vorgehend
Amtsgericht Hamburg, 71b K 9/04, 20.04.2007
Landgericht Hamburg, 328 T 39/07, 04.12.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 3/08
vom
29. Mai 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die sofortige Beschwerde eines Schuldners, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren
eröffnet worden ist, gegen die Festsetzung des Verkehrswerts eines massezugehörigen
Grundstücks durch das Vollstreckungsgericht ist unzulässig.
BGH, Beschl. v. 29. Mai 2008 - V ZB 3/08 - LG Hamburg
AG Hamburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 29. Mai 2008 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 28 des Landgerichts Hamburg vom 4. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.022.000 €.

Gründe:


I.


1
Über das Vermögen des Schuldners wurde am 15. März 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beteiligte zu 2 wurde zum Verwalter in diesem Verfahren bestellt. Zur Insolvenzmasse gehört eine Mehrzahl von Wohnungs- und Teileigentumseinheiten, deren Versteigerung die Beteiligten zu 3 bis 5 betreiben. Mit Beschluss vom 20. April 2007 hat das Amtsgericht sachverständig beraten den Verkehrswert des Wohnungs- und Teileigentums auf insgesamt 3.278.000 € festgesetzt.
2
Der Schuldner hält diesen Wert für zu niedrig. Mit der sofortigen Beschwerde hat er die Festsetzung des Verkehrswerts auf mindestens 4.300.000 € beantragt. Das Landgericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Schuldner weiterhin die Erhöhung der Festsetzung des Verkehrswerts des Wohnungsund Teileigentums.

II.


3
Das Beschwerdegericht sieht die sofortige Beschwerde als unzulässig an. Es meint, der Schuldner habe mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen die Befugnis verloren, Entscheidungen im Zwangsversteigerungsverfahren anzugreifen, soweit § 30d ZVG die Beschwerde nicht trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewähre.

III.


