Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2006 - IX ZR 144/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 766.937,82 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig (§ 544 ZPO); sie ist jedoch unbegründet, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
- 2
- Soweit das Berufungsgericht die Angabe einer Büroanschrift nicht für ausreichend erachtet hat, liegt zwar eine Divergenz vor zu zwei Urteilen des Bundesgerichtshofs (BGHZ 145, 358; BGH, Urt. v. 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, BGH-Report 2004, 902). Hierauf beruht jedoch das Berufungsurteil nicht, denn der Kläger hatte keine Büroanschrift angegeben.
- 3
- An einer Divergenz zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. März 2004 (aaO) fehlt es im Übrigen schon deshalb, weil dieses dem Berufungsgericht noch nicht bekannt sein konnte (BGH, Beschl. v. 8. April 2003 - XI ZR 193/02, ZIP 2003, 1082, 1083).
- 4
- Eine rechtsgrundsätzliche Frage zum Zweck der Angabe der ladungsfähigen Anschrift in der Klage stellt sich nicht. Widersprüche zwischen den Entscheidungen BGHZ 102, 332 und der genannten Entscheidung des VIII. Senats (aaO) bestehen entgegen der Ansicht der Beschwerde nicht. Die Entscheidung BGHZ 102, 332 stellt auf den Zeitpunkt der Klageerhebung ab. Für diesen Zeitpunkt hat der VIII. Senat an der dort vertretenen Auffassung festgehalten.
- 5
- Entgegen der Auffassung der Beschwerde war es nicht willkürlich, dass das Berufungsgericht dem Beweisantritt des Klägers für die behauptete neue Wohnanschrift nicht nachgegangen ist. Für Willkür genügt nicht ein einfacher Gesetzesverstoß. Erforderlich ist vielmehr, dass die fehlerhafte Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich deshalb der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (BGHZ 154, 288, 299 f). Der Kläger hatte vorgetragen, er verfüge weiterhin über mehrere Wohnungen. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass an diese neue Anschrift Ladungen an den Kläger und seinen Sohn nicht übermittelt werden konnten. Unter diesen Umständen konnte es ohne Willkür den Sachvortrag des Klägers dazu, dass sich seine Wohnung nunmehr an der angegebenen neuen Anschrift befinde, für unzureichend halten. Dem Versuch des Berufungsgerichts , die erforderlichen Feststellungen zum Vorliegen einer Wohnanschrift durch Befragung des Klägers zu treffen, hat sich dieser entzogen. Die Annahme , die vorgelegten Privatatteste bestätigten nicht hinreichend seine Verhandlungsunfähigkeit , beruhte ebenfalls nicht auf sachfremden Erwägungen. Eine amtsärztliche Untersuchung hat der Kläger verweigert. Die konkrete Gefahr einer Verhaftung mag zwar ein schützenswertes Interesse sein, das einem Erscheinen beim Amtsarzt entgegensteht (vgl. BFH, NJW 2001, 1158). Die Annahme des Berufungsgerichts, ausreichende Gründe für eine drohende Verhaftung seien nicht vorgetragen, ist jedoch weder willkürlich, noch verstößt diese Annahme gegen Art. 2 GG. Es fehlte an ausreichend substantiierten Vortrag des Klägers zu einer Gefahr der Verhaftung.
- 6
- Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen und Anträge der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge (vgl. BVerfGE 60, 247, 249 ff; 69, 141, 143). Art. 103 Abs. 1 GG gewährt aber keinen Schutz dagegen, dass ein Gericht einen Beweisantrag aus Gründen des formellen Rechts unberücksichtigt lässt, wenn sich im Prozessrecht hierfür eine hinreichende Stütze findet (vgl. BVerfGE 50, 32, 36; 69, 141, 144; BGH, Beschl. v. 18. Januar 2005 - XI ZR 340/03, BGH-Report 2005, 939 f). Dies war hier der Fall.
- 7
- Das Grundrecht auf rechtliches Gehör oder auf wirkungsvollen Rechtsschutz ist nicht verletzt, wenn eine Klage aus prozessualen Gründen als unzulässig abgewiesen wird und diese Entscheidung weder willkürlich noch offenkundig unzutreffend ist (vgl. BVerfGE 18, 380, 383; 75, 302, 312). Letzteres ist hier nicht der Fall.
Vorinstanzen:
LG Kaiserslautern, Entscheidung vom 28.04.2003 - 2 O 1016/02 -
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 02.04.2004 - 2 U 10/03 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.