 2000, 816, 823; a.A. Lübbig in Beck'scher PostG-Kommentar aaO § 23 Rdn. 68 ff.; für die grundsätzliche Anfechtbarkeit von Genehmigungen nach § 24 TKG a.F. durch Endkunden Schuster/Stürmer in Beck'scher TKG-Kommentar, 2. Aufl., § 24 Rdn. 87; ebenso Schuster/Ruhle in Beck'scher TKG-Kommentar, 3. Aufl., § 28 Rdn. 116 zu § 28 TKG 2004; vgl. auch Ossenbühl, ArchivPT 1996, 207, 216 ff.).
30
(3) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es bislang zwar offengeblieben, ob der einzelne Kunde bei unmittelbarer Wirkung der Genehmigung stets befugt ist, gegen für ihn relevante genehmigte Tarife zu klagen. Eine Klagebefugnis ist aber zumindest für den Fall bejaht worden, dass der Kunde geltend macht, dass es an einer der Verfassung entsprechenden gesetzlichen Einschränkung der Privatautonomie fehle (BVerwGE 100, 230, 234). Entsprechend verhält es sich im Streitfall, da der Kläger den geltend gemachten Bereicherungsanspruch maßgeblich darauf stützt, dass es für die Entscheidung der Regulierungsbehörde keine rechtliche Grundlage gegeben habe. Es kommt noch hinzu, dass eine Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit durch die Zivilgerichte bei der im Streitfall gegebenen Falllage nicht möglich ist (vgl. dazu auch BVerwGE 100, 230, 236; 117, 93, 104 ff.; vgl. weiter nachstehend unter 2.).
31
2. Die streitgegenständlichen Entgelte können auch nicht nach § 315 Abs. 3 BGB überprüft und gegebenenfalls gekürzt werden.

32
a) Bei Tarifen für Leistungen der Daseinsvorsorge, auf deren Inanspruchnahme der andere Teil im Bedarfsfall angewiesen ist, kommt eine Billigkeitskontrolle i.S. von § 315 Abs. 3 BGB allerdings grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn die Tarife behördlich genehmigt sind (BGHZ 73, 114, 116; BGH, Urt. v. 5.7.2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919, 2920, insoweit nicht in BGHZ 163, 321 abgedruckt). Abweichendes gilt jedoch dann, wenn ein privatautonomer Spielraum des Leistungserbringers fehlt, weil Verträge mit Preisvereinbarungen , die von den genehmigten Tarifen abweichen, nichtig sind (BGH NJW 1998, 3188, 3191 f.; vgl. auch v. Westphalen, DB 1996, Beilage 5, S. 14; kritisch Michalski/Bauriedl, CR 1998, 657, 663 ff.).
33
b) Nach § 23 Abs. 2 PostG sind Verträge im Falle der Vereinbarung abweichender Entgelte zwar nicht nichtig. Die Genehmigung hat hier aber eine vergleichbare Wirkung, da bei abweichenden Vereinbarungen die genehmigten Entgelte als vereinbart gelten. Damit hatte die Beklagte in dieser Hinsicht keinen Handlungs- und Gestaltungsspielraum. Dementsprechend scheidet im Streitfall eine Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB aus.
