Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Mai 2006 - V ZB 130/05

bei uns veröffentlicht am04.05.2006
vorgehend
Landgericht Berlin, 3 O 554/03, 26.01.2005
Kammergericht, 19 U 16/05, 29.06.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 130/05
vom
4. Mai 2006
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 4. Mai 2006 durch die
Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch, Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 19. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 29. Juni 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 10.225,82 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat die auf Rückzahlung von 20.000 DM gerichtete Klage abgewiesen. Gegen das am 16. Februar 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. März 2005 per Fax ohne Übersendung einer Kopie des Urteils Berufung eingelegt. In der Berufungsschrift ist das Aktenzeichen des ersten Rechtszugs mit " C 5 /03 des Landgerichts Berlin" angegeben. Der Origi- http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=100&G=ZPO&P=518 - 3 - nalsschriftsatz mit einer Urteilskopie, die das zutreffende Aktenzeichen ausweist , ist bei dem Kammergericht am 17. März 2005 eingegangen. Mit weiterem bei dem Kammergericht bereits am 16. März 2005 eingegangen Fax, das von einem nicht bei einem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet worden ist, hat die Klägerin das zutreffende Aktenzeichen mitteilen lassen. Das Kammergericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und hierzu ausgeführt, das Rechtsmittel sei nicht formgerecht eingelegt worden. Wegen der fehlerhaften Angabe des Geschäftszeichens sei das angefochtene Urteil nicht identifizierbar gewesen. Innerhalb der Berufungsfrist sei der Fehler nicht durch einen postulationsfähigen Anwalt berichtigt worden. Gegen die Verwerfung der Berufung als unzulässig wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde , deren Zurückweisung die Beklagten beantragen.

II.

2
1. Das Rechtsmittel ist nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (vgl. dazu Senat, BGHZ 151, 221, 227 f.) erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
3
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil das Berufungsgericht die Anforderungen an eine zulässige Berufung überspannt hat (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Berufungsgericht.
4
Nach § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsschrift die Bezeichnung des Urteils enthalten, gegen das die Berufung gerichtet wird. Das Gesetz bestimmt nicht, auf welche Weise das angefochtene Urteil bezeichnet werden http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=NJW&B=1991 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=NJW&B=1991&S=3140 - 4 - muss. Da die Berufungsschrift als bestimmender Schriftsatz form- und fristgebunden einen neuen Verfahrensabschnitt einleitet und die Einlegung der Berufung den Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Urteils aufschiebt, dürfen im Interesse der Rechtsklarheit an die Urteilsbezeichnung keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Es ist daher anerkannt, dass eine vollständige Bezeichnung die Angabe der Parteien, des Gerichts, das das angefochtene Urteil erlassen hat, des Verkündungsdatums und des Aktenzeichens erfordert. Allerdings führt nicht jede Ungenauigkeit, die eine Berufungsschrift bei einzelnen Angaben enthält, zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Fehlerhafte oder unvollständige Angaben schaden nicht, wenn aufgrund der sonstigen erkennbaren Umstände für Gericht und Prozessgegner nicht zweifelhaft bleibt, welches Urteil angefochten wird (BVerfG, NJW 1991, 3140; BGH, Beschl. v. 24. April 2003, III ZB 94/02, NJW 2003, 1950 m.w.N.; Beschl. v. 11. Januar 2006, XII ZB 27/04, NJW 2006, 1003 f.).
5
So liegt es hier. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass der fehlerhaften Angabe des Aktenzeichens der erstinstanzlichen Entscheidung keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt, wenn das Rechtsmittelgericht und der Prozessgegner den Fehler erkennen und sie aufgrund der Angaben im Übrigen keinen Zweifel haben können, welches Urteil angefochten wird (Beschl. v. 25. Februar 1993, VII ZB 22/92, NJW 1993, 1719, 1720). Wie das Berufungsgericht selbst ausführt, war das in der Berufungsschrift angegebene Aktenzeichen ersichtlich falsch. Jedoch konnte aufgrund der im Übrigen zutreffenden Angaben in der Berufungsschrift kein objektiv begründeter Zweifel über die Identität des angefochtenen Urteils bestehen. Dass ein Urteil des Landgerichts Gegenstand der Berufung war, folgt ohne weiteres aus der Einlegung des Rechtsmittels bei dem Kammergericht und des an zwei Stellen mit "Landgericht Berlin" bezeichneten (erstinstanzlichen) Gerichts. Vor diesem Hintergrund hätte das Berufungsgericht die Prozessakten ohne Verwechslungsgefahr auch ohne Aktenzeichen unter Hinweis auf die Parteien, das Verkündungs- und das Zustellungsdatum anfordern können. Die Beklagten als Prozessgegner konnten gleichfalls keine Zweifel haben, dass sich die Berufung der Klägerin gegen das am 26. Januar 2005 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin richtete, weil nicht ersichtlich ist, dass zwischen den Parteien vor diesem Gericht ein weiterer - zumal am selben Tag durch Urteil entschiedener - Rechtsstreit anhängig war.
6
3. Die Entscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 21 Abs. 1 S. 1 GKG.
Klein Lemke Schmidt-Räntsch
Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 26.01.2005 - 3 O 554/03 -
KG Berlin, Entscheidung vom 29.06.2005 - 19 U 16/05 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Mai 2006 - V ZB 130/05

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Mai 2006 - V ZB 130/05

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Mai 2006 - V ZB 130/05 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 21 Nichterhebung von Kosten


(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für ab

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Mai 2006 - V ZB 130/05 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Mai 2006 - V ZB 130/05 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2006 - XII ZB 27/04

bei uns veröffentlicht am 11.01.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 27/04 vom 11. Januar 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja ZPO § 519 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Zur Zulässigkeit einer Berufung, wenn in der Berufungsschrift, der entgegen der Sollvor

Referenzen

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 27/04
vom
11. Januar 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Zur Zulässigkeit einer Berufung, wenn in der Berufungsschrift, der entgegen der
Sollvorschrift des § 519 Abs. 3 ZPO keine Abschrift des angefochtenen Urteils
beigefügt wurde, bei im übrigen richtiger und vollständiger Bezeichnung dieses
Urteils ein falsches erstinstanzliches Aktenzeichen angegeben ist.
BGH, Beschluss vom 11. Januar 2006 - XII ZB 27/04 - LG Köln
AG Bergheim
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2006 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die
Richterin Dr. Vézina

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 12. Januar 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgesehen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG). Beschwerdewert: 3.761 €

Gründe:


I.

1
Das Amtsgericht verurteilte die Beklagte, an die Klägerin rückständigen Mietzins in Höhe von 3.761,15 € nebst Zinsen zu zahlen. Gegen das ihr am 11. November 2003 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 9. Dezember 2003 Berufung ein, die sie zugleich begründete.
2
Die Berufungsschrift, der eine Abschrift des angefochtenen Urteils nicht beigefügt war, bezeichnet die Parteien und ihre Prozessbevollmächtigten jeweils mit vollständiger Anschrift unter Angabe ihrer jeweiligen erst- und zweitinstanzlichen Parteirolle. Sie enthält die Erklärung, dass die Beklagte gegen das Urteil des Amtsgerichts Bergheim vom 10.11.2003, Az: 24 C 263/03, Berufung einlege.
3
Nach Eingang der angeforderten Akten 24 C 263/03 des Amtsgerichts Bergheim stellte die Geschäftsstelle des Landgerichts am 19. Dezember 2003 fest, dass das Rubrum jenes Verfahrens nicht mit dem der Berufungsschrift übereinstimmte, und erfuhr durch telefonische Rücksprache mit dem Büro des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, dass das Aktenzeichen des erstinstanzlichen Verfahrens richtig 24 C 262/03 lautete. Mit Schriftsatz vom gleichen Tage teilte auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten das richtige Aktenzeichen noch einmal mit.
4
Nach entsprechendem Hinweis verwarf das Landgericht die Berufung wegen Angabe eines falschen Aktenzeichens als unzulässig. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

5
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO statthaft (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 155, 21, 22) und zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (vgl. BGHZ 151, 221, 227 f.). Sie ist auch begründet, weil das Berufungsgericht die Anforderungen an eine zulässige Berufung überspannt hat.
6
2. Zutreffend ist zwar der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass die Angabe eines falschen Aktenzeichens in der Berufungsschrift der Zulässigkeit der Berufung dann nicht entgegensteht, wenn aufgrund der sonstigen erkennbaren Umstände für das Gericht und den Prozessgegner nicht zweifelhaft bleibt, welches Urteil angefochten wird (BGH, Senatsbeschluss vom 12. April 1989 - IVb ZB 23/89 - FamRZ 1989, 1063 f. m.N.).
7
Richtig ist ferner, dass solche Zweifel schon dann ausgeschlossen wären , wenn der Berufungsschrift hier entsprechend der Sollvorschrift des § 519 Abs. 3 ZPO = § 518 Abs. 3 ZPO a.F. eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils beigefügt worden wäre (Senatsbeschluss vom 12. April 1989 aaO 1064).
8
Dies ist zwar der sicherste Weg, Zweifelsfälle zu vermeiden, nicht aber zugleich auch der einzige Umstand, aufgrund dessen sich die fehlende oder falsche Angabe des Aktenzeichens als unschädlich erweisen kann.
9
a) Für die Klägerin als Prozessgegnerin dürfte angesichts der bis auf das Aktenzeichen zutreffenden Angaben in der Berufungsschrift, insbesondere auch der darin enthaltenen Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil, bereits von Anfang an nicht fraglich gewesen sein, welches Urteil mit der Berufung angefochten werden sollte, zumal keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass zwischen den Parteien weitere Rechtsstreitigkeiten anhängig waren (vgl. BGH Urteil vom 11. Januar 2001 - III ZR 113/00 - NJW 2001, 1070 f.).
10
Darauf kommt es indes nicht an. Etwaige Zweifel des Prozessgegners müssen nicht schon bis zum Ablauf der Berufungsfrist behoben sein; es genügt, wenn die Klarstellung ihm gegenüber erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt, sofern dadurch seine Rechtsverteidigung nicht beeinträchtigt wird (Senatsbeschluss vom 12. April 1989 aaO 1064 a.E.; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 3. Juli 1974 - V ZB 9/74 - NJW 1974, 1658, vom 16. März 1989 - VII ZB 24/88 - NJW 1989, 2395 f. unter II, 1 und vom 18. April 2000 - VI ZB 1/00 - NJW-RR 2000, 1371 f.). Hier ist der Klägerin eine Abschrift des das Aktenzeichen richtigstellenden Schriftsatzes vom 19. Dezember 2003 ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 8. Januar 2004 zugestellt worden.
11
b) Aber auch für das Berufungsgericht konnte bei Ablauf der Berufungsfrist nicht zweifelhaft sein, dass die Beklagte allein das in der Berufungsschrift bezeichnete, am 10. November 2003 zwischen den genannten Parteien ergangene Urteil des Amtsgerichts Bergheim anfechten wollte, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich waren, dass dieses Gericht am selben Tage ein weiteres Urteil in einem anderen Rechtsstreit derselben Parteien erlassen haben könnte.
12
Insoweit war die versehentlich falsche Angabe des Aktenzeichens unschädlich , weil das Berufungsgericht anhand der im übrigen richtigen und vollständigen Angaben in der Berufungsschrift nicht gehindert war, seine prozessvorbereitende Tätigkeit aufzunehmen (vgl. BAG, Urteile vom 24. April 1980 - 2 AZR 844/79 - JURIS und vom 5. Juli 1976 - 2 AZR 385/75 - AP Nr. 35 zu § 518 ZPO sowie Beschluss vom 12. März 1982 - 7 AZB 19/81 - JURIS).
13
Die falsche Angabe des erstinstanzlichen Aktenzeichens, das immerhin die richtige Zivilabteilung des Amtsgerichts und das richtige Jahr des Eingangs der Klage bezeichnete, hatte hier nur zur Folge, dass das Berufungsgericht zunächst die falschen Akten beim Amtsgericht anforderte, da es sich offensichtlich darauf beschränkte, nur das Aktenzeichen mitzuteilen. Hätte es das angefochtene Urteil bei seiner Aktenanforderung in derselben Weise bezeichnet wie die Berufungsklägerin, dann hätte die Geschäftsstelle bei sorgfältiger und sachgemäßer Bearbeitung mindestens auch die Akten des Rechtsstreits übersandt, in dem das angefochtene Urteil vom 10. November 2003 ergangen war. Daraus folgt, dass das angefochtene Urteil in der Berufungsschrift ungeachtet des falschen Aktenzeichens ausreichend bezeichnet war (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 1958 - IV ZB 68/58 - FamRZ 1958, 215, 216).
14
Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass prozessuale Formvorschriften kein Selbstzweck sind. Dies gilt hier um so mehr, als § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO selbst nicht bestimmt, in welcher Weise das angefochtene Urteil in der Berufungsschrift zu bezeichnen ist, mag auch die in Rechtsprechung und Literatur unumstrittene Forderung nach Mitteilung des Aktenzeichens aus guten Gründen in aller Regel unverzichtbar sein. Sie verfolgt einen zweifachen Zweck: Zum einen soll sie dem Rechtsmittelgericht eine rasche und unkomplizierte Anforderung der erstinstanzlichen Akten ermöglichen, ohne dass das Gericht erster Instanz die richtigen Akten erst anhand eines Prozessregisters ermitteln muss. Dies dient lediglich der Erleichterung des Geschäftsgangs und würde für sich allein bei einem Verstoß eine so drastische Folge wie die Verwerfung des Rechtsmittels nicht rechtfertigen können. Zum anderen dient sie - ebenso wie die weiteren zu fordernden Angaben - der eindeutigen Bezeichnung des angefochtenen Urteils. Sie ist aber insofern redundant, als das angefochtene Urteil im Regelfall - wie auch hier - bereits anhand der anderen Angaben eindeutig zu identifizieren ist, sofern nicht ohnehin gemäß § 519 Abs. 3 ZPO der sicherere Weg der Beifügung des angefochtenen Urteils gewählt wurde. Lediglich dann, wenn dasselbe Gericht in mehreren Rechtsstreitigkeiten derselben Parteien am selben Tag mehrere Urteile verkündet hat, erweist sie sich als unverzichtbar (vgl. BFH, Beschluss vom 23. Mai 1973 - I R 187/71 und I R 188/71 - BFHE 109, 422 ff. und Urteil vom 11. Dezember 1985 - I R 31/84 - BFHE 146, 196 ff.).
15
3. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht bei Eingang der Berufungsschrift nicht erkennen konnte, dass das angegebene Aktenzeichen falsch war. Soweit der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass der fehlerhaften Angabe des Aktenzeichens jedenfalls dann keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt, wenn der Fehler offensichtlich ist und das Berufungsgericht ihn sogleich erkennt (BGH, Beschluss vom 25. Februar 1993 - VII ZB 22/92 - NJW 1993, 1719 f.), hat er die Frage, ob ein falsches und als solches nicht zu erkennendes Aktenzeichen stets zur Unzulässigkeit führt, ausdrücklich offen gelassen. Auch der Senatsbeschluss vom 13. Januar 1999 (- XII ZB 140/98 - BGHR ZPO § 518 Abs. 2 Nr. 1 Urteilsbezeichnung 8) besagt nur, dass eine falsche Angabe des Aktenzeichens, die nicht offensichtlich ist, die Berufung in der Regel - mithin nicht notwendigerweise immer - fehlerhaft macht.
16
Hier wäre die Berufung dann, wenn der Prozessbevollmächtigte der Beklagten gar kein erstinstanzliches Aktenzeichen angegeben hätte, aufgrund der sonstigen Angaben in der Berufungsschrift ohne weiteres zulässig gewesen, da sich das angefochtene Urteil daraus eindeutig ergab. Aber auch die Angabe des falschen Aktenzeichens war hier nicht geeignet, bis zum Ablauf der Berufungsfrist Zweifel des Berufungsgerichts an der Identität des angefochtenen Urteils aufkommen zu lassen. Denn da das falsche Aktenzeichen nicht als solches offensichtlich war, bestand kein Anlass zu Zweifeln, ob etwa ein Urteil unter dem angegebenen Aktenzeichen oder aber ein durch die übrigen Angaben bezeichnetes Urteil angefochten war. Solche Zweifel konnten auch nach Ablauf der Berufungsfrist nicht auftauchen, als die Akten des zunächst angeforderten (falschen) Verfahrens 24 C 263/03 eintrafen und deren Rubrum nicht mit dem Rubrum der Berufungsschrift übereinstimmte. Denn daraus und aus dem Inhalt der übersandten Akten ergab sich zugleich, dass ein im Verfahren 24 C 263/03 etwa ergangenes Urteil nicht angefochten sein konnte.
17
4. Für die getroffene Entscheidung ist es ohne Bedeutung, dass auch das Berufungsgericht im Tenor sowie auf dem Deckblatt des angefochtenen Verwerfungsbeschlusses zwei falsche erstinstanzliche Aktenzeichen nennt (24 C 263/03 bzw. im Tenor 24 C 62/03). Für das Rechtsbeschwerdegericht besteht kein Zweifel daran, dass das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bergheim vom 10. November 2003 in der Sache 24 C 262/03 verworfen hat. Da der angefochtene Beschluss aufzuheben war, erübrigt sich eine Berichtigung.
Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina
Vorinstanzen:
AG Bergheim, Entscheidung vom 10.11.2003 - 24 C 262/03 -
LG Köln, Entscheidung vom 12.01.2004 - 6 S 255/03 -

(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.

(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.