Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Okt. 2009 - IX ZB 164/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Der Beklagte zu 2 hat gegen das klagestattgebende landgerichtliche Urteil mit am letzten Tag der Frist gefertigtem Schriftsatz Berufung eingelegt. Auf Weisung des Anwalts hat seine Bürokraft die Rechtsmittelschrift vorab durch Telefax übermittelt. Hierbei hat sie versehentlich der Handakte die Telefaxnummer des Landgerichts und nicht die des Berufungsgerichts entnommen; diese ist auch im Sendebericht vermerkt. Die Berufung ging per Telefax noch an diesem Tag gegen 11.16 Uhr beim Landgericht ein. Der Original-Schriftsatz erreichte das Berufungsgericht erst nach Fristablauf am Folgetag. Das Berufungsgericht hat nach einem Hinweis auf die Verfristung die Berufung als unzulässig verworfen und den gestellten Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beklagte zu 2 mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
- 2
- Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 3 und 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), aber unzulässig. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO). Insbesondere ist entgegen der Auffassung des Beklagten zu 2 eine Entscheidung nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der Beschluss des Berufungsgerichts verletzt weder den Anspruch des Beklagten zu 2 auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. BGH, Beschl. v. 10. Oktober 2006 - XI ZB 27/05, NJW 2007, 601, 602) noch weicht die Entscheidung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab.
- 3
- Bei der kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde prüft der Bundesgerichtshof nach § 574 Abs. 2 ZPO ebenso wie bei der Nichtzulassungsbeschwerde nur die Zulassungsgründe, welche die Rechtsmittelbegründung nach § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO schlüssig und substantiiert dargelegt hat (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 29. September 2005 - IX ZB 430/02, ZInsO 2005, 1162; v. 18. Mai 2006 - IX ZB 103/05, ZInsO 2006, 647). Solche sind hier nicht ersichtlich.
- 4
- 1. Der gerügte Verfassungsverstoß, wonach es eine Überspannung der anwaltlichen Pflichten darstelle, die zugleich den Gleichheitssatz verletze, einerseits das Verschulden beim Anwählen einer zuvor falsch aus einem Schriftstück des Berufungsgerichts in den fristgebundenen Schriftsatz übertragenen Faxnummer zu verneinen (vgl. BGH, Beschl. v. 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06, NJW 2007, 1690, 1691 Rn. 11), andererseits es beim Anwählen einer unmittelbar aus einem - wenn auch aus einem falschen - in den Akten befindlichen gerichtlichen Schreiben zu bejahen, liegt nicht vor. Nach der in der Berufungsinstanz vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Bürokraft vom 20. Mai 2008, auf die sich der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2 zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags bezogen hat, hat der Prozessbevollmächtigte den Sendebericht selbst kontrolliert. Die Kontrolle hat sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch auf die Person des Empfängers des Faxschreibens zu erstrecken (vgl. BGH, Beschl. v. 12. März 2002 - IX ZR 220/01, NJW-RR 2002, 860, 861; v. 19. März 2008 - III ZB 80/07, NJW-RR 2008, 1379 Rn. 5; v. 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508, 2509 Rn. 11, jeweils m.w.N.). Da im Anschriftenfeld der Berufungsschrift keine Empfängernummer vermerkt war, konnte die im Sendebericht festgehaltene Faxnummer nur mit der Faxnummer verglichen werden, die sich aus den bei der Handakte befindlichen Schreiben des Berufungsgerichts ergab. Bei einem solchen Vergleich wäre sofort aufgefallen, dass die Berufung nicht an das Berufungsgericht gesandt worden war. Dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2 dies bei der von ihm selbst behaupteten Überprüfung nicht bemerkt hat, stellt ein Verschulden dar, welches dem Verschulden der Partei gleich steht (§ 85 Abs. 2 ZPO). Auf die von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Überspannung der organisatorischen Anforderungen kam es deshalb nicht an.
- 5
- 2. Von der von der Rechtsbeschwerde angesprochenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Überprüfung von Eingabefehlern bei der Versendung von Telefaxschreiben durch das Büropersonal (BGH, Beschl. v. 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06, aaO) ist das Berufungsgericht, wie die Rechtsbeschwerde selbst einräumt, nicht abgewichen. Der dort entschiedene Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Rechtsanwalt bei der Korrekturdurchsicht des fristgebundenen Schriftsatzes oder anlässlich seiner Unterschriftsleistung die auf dem Schriftsatz vermerkte Empfängernummer mit der aus der Handakte ersichtlichen Faxnummer des Rechtsmittelgerichts vergleichen und hierbei den Fehler bereits vor der Versendung des Faxschreibens ohne besondere Schwierigkeiten aufdecken kann. Dieser Fall ist mit dem hier gegebenen Sachverhalt, dass die Faxnummer des Empfängers auf der zu versendenden Schrift nicht erschien, nicht zu vergleichen.
- 6
- Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).
Gehrlein Grupp
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 09.01.2008 - 322 O 34/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 30.05.2008 - 6 U 42/08 -
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und - 2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.
(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge), - 2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2, - 3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar - a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; - b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.
(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.