Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Nov. 2002 - LwZR 5/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 29.232
Gründe:
I.
Nachdem der Versuch der Mutter der Kläger, mehrere landwirtschaftliche Grundstücke kaufweise an den Vater des Beklagten zu 3 zu übertragen, an der nicht erteilten Grundstücksverkehrsgenehmigung gescheitert war, schlossen die Kaufvertragsparteien am 16. Mai 1986 einen notariellen Erbvertrag, in dem die Mutter der Kläger dem Beklagten zu 3 hinsichtlich der Grundstücke ein Vermächtnis aussetzte. Den Besitz an den Grundstücken erhielt der Beklagte zu 3 sogleich übergeben. Er verpachtete die Flächen zunächst an den Be-
klagten zu 1 und stimmte später einer Vertragsübernahme durch den Beklagten zu 2 zu.
Im Rahmen einer Erbauseinandersetzung übertrug die Mutter der Kläger mit notariellem Vertrag vom 25. April 1997 ihren gesamten Grundbesitz je zur ideellen Hälfte auf die Kläger, die ihn unterdessen weiterverkauft haben.
Die Kläger verlangen u.a. von dem Beklagten zu 3 Räumung und Herausgabe der Grundstücke, deren Besitz dem Beklagten zu 3 im Zusammenhang mit der Vermächtnisaussetzung übertragen worden war. Der Beklagte zu 3 beruft sich auf ein Besitzrecht und auf ein Zurückbehaltungsrecht, das er auf einen Rückzahlungsanspruch stützt, den er daraus herleitet, daß sein Vater den Kaufpreis aus dem nicht zur Durchführung gelangten Kaufvertrag an die Mutter der Kläger gezahlt und im Hinblick auf die Vermächtnisaussetzung nicht zurückerhalten habe.
Das Landwirtschaftsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision hat es nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten zu 3.
II.
Die Beschwerde ist nach § 544 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 3 ist der Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht gegeben. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Norm kommt einer Rechtssache dann zu,
wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, die klärungsbedürftig, klärungsfähig und entscheidungserheblich ist und das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, WM 2002, 1811, 1812 und V ZB 16/02, WM 2002, 1896, 1897, vorgesehen für BGHZ). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
1. Daß die Vereinbarung über die Besitzeinräumung in dem Erbvertrag vom 16. Mai 1986, auch unter Berücksichtigung der Zahlung des Vaters des Beklagten zu 3, kein Rechtsverhältnis darstellt, das dem Beklagten zu 3 in direkter oder entsprechender Anwendung der §§ 593b, 566 BGB (§ 571 BGB a.F.) ein Recht zum Besitz gegenüber den Klägern als jetzigen Grundstückseigentümern einräumen könnte, hat das Berufungsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung, auch des Bundesgerichtshofs (vgl. Urt. v. 29. Juni 2001, V ZR 215/00, NJW 2001, 2885), und der Literatur verneint. Die Beschwerde zeigt nicht auf, daß im konkreten Fall gleichwohl ein Klärungsbedarf besteht. Die Umstände des Falles enthalten keine Besonderheiten, die einer höchstrichterlichen Beurteilung bedürften.
2. Soweit die Beschwerde grundsätzliche Bedeutung für die Frage reklamiert , ob der Beklagte zu 3 ein Zurückbehaltungsrecht nach § 404 BGB auch den Klägern gegenüber geltend machen kann, fehlt es schon an einer Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Selbst wenn - wovon revisionsrechtlich auszugehen ist - der Vater des Beklagten zu 3 an die Mutter der Kläger 60.000 DM gezahlt hat und der Rechtsgrund hierfür weggefallen sein sollte, kann hieraus der Beklagte zu 3 keinen Rückzahlungsanspruch herleiten. Mögen auch die Einzelheiten des Bereicherungsausgleichs bei Unwirksamkeit
eines Vertrages zugunsten Dritter höchstrichterlich ungeklärt sein (vgl. dazu MünchKomm-BGB/Lieb, 3. Aufl., § 812 Rdn. 110 ff), so unterliegt es keinem Zweifel, daß dem Dritten kein Bereicherungsanspruch zusteht, wenn der Versprechensempfänger ohne Rechtsgrund an den Versprechenden geleistet hat.
