Bundesgerichtshof Beschluss, 12. März 2009 - V ZB 155/08

bei uns veröffentlicht am12.03.2009
vorgehend
Amtsgericht Essen, 183 K 30/04, 11.07.2008
Landgericht Essen, 7 T 427/08, 10.09.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 155/08
vom
12. März 2009
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. März 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 10. September 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Essen vom 11. Juli 2008 (183 K 30/04) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde der Schuldnerin gegen den Zuschlagsbeschluss eingestellt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 440.000,00 €.

Gründe:


I.


1
Die Schuldnerin ist Eigentümerin des im Eingang des Beschlusses bezeichneten Grundstücks. Auf Antrag der Beteiligten zu 3 wurde im Jahre 2004 die Zwangsversteigerung angeordnet. Die Beteiligten zu 4 und zu 5 sind dem Verfahren als weitere Gläubiger beigetreten. Im Verlauf des Zwangsversteigerungsverfahrens wurde im Dezember 2007 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beteiligte zu 2 zum Insolvenzverwalter ernannt.
2
Das Versteigerungsgericht hat nach einem am 11. Juli 2008 durchgeführten Versteigerungstermin das Grundstück mit Beschluss vom gleichen Tage den Beteiligten zu 6 als Meistbietenden zugeschlagen. Gegen den Zuschlagsbeschluss hat die Schuldnerin Beschwerde eingelegt, die sie unter Hinweis auf ein von ihr vorgelegtes nervenfachärztliches Attest mit einer akuten Gefahr der Selbsttötung begründet hat.
3
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, das Landgericht hat sie als unzulässig zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer vom dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, dass die Schuldnerin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen nicht mehr aus eigenem Recht befugt sei, einen Schuldnerschutzantrag nach § 765a ZPO in Bezug auf ein zur Masse gehörendes Grundstück zu stellen, auch wenn der Antrag mit der Gefahr der Selbsttötung begründet sei.

III.

5
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 96 ZVG statthafte und nach § 575 ZPO im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
6
1. Der Senat hat mit Beschluss vom 18. Dezember 2008 (V ZB 57/08, WM 2009, 358 ff.; ebenso: Beschl. v. 22. Januar 2009, V ZB 181/08, Rz. 5) entschieden, dass mit dem durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 80 Abs. 1 InsO eintretenden Verlust des Rechts des Schuldners, das zur Masse gehörende Vermögen zu verwalten, zwar auch dessen Befugnis erlischt , Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts im Zwangsversteigerungsverfahren anzufechten (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, ZfIR 2008, 150; Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, WM 2008, 1789). Das gilt jedoch nur, soweit es um dessen Vermögen geht; davon unberührt bleibt die Befugnis , Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO wegen der Gefahr der Selbsttötung des Schuldners oder eines nahen Angehörigen zu beantragen, weil nur so dem Bedeutungsgehalt des Grundrechts auf Leben aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Rechnung getragen werden kann (Senat, Beschl. v. 18. Dezember 2008, V ZB 57/08, WM 2009, 358, 359; ebenso für das Insolvenzverfahren: BGH, Beschl. v. 16. Oktober 2008, IX ZR 77/08, NJW 2009, 78, 79). Zur weiteren Begründung wird auf diese Entscheidungen Bezug genommen.
7
Der angefochtene Beschluss ist danach aufzuheben, da das Beschwerdegericht - aus seiner Sicht folgerichtig - den von der Schuldnerin mit der Gefahr der Selbsttötung begründeten Einstellungsantrag nach § 765a ZPO sachlich nicht geprüft hat. Das wird nachzuholen sein, wobei das Beschwerdegericht nicht nur die Schuldnerin, sondern - wie von dem Senat für das Rechtsbeschwerdeverfahren bereits durchgeführt - auch die das Verfahren betreibenden Gläubiger, die Ersteher und den Insolvenzverwalter der Schuldnerin an dem Beschwerdeverfahren zu beteiligen hat.
8
2. Da aus dem Zuschlagsbeschluss bereits vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann (Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 93 Rdn. 2; Stöber, ZVG, § 93 Rdn. 2.1) und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Aussetzung der Vollstreckung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts gemäß §§ 575 Abs. 5, 570 Abs. 3 ZPO durch das Rechtsbeschwerdegericht auszusprechen (vgl. Senat, Beschl. v. 18. Dezember 2008, V ZB 57/08, WM 2009, 358, 360 m.w.N.).
Krüger Klein Stresemann Roth Czub
Vorinstanzen:
AG Essen, Entscheidung vom 11.07.2008 - (184) 183 K 30/04 -
LG Essen, Entscheidung vom 10.09.2008 - 7 T 427/08 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 575 Frist, Form und Begründung der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der E

Insolvenzordnung - InsO | § 80 Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts


(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. (2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsve

Zivilprozessordnung - ZPO | § 765a Vollstreckungsschutz


(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers we

Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung - ZVG | § 96


Auf die Beschwerde gegen die Entscheidung über den Zuschlag finden die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Beschwerde nur insoweit Anwendung, als nicht in den §§ 97 bis 104 ein anderes vorgeschrieben ist.

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 82/10 vom 7. Oktober 2010 in dem Zwangsversteigerungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GG Art. 2 Abs. 2 Satz 1; ZVG §§ 100, 83 Nr. 6; ZPO § 574 Abs. 2 Der Umstand, dass ein Schuldner i

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(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Auf die Beschwerde gegen die Entscheidung über den Zuschlag finden die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Beschwerde nur insoweit Anwendung, als nicht in den §§ 97 bis 104 ein anderes vorgeschrieben ist.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 57/08
vom
18. Dezember 2008
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Schuldner ist auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen
befugt, in einem Verfahren über die Zwangsversteigerung eines zur Masse
gehörenden Grundstücks Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO wegen einer Suizidgefahr
für sich oder einen nahen Angehörigen zu beantragen.
BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - V ZB 57/08 - LG Stuttgart
AG Stuttgart
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 18. Dezember 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 16. April 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 8. Februar 2008 (Az. 3 K 383/04) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde des Schuldners gegen den Zuschlagsbeschluss eingestellt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 71.500 €.

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat im November 2004 die Zwangsversteigerung des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten, mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks angeordnet. Das Grundstück stand bis zur Zuschlagserteilung im Eigentum des Schuldners. Über dessen Vermögen hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - im Januar 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und den Beteiligten zu 3 zum Insolvenzverwalter bestellt.
2
In dem Versteigerungstermin am 18. Januar 2008 hat der Schuldner beantragt , die Zwangsvollstreckung nach § 765a ZPO vorläufig einzustellen. Er hat den Antrag mit dem schlechten Gesundheitszustand seiner in dem zu versteigernden Haus wohnenden, 1911 geborenen Mutter begründet und dazu ein fachärztliches Attest vorgelegt, nach dem bei seiner Mutter mit einer erheblichen Suizidgefahr zu rechnen sei. Das Vollstreckungsgericht hat mit Beschluss vom 8. Februar 2008 den Antrag des Schuldners zurückgewiesen und der Beteiligten zu 4 den Zuschlag erteilt.
3
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners ist ohne Erfolg geblieben. Mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Antrag weiter, den Zuschlagsbeschluss aufzuheben. Die Beteiligte zu 2 beantragt , die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, die sofortige Beschwerde des Schuldners sei unzulässig. Der Schuldner sei nicht prozessführungsbefugt. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe dazu geführt, dass die Prozessführungsbefugnis für auf die Insolvenzmasse bezogene Verfahren auf den Insolvenzverwalter übergegangen sei.
5
An dieser Beurteilung ändere sich nichts dadurch, dass der Schuldner den Einstellungsantrag mit einer Gefahr für das Leben seiner hochbetagten Mutter begründe. Der Schuldner könne mangels eigener Prozessführungsbefugnis während des Insolvenzverfahrens keinen Einstellungsantrag stellen. Da- bei komme es weder darauf an, ob der Insolvenzverwalter einen Einstellungsantrag gestellt habe, noch darauf, ob der Antrag auf die Gefahr der Vermögensverschleuderung oder auf eine Gesundheits- oder Lebensgefahr gestützt werde. Nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG gelte nichts anderes, da auch der Insolvenzverwalter eine Lebensgefahr für einen nahen Angehörigen des Schuldners geltend machen könne.