4
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist unzulässig.
5
Soweit das Zwangsversteigerungsgesetz nichts anderes bestimmt, hat der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und der Bestellung eines Verwalters in diesem Verfahren die Befugnis verloren, in Verfahren über massezugehörige Bestandteile seines Vermögens Anträge zu stellen oder Rechtsmittel einzulegen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, ZfIR 2008, 150, 151; LG Lübeck Rpfleger 2004, 235, 236). Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
6
1. Ziel des Insolvenzverfahrens ist es, die Gläubiger durch die Verwertung des Vermögens des Schuldners gemeinsam zu befriedigen, soweit eine Befriedigung aus den Erträgen eines von dem Schuldner betriebenen Unter- nehmens nicht erwartet werden kann, § 1 Satz 1 InsO. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung eines Verwalters in diesem Verfahren geht die Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen des Schuldners auf den Insolvenzverwalter über, § 80 Abs. 1 InsO.
7
Soweit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Rechte des Schuldners aus Art. 14 Abs. 1 GG beschränkt, ist dies notwendig und verfassungsgemäß , weil das Ziel des Insolvenzverfahrens anders nicht erreicht werden kann (BVerfGE 51, 405, 408 unter Hinweis auf BVerfGE 21, 150, 155; 25, 112, 117; 42, 263, 295, 305). Die Rechte des Schuldners werden dadurch gewahrt, dass der Schuldner gemäß § 34 Abs. 1 InsO den Eröffnungsbeschluss anfechten kann (BVerfGE 51, 405, 408). Werden der Eröffnungsbeschluss und die Ernennung eines Verwalters rechtskräftig, wird der Schuldner von der Verwaltung und Verfügung über sein Vermögen ausgeschlossen, soweit dieses zur Masse gehört , weil von dem Schuldner weder erwartet werden kann, dass er sein Vermögen in der gebotenen Weise verwaltet und in dieser Weise hierüber verfügt, noch dass er sein Vermögen zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger einsetzt.
8
Die Übertragung der Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen des Schuldners auf den Verwalter gilt nicht nur im Bereich des materiellen Rechts, sondern führt dazu, dass ein gerichtliches Verfahren über massezugehöriges Vermögen des Schuldners nur von oder gegen den Verwalter begonnen oder fortgesetzt werden kann. Die Rechtsstellung eines Verfahrensbeteiligten kann grundsätzlich nicht von der Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen getrennt werden, dessentwegen das Verfahren geführt wird, weil das Verhalten in einem gerichtlichen Verfahren auf das der Ver- waltung unterliegende Vermögen im Ergebnis nicht anders wirkt als sonstiges tatsächliches oder rechtsgeschäftliches Verhalten.
9
Die gesetzliche Regelung nimmt in Kauf, dass die von dem Verwalter wahrgenommenen Interessen der Gläubiger und die Interessen des Schuldners zueinander in Widerspruch stehen oder geraten können. Die Insolvenzordnung gewährt insoweit dem Verwalter bzw. den Gläubigern den Vorrang. Dies ist sachdienlich, weil der Mangel der Fähigkeit des Schuldners zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten mit der Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses festgestellt ist. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Bestimmung des Verwalters machen den Schuldner auch nicht schutzlos. Für ihn wirkt vielmehr die in § 60 Abs. 1 InsO angeordnete Haftung des Verwalters (BGH, Urt. v. 22. Januar 1985, VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423, 425; OLG Köln, ZIP 1980, 94, 95; Heidelberger Kommentar zur InsO/Eickmann, 4. Aufl., § 60 Rdn. 6; Jaeger/Gerhardt, InsO § 60 Rdn. 81 f; MüchnKomm-InsO/Brandes, §§ 60, 61 Rdn. 65).
10
2. So liegt es auch im Zwangsversteigerungsverfahren. Von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners und der Bestellung eines Insolvenzverfahrens an ist der Schuldner nicht mehr Beteiligter des Zwangsversteigerungsverfahrens; seine Stelle wird von dem Verwalter im Insolvenzverfahren eingenommen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, ZfIR 2008, 150, 151; LG Lübeck Rpfleger 2004, 235, 236; Dassler/Schiffhauer/ Rellermeier, ZVG, 13. Aufl., § 9 Rdn. 6; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 9 Anm. 3.15).
11
a) Hält der Schuldner die Festsetzung des Verkehrswertes für ein Gebäude in einem Zwangsversteigerungsverfahren für unrichtig, kann er den Insolvenzverwalter hierauf hinweisen und diesen so veranlassen, die Festsetzung zu prüfen und gegebenenfalls anzufechten. Sieht der Verwalter hiervon ab, ist dies durch seine Befugnisse gedeckt. Dem Schuldner ein Recht zur Anfechtung einzuräumen, würde einen Eingriff in die Befugnisse des Verwalters bedeuten und hätte zur Folge, dass der Schuldner das Versteigerungs- und damit das Insolvenzverfahren in nicht gebotener Weise erschweren und verzögern könnte.
12
b) 114a ZVG führt entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde zu keiner anderen Beurteilung. Der Insolvenzverwalter ist anstelle des Schuldners Beteiligter des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Erhält ein betreibender Gläubiger den Zuschlag auf ein Gebot, das 7/10 des Verkehrswertes des Grundstücks nicht erreicht, gilt der Gläubiger trotzdem in dieser Höhe als befriedigt. Haftet der Schuldner dem Gläubiger - wie regelmäßig - auch persönlich, tritt diese Wirkung auch gegenüber der Masse ein; der Gläubiger nimmt allein wegen des Ausfalls an der Verteilung teil, §§ 52 Satz 2, 190 InsO. Ist der Verkehrswert zu gering festgesetzt und erhält der absonderungsberechtigte Gläubiger auf ein Gebot von weniger als 7/10 des festgesetzten Wertes den Zuschlag , erreicht die Befriedigungsfiktion von § 114a ZVG zu Lasten der Masse einen zu geringen Betrag (vgl. Keller, ZfIR 2008, 134, 137 f.). Der Schuldner ist hierdurch nicht anders betroffen als er durch jede Handlung des Verwalters betroffen ist, die für die Masse und damit letztlich auch für ihn wirtschaftlich nachteilig ist.
13
Das führt nicht dazu, dass dem Schuldner entgegen dem Ziel des Insolvenzverfahrens die Beschwerde gegen die Festsetzung des Verkehrswertes zu eröffnen und ihm so Gelegenheit zu geben wäre, gegen den Willen des Verwalters auf das Zwangsversteigerungsverfahren Einfluss zu nehmen. Die Situation des Schuldners unterscheidet sich im Ergebnis durch nichts von seiner Situation bei der wirtschaftlich ungünstigen Verwertung eines Massegegenstandes, verfehlter Prozessführung oder bei dem Abschluss eines nachteiligen Ver- gleichs durch den Verwalter. Dass die nachteilige Wirkung des Verhaltens des Verwalters ihren Ausgang in einem gerichtlichen Verfahren nimmt, führt nicht dazu, dass das Verhalten des Verwalters nicht zum Nachteil des Schuldners wirkte oder dem Schuldner ein Recht zur Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung zu eröffnen wäre.
14
c) Das ist entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn der Gläubiger durch das Recht, dessentwegen er die Zwangsversteigerung betreibt, voll gesichert und damit im Ergebnis von dem Insolvenzverfahren nicht betroffen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 29. November 2007, IX ZB 12/07, ZIP 2008, 281). Der Zuschlag bewirkt die Verwertung des massezugehörigen Grundstücks. Werden die betreibenden Gläubiger aus dem Erlös vollständig befriedigt, scheiden sie aus dem Insolvenzverfahren aus. Der Mehrerlös ist Bestandteil der Masse, für die allein der Verwalter handelt.
15
Die Rechtsbeschwerde verweist insoweit auch nicht auf Vortrag des Schuldners, nach welchem die Beteiligten zu 3 bis 5 durch das von ihnen in Anspruch genommene Recht vollständig gesichert wären. Entsprechend liegt es mit dem Hinweis der Rechtsbeschwerde auf § 213 InsO.

III.


16
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten fallen weder für die sofortige Beschwerde noch für die Rechtsbeschwerde an (vgl. Nr. 2240 bis 2243 KV-GKG). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens der Beteiligten zu 2 bis 5 kommt nicht in Betracht , da sich die Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens im Wert- festsetzungs-Beschwerdeverfahren nicht als Parteien gegenüberstehen (Senat, Beschl. v. 18. Mai 2006, V ZB 142/05, WM 2006, 1727, 1730).
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 20.04.2007 - 71b K 9/04 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 04.12.2007 - 328 T 39/07 -

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(1) Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. (2) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Schuldne

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Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Un

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(1) Der Insolvenzverwalter ist allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzust

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Gläubiger, die abgesonderte Befriedigung beanspruchen können, sind Insolvenzgläubiger, soweit ihnen der Schuldner auch persönlich haftet. Sie sind zur anteilsmäßigen Befriedigung aus der Insolvenzmasse jedoch nur berechtigt, soweit sie auf eine abges

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Ist der Zuschlag einem zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigten zu einem Gebot erteilt, das einschließlich des Kapitalwertes der nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleibenden Rechte hinter sieben Zehnteilen des Grundstückswertes zurüc

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(1) Ist über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet, so ist auf Antrag des Insolvenzverwalters die Zwangsversteigerung einstweilen einzustellen, wenn 1. im Insolvenzverfahren der Berichtstermin nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 der Insolven

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(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

(1) Bleibt das abgegebene Meistgebot einschließlich des Kapitalwertes der nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleibenden Rechte unter sieben Zehnteilen des Grundstückswertes, so kann ein Berechtigter, dessen Anspruch ganz oder teilweise durch das Meistgebot nicht gedeckt ist, aber bei einem Gebot in der genannten Höhe voraussichtlich gedeckt sein würde, die Versagung des Zuschlags beantragen. Der Antrag ist abzulehnen, wenn der betreibende Gläubiger widerspricht und glaubhaft macht, daß ihm durch die Versagung des Zuschlags ein unverhältnismäßiger Nachteil erwachsen würde.

(2) Der Antrag auf Versagung des Zuschlags kann nur bis zum Schluß der Verhandlung über den Zuschlag gestellt werden; das gleiche gilt von der Erklärung des Widerspruchs.

(3) Wird der Zuschlag gemäß Absatz 1 versagt, so ist von Amts wegen ein neuer Versteigerungstermin zu bestimmen. Der Zeitraum zwischen den beiden Terminen soll, sofern nicht nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles etwas anderes geboten ist, mindestens drei Monate betragen, darf aber sechs Monate nicht übersteigen.

(4) In dem neuen Versteigerungstermin darf der Zuschlag weder aus den Gründen des Absatzes 1 noch aus denen des § 85a Abs. 1 versagt werden.

(5) Der Grundstückswert (Verkehrswert) wird vom Vollstreckungsgericht, nötigenfalls nach Anhörung von Sachverständigen, festgesetzt. Der Wert der beweglichen Gegenstände, auf die sich die Versteigerung erstreckt, ist unter Würdigung aller Verhältnisse frei zu schätzen. Der Beschluß über die Festsetzung des Grundstückswertes ist mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Der Zuschlag oder die Versagung des Zuschlags können mit der Begründung, daß der Grundstückswert unrichtig festgesetzt sei, nicht angefochten werden.

(1) Ist über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet, so ist auf Antrag des Insolvenzverwalters die Zwangsversteigerung einstweilen einzustellen, wenn

1.
im Insolvenzverfahren der Berichtstermin nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung noch bevorsteht,
2.
das Grundstück nach dem Ergebnis des Berichtstermins nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung im Insolvenzverfahren für eine Fortführung des Unternehmens oder für die Vorbereitung der Veräußerung eines Betriebs oder einer anderen Gesamtheit von Gegenständen benötigt wird,
3.
durch die Versteigerung die Durchführung eines vorgelegten Insolvenzplans gefährdet würde oder
4.
in sonstiger Weise durch die Versteigerung die angemessene Verwertung der Insolvenzmasse wesentlich erschwert würde.
Der Antrag ist abzulehnen, wenn die einstweilige Einstellung dem Gläubiger unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zuzumuten ist.

(2) Hat der Schuldner einen Insolvenzplan vorgelegt und ist dieser nicht nach § 231 der Insolvenzordnung zurückgewiesen worden, so ist die Zwangsversteigerung auf Antrag des Schuldners unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 einstweilen einzustellen.

(3) § 30b Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Schuldners der Insolvenzverwalter tritt, wenn dieser den Antrag gestellt hat, und daß die Zwangsversteigerung eingestellt wird, wenn die Voraussetzungen für die Einstellung glaubhaft gemacht sind.

(4) Ist vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein vorläufiger Verwalter bestellt, so ist auf dessen Antrag die Zwangsversteigerung einstweilen einzustellen, wenn glaubhaft gemacht wird, daß die einstweilige Einstellung zur Verhütung nachteiliger Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners erforderlich ist. Ist ein vorläufiger Sachwalter bestellt, so steht dieses Antragsrecht dem Schuldner zu.*%

Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(2) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(3) Sobald eine Entscheidung, die den Eröffnungsbeschluß aufhebt, Rechtskraft erlangt hat, ist die Aufhebung des Verfahrens öffentlich bekanntzumachen. § 200 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Die Wirkungen der Rechtshandlungen, die vom Insolvenzverwalter oder ihm gegenüber vorgenommen worden sind, werden durch die Aufhebung nicht berührt.

(1) Der Insolvenzverwalter ist allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen.

(2) Soweit er zur Erfüllung der ihm als Verwalter obliegenden Pflichten Angestellte des Schuldners im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit einsetzen muß und diese Angestellten nicht offensichtlich ungeeignet sind, hat der Verwalter ein Verschulden dieser Personen nicht gemäß § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu vertreten, sondern ist nur für deren Überwachung und für Entscheidungen von besonderer Bedeutung verantwortlich.

Gläubiger, die abgesonderte Befriedigung beanspruchen können, sind Insolvenzgläubiger, soweit ihnen der Schuldner auch persönlich haftet. Sie sind zur anteilsmäßigen Befriedigung aus der Insolvenzmasse jedoch nur berechtigt, soweit sie auf eine abgesonderte Befriedigung verzichten oder bei ihr ausgefallen sind.

Ist der Zuschlag einem zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigten zu einem Gebot erteilt, das einschließlich des Kapitalwertes der nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleibenden Rechte hinter sieben Zehnteilen des Grundstückswertes zurückbleibt, so gilt der Ersteher auch insoweit als aus dem Grundstück befriedigt, als sein Anspruch durch das abgegebene Meistgebot nicht gedeckt ist, aber bei einem Gebot zum Betrage der Sieben-Zehnteile-Grenze gedeckt sein würde. Hierbei sind dem Anspruch des Erstehers vorgehende oder gleichstehende Rechte, die erlöschen, nicht zu berücksichtigen.

(1) Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn er nach Ablauf der Anmeldefrist die Zustimmung aller Insolvenzgläubiger beibringt, die Forderungen angemeldet haben. Bei Gläubigern, deren Forderungen vom Schuldner oder vom Insolvenzverwalter bestritten werden, und bei absonderungsberechtigten Gläubigern entscheidet das Insolvenzgericht nach freiem Ermessen, inwieweit es einer Zustimmung dieser Gläubiger oder einer Sicherheitsleistung gegenüber ihnen bedarf.

(2) Das Verfahren kann auf Antrag des Schuldners vor dem Ablauf der Anmeldefrist eingestellt werden, wenn außer den Gläubigern, deren Zustimmung der Schuldner beibringt, andere Gläubiger nicht bekannt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 142/05
vom
18. Mai 2006
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Besteht bei einem Grundstück ein ernstzunehmender Altlastenverdacht, muss das
Vollstreckungsgericht bei der Verkehrswertermittlung den Verdachtsmomenten
nachgehen und alle zumutbaren Erkenntnisquellen über die Bodenbeschaffenheit
nutzen. Kosten für ein Bodengutachten sind jedenfalls dann aufzuwenden, wenn
sie in einem angemessenen Verhältnis zu den Auswirkungen stehen, die das Gutachten
auch angesichts der Aussagekraft vorhandener
Unterlagen auf den festzusetzenden Verkehrswert haben kann.
BGH, Beschl. v. 18. Mai 2006 - V ZB 142/05 - LG Lüneburg
AG Winsen/Luhe
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 18. Mai 2006 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch,
die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 8. August 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.

1
Die Beteiligte zu 4 betreibt die Zwangsvollstreckung in mehrere ehemals als Gewerbefläche genutzte Grundstücke. Auf dem etwa 73.000 qm großen Gelände sollen sich eine Geflügelmastanstalt, Kraftfahrzeugreparaturwerkstätten sowie eine durch Brand zerstörte Kunststofffabrik befunden haben. Im Hinblick auf diese Nutzungen ist das Gelände im Altstandortkataster des zuständigen Landkreises verzeichnet. Ob die Grundstücke tatsächlich kontaminiert sind, ist unbekannt, da Bodenuntersuchungen bislang nicht stattgefunden haben.
2
Die erste Verkehrswertfestsetzung des Amtsgerichts wurde in der Beschwerdeinstanz unter anderem deshalb aufgehoben, weil das zugrunde liegende Sachverständigengutachten nicht erkennen ließ, wie sich die Möglichkeit einer Bodenverunreinigung auf den Wert der Grundstücke auswirkt. Das Beschwerdegericht hielt es allerdings nicht für erforderlich, ein Bodenprobengutachten einzuholen , sondern für ausreichend, die mögliche Kontaminierung bei der Wertberechnung zu berücksichtigen. Der Sachverständige minderte darauf hin den von ihm ermittelten Bodenwert aufgrund eines „vagen Altlastenverdachts“ um fünf Prozent.
3
Auf dieser Grundlage hat das Amtsgericht den Verkehrswert für das ehemalige Gewerbegelände auf insgesamt 1.735.436,40 € festgesetzt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1 und zu 2 ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will der Beteiligte zu 2 erreichen, dass der Verkehrswert der Grundstücke unter Berücksichtigung eines einzuholenden Altlastengutachtens neu festgesetzt wird.

II.

4
Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
5
1. Das Beschwerdegericht meint, die bloße Möglichkeit einer Bodenverunreinigung reiche nicht aus, um im Rahmen der Verkehrswertfestsetzung Bodenproben zu veranlassen. Konkrete Anhaltpunkte, dass die zu versteigernden Grundstücke tatsächlich kontaminiert seien, lägen nicht vor. Im Altstandortkataster würden sie nur als Flächen geführt, auf denen möglicherweise mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden sei. Auch in der von dem Beteiligten zu 2 eingereichten Stellungnahme der H. GmbH werde die Wahrscheinlichkeit einer Verunreinigung nicht bewertet, sondern lediglich der Verdacht geäußert, dass das Gelände mit LCKW sowie mit Öl- und Kraftstoffrückständen belastet sei. Bei dieser Sachlage trage die von dem Sachverständi- gen vorgenommene Minderung des Bodenwerts um fünf Prozent der möglichen Bodenverunreinigung ausreichend Rechnung.
6
2. Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
a) Zutreffend geht das Beschwerdegericht allerdings davon aus, dass die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2 zulässig ist (§ 74a Abs. 5 Satz 3 ZVG); denn der Schuldner kann die Verkehrswertfestsetzung unabhängig davon anfechten, ob er eine Herauf- oder eine Herabsetzung des Grundstückswerts erstrebt (vgl. BGH, Beschl. v. 27. Februar 2004, IXa ZB 185/03, WM 2004, 1040).
8
b) Nicht gefolgt werden kann aber der Auffassung des Beschwerdegerichts , die mögliche Kontaminierung der zu versteigernden Grundstücke sei bei der Festsetzung ihres Verkehrswerts in ausreichender Weise berücksichtigt worden.
9
aa) (1) Die Wertermittlung und -festsetzung gemäß § 74a Abs. 5 Satz 1 ZVG soll einer Verschleuderung des beschlagnahmten Grundstücks entgegenwirken (vgl. §§ 74a, 85a Abs. 1 ZVG) und den Bietinteressenten eine Orientierungshilfe für ihre Entscheidung geben (vgl. BGH, Urt. v. 6. Februar 2003, III ZR 44/02, WM 2003, 2053; Urt. v. 9. März 2006, III ZR 143/05, WM 2006, 867, 868); sie muss daher auf eine sachgerechte Bewertung des Grundstücks ausgerichtet sein (vgl. BGH, Beschl. v. 27. Februar 2004, IXa ZB 185/03, WM 2004, 1040, 1041). Das Vollstreckungsgericht ist deshalb verpflichtet, alle den Grundstückswert beeinflussenden Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art sorgfältig zu ermitteln und bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigen (vgl. Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 74a Anm. 7.5.).
10
Wie sich der - allgemein anerkannte Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken enthaltenden (vgl. Senat, Urt. v. 12. Januar 2001, V ZR 420/99, WM 2001, 997) - Wertermittlungsverordnung 1988 (Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken vom 6. Dezember 1988 - WertV - BGBl. I S. 2209) entnehmen lässt, gehört zu den wertbeeinflussenden Eigenschaften eines Grundstücks die Beschaffenheit des Bodens und dessen Belastung mit Ablagerungen (vgl. § 5 Abs. 5 Satz 1 iVm § 3 Abs. 2 WertV). Bestehen ernstzunehmende Anhaltspunkte, dass der Boden eines beschlagnahmten Grundstücks verunreinigt sein könnte, ist das Gericht deshalb grundsätzlich gehalten, mit sachverständiger Hilfe zu ermitteln, ob eine Kontaminierung vorliegt und wie schwerwiegend diese gegebenenfalls ist (vgl. Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 66 Anm. 6.2.c). Es muss Verdachtsmomenten nachgehen und alle zumutbaren Erkenntnisquellen über eine etwaige Verunreinigung nutzen (vgl. zur entsprechenden Pflicht eines Sachverständigen: Kleiber/Simon, Marktwertermittlung, 6. Aufl., § 5 WertV Rdn. 152; Sprengnetter, Grundstücksbewertung , Stand August 2002, S. 9/5/5/1).
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(2) Konkrete Anhaltspunkte für eine Bodenverunreinigung ergeben sich hier aus der auf einem Altlastenverdacht beruhenden Eintragung der beschlagnahmten Grundstücke in das Altstandortkataster des zuständigen Landkreises. Dem steht, anders als das Beschwerdegericht meint, nicht entgegen, dass die Grundstücke dort nur als Fläche geführt werden, auf der möglicherweise mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist. Die frühere Nutzung des Grundstücks kann nämlich bereits einen ernstzunehmenden Altlastenverdacht begründen. Bei bestimmten Nutzungen, darunter die hier in Frage kommende Herstellung von Kunststoffen, ist einem Grundstück der Altlastenverdacht gewissermaßen auf die „Stirn geschrieben“ (Kleiber/Simon, Marktwertermittlung, 6. Aufl., § 5 WertV Rdn. 152 u. 155). Auch Kfz-Reparaturwerkstätten, die sich ebenfalls auf den beschlagnahmten Grundstücken befunden haben sollen, gelten insoweit als Risikonutzungen (Joeris/J.Simon in: Simon/Kleiner/Joeris/Simon, Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten, 8. Aufl., Rdn. 3.78).
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bb) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts entspricht es nicht sachgerechter Verkehrswertermittlung, dass das Amtsgericht den Altlastenverdacht durch einen pauschalen Abschlag vom Bodenwert berücksichtigt hat.
13
Da dem Altlastenverdacht in keiner Weise nachgegangen worden ist, es also an jeglichen Befundtatsachen hinsichtlich der tatsächlichen Bodenbeschaffenheit der zu bewertenden Grundstücke fehlt, kann es sich hierbei nur um einen Abschlag handeln, der dem - im Hinblick auf die mögliche Bodenbelastung bestehenden - Erwerbsrisiko Rechnung tragen soll. Ein solcher, rein spekulativer „Risikoabschlag“ widerspricht aber dem für die Verkehrswertermittlung geltenden Gebot, das Vorhandensein oder die Abwesenheit wertbeeinflussender Eigenschaften des zu begutachtenden Gegenstands zuverlässig festzustellen (vgl. Kleiber, WiVerw 1990, 200, 201 f. sowie Zimmermann in LambertLang /Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, 2. Aufl., Teil 17 Rdn. 72 f.); er kommt daher allenfalls in Betracht, wenn weitere Erkenntnisse über die Beschaffenheit des Gegenstands nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand erlangt werden können.
14
Hinzukommt, dass die Höhe des Abschlags in dem der Verkehrswertfestsetzung zugrunde liegenden Gutachten nicht begründet worden ist, so dass auch nicht nachvollzogen werden kann, vor welchem Hintergrund sich der Sachverständige - der im übrigen Bodenuntersuchungen durch Fachfirmen empfohlen hatte - für einen Abschlag von fünf Prozent des Bodenwerts entschieden hat.
15
cc) Auf weitere Ermittlungen zu der Bodenbeschaffenheit durfte auch nicht im Hinblick darauf verzichtet werden, dass Bodengutachten zeitaufwendig und teuer sind.
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(1) Die Zwangsversteigerung stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum des Schuldners dar. Der Eingriff ist durch das Interesse des Gläubigers an der Befriedigung seiner Forderung zwar gerechtfertigt, erfordert aber - weil der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG berührt ist - eine Verfahrensgestaltung, die den Belangen des Schuldners ausreichend Rechnung trägt (vgl. BVerfGE 46, 325, 333 ff.; 49, 220, 225; BGH, Beschl. v. 5. November 2004, IXa ZB 27/04, WM 2005, 136, 138). Hierzu zählen insbesondere Vorkehrungen, die eine - auch im Interesse der Gläubiger liegende - angemessene Verwertung des beschlagnahmten Grundstücks fördern und seiner Verschleuderung entgegenwirken (so zutreffend Budde, Rpfleger 1991, 189, 190; vgl. auch Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 66 Anm. 6.2.c).
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Da eine richtige und vollständige Wertfestsetzung maßgeblich dazu beiträgt , dass die Versteigerung zu einem angemessenen Verwertungserlös führt, müssen die dafür notwendigen - gemäß § 109 Abs. 1 ZVG zu Lasten des Versteigerungserlöses gehenden - Kosten aufgebracht werden, wenn sie nicht unverhältnismäßig sind (vgl. Storz, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 9. Aufl., Anm. C 2.1.2, S. 384). Kosten für Spezialgutachten sind jedenfalls dann aufzuwenden, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zu den Auswirkungen stehen, die das Ergebnis des Gutachtens - auch angesichts der Aussagekraft vorhandener Unterlagen - auf den festzusetzenden Verkehrswert des Grundstücks haben kann. Dabei werden Kosten umso eher als angemessen anzusehen sein, je stärker der Verkehrswert des Grundstücks von der Eigenschaft beeinflusst wird, deren Ermittlung das Gutachten zu dienen bestimmt ist. In demselben Maß wächst nämlich die Gefahr einer Verschleuderung des Grundstücks. Der Verdacht, dass ein Grundstück stark wertmindernde Eigenschaften besitzt, führt in aller Regel dazu, dass Bietinteressenten, sofern sie überhaupt noch an einem Erwerb interessiert sind, nur geringe Gebote abgeben; diese werden umso geringer sein, je größer das mit dem Verdacht verbundene Risiko ist (vgl. Dorn, Rpfleger 1988, 298, 301). Das begründet bei Grundstücken, bei denen der Verdacht unbegründet, aber nicht ausgeräumt worden ist, die Gefahr, dass sie weit unter ihrem tatsächlichen Verkehrswert versteigert, mithin verschleudert werden.
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(2) Nach diesen Grundsätzen sind die Kosten für ein orientierendes Bodenprobegutachten , die nach den Angaben des Sachverständigen 10.000 bis 15.000 € betragen, im vorliegenden Fall nicht unverhältnismäßig. Der Sachverständige hat den Wert der zu versteigernden Grundstücke - ohne Berücksichtigung des Altlastenverdachts - auf über 1,8 Mio. € geschätzt. Dem steht das Risiko gegenüber, dass der tatsächliche Wert des Grundstücks wegen der Kontaminierung des Bodens gegen Null geht. Von einem solchen Risiko ist auszugehen, weil die Kosten für die Sanierung eines belasteten Grundstücks den - ohne Altlasten gegebenen - Verkehrswert ohne weiteres übersteigen können (vgl. Dieterich in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Februar 2004, § 194 Rdn. 106; Freise in Brügelmann, Baugesetzbuch, Stand Dezember 2005, § 5 WertV Rdn. 77) und Anhaltspunkte, die hier zu der Annahme berechtigen, dass etwa erforderliche Sanierungskosten hinter dem Verkehrswert des Grundstücks zurückbleiben werden, nicht ersichtlich sind.
19
Dass der zuständige Landkreis derzeit keinen Anlass sieht, dem Altlastenverdacht nachzugehen, mindert das angenommene Risiko nicht. Zum einen muss ein Erwerber damit rechnen, dass sich der Erkenntnisstand über das Vorliegen schädlicher Bodenbelastungen ändert und er dann als Eigentümer zu Sanierungsmaßnahmen herangezogen wird (vgl. § 4 Abs. 3 BBodSchG). Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die - als Bauerwartungsland eingestuften - Grundstücke nur bebaut werden können, nachdem etwaige Bodenverunreinigungen beseitigt worden sind. Das ergibt sich aus der Auskunft des zuständigen Landkreises vom 7. Juni 2005, wonach die Erteilung einer Baugenehmigung davon abhängt, dass der bestehende Altlastenverdacht entweder ausgeräumt oder das Grundstück saniert wird. Wer das Grundstück in der Erwartung seiner künftigen Bebaubarkeit erwirbt, muss deshalb davon ausgehen, dass dies - sollte der Altlastenverdacht begründet sein - nur nach einer Bodensanierung, deren Kosten derzeit unkalkulierbar sind, möglich ist.

III.

20
Der angefochtene Beschluss ist somit aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO), damit dieses die in seinem Ermessen stehende Entscheidung treffen kann, ob es die notwendigen Ermittlungen zur Bodenbeschaffenheit der beschlagnahmten Grundstücke selbst durchführt oder ob es die Sache an das Amtsgericht zurückverweist und diesem die erforderliche Anordnung überträgt (§ 572 Abs. 3 ZPO).
21
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Zur Ermittlung der Bodenbeschaffenheit bietet sich zunächst die Einholung eines orientierenden Bodengutachtens an, wie es der Sachverständige auf Seite 3 seiner ersten Stellungnahme vom 12. November 2003 vorgeschlagen hat. Sollte sich anschließend die Notwendigkeit weiterer Bodenuntersuchungen ergeben, wird unter Berücksichtigung der durch das erste Gutachten gewonnenen Erkenntnisse zu prüfen sein, ob die Kosten einer weiteren Untersuchung noch verhältnismäßig sind, also in einem angemessenen Verhältnis zu den Auswirkungen stehen, die das Ergebnis des weiteren Gutachtens auf die Verkehrswertfestsetzung haben kann. In diesem Fall ist die Aufklärung der Bodenbeschaffenheit fortzusetzen; andernfalls ist der Verkehrswert der Grundstücke auf der Grundlage der durch das erste Bodengutachten gewonnenen Erkenntnisse und unter Berücksichtigung der verbleibenden Ungewissheit über die Bodenbeschaffenheit zu schätzen.

IV.

22
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten fallen weder für die sofortige Beschwerde noch für die Rechtsbeschwerde an (vgl. Nr. 2240 bis 2243 KV-GKG). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeführers kommt nicht in Betracht, da sich die Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens im Wertfestsetzungs-Beschwerdeverfahren nicht als Parteien gegenüberstehen (vgl. Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 74a Anm. 9.6 u. Storz, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 9. Aufl., Anm. C 2.4.3, S. 407 unter Hinweis auf die Möglichkeit, sich wegen der Kosten gemäß § 10 Abs. 2 ZVG aus dem Grundstück zu befriedigen). Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Winsen (Luhe), Entscheidung vom 08.12.2004 - 10 K 2/01 -
LG Lüneburg, Entscheidung vom 08.08.2005 - 4 T 1/05 -