Unabhängig davon wird die vorliegende Konstellation von § 404 BGB nicht erfaßt. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und stellt entgegen der Auffassung der Beschwerde keine klärungsbedürftige Rechtsfrage dar. Der Gläubigerwechsel hinsichtlich des Herausgabeanspruchs nach § 985 BGB hat sich nicht im Wege der Abtretung nach § 398 BGB ergeben, sondern durch Übertragung des Eigentums. Der Anspruch aus § 985 BGB ist auch isoliert gar nicht abtretbar (s. nur MünchKomm-BGB/Roth, 4. Aufl., § 399 Rdn. 20). Beim Eigentumswechsel vollzieht sich der Schutz des auf Herausgabe in Anspruch genommenen Besitzers vielmehr nach § 986 Abs. 2 BGB (bei beweglichen Sachen ) und nach §§ 566 ff (§§ 571 ff BGB a.F.), 581 Abs. 1, 999 Abs. 2 BGB, 57 ff ZVG (bei unbeweglichen Sachen). Die Beschwerde zeigt nicht auf, daß dieses gesetzliche Konzept regelungswidrige Lücken enthält, die durch eine analoge Anwendung des § 404 BGB geschlossen werden könnten. Sie verweist auch nicht auf Literatur oder Rechtsprechung, in der solche Ansätze vertreten würden.
3. Auch unter dem von der Beschwerde angeführten Gesichtspunkt der Vermögensübernahme nach § 419 BGB a.F. stellen sich keine Fragen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung. Zum einen verweist die Beschwerde nicht auf tatbestandliche Feststellungen, auf die die Annahme einer Vermögensübernahme durch die Kläger gestützt werden könnte. Zum anderen fehlt es auch hier an
der Darlegung eines Gegenanspruchs des Beklagten zu 3, auf den ein Zurückbehaltungs - oder Besitzrecht gestützt werden könnte (s.o.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Lemke
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
Wird das verpachtete Grundstück veräußert oder mit dem Recht eines Dritten belastet, so gelten die §§ 566 bis 567b entsprechend.
(1) Wird der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.
(2) Erfüllt der Erwerber die Pflichten nicht, so haftet der Vermieter für den von dem Erwerber zu ersetzenden Schaden wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Erlangt der Mieter von dem Übergang des Eigentums durch Mitteilung des Vermieters Kenntnis, so wird der Vermieter von der Haftung befreit, wenn nicht der Mieter das Mietverhältnis zum ersten Termin kündigt, zu dem die Kündigung zulässig ist.
(1) Gibt der Mieter den gemieteten Wohnraum nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurück, so kann der Vermieter einen weiteren Schaden im Sinne des § 546a Abs. 2 nur geltend machen, wenn die Rückgabe infolge von Umständen unterblieben ist, die der Mieter zu vertreten hat. Der Schaden ist nur insoweit zu ersetzen, als die Billigkeit eine Schadloshaltung erfordert. Dies gilt nicht, wenn der Mieter gekündigt hat.
(2) Wird dem Mieter nach § 721 oder § 794a der Zivilprozessordnung eine Räumungsfrist gewährt, so ist er für die Zeit von der Beendigung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Räumungsfrist zum Ersatz eines weiteren Schadens nicht verpflichtet.
(3) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
Der Schuldner kann dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren.
Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.
Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.
Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.
(1) Der Besitzer kann die Herausgabe der Sache verweigern, wenn er oder der mittelbare Besitzer, von dem er sein Recht zum Besitz ableitet, dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist. Ist der mittelbare Besitzer dem Eigentümer gegenüber zur Überlassung des Besitzes an den Besitzer nicht befugt, so kann der Eigentümer von dem Besitzer die Herausgabe der Sache an den mittelbaren Besitzer oder, wenn dieser den Besitz nicht wieder übernehmen kann oder will, an sich selbst verlangen.
(2) Der Besitzer einer Sache, die nach § 931 durch Abtretung des Anspruchs auf Herausgabe veräußert worden ist, kann dem neuen Eigentümer die Einwendungen entgegensetzen, welche ihm gegen den abgetretenen Anspruch zustehen.
Der Schuldner kann dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren.
(weggefallen)
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)