III.

6
Das hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 96 ZVG statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
7
1. Allerdings ist das Beschwerdegericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und der Bestellung eines Insolvenzverwalters grundsätzlich die Befugnis verliert, in Verfahren über massezugehörige Bestandteile seines Vermögens Anträge zu stellen oder Rechtsmittel einzulegen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, ZfIR 2008, 150; Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, ZInsO 2008, 741).
8
Der Schuldner ist daher von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen an grundsätzlich nicht mehr Beteiligter des Zwangsvollstreckungsverfahrens ; seine Stelle wird von dem Insolvenzverwalter eingenommen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, aaO; Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, aaO m.w.N.). Etwas anderes gilt nur, wenn der Insolvenzverwalter den Vollstreckungsgegenstand freigibt (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, aaO), wofür hier weder etwas festgestellt noch ersichtlich ist.
9
2. Streitig ist jedoch, ob ein Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen noch befugt ist, Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu beantragen. Die wohl herrschende Auffassung verneint dies gemäß dem vorstehend genannten Grundsatz, wonach alle das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen betreffenden Befugnisse durch den Verwalter ausgeübt werden (MünchKommZPO/Heßler, 3. Aufl., § 765a Rdn. 77; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 765a Rdn. 19; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 765a Rdn. 19; Stöber, ZVG, 18. Aufl., Einl. Rdn. 53.1; Jaeger/ Windel, InsO, § 80 Rdn. 198; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 80 Rdn. 68; ebenso zur Konkursordnung OLG Braunschweig NJW 1968, 164; LG Köln KTS 1968, 59, 60; AG und LG Hannover Rpfleger 1987, 166; Mohrbutter/Drischler, Die Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungspraxis, 6. Aufl., Anm. 5 zu Muster 30; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl., S. 541; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 765a Rdn. 12; Steiner/Storz, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl., § 30c Rdn. 7; zweifelnd Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl. § 765a Rdn. 7). Nach der Gegenansicht führt der Übergang des Rechts zur Verwaltung und zur Verfügung über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen auf den Verwalter nach § 80 Abs. 1 InsO nicht zum Verlust der Befugnis, Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu beantragen, weil es sich dabei um eine Sondervorschrift zur Vermeidung von Missbräuchen handele und dieser Schutz dem Schuldner auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhalten bleibe (vgl. OLG Celle ZIP 1981, 1005, 1006 - zur Konkursordnung; AK-ZPO/Schmidt-von Rhein, § 765a Rdn. 3; Wieczorek/Schütze/Paulus, ZPO, 3. Aufl., § 765a Rdn. 19; ebenso Keller, ZfIR 2008, 134, 137, für Fälle, in denen die Entscheidung Rechte des Schuldners betrifft, die über das Insolvenzverfahren hinausgehen).
10
3. Der Senat tritt der letztgenannten Meinung für den Fall bei, dass der Schuldner den Vollstreckungsschutzantrag auf eine Gefahr für Leben und körperliche Unversehrtheit stützt.
11
a) Im Grundsatz ist zwar daran festzuhalten, dass der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung eines Verwalters in diesem Verfahren die Befugnis verloren hat, im Zwangsversteigerungsverfahren über massezugehörige Bestandteile des Vermögens Anträge zu stellen und Rechtsmittel einzulegen (Senat, Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, ZInsO 2008, 741). Die damit verbundene Einschränkung der aus dem Eigentum des Schuldners folgende Rechte nach Art. 14 Abs. 1 GG ist deshalb gerechtfertigt, weil das Ziel des Insolvenzverfahrens, die Gläubiger durch die Verwertung des Vermögens gemeinsam zu befriedigen, anders nicht erreicht werden kann (BVerfGE 51, 405, 408 unter Hinweis auf BVerfGE 21, 150, 155; 25, 112, 117; 42, 263, 295, 305; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, aaO). Die Eigentumsrechte des Schuldners werden dadurch gewahrt, dass er den Eröffnungsbeschluss anfechten kann (BVerfGE 51, 405, 408). Werden der Eröffnungsbeschluss und die Ernennung eines Verwalters bestandskräftig, wird der Schuldner von der Verwaltung und Verfügung über sein Vermögen ausgeschlossen, soweit dieses zur Masse gehört, weil von dem Schuldner weder erwartet werden kann, dass er sein Vermögen in der gebotenen Weise verwaltet oder dass er in dieser Weise hierüber verfügt, noch dass er sein Vermögen zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger einsetzt. Entsprechend der Einschränkung der materiellen Rechtsstellung des Schuldners gehen auch seine Befugnisse in gerichtlichen Verfahren über massezugehöriges Vermögen auf den Verwalter über. Das ist hinzunehmen, weil der Mangel der Fähigkeit des Schuldners zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten mit der Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses festgestellt ist und der Schuldner überdies nicht schutzlos ist, da die in § 60 Abs. 1 InsO angeordnete Haftung des Verwalters für ihn wirkt (Senat, Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, aaO m.w.N.).
12
b) Alle diese Erwägungen greifen aber nicht, wenn der Schuldner Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO wegen einer Suizidgefahr für sich oder einen nahen Angehörigen beantragt.
13
aa) Verfassungsrechtlich betroffenes Schutzgut ist in diesem Fall nicht das Eigentum des Schuldners (Art. 14 Abs. 1 GG), sondern das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Der Vollstreckungsschutzantrag betrifft nur mittelbar die Verwaltung und Verfügung über das massezugehörige Vermögen, indem er dessen Zwangsversteigerung (zeitweilig ) einschränkt. Das Recht des Schuldners auf Leben und körperliche Unversehrtheit wird - anders als seine Eigentumsrechte - nicht dadurch gewahrt, dass er den Eröffnungsbeschluss anfechten kann. Auch die Haftung des Insolvenzverwalters auf Schadensersatz nach § 60 Abs. 1 InsO bietet insofern keinen hinreichenden Schutz.
14
bb) Dem Bedeutungsgehalt des Grundrechts nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist bei der Auslegung und Anwendung der Verfahrensvorschriften angemessen Rechnung zu tragen. Die Vollstreckungsgerichte haben in ihrer Verfahrensgestaltung die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Verfassungsverletzungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen tunlichst auszuschließen. Das Verfahren der Vollstreckungsgerichte ist so durchzuführen, dass der sich aus dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ergebenden Schutzpflicht staatlicher Organe Genüge getan wird (BVerfGE 52, 214, 219 ff.; BVerfG NJW 1991, 3207; NJW 1994, 1719 f.; NJW 1998, 295, 296; NJW-RR 2001, 1523; NZM 2005, 657, 658; NJW 2007, 2910; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 507).
15
Nach diesem Maßstab darf ein Vollstreckungsschutzantrag eines Schuldners , der mit einer Suizidgefahr für sich oder einen nahen Angehörigen begründet wird, auch dann, wenn über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, nicht unter Hinweis auf eine fehlende Prozessführungsbefugnis als unzulässig zurückgewiesen werden. Das Vollstreckungsgericht und das Beschwerdegericht dürfen nicht vor der Gefahr einer Selbsttötung die Augen verschließen und - ohne Sachprüfung - eine Entscheidung zum Fortgang des Verfahrens treffen oder bestehen lassen, die möglicherweise Ursache für den Tod des Schuldners oder eines nahen Angehörigen sein kann. Eine derartige Verfahrensgestaltung wird dem Wert des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht gerecht (vgl. Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 507).
16
cc) Auch das Vollstreckungsinteresse der Gläubiger steht der Annahme einer Antragsbefugnis des Schuldners in diesen Fällen nicht entgegen. Unterbleibt die Zwangsversteigerung aufgrund eines Vollstreckungsschutzantrags, wird zwar in das Grundrecht der Gläubiger auf Schutz ihres Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) eingegriffen und ihr verfassungsrechtlicher Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz ihres Eigentums (Art. 19 Abs. 4 GG) beeinträchtigt (vgl. Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 506). Das ist im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des Vollstreckungsschutzantrags des Schuldners zu berücksichtigen (dazu BVerfG NJW 1994, 1719; NJW 1998, 295, 296; NJW 2007, 2910, 2911; BGHZ 163, 66, 72 ff.; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, aaO; Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1668; Beschl. v. 6. Dezember 2007, V ZB 67/07, NJW 2008, 586; Beschl. v. 19. Juni 2008, V ZB 129/07, WM 2008, 1833, 1835). Für die Frage der Zulässigkeit des Antrags ist das jedoch ohne Belang.
17
dd) Schließlich werden die Befugnisse des Insolvenzverwalters, der selbst keinen Vollstreckungsschutz beantragt, durch die Anerkennung der Antragsbefugnis des Schuldners in der vorliegenden Fallgestaltung nicht unzulässig beeinträchtigt. Ob der Schuldner auch dann befugt ist, Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu beantragen, wenn er den Antrag auf andere Gründe als eine Gefahr für Leben und körperliche Unversehrtheit stützt oder wenn bei der Entscheidung über den Antrag des Schuldners auch ein Vollstreckungsschutzantrag des Insolvenzverwalters vorliegt, bedarf keiner Entscheidung. Beides ist hier nicht der Fall. Dasselbe gilt für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Insolvenzverwalter Vollstreckungsschutz erlangen kann.
18
4. Vorliegend hat der Schuldner den Vollstreckungsschutzantrag darauf gestützt, das Leben und die körperliche Unversehrtheit seiner Mutter, also einer nahen Angehörigen (vgl. dazu BGHZ 163, 66, 72), sei gefährdet. Nach den oben aufgestellten Grundsätzen ist er antrags- und, da er die Zuschlagsbeschwerde damit begründet hat, diesem Antrag sei zu Unrecht nicht stattgegeben worden, in den Verfahren über die Beschwerde und die Rechtsbeschwerde auch beschwerdebefugt.
19
Die angefochtene Entscheidung, die die Antrags- und Beschwerdebefugnis des Schuldners rechtsfehlerhaft verneint, ist daher aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif im Sinne von § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO, weil das Beschwerdegericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen hat, auf deren Grundlage dem Senat eine Prüfung der Voraussetzungen von § 765a ZPO möglich wäre. Lägen diese Voraussetzungen vor, hätte die Zuschlagsbeschwerde nach § 100 Abs. 1, 3, § 83 Nr. 6 ZVG Erfolg (vgl. BGH, Beschl. v. 27. Juni 2003, IXa ZB 21/03, NJW-RR 2003, 1648, 1649; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 507; Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1668).
20
5. Da aus dem Zuschlagsbeschluss bereits vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann (Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 93 Rdn. 2; Stöber, ZVG, § 93 Rdn. 2.1) und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Aussetzung der Vollstreckung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts gem. §§ 575 Abs. 5, 570 Abs. 3 ZPO durch das Rechtsbeschwerdegericht auszusprechen (vgl. Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1669; BVerfG NJW 1994, 1719, 1720; NJW 2004, 49, 50; NZM 2005, 657, 659).
21
6. Bei der erneuten Entscheidung wird zu beachten sein, dass sich die Beteiligten in dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde in der Regel nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen, was einer Anwendung der §§ 91 ff. ZPO grundsätzlich entgegensteht (st. Rspr., vgl. Senat , BGHZ 170, 378, 381).
22
7. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht dem Wert einer Zuschlagsbeschwerde des Schuldners, die auf der Zurückweisung eines Vollstreckungsschutzantrags nach § 765a ZPO beruht. Diesen Wert bemisst der Senat mit einem Bruchteil von 1/10 des nach dem Versteigerungsergebnis anzunehmenden Zuschlagswertes (vgl. Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1669; Beschl. v. 18. September 2008, V ZB 22/08, Rz. 15 - in juris veröffentlicht).
Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
AG Stuttgart, Entscheidung vom 08.02.2008 - 3 K 383/04 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 16.04.2008 - 19 T 97/08 -

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 3/08
vom
29. Mai 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die sofortige Beschwerde eines Schuldners, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren
eröffnet worden ist, gegen die Festsetzung des Verkehrswerts eines massezugehörigen
Grundstücks durch das Vollstreckungsgericht ist unzulässig.
BGH, Beschl. v. 29. Mai 2008 - V ZB 3/08 - LG Hamburg
AG Hamburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 29. Mai 2008 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 28 des Landgerichts Hamburg vom 4. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.022.000 €.

Gründe:


I.


1
Über das Vermögen des Schuldners wurde am 15. März 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beteiligte zu 2 wurde zum Verwalter in diesem Verfahren bestellt. Zur Insolvenzmasse gehört eine Mehrzahl von Wohnungs- und Teileigentumseinheiten, deren Versteigerung die Beteiligten zu 3 bis 5 betreiben. Mit Beschluss vom 20. April 2007 hat das Amtsgericht sachverständig beraten den Verkehrswert des Wohnungs- und Teileigentums auf insgesamt 3.278.000 € festgesetzt.
2
Der Schuldner hält diesen Wert für zu niedrig. Mit der sofortigen Beschwerde hat er die Festsetzung des Verkehrswerts auf mindestens 4.300.000 € beantragt. Das Landgericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Schuldner weiterhin die Erhöhung der Festsetzung des Verkehrswerts des Wohnungsund Teileigentums.

II.


3
Das Beschwerdegericht sieht die sofortige Beschwerde als unzulässig an. Es meint, der Schuldner habe mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen die Befugnis verloren, Entscheidungen im Zwangsversteigerungsverfahren anzugreifen, soweit § 30d ZVG die Beschwerde nicht trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewähre.

III.


