vorgehend
Landgericht Hagen, 8 O 67/12, 27.06.2012
Oberlandesgericht Hamm, 27 U 120/12, 28.02.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 96/13
vom
20. Februar 2014
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Vill,
Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer, Grupp und die Richterin Möhring
am 20. Februar 2014

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 28. Februar 2013 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 44.249,21 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Beschwerde deckt keinen Zulassungsgrund auf.
2
1. Zu Unrecht rügt der Beklagte eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG, soweit das Berufungsgericht eine Zahlung der Schuldnerin auf ihre Haftungsschuld (§ 73 AO) zugrunde gelegt hat.
3
Das Berufungsgericht ist ausweislich der Urteilsgründe auf der Grundlage der von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht abgegebenen Erklärung, von der bestehenden steuerlichen Organschaft Kenntnis gehabt zu haben, zu der Annahme gelangt, für den Beklagten sei offensichtlich gewesen, dass die Schuldnerin auf ihre Haftungsschuld aus § 73 AO gezahlt habe. Diese tatbestandlichen Feststellungen können mangels Ein- legung eines Tatbestandsberichtigungsantrags (§ 320 ZPO) in dem Beschwerdeverfahren nicht mehr mit Verfahrensrügen angegriffen werden, sondern sind als bindend zugrunde zu legen (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2011 - XI ZR 48/10, BGHZ 188, 373 Rn. 12; vom 8. Mai 2013 - IV ZR 233/11, WM 2013, 1115 Rn. 19). Der Beklagte war prozessual nicht gehindert, etwaiges gegenteiliges früheres Vorbringen im Einvernehmen mit dem Kläger zu modifizieren (HkZPO /Saenger, 5. Aufl., § 288 Rn. 20). Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht das Parteivorbringen nicht unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG gewürdigt. Überdies legt der Umstand, dass die Schuldnerin der Beklagten sicherungshalber Kraftfahrzeuge übereignet hatte, eine Zahlung der Schuldnerin auf die gegen sie selbst gerichtete und nicht auf eine fremde Verbindlichkeit nahe.
4
2. Ohne Erfolg macht die Beschwerde den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) geltend, soweit das Berufungsgericht "auf der Grundlage des von ihm angenommenen Sachverhalts der Rechtsprechung des erkennenden Senats folgt, die in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs steht".
5
Nach dem Inhalt der tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist eine Divergenz zum Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23. September 2009 (VII R 43/08, BFHE 226, 391) nicht gegeben. Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist im entscheidenden Punkt anders gelagert, weil für das Finanzamt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts offensichtlich war, dass nicht auf die Umsatzsteuerschuld, sondern auf den Haftungsanspruch geleistet wurde (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 - IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rn. 37).
Vill Gehrlein Fischer
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Hagen, Entscheidung vom 27.06.2012 - 8 O 67/12 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 28.02.2013 - I-27 U 120/12 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 320 Berichtigung des Tatbestandes


(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung ein

Abgabenordnung - AO 1977 | § 73 Haftung bei Organschaft


Eine Organgesellschaft haftet für solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist. Haftet eine Organgesellschaft, die selbst Organträger ist, nach Satz 1, haften ihre Organgesellschaften neben i

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 233/11 Verkündet am: 8. Mai 2013 Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 307

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 2/11 Verkündet am: 19. Januar 2012 Kluckow Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja InsO § 131; AO §§ 73,

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bei uns veröffentlicht am 01.03.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 48/10 Verkündet am: 1. März 2011 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Eine Organgesellschaft haftet für solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist. Haftet eine Organgesellschaft, die selbst Organträger ist, nach Satz 1, haften ihre Organgesellschaften neben ihr ebenfalls nach Satz 1. Den Steuern stehen die Ansprüche auf Erstattung von Steuervergütungen gleich.

(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.

(2) Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Der Antrag kann schon vor dem Beginn der Frist gestellt werden. Die Berichtigung des Tatbestandes ist ausgeschlossen, wenn sie nicht binnen drei Monaten seit der Verkündung des Urteils beantragt wird.