34
III. Danach war die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
v. Ungern-Sternberg Pokrant Büscher
Bergmann Schaffert
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 16.10.2002 - 28 O 82/02 -
KG Berlin, Entscheidung vom 17.06.2004 - 12 U 335/02 -

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZA 9/10
vom
25. März 2010
in der Abschiebehaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. März 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Der Antrag des Betroffenen, ihm Verfahrenskostenhilfe für die Einlegung einer Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 17. Februar 2010 zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, dessen Asylantrag mit bestandskräftigem Bescheid vom 4. Dezember 2002 abgelehnt worden war, reiste ohne gültigen Reisepass und Aufenthaltstitel am 6. Oktober 2009 aus Italien kommend erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde in M. festgenommen. Zunächst wurde gegen ihn vom 6. bis zum 15. Oktober 2009 eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt. Auf den Antrag der Beteiligten zu 2 ordnete das Amtsgericht am 9. Oktober 2009 die Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen längstens für die Dauer von drei Monaten an, zu vollstrecken im Anschluss an die Ersatzfreiheitsstrafe. Das hiergegen eingelegte Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
2
Am 20. November 2009 stellte der Betroffene einen Asylfolgeantrag bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
3
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 verlängerte das Amtsgericht mit Beschluss vom 13. Januar 2010 die Sicherungshaft über den 16. Januar 2010 hinaus bis zum 16. April 2010 und ordnete die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an. Mit der dagegen gerichteten sofortige Beschwerde hat der Betroffene die fehlende Beteiligung seines Verfahrensbevollmächtigten gerügt, ferner eingewandt, dass er keine unvollständigen oder unzutreffenden Angaben im Rahmen des Verfahrens zur Beschaffung der Passersatzpapiere gemacht habe, und schließlich die Möglichkeit der Durchführung der Abschiebung innerhalb der vorgesehenen Frist in Zweifel gezogen. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel nach mündlicher Anhörung des Betroffenen durch Beschluss vom 17. Februar 2010 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Sicherungshaft nur bis zum 15. April 2010 angeordnet wird. Für die beabsichtigte Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss beantragt der Betroffene die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung eines bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, der von dem Betroffenen gestellte Asylfolgeantrag stehe nach § 71 Abs. 8 AsylVfG der Sicherungshaft nicht entgegen. Die Haftverlängerung sei auch zulässig, weil nach den Stellungnahmen der mit der Passersatzpapierbeschaffung befassten Stelle derzeit nicht feststehe, dass die Abschiebung innerhalb der angeordneten Haftdauer nicht durchgeführt werden könne. Der Betroffene habe zudem die Dauer des Verfahrens verschuldet. Eine Übersendung des in den indischen Amtssprachen abgefassten Formulars auf dem Postweg an ihn sei ausreichend gewesen. Dieses Formular habe der Betroffene jedoch erst am 24. November 2009 vervollständigt. Die Angaben zu seiner Herkunft seien nach wie vor widersprüchlich und müssten in Indien überprüft werden. Bei vollständigen und richtigen Angaben könne ein Heimreisedokument nach den Erkenntnissen der Ausländerbehörde innerhalb weniger Wochen ausgestellt werden. Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sei der Beteiligten zu 2 nicht anzulasten; unmittelbar nach Stellung des Haftantrags sei das Dokumentenbeschaffungsverfahren eingeleitet worden.

III.

5
Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist zurückzuweisen , weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtslos erscheint (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO). Denn die nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthafte Rechtsbeschwerde hätte keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Verlängerung der Sicherungshaft bis zum 15. April 2010 hielte rechtlicher Nachprüfung stand.
6
1. Das Beschwerdegericht nimmt ohne Rechtsfehler an, dass der Betroffene in Sicherungshaft genommen werden durfte, weil er aufgrund unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet vollziehbar ausreisepflichtig ist (§§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) und die Beteiligte zu 2 beabsichtigt , die Ausreisepflicht zwangsweise durchzusetzen.
7
a) Die Beteiligte zu 2 ist die für den Haftantrag zuständige Verwaltungsbehörde (§ 417 Abs. 1 FamFG).
8
b) Zu Recht hat das Beschwerdegericht den in § 62 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG genannten Haftgrund bejaht. Ergibt sich bei einer auf diese Vorschrift gestützten Haftanordnung die Ausreisepflicht weder aus einer bestandskräftigen Abschiebungs- bzw. Zurückschiebungsverfügung noch aus einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, muss der Haftrichter die erforderliche Prüfung der Voraussetzungen des Haftgrundes selbst vornehmen (Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, FGPrax 2010, 50). Das hat er getan; Rechtsfehler sind ihm dabei nicht unterlaufen.
9
aa) Im vorliegenden Fall fehlt es an einer Zurückschiebungs- bzw. Abschiebungsverfügung. Die Beteiligte zu 2 ist allerdings entschlossen, die gesetzliche Ausreisepflicht des Betroffenen zwangsweise durchzusetzen. Einer förmlichen Androhung der Durchsetzung oder eines Verwaltungsakts, durch den der Betroffene zum Verlassen des Bundesgebiets aufgefordert wird, bedarf es für die Anordnung der Abschiebungshaft indes nicht (OLG Hamm NVwZ 2003, Beilage Nr. I 4, 27; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 66. Aktual. November 2009, § 62 AufenthG Rdn. 39; Renner, aaO, § 62 AufenthG Rdn. 13).
10
bb) Rechtsfehlerfrei geht das Beschwerdegericht von einer unerlaubten Einreise des Betroffenen aus. Die Einreise eines Ausländers ist nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG dann unerlaubt, wenn er einen erforderlichen Pass oder Passersatz nach § 3 Abs. 1 AufenthG nicht besitzt. Diese Voraussetzung liegt vor. Der Asylfolgeantrag ändert nichts an der unerlaubten Einreise, weil der Betroffene ihn erst während der Inhaftierung gestellt hat.
11
cc) Ebenfalls zu Recht nimmt das Beschwerdegericht die - nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vollziehbare - Ausreisepflicht des Betroffenen an.
12
(1) Im Fall der unerlaubten Einreise hängt, wie sich aus § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ergibt, die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht nicht von einem Verwaltungsakt ab, durch den der Ausländer ausreisepflichtig wird (vgl. OLG Hamm NVwZ 2003, Beilage Nr. I 4, 27). Nach § 50 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer bereits u.a. dann zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt.
13
(2) Der Asylfolgeantrag steht nach § 71 Abs. 8 AsylVfG der Haftanordnung nicht entgegen (vgl. BayObLG OLGR 2004, 238, 239; OLG München OLGR 2009, 601 f.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 66. Aktual. November 2009, § 62 AufenthG Rdn. 28, § 71 AsylVfG Rdn. 122; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 62 AufenthG Rdn. 14; § 71 AsylVfG Rdn. 51). Ob der Asylfolgeantrag eine Aufenthaltsgestattung (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) und damit Aufenthaltsrecht zur Folge hat (ablehnend die h.M. VGH Mannheim VBlBW 1995, 327, 328; Hailbronner, aaO, § 71 AsylVfG Rdn. 97 f.; Marx, Asylverfahrensgesetz, 7. Aufl., § 71 Rdn. 425 f.; Bell/Henning, ZAR 1993, 37 f.; a.A. VG Schleswig EZAR 224 Nr. 24, S. 3; wohl auch VGH Mannheim InfAuslR 1993, 200, 201), kann deshalb offenbleiben.
14
2. Das Beschwerdegericht hat auch den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG aus zutreffenden Gründen bejaht. Einwendungen dagegen sind von dem Betroffenen auch nicht angekündigt.
15
3. Die Verlängerung der Sicherungshaft bis zum Ablauf der Sechsmonatsfrist (§ 62 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) hält schließlich auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit rechtlicher Nachprüfung stand.
16
a) Die Anordnung der Haft ist nicht nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig, denn es steht nicht fest, dass aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.
17
aa) Der Haftrichter hat auf einer hinreichend vollständigen Tatsachengrundlage die für die Anwendung des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG erforderliche Prognose grundsätzlich auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Gründe, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können , zu erstrecken (BVerfG NJW 2009, 2659, 2660). Hierzu sind konkrete An- gaben zum Ablauf des Verfahrens und zu dem Zeitraum, in welchem die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können, erforderlich. Die Entscheidung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf zu prüfen, ob das Beschwerdegericht die der Prognose zugrunde liegenden Wertungsmaßstäbe erkannt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und vollständig gewürdigt hat (vgl. BGH, Urt. v. 10. Mai 1994, XI ZR 212/93, NJW 1994, 2093, 2094; OLG München OLGR 2009, 714; Keidel/ Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., § 72 Rdn. 18).