4
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist unzulässig.
5
Soweit das Zwangsversteigerungsgesetz nichts anderes bestimmt, hat der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und der Bestellung eines Verwalters in diesem Verfahren die Befugnis verloren, in Verfahren über massezugehörige Bestandteile seines Vermögens Anträge zu stellen oder Rechtsmittel einzulegen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, ZfIR 2008, 150, 151; LG Lübeck Rpfleger 2004, 235, 236). Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
6
1. Ziel des Insolvenzverfahrens ist es, die Gläubiger durch die Verwertung des Vermögens des Schuldners gemeinsam zu befriedigen, soweit eine Befriedigung aus den Erträgen eines von dem Schuldner betriebenen Unter- nehmens nicht erwartet werden kann, § 1 Satz 1 InsO. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung eines Verwalters in diesem Verfahren geht die Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen des Schuldners auf den Insolvenzverwalter über, § 80 Abs. 1 InsO.
7
Soweit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Rechte des Schuldners aus Art. 14 Abs. 1 GG beschränkt, ist dies notwendig und verfassungsgemäß , weil das Ziel des Insolvenzverfahrens anders nicht erreicht werden kann (BVerfGE 51, 405, 408 unter Hinweis auf BVerfGE 21, 150, 155; 25, 112, 117; 42, 263, 295, 305). Die Rechte des Schuldners werden dadurch gewahrt, dass der Schuldner gemäß § 34 Abs. 1 InsO den Eröffnungsbeschluss anfechten kann (BVerfGE 51, 405, 408). Werden der Eröffnungsbeschluss und die Ernennung eines Verwalters rechtskräftig, wird der Schuldner von der Verwaltung und Verfügung über sein Vermögen ausgeschlossen, soweit dieses zur Masse gehört , weil von dem Schuldner weder erwartet werden kann, dass er sein Vermögen in der gebotenen Weise verwaltet und in dieser Weise hierüber verfügt, noch dass er sein Vermögen zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger einsetzt.
8
Die Übertragung der Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen des Schuldners auf den Verwalter gilt nicht nur im Bereich des materiellen Rechts, sondern führt dazu, dass ein gerichtliches Verfahren über massezugehöriges Vermögen des Schuldners nur von oder gegen den Verwalter begonnen oder fortgesetzt werden kann. Die Rechtsstellung eines Verfahrensbeteiligten kann grundsätzlich nicht von der Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen getrennt werden, dessentwegen das Verfahren geführt wird, weil das Verhalten in einem gerichtlichen Verfahren auf das der Ver- waltung unterliegende Vermögen im Ergebnis nicht anders wirkt als sonstiges tatsächliches oder rechtsgeschäftliches Verhalten.
9
Die gesetzliche Regelung nimmt in Kauf, dass die von dem Verwalter wahrgenommenen Interessen der Gläubiger und die Interessen des Schuldners zueinander in Widerspruch stehen oder geraten können. Die Insolvenzordnung gewährt insoweit dem Verwalter bzw. den Gläubigern den Vorrang. Dies ist sachdienlich, weil der Mangel der Fähigkeit des Schuldners zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten mit der Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses festgestellt ist. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Bestimmung des Verwalters machen den Schuldner auch nicht schutzlos. Für ihn wirkt vielmehr die in § 60 Abs. 1 InsO angeordnete Haftung des Verwalters (BGH, Urt. v. 22. Januar 1985, VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423, 425; OLG Köln, ZIP 1980, 94, 95; Heidelberger Kommentar zur InsO/Eickmann, 4. Aufl., § 60 Rdn. 6; Jaeger/Gerhardt, InsO § 60 Rdn. 81 f; MüchnKomm-InsO/Brandes, §§ 60, 61 Rdn. 65).
10
2. So liegt es auch im Zwangsversteigerungsverfahren. Von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners und der Bestellung eines Insolvenzverfahrens an ist der Schuldner nicht mehr Beteiligter des Zwangsversteigerungsverfahrens; seine Stelle wird von dem Verwalter im Insolvenzverfahren eingenommen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, ZfIR 2008, 150, 151; LG Lübeck Rpfleger 2004, 235, 236; Dassler/Schiffhauer/ Rellermeier, ZVG, 13. Aufl., § 9 Rdn. 6; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 9 Anm. 3.15).
11
a) Hält der Schuldner die Festsetzung des Verkehrswertes für ein Gebäude in einem Zwangsversteigerungsverfahren für unrichtig, kann er den Insolvenzverwalter hierauf hinweisen und diesen so veranlassen, die Festsetzung zu prüfen und gegebenenfalls anzufechten. Sieht der Verwalter hiervon ab, ist dies durch seine Befugnisse gedeckt. Dem Schuldner ein Recht zur Anfechtung einzuräumen, würde einen Eingriff in die Befugnisse des Verwalters bedeuten und hätte zur Folge, dass der Schuldner das Versteigerungs- und damit das Insolvenzverfahren in nicht gebotener Weise erschweren und verzögern könnte.
12
b) 114a ZVG führt entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde zu keiner anderen Beurteilung. Der Insolvenzverwalter ist anstelle des Schuldners Beteiligter des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Erhält ein betreibender Gläubiger den Zuschlag auf ein Gebot, das 7/10 des Verkehrswertes des Grundstücks nicht erreicht, gilt der Gläubiger trotzdem in dieser Höhe als befriedigt. Haftet der Schuldner dem Gläubiger - wie regelmäßig - auch persönlich, tritt diese Wirkung auch gegenüber der Masse ein; der Gläubiger nimmt allein wegen des Ausfalls an der Verteilung teil, §§ 52 Satz 2, 190 InsO. Ist der Verkehrswert zu gering festgesetzt und erhält der absonderungsberechtigte Gläubiger auf ein Gebot von weniger als 7/10 des festgesetzten Wertes den Zuschlag , erreicht die Befriedigungsfiktion von § 114a ZVG zu Lasten der Masse einen zu geringen Betrag (vgl. Keller, ZfIR 2008, 134, 137 f.). Der Schuldner ist hierdurch nicht anders betroffen als er durch jede Handlung des Verwalters betroffen ist, die für die Masse und damit letztlich auch für ihn wirtschaftlich nachteilig ist.
13
Das führt nicht dazu, dass dem Schuldner entgegen dem Ziel des Insolvenzverfahrens die Beschwerde gegen die Festsetzung des Verkehrswertes zu eröffnen und ihm so Gelegenheit zu geben wäre, gegen den Willen des Verwalters auf das Zwangsversteigerungsverfahren Einfluss zu nehmen. Die Situation des Schuldners unterscheidet sich im Ergebnis durch nichts von seiner Situation bei der wirtschaftlich ungünstigen Verwertung eines Massegegenstandes, verfehlter Prozessführung oder bei dem Abschluss eines nachteiligen Ver- gleichs durch den Verwalter. Dass die nachteilige Wirkung des Verhaltens des Verwalters ihren Ausgang in einem gerichtlichen Verfahren nimmt, führt nicht dazu, dass das Verhalten des Verwalters nicht zum Nachteil des Schuldners wirkte oder dem Schuldner ein Recht zur Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung zu eröffnen wäre.
14
c) Das ist entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn der Gläubiger durch das Recht, dessentwegen er die Zwangsversteigerung betreibt, voll gesichert und damit im Ergebnis von dem Insolvenzverfahren nicht betroffen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 29. November 2007, IX ZB 12/07, ZIP 2008, 281). Der Zuschlag bewirkt die Verwertung des massezugehörigen Grundstücks. Werden die betreibenden Gläubiger aus dem Erlös vollständig befriedigt, scheiden sie aus dem Insolvenzverfahren aus. Der Mehrerlös ist Bestandteil der Masse, für die allein der Verwalter handelt.
15
Die Rechtsbeschwerde verweist insoweit auch nicht auf Vortrag des Schuldners, nach welchem die Beteiligten zu 3 bis 5 durch das von ihnen in Anspruch genommene Recht vollständig gesichert wären. Entsprechend liegt es mit dem Hinweis der Rechtsbeschwerde auf § 213 InsO.