(3) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme. Bei der Entscheidung wirken nur diejenigen Richter mit, die bei dem Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so gibt bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung die Stimme des ältesten Richters den Ausschlag. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(4) Die Berichtigung des Tatbestandes hat eine Änderung des übrigen Teils des Urteils nicht zur Folge.

12
a) Ohne Erfolg wendet sie ein, der Beklagte habe nicht vorgetragen, seinen Wohnsitz wieder nach Deutschland verlegt zu haben, sondern lediglich - was nicht ausreichend sei - seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Diese Rüge geht bereits deshalb fehl, weil es sich bei der von der Revision beanstandeten Feststellung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe nach seinen Angaben ab Weihnachten 2006 seinen Wohnsitz wieder nach Deutschland verlegt, um eine tatbestandliche Feststellung handelt. Diese ist auch dem Revisionsverfahren zugrunde zu legen, weil der dagegen erhobene Tatbestandsberichtigungsantrag (§ 320 ZPO) des Beklagten durch das Berufungsgericht als unbegründet zurückgewiesen worden ist. Diese Zurückweisung ist nach § 320 Abs. 4 Satz 4 ZPO endgültig; sie kann nicht mit der Revision angegriffen (§ 557 Abs. 2 ZPO) und die begehrte Richtigstellung des Tatbestands nicht mit Hilfe einer Verfahrensrüge erreicht werden (vgl. nur BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, WM 2007, 1932 Rn. 24 mwN sowie Beschluss vom 5. Februar 2009 - V ZR 159/08, juris Rn. 2).
19
a) Seine Beanstandung, das Berufungsgericht habe entscheidungserheblichen Vortrag zum Abschluss des Änderungsvertrages vom 27. August 2007 zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten rechtsfehlerhaft übergangen, geht bereits deshalb fehl, weil sie sich gegen eine tatbestandliche Feststellung wendet, die auch im Revisionsverfahren zugrunde zu legen ist, nachdem die Tatbestandsberichtigungsanträge des Klägers (§ 320 ZPO) gegen das landgerichtliche Urteil und das Berufungsurteil erfolglos geblieben sind. Diese Zurückweisung ist nach § 320 Abs. 4 Satz 4 ZPO endgültig. Sie kann nicht mit der Revi- sion angegriffen und die begehrte Richtigstellung des Tatbestandes nicht mit einer Verfahrensrüge erreicht werden (vgl. BGH, Urteile vom 1. März 2011 - XI ZR 48/10, BGHZ 188, 373 Rn. 12; vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, WM 2007, 1932 Rn. 24; Beschluss vom 5. Februar 2009 - V ZR 159/08, juris Rn. 2). Von einer weiteren Begründung wird nach § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

37
Danach ist die Revision gemäß § 561 ZPO zurückzuweisen, weil sich das angefochtene Urteil als zutreffend darstellt. Der Senat kann in der Sache entscheiden, ohne im Blick auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23. September 2009 (VII R 43/08, BFHE 226, 391) den Gemeinsamen Senat der obers- ten Gerichtshöfe des Bundes anzurufen. Der vorliegende Sachverhalt ist im Vergleich zu der von dem Bundesfinanzhof entschiedenen Sache in wesentlichen Punkten anders gelagert: Es handelt sich im Unterschied zu dem von dem Bundesfinanzhof entschiedenen Fall nicht um eine freiwillige Zahlung der Organgesellschaft vor Fälligkeit der Steuerschuld, sondern um eine im Wege des Lastschrifteinzugs von der Finanzverwaltung selbst ausgelöste Zahlung. Das Finanzamt hat in den Tatsacheninstanzen eingeräumt, durch den Lastschrifteinzug gegen die Schuldnerin den Haftungsanspruch durchgesetzt zu haben. Kann die Zahlung mithin allein dem Haftungsanspruch zugeordnet werden, ist die Anfechtung gegen die Finanzverwaltung begründet.