18
bb) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung gerecht. Die für die Beurteilung durch den Senat maßgebliche tatrichterliche Würdigung des Beschwerdegerichts (vgl. OLG München OLGR 2009, 714), es stehe nicht fest, dass die Abschiebung nicht binnen drei Monaten erfolgen könne, hält der auf Rechtsfehler beschränkten Prüfung stand. Das Beschwerdegericht hat zu der voraussichtlichen Dauer der Passersatzpapierbeschaffung den Verfahrensablauf dargestellt und die zeitnahen Angaben der mit der Beschaffung der Rückführungsdokumente in Indien befassten Ausländerbehörde berücksichtigt, wonach jedenfalls derzeit die Ausstellung der Heimreisepapiere bei vollständigen und zutreffenden Angaben des Betroffenen innerhalb weniger Wochen erfolgen könne (vgl. hierzu auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 15. November 2007, 11 Wx 55/07, juris Rdn. 35), gerechnet ab dem für die Prognose maßgeblichen Zeitpunkt der Haftanordnung (vgl. OLG München OLGR 2005, 439, 440; OLG Düsseldorf InfAuslR 2008, 38, 39). Die Prognose hat auch noch angesichts des im Nachhinein gestellten Asylfolgeantrags Bestand, weil vorläufiger Rechtsschutz in jenem Verfahren nicht beantragt worden ist (vgl. hierzu BVerfG NVwZ 1996, Beilage Nr. 3, S. 17, 18).
19
b) Die Haft durfte über die Dreimonatsfrist (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG) hinaus verlängert werden. Die Regelung in § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG lässt allerdings erkennen, dass im Regelfall die Dauer von drei Monaten Haft nicht überschritten werden soll und eine Haftdauer von sechs Monaten (§ 62 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) nicht ohne weiteres als verhältnismäßig angesehen werden darf. Daraus folgt, dass die Verlängerung einer zunächst in zulässiger Weise auf drei Monate befristeten Haftanordnung unzulässig ist, wenn die Abschiebung aus Gründen unterblieben ist, die von dem Ausländer nicht zu vertreten sind (Senat, BGHZ 133, 235, 237 f., zu § 57 AuslG). Diese Voraussetzung liegt hier jedoch nicht vor.
20
aa) Zu vertreten hat der Ausländer auch Gründe, die - von ihm zurechenbar veranlasst - dazu geführt haben, dass ein Abschiebungshindernis überhaupt erst entstanden ist (Senat, aaO, S. 238). Der Ausländer, der keine Ausweispapiere besitzt und der auch bei der Passersatzbeschaffung nicht mitwirkt , muss Verzögerungen hinnehmen, die dadurch entstehen, dass die Behörden seines Heimatstaates um die Feststellung seiner Identität und die Erteilung eines Passersatzpapiers ersucht werden müssen (OLG München OLGR 2009, 714, 715). So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts verfügt der Betroffene über keine Identitätspapiere; er hat das Formular zur Beschaffung der Rückführungspapiere zunächst unvollständig ausgefüllt. Die Vervollständigung im Rahmen der Anhörung am 24. November 2009 hat sich als bedingt tauglich erwiesen, weil die Angaben zu seinem Nationalpass, wie sich erst anlässlich der Vorführung bei dem indischen Generalkonsulat ergeben hat, unzutreffend waren. Zudem hat der Betroffene fortwährend unterschiedliche Angaben zu seiner Herkunft gemacht. Damit ist eine Überprüfung durch die Behörden in Indien erforderlich. Hätte der Betroffene von vornherein vollständige und zutreffende Angaben gemacht, wären die Heimreisedokumente innerhalb weniger Wochen ausgestellt worden.
21
bb) Gegen diese Feststellungen des Beschwerdegerichts wendet sich der Betroffene nicht, sondern macht zur Begründung seines Verfahrenskostenhilfeantrags lediglich geltend, dass ihm ein Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht nicht anzulasten sei, weil die Ausländerbehörde unter Hinzuziehung eines Dolmetschers für das Ausfüllen des Formulars habe sorgen müssen. Das würde der Rechtsbeschwerde indessen nicht zum Erfolg verhelfen. Der Ausländer hat an der Beschaffung der Passersatzpapiere mitzuwirken. Insbesondere ist es nach § 3 AufenthG eine Obliegenheit des Ausländers, im Besitz eines gültigen Passes zu sein; grundsätzlich muss er sich daher eigenständig um die Beschaffung von Identitätspapieren aus seinem Heimatland bemühen (OVG Münster InfAuslR 2006, 322). Daher ist die bloße Übersendung von Formularen entgegen der Auffassung des Betroffenen nicht verfahrensfehlerhaft, wenn sie - wie hier - in der Sprache des Betroffenen verfasst sind. Es ist nicht zu beanstanden , dass die Ausländerbehörde zunächst auf eine persönliche Befragung unter Hinzuziehung eines Dolmetschers verzichtet, solange kein Anlass zu Zweifeln an der Fähigkeit des Ausländers besteht, das Formular ordnungsgemäß auszufüllen.
22
cc) Ein Verstoß der Beteiligten zu 2 gegen das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (vgl. BVerfGE 20, 45, 49 f.; 46, 194, 195) liegt nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht vor. Schon wenn vorhersehbar ist, dass die Abschiebung erforderlich wird, muss die Behörde allerdings alle notwendigen Anstrengungen unternehmen, um die erforderlichen Papiere zu beschaffen, damit der Vollzug der Haft auf eine möglichst kurze Zeit beschränkt werden kann (Senat, BGHZ 133, 235, 239; OLG Celle InfAuslR 2004, 118; OLG Düsseldorf InfAuslR 2008, 38, 39; OLG Schleswig InfAuslR 2004, 167; Hailbronner, aaO, § 62 AufenthG Rdn. 33). Hier hat die Beteiligte zu 2 unmittelbar nach dem Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft, der noch während der Vollstreckung der Er- satzfreiheitstrafe gestellt worden ist, das Passersatzpapierbeschaffungsverfahren eingeleitet und dem Betroffenen das Formular für die Beschaffung der zur Rückführung notwendigen Papiere übermittelt. Da die Ausländerbehörde grundsätzlich keine Möglichkeit hat, auf die Terminplanung der ausländischen Vertretung Einfluss zu nehmen, ist ihr nicht anzulasten, dass der Vorführungstermin dort erst am 15. Dezember 2009 stattgefunden hat (vgl. OLG Schleswig, NVwZ-RR 2005, 858, 859).
23
4. Dass der Verfahrensbevollmächtigte in dem erstinstanzlichen Verfahren über die Verlängerung der Abschiebungshaft nicht beteiligt worden ist, führte ebenfalls nicht zur Unzulässigkeit der angefochtenen Entscheidung. Denn der Betroffene muss eine - hier erfolgte - im Beschwerdeverfahren herbeigeführte Heilung von Verfahrensmängeln hinnehmen (vgl. Senat, Beschl. v. 8. März 2007, V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rdn. 22). Das Verfahrensergebnis ist für ihn kein anderes, als wenn be- reits das Amtsgericht das Verfahren fehlerfrei durchgeführt hätte (vgl. Keidel/ Budde, aaO, § 62 Rdn. 23). Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 13.01.2010 - 872 XIV B 347/09 -
LG München I, Entscheidung vom 17.02.2010 - 13 T 1494/10 -