III.


16
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten fallen weder für die sofortige Beschwerde noch für die Rechtsbeschwerde an (vgl. Nr. 2240 bis 2243 KV-GKG). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens der Beteiligten zu 2 bis 5 kommt nicht in Betracht , da sich die Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens im Wert- festsetzungs-Beschwerdeverfahren nicht als Parteien gegenüberstehen (Senat, Beschl. v. 18. Mai 2006, V ZB 142/05, WM 2006, 1727, 1730).
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 20.04.2007 - 71b K 9/04 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 04.12.2007 - 328 T 39/07 -

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 57/08
vom
18. Dezember 2008
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Schuldner ist auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen
befugt, in einem Verfahren über die Zwangsversteigerung eines zur Masse
gehörenden Grundstücks Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO wegen einer Suizidgefahr
für sich oder einen nahen Angehörigen zu beantragen.
BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - V ZB 57/08 - LG Stuttgart
AG Stuttgart
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 18. Dezember 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 16. April 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 8. Februar 2008 (Az. 3 K 383/04) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde des Schuldners gegen den Zuschlagsbeschluss eingestellt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 71.500 €.

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat im November 2004 die Zwangsversteigerung des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten, mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks angeordnet. Das Grundstück stand bis zur Zuschlagserteilung im Eigentum des Schuldners. Über dessen Vermögen hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - im Januar 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und den Beteiligten zu 3 zum Insolvenzverwalter bestellt.
2
In dem Versteigerungstermin am 18. Januar 2008 hat der Schuldner beantragt , die Zwangsvollstreckung nach § 765a ZPO vorläufig einzustellen. Er hat den Antrag mit dem schlechten Gesundheitszustand seiner in dem zu versteigernden Haus wohnenden, 1911 geborenen Mutter begründet und dazu ein fachärztliches Attest vorgelegt, nach dem bei seiner Mutter mit einer erheblichen Suizidgefahr zu rechnen sei. Das Vollstreckungsgericht hat mit Beschluss vom 8. Februar 2008 den Antrag des Schuldners zurückgewiesen und der Beteiligten zu 4 den Zuschlag erteilt.
3
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners ist ohne Erfolg geblieben. Mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Antrag weiter, den Zuschlagsbeschluss aufzuheben. Die Beteiligte zu 2 beantragt , die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, die sofortige Beschwerde des Schuldners sei unzulässig. Der Schuldner sei nicht prozessführungsbefugt. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe dazu geführt, dass die Prozessführungsbefugnis für auf die Insolvenzmasse bezogene Verfahren auf den Insolvenzverwalter übergegangen sei.
5
An dieser Beurteilung ändere sich nichts dadurch, dass der Schuldner den Einstellungsantrag mit einer Gefahr für das Leben seiner hochbetagten Mutter begründe. Der Schuldner könne mangels eigener Prozessführungsbefugnis während des Insolvenzverfahrens keinen Einstellungsantrag stellen. Da- bei komme es weder darauf an, ob der Insolvenzverwalter einen Einstellungsantrag gestellt habe, noch darauf, ob der Antrag auf die Gefahr der Vermögensverschleuderung oder auf eine Gesundheits- oder Lebensgefahr gestützt werde. Nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG gelte nichts anderes, da auch der Insolvenzverwalter eine Lebensgefahr für einen nahen Angehörigen des Schuldners geltend machen könne.

III.

