Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2008 - III ZB 80/07

bei uns veröffentlicht am19.03.2008
vorgehend
Amtsgericht Heilbronn, 7 C 713/07, 27.06.2007
Landgericht Heilbronn, 1 S 35/07, 01.10.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 80/07
vom
19. März 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Notwendigkeit einer hinreichenden Ausgangskontrolle bei der Erteilung
einer Einzelanweisung des Rechtsanwalts, einen fristgebundenen Schriftsatz
durch Telefax an das Gericht zu übermitteln.
BGH, Beschluss vom 19. März 2008 - III ZB 80/07 - LG Heilbronn
AG Heilbronn
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. März 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Wöstmann und
die Richterin Harsdorf-Gebhardt

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 1. Oktober 2007 - 1 S 35/07 Bm - wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Gegenstandswert: 4.926,50 €

Gründe:


I.


1
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung restlicher Ausbildungsvergütung in Höhe von 4.926,50 € nebst Zinsen in Anspruch. Das der Klage stattgebende Urteil des Amtsgerichts Heilbronn ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 13. Juli 2007 zugestellt worden. Hiergegen hat er beim Landgericht Heilbronn rechtzeitig Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 13. September 2007 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten wegen Arbeitsüberlastung beantragt, die am selben Tage ablaufende Frist zur Begründung der Berufung um zwei Wochen zu verlängern. Der durch Telefax versandte Schriftsatz ist an das Landgericht adressiert, wurde jedoch wegen einer unrichtigen Telefaxnummer am 13. September 2007 kurz nach 15.00 Uhr dem Amtsgericht Heilbronn übermittelt. Von dort wurde er an das Landgericht weitergeleitet , wo er am 17. September 2007 eingegangen ist.
2
einen Auf Hinweis des Berichterstatters hat der Beklagte noch am 17. September 2007 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt; die Berufungsbegründung ist am 28. September 2007 erfolgt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat der Beklagte vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung der Angestellten E. seines Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht: Nach Vorbereitung des Fristverlängerungsersuchens habe der Prozessbevollmächtigte die Akte der ausgebildeten und besonders zuverlässigen Rechtsanwaltsfachangestellten mit der Anweisung übergeben, das Gesuch umgehend per Telefax an das zuständige Landgericht Heilbronn zu übermitteln und nachfolgend telefonisch die Geschäftsstelle des Gerichts zwecks Kontrolle zu kontaktieren. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen sei der Antrag indes an den Anschluss des Amtsgerichts Heilbronn übermittelt worden. Nachdem Frau E. die Geschäftsstelle des Gerichts bis zum Arbeitsschluss der Kanzlei telefonisch nicht mehr habe erreichen können, sei das Versehen zunächst unentdeckt geblieben.
3
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weiter.

II.


4
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthaft. Es fehlt hier jedoch an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der Beschluss des Berufungsgerichts steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Er verletzt auch nicht das Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz.
5
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt bei der Versendung fristwahrender Schriftsätze für eine Ausgangskontrolle sorgen. Soll der Schriftsatz durch Telefax übermittelt werden, so ist in der Regel ein Sendebericht zