Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Sept. 2014 - V ZA 15/14
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene, ein 2010 ohne gültige Ausweispapiere und ohne Aufenthaltstitel nach Deutschland eingereister russischer Staatsangehöriger, wurde am 21. Juli 2014 von Polizeibeamten aufgegriffen und aufgrund eines Vollstreckungshaftbefehls zum Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe in eine Justizvollzugsanstalt verbracht. Am 28. Juli 2014 beantragte die beteiligte Behörde die Anordnung von Sicherungshaft gemäß § 427 FamFG als Überhaft. Das Amtsgericht hat am 29. Juli 2014 die Haft antragsgemäß bis zum 9. September 2014 angeordnet. Die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit Beschluss vom 25. August 2014 zurückgewiesen. Der Betroffene beantragt Verfahrenskostenhilfe für eine Rechtsbeschwerde, mit der er zugleich im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Aussetzung des Haftvollzugs erreichen will.
II.
- 2
- Das Beschwerdegericht meint, die Haft sei zu Recht angeordnet worden. Haftgründe lägen vor. Eine Abschiebung nach Russland sei voraussichtlich innerhalb von drei Monaten möglich.
III.
- 3
- Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 76 Abs. 1 FamFG, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 4 FamFG nicht statthaft, weil sie sich gegen einen Beschluss richtet, der im Verfahren über die Aufhebung einer einstweiligen Anordnung ergangen ist.
- 4
- 1. Bei der erstinstanzlichen Entscheidung vom 29. Juli 2014 handelt es sich um eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 Abs. 1 FamFG. Zwar hat das Amtsgericht seine Entscheidung nicht ausdrücklich als „einstweilige Anordnung“, sondern als „Beschluss“ be- zeichnet. Es kommt aber deutlich zum Ausdruck, dass es sich um eine vorläufige Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 427 Abs. 1 FamFG handeln sollte.
- 5
- Im Tenor wird ausdrücklich „vorläufige“ Sicherungshaft angeordnet. Die Begründung zitiert nicht nur die Vorschrift des § 427 Abs. 1 FamFG, sondern enthält auch Ausführungen dazu, dass zunächst eine vorläufige Freiheitsentziehung erforderlich sei. Darüber hinaus ergibt die Beschränkung der Haftdauer auf sechs Wochen nur vor dem Hintergrund Sinn, dass dies die für vorläufige Freiheitsentziehungen geltende Höchstfrist ist (§ 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Im regulären Hauptsacheverfahren wäre sie hingegen widersinnig, weil das Amtsgericht für die Bestätigung der Rückübernahme durch die russischen Behörden einen Zeitraum von acht Wochen veranschlagt hat, also davon ausging, dass die Abschiebung längere Zeit erfordert als die (vorläufig) angeordnete Haftdauer von sechs Wochen. Im Übrigen war auch der Haftantrag der Behörde ausdrücklich nur auf eine einstweilige Anordnung gerichtet.
- 6
- 2. Hat das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden , ist die Beschwerdeentscheidung ebenfalls in diesem Verfahren ergangen, selbst wenn dem Beschwerdegericht dies nicht bewusst gewesen sein sollte. Auch die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung führt nicht zur Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 2011 - XII ZB 445/10, FamRZ 2011, 1728 Rn. 16).
Vorinstanzen:
AG Zwickau, Entscheidung vom 29.07.2014 - 1.5 XIV 35/14 B
LG Zwickau, Entscheidung vom 25.08.2014 - 9 T 233/14 -
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(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.
(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.
(1) Auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.
(2) Ein Beschluss, der im Verfahrenskostenhilfeverfahren ergeht, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572, 127 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozessordnung anfechtbar.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.
(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.