6
Das hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 96 ZVG statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
7
1. Allerdings ist das Beschwerdegericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und der Bestellung eines Insolvenzverwalters grundsätzlich die Befugnis verliert, in Verfahren über massezugehörige Bestandteile seines Vermögens Anträge zu stellen oder Rechtsmittel einzulegen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, ZfIR 2008, 150; Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, ZInsO 2008, 741).
8
Der Schuldner ist daher von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen an grundsätzlich nicht mehr Beteiligter des Zwangsvollstreckungsverfahrens ; seine Stelle wird von dem Insolvenzverwalter eingenommen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, aaO; Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, aaO m.w.N.). Etwas anderes gilt nur, wenn der Insolvenzverwalter den Vollstreckungsgegenstand freigibt (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, aaO), wofür hier weder etwas festgestellt noch ersichtlich ist.
9
2. Streitig ist jedoch, ob ein Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen noch befugt ist, Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu beantragen. Die wohl herrschende Auffassung verneint dies gemäß dem vorstehend genannten Grundsatz, wonach alle das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen betreffenden Befugnisse durch den Verwalter ausgeübt werden (MünchKommZPO/Heßler, 3. Aufl., § 765a Rdn. 77; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 765a Rdn. 19; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 765a Rdn. 19; Stöber, ZVG, 18. Aufl., Einl. Rdn. 53.1; Jaeger/ Windel, InsO, § 80 Rdn. 198; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 80 Rdn. 68; ebenso zur Konkursordnung OLG Braunschweig NJW 1968, 164; LG Köln KTS 1968, 59, 60; AG und LG Hannover Rpfleger 1987, 166; Mohrbutter/Drischler, Die Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungspraxis, 6. Aufl., Anm. 5 zu Muster 30; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl., S. 541; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 765a Rdn. 12; Steiner/Storz, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl., § 30c Rdn. 7; zweifelnd Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl. § 765a Rdn. 7). Nach der Gegenansicht führt der Übergang des Rechts zur Verwaltung und zur Verfügung über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen auf den Verwalter nach § 80 Abs. 1 InsO nicht zum Verlust der Befugnis, Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu beantragen, weil es sich dabei um eine Sondervorschrift zur Vermeidung von Missbräuchen handele und dieser Schutz dem Schuldner auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhalten bleibe (vgl. OLG Celle ZIP 1981, 1005, 1006 - zur Konkursordnung; AK-ZPO/Schmidt-von Rhein, § 765a Rdn. 3; Wieczorek/Schütze/Paulus, ZPO, 3. Aufl., § 765a Rdn. 19; ebenso Keller, ZfIR 2008, 134, 137, für Fälle, in denen die Entscheidung Rechte des Schuldners betrifft, die über das Insolvenzverfahren hinausgehen).
10
3. Der Senat tritt der letztgenannten Meinung für den Fall bei, dass der Schuldner den Vollstreckungsschutzantrag auf eine Gefahr für Leben und körperliche Unversehrtheit stützt.
11
a) Im Grundsatz ist zwar daran festzuhalten, dass der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung eines Verwalters in diesem Verfahren die Befugnis verloren hat, im Zwangsversteigerungsverfahren über massezugehörige Bestandteile des Vermögens Anträge zu stellen und Rechtsmittel einzulegen (Senat, Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, ZInsO 2008, 741). Die damit verbundene Einschränkung der aus dem Eigentum des Schuldners folgende Rechte nach Art. 14 Abs. 1 GG ist deshalb gerechtfertigt, weil das Ziel des Insolvenzverfahrens, die Gläubiger durch die Verwertung des Vermögens gemeinsam zu befriedigen, anders nicht erreicht werden kann (BVerfGE 51, 405, 408 unter Hinweis auf BVerfGE 21, 150, 155; 25, 112, 117; 42, 263, 295, 305; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, aaO). Die Eigentumsrechte des Schuldners werden dadurch gewahrt, dass er den Eröffnungsbeschluss anfechten kann (BVerfGE 51, 405, 408). Werden der Eröffnungsbeschluss und die Ernennung eines Verwalters bestandskräftig, wird der Schuldner von der Verwaltung und Verfügung über sein Vermögen ausgeschlossen, soweit dieses zur Masse gehört, weil von dem Schuldner weder erwartet werden kann, dass er sein Vermögen in der gebotenen Weise verwaltet oder dass er in dieser Weise hierüber verfügt, noch dass er sein Vermögen zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger einsetzt. Entsprechend der Einschränkung der materiellen Rechtsstellung des Schuldners gehen auch seine Befugnisse in gerichtlichen Verfahren über massezugehöriges Vermögen auf den Verwalter über. Das ist hinzunehmen, weil der Mangel der Fähigkeit des Schuldners zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten mit der Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses festgestellt ist und der Schuldner überdies nicht schutzlos ist, da die in § 60 Abs. 1 InsO angeordnete Haftung des Verwalters für ihn wirkt (Senat, Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, aaO m.w.N.).
12
b) Alle diese Erwägungen greifen aber nicht, wenn der Schuldner Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO wegen einer Suizidgefahr für sich oder einen nahen Angehörigen beantragt.
13
aa) Verfassungsrechtlich betroffenes Schutzgut ist in diesem Fall nicht das Eigentum des Schuldners (Art. 14 Abs. 1 GG), sondern das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Der Vollstreckungsschutzantrag betrifft nur mittelbar die Verwaltung und Verfügung über das massezugehörige Vermögen, indem er dessen Zwangsversteigerung (zeitweilig ) einschränkt. Das Recht des Schuldners auf Leben und körperliche Unversehrtheit wird - anders als seine Eigentumsrechte - nicht dadurch gewahrt, dass er den Eröffnungsbeschluss anfechten kann. Auch die Haftung des Insolvenzverwalters auf Schadensersatz nach § 60 Abs. 1 InsO bietet insofern keinen hinreichenden Schutz.
14
bb) Dem Bedeutungsgehalt des Grundrechts nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist bei der Auslegung und Anwendung der Verfahrensvorschriften angemessen Rechnung zu tragen. Die Vollstreckungsgerichte haben in ihrer Verfahrensgestaltung die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Verfassungsverletzungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen tunlichst auszuschließen. Das Verfahren der Vollstreckungsgerichte ist so durchzuführen, dass der sich aus dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ergebenden Schutzpflicht staatlicher Organe Genüge getan wird (BVerfGE 52, 214, 219 ff.; BVerfG NJW 1991, 3207; NJW 1994, 1719 f.; NJW 1998, 295, 296; NJW-RR 2001, 1523; NZM 2005, 657, 658; NJW 2007, 2910; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 507).
15
Nach diesem Maßstab darf ein Vollstreckungsschutzantrag eines Schuldners , der mit einer Suizidgefahr für sich oder einen nahen Angehörigen begründet wird, auch dann, wenn über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, nicht unter Hinweis auf eine fehlende Prozessführungsbefugnis als unzulässig zurückgewiesen werden. Das Vollstreckungsgericht und das Beschwerdegericht dürfen nicht vor der Gefahr einer Selbsttötung die Augen verschließen und - ohne Sachprüfung - eine Entscheidung zum Fortgang des Verfahrens treffen oder bestehen lassen, die möglicherweise Ursache für den Tod des Schuldners oder eines nahen Angehörigen sein kann. Eine derartige Verfahrensgestaltung wird dem Wert des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht gerecht (vgl. Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 507).
16
cc) Auch das Vollstreckungsinteresse der Gläubiger steht der Annahme einer Antragsbefugnis des Schuldners in diesen Fällen nicht entgegen. Unterbleibt die Zwangsversteigerung aufgrund eines Vollstreckungsschutzantrags, wird zwar in das Grundrecht der Gläubiger auf Schutz ihres Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) eingegriffen und ihr verfassungsrechtlicher Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz ihres Eigentums (Art. 19 Abs. 4 GG) beeinträchtigt (vgl. Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 506). Das ist im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des Vollstreckungsschutzantrags des Schuldners zu berücksichtigen (dazu BVerfG NJW 1994, 1719; NJW 1998, 295, 296; NJW 2007, 2910, 2911; BGHZ 163, 66, 72 ff.; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, aaO; Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1668; Beschl. v. 6. Dezember 2007, V ZB 67/07, NJW 2008, 586; Beschl. v. 19. Juni 2008, V ZB 129/07, WM 2008, 1833, 1835). Für die Frage der Zulässigkeit des Antrags ist das jedoch ohne Belang.
17
dd) Schließlich werden die Befugnisse des Insolvenzverwalters, der selbst keinen Vollstreckungsschutz beantragt, durch die Anerkennung der Antragsbefugnis des Schuldners in der vorliegenden Fallgestaltung nicht unzulässig beeinträchtigt. Ob der Schuldner auch dann befugt ist, Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu beantragen, wenn er den Antrag auf andere Gründe als eine Gefahr für Leben und körperliche Unversehrtheit stützt oder wenn bei der Entscheidung über den Antrag des Schuldners auch ein Vollstreckungsschutzantrag des Insolvenzverwalters vorliegt, bedarf keiner Entscheidung. Beides ist hier nicht der Fall. Dasselbe gilt für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Insolvenzverwalter Vollstreckungsschutz erlangen kann.
18
4. Vorliegend hat der Schuldner den Vollstreckungsschutzantrag darauf gestützt, das Leben und die körperliche Unversehrtheit seiner Mutter, also einer nahen Angehörigen (vgl. dazu BGHZ 163, 66, 72), sei gefährdet. Nach den oben aufgestellten Grundsätzen ist er antrags- und, da er die Zuschlagsbeschwerde damit begründet hat, diesem Antrag sei zu Unrecht nicht stattgegeben worden, in den Verfahren über die Beschwerde und die Rechtsbeschwerde auch beschwerdebefugt.
19
Die angefochtene Entscheidung, die die Antrags- und Beschwerdebefugnis des Schuldners rechtsfehlerhaft verneint, ist daher aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif im Sinne von § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO, weil das Beschwerdegericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen hat, auf deren Grundlage dem Senat eine Prüfung der Voraussetzungen von § 765a ZPO möglich wäre. Lägen diese Voraussetzungen vor, hätte die Zuschlagsbeschwerde nach § 100 Abs. 1, 3, § 83 Nr. 6 ZVG Erfolg (vgl. BGH, Beschl. v. 27. Juni 2003, IXa ZB 21/03, NJW-RR 2003, 1648, 1649; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 507; Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1668).
20
5. Da aus dem Zuschlagsbeschluss bereits vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann (Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 93 Rdn. 2; Stöber, ZVG, § 93 Rdn. 2.1) und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Aussetzung der Vollstreckung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts gem. §§ 575 Abs. 5, 570 Abs. 3 ZPO durch das Rechtsbeschwerdegericht auszusprechen (vgl. Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1669; BVerfG NJW 1994, 1719, 1720; NJW 2004, 49, 50; NZM 2005, 657, 659).
21
6. Bei der erneuten Entscheidung wird zu beachten sein, dass sich die Beteiligten in dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde in der Regel nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen, was einer Anwendung der §§ 91 ff. ZPO grundsätzlich entgegensteht (st. Rspr., vgl. Senat , BGHZ 170, 378, 381).
22
7. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht dem Wert einer Zuschlagsbeschwerde des Schuldners, die auf der Zurückweisung eines Vollstreckungsschutzantrags nach § 765a ZPO beruht. Diesen Wert bemisst der Senat mit einem Bruchteil von 1/10 des nach dem Versteigerungsergebnis anzunehmenden Zuschlagswertes (vgl. Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1669; Beschl. v. 18. September 2008, V ZB 22/08, Rz. 15 - in juris veröffentlicht).
Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
AG Stuttgart, Entscheidung vom 08.02.2008 - 3 K 383/04 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 16.04.2008 - 19 T 97/08 -

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 57/08
vom
18. Dezember 2008
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Schuldner ist auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen
befugt, in einem Verfahren über die Zwangsversteigerung eines zur Masse
gehörenden Grundstücks Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO wegen einer Suizidgefahr
für sich oder einen nahen Angehörigen zu beantragen.
BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - V ZB 57/08 - LG Stuttgart
AG Stuttgart
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 18. Dezember 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 16. April 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 8. Februar 2008 (Az. 3 K 383/04) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde des Schuldners gegen den Zuschlagsbeschluss eingestellt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 71.500 €.

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat im November 2004 die Zwangsversteigerung des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten, mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks angeordnet. Das Grundstück stand bis zur Zuschlagserteilung im Eigentum des Schuldners. Über dessen Vermögen hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - im Januar 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und den Beteiligten zu 3 zum Insolvenzverwalter bestellt.
2
In dem Versteigerungstermin am 18. Januar 2008 hat der Schuldner beantragt , die Zwangsvollstreckung nach § 765a ZPO vorläufig einzustellen. Er hat den Antrag mit dem schlechten Gesundheitszustand seiner in dem zu versteigernden Haus wohnenden, 1911 geborenen Mutter begründet und dazu ein fachärztliches Attest vorgelegt, nach dem bei seiner Mutter mit einer erheblichen Suizidgefahr zu rechnen sei. Das Vollstreckungsgericht hat mit Beschluss vom 8. Februar 2008 den Antrag des Schuldners zurückgewiesen und der Beteiligten zu 4 den Zuschlag erteilt.
3
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners ist ohne Erfolg geblieben. Mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Antrag weiter, den Zuschlagsbeschluss aufzuheben. Die Beteiligte zu 2 beantragt , die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, die sofortige Beschwerde des Schuldners sei unzulässig. Der Schuldner sei nicht prozessführungsbefugt. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe dazu geführt, dass die Prozessführungsbefugnis für auf die Insolvenzmasse bezogene Verfahren auf den Insolvenzverwalter übergegangen sei.
5
An dieser Beurteilung ändere sich nichts dadurch, dass der Schuldner den Einstellungsantrag mit einer Gefahr für das Leben seiner hochbetagten Mutter begründe. Der Schuldner könne mangels eigener Prozessführungsbefugnis während des Insolvenzverfahrens keinen Einstellungsantrag stellen. Da- bei komme es weder darauf an, ob der Insolvenzverwalter einen Einstellungsantrag gestellt habe, noch darauf, ob der Antrag auf die Gefahr der Vermögensverschleuderung oder auf eine Gesundheits- oder Lebensgefahr gestützt werde. Nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG gelte nichts anderes, da auch der Insolvenzverwalter eine Lebensgefahr für einen nahen Angehörigen des Schuldners geltend machen könne.

III.

6
Das hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 96 ZVG statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
7
1. Allerdings ist das Beschwerdegericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und der Bestellung eines Insolvenzverwalters grundsätzlich die Befugnis verliert, in Verfahren über massezugehörige Bestandteile seines Vermögens Anträge zu stellen oder Rechtsmittel einzulegen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, ZfIR 2008, 150; Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, ZInsO 2008, 741).
8
Der Schuldner ist daher von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen an grundsätzlich nicht mehr Beteiligter des Zwangsvollstreckungsverfahrens ; seine Stelle wird von dem Insolvenzverwalter eingenommen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, aaO; Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, aaO m.w.N.). Etwas anderes gilt nur, wenn der Insolvenzverwalter den Vollstreckungsgegenstand freigibt (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, aaO), wofür hier weder etwas festgestellt noch ersichtlich ist.
9
2. Streitig ist jedoch, ob ein Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen noch befugt ist, Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu beantragen. Die wohl herrschende Auffassung verneint dies gemäß dem vorstehend genannten Grundsatz, wonach alle das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen betreffenden Befugnisse durch den Verwalter ausgeübt werden (MünchKommZPO/Heßler, 3. Aufl., § 765a Rdn. 77; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 765a Rdn. 19; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 765a Rdn. 19; Stöber, ZVG, 18. Aufl., Einl. Rdn. 53.1; Jaeger/ Windel, InsO, § 80 Rdn. 198; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 80 Rdn. 68; ebenso zur Konkursordnung OLG Braunschweig NJW 1968, 164; LG Köln KTS 1968, 59, 60; AG und LG Hannover Rpfleger 1987, 166; Mohrbutter/Drischler, Die Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungspraxis, 6. Aufl., Anm. 5 zu Muster 30; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl., S. 541; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 765a Rdn. 12; Steiner/Storz, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl., § 30c Rdn. 7; zweifelnd Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl. § 765a Rdn. 7). Nach der Gegenansicht führt der Übergang des Rechts zur Verwaltung und zur Verfügung über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen auf den Verwalter nach § 80 Abs. 1 InsO nicht zum Verlust der Befugnis, Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu beantragen, weil es sich dabei um eine Sondervorschrift zur Vermeidung von Missbräuchen handele und dieser Schutz dem Schuldner auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhalten bleibe (vgl. OLG Celle ZIP 1981, 1005, 1006 - zur Konkursordnung; AK-ZPO/Schmidt-von Rhein, § 765a Rdn. 3; Wieczorek/Schütze/Paulus, ZPO, 3. Aufl., § 765a Rdn. 19; ebenso Keller, ZfIR 2008, 134, 137, für Fälle, in denen die Entscheidung Rechte des Schuldners betrifft, die über das Insolvenzverfahren hinausgehen).
10
3. Der Senat tritt der letztgenannten Meinung für den Fall bei, dass der Schuldner den Vollstreckungsschutzantrag auf eine Gefahr für Leben und körperliche Unversehrtheit stützt.
11
a) Im Grundsatz ist zwar daran festzuhalten, dass der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung eines Verwalters in diesem Verfahren die Befugnis verloren hat, im Zwangsversteigerungsverfahren über massezugehörige Bestandteile des Vermögens Anträge zu stellen und Rechtsmittel einzulegen (Senat, Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, ZInsO 2008, 741). Die damit verbundene Einschränkung der aus dem Eigentum des Schuldners folgende Rechte nach Art. 14 Abs. 1 GG ist deshalb gerechtfertigt, weil das Ziel des Insolvenzverfahrens, die Gläubiger durch die Verwertung des Vermögens gemeinsam zu befriedigen, anders nicht erreicht werden kann (BVerfGE 51, 405, 408 unter Hinweis auf BVerfGE 21, 150, 155; 25, 112, 117; 42, 263, 295, 305; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, aaO). Die Eigentumsrechte des Schuldners werden dadurch gewahrt, dass er den Eröffnungsbeschluss anfechten kann (BVerfGE 51, 405, 408). Werden der Eröffnungsbeschluss und die Ernennung eines Verwalters bestandskräftig, wird der Schuldner von der Verwaltung und Verfügung über sein Vermögen ausgeschlossen, soweit dieses zur Masse gehört, weil von dem Schuldner weder erwartet werden kann, dass er sein Vermögen in der gebotenen Weise verwaltet oder dass er in dieser Weise hierüber verfügt, noch dass er sein Vermögen zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger einsetzt. Entsprechend der Einschränkung der materiellen Rechtsstellung des Schuldners gehen auch seine Befugnisse in gerichtlichen Verfahren über massezugehöriges Vermögen auf den Verwalter über. Das ist hinzunehmen, weil der Mangel der Fähigkeit des Schuldners zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten mit der Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses festgestellt ist und der Schuldner überdies nicht schutzlos ist, da die in § 60 Abs. 1 InsO angeordnete Haftung des Verwalters für ihn wirkt (Senat, Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, aaO m.w.N.).
12
b) Alle diese Erwägungen greifen aber nicht, wenn der Schuldner Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO wegen einer Suizidgefahr für sich oder einen nahen Angehörigen beantragt.
13
aa) Verfassungsrechtlich betroffenes Schutzgut ist in diesem Fall nicht das Eigentum des Schuldners (Art. 14 Abs. 1 GG), sondern das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Der Vollstreckungsschutzantrag betrifft nur mittelbar die Verwaltung und Verfügung über das massezugehörige Vermögen, indem er dessen Zwangsversteigerung (zeitweilig ) einschränkt. Das Recht des Schuldners auf Leben und körperliche Unversehrtheit wird - anders als seine Eigentumsrechte - nicht dadurch gewahrt, dass er den Eröffnungsbeschluss anfechten kann. Auch die Haftung des Insolvenzverwalters auf Schadensersatz nach § 60 Abs. 1 InsO bietet insofern keinen hinreichenden Schutz.
14
bb) Dem Bedeutungsgehalt des Grundrechts nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist bei der Auslegung und Anwendung der Verfahrensvorschriften angemessen Rechnung zu tragen. Die Vollstreckungsgerichte haben in ihrer Verfahrensgestaltung die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Verfassungsverletzungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen tunlichst auszuschließen. Das Verfahren der Vollstreckungsgerichte ist so durchzuführen, dass der sich aus dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ergebenden Schutzpflicht staatlicher Organe Genüge getan wird (BVerfGE 52, 214, 219 ff.; BVerfG NJW 1991, 3207; NJW 1994, 1719 f.; NJW 1998, 295, 296; NJW-RR 2001, 1523; NZM 2005, 657, 658; NJW 2007, 2910; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 507).
15
Nach diesem Maßstab darf ein Vollstreckungsschutzantrag eines Schuldners , der mit einer Suizidgefahr für sich oder einen nahen Angehörigen begründet wird, auch dann, wenn über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, nicht unter Hinweis auf eine fehlende Prozessführungsbefugnis als unzulässig zurückgewiesen werden. Das Vollstreckungsgericht und das Beschwerdegericht dürfen nicht vor der Gefahr einer Selbsttötung die Augen verschließen und - ohne Sachprüfung - eine Entscheidung zum Fortgang des Verfahrens treffen oder bestehen lassen, die möglicherweise Ursache für den Tod des Schuldners oder eines nahen Angehörigen sein kann. Eine derartige Verfahrensgestaltung wird dem Wert des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht gerecht (vgl. Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 507).
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cc) Auch das Vollstreckungsinteresse der Gläubiger steht der Annahme einer Antragsbefugnis des Schuldners in diesen Fällen nicht entgegen. Unterbleibt die Zwangsversteigerung aufgrund eines Vollstreckungsschutzantrags, wird zwar in das Grundrecht der Gläubiger auf Schutz ihres Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) eingegriffen und ihr verfassungsrechtlicher Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz ihres Eigentums (Art. 19 Abs. 4 GG) beeinträchtigt (vgl. Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 506). Das ist im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des Vollstreckungsschutzantrags des Schuldners zu berücksichtigen (dazu BVerfG NJW 1994, 1719; NJW 1998, 295, 296; NJW 2007, 2910, 2911; BGHZ 163, 66, 72 ff.; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, aaO; Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1668; Beschl. v. 6. Dezember 2007, V ZB 67/07, NJW 2008, 586; Beschl. v. 19. Juni 2008, V ZB 129/07, WM 2008, 1833, 1835). Für die Frage der Zulässigkeit des Antrags ist das jedoch ohne Belang.
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dd) Schließlich werden die Befugnisse des Insolvenzverwalters, der selbst keinen Vollstreckungsschutz beantragt, durch die Anerkennung der Antragsbefugnis des Schuldners in der vorliegenden Fallgestaltung nicht unzulässig beeinträchtigt. Ob der Schuldner auch dann befugt ist, Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu beantragen, wenn er den Antrag auf andere Gründe als eine Gefahr für Leben und körperliche Unversehrtheit stützt oder wenn bei der Entscheidung über den Antrag des Schuldners auch ein Vollstreckungsschutzantrag des Insolvenzverwalters vorliegt, bedarf keiner Entscheidung. Beides ist hier nicht der Fall. Dasselbe gilt für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Insolvenzverwalter Vollstreckungsschutz erlangen kann.
18
4. Vorliegend hat der Schuldner den Vollstreckungsschutzantrag darauf gestützt, das Leben und die körperliche Unversehrtheit seiner Mutter, also einer nahen Angehörigen (vgl. dazu BGHZ 163, 66, 72), sei gefährdet. Nach den oben aufgestellten Grundsätzen ist er antrags- und, da er die Zuschlagsbeschwerde damit begründet hat, diesem Antrag sei zu Unrecht nicht stattgegeben worden, in den Verfahren über die Beschwerde und die Rechtsbeschwerde auch beschwerdebefugt.
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Die angefochtene Entscheidung, die die Antrags- und Beschwerdebefugnis des Schuldners rechtsfehlerhaft verneint, ist daher aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif im Sinne von § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO, weil das Beschwerdegericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen hat, auf deren Grundlage dem Senat eine Prüfung der Voraussetzungen von § 765a ZPO möglich wäre. Lägen diese Voraussetzungen vor, hätte die Zuschlagsbeschwerde nach § 100 Abs. 1, 3, § 83 Nr. 6 ZVG Erfolg (vgl. BGH, Beschl. v. 27. Juni 2003, IXa ZB 21/03, NJW-RR 2003, 1648, 1649; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 507; Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1668).
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5. Da aus dem Zuschlagsbeschluss bereits vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann (Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 93 Rdn. 2; Stöber, ZVG, § 93 Rdn. 2.1) und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Aussetzung der Vollstreckung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts gem. §§ 575 Abs. 5, 570 Abs. 3 ZPO durch das Rechtsbeschwerdegericht auszusprechen (vgl. Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1669; BVerfG NJW 1994, 1719, 1720; NJW 2004, 49, 50; NZM 2005, 657, 659).
21
6. Bei der erneuten Entscheidung wird zu beachten sein, dass sich die Beteiligten in dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde in der Regel nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen, was einer Anwendung der §§ 91 ff. ZPO grundsätzlich entgegensteht (st. Rspr., vgl. Senat , BGHZ 170, 378, 381).
22
7. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht dem Wert einer Zuschlagsbeschwerde des Schuldners, die auf der Zurückweisung eines Vollstreckungsschutzantrags nach § 765a ZPO beruht. Diesen Wert bemisst der Senat mit einem Bruchteil von 1/10 des nach dem Versteigerungsergebnis anzunehmenden Zuschlagswertes (vgl. Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1669; Beschl. v. 18. September 2008, V ZB 22/08, Rz. 15 - in juris veröffentlicht).
Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
AG Stuttgart, Entscheidung vom 08.02.2008 - 3 K 383/04 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 16.04.2008 - 19 T 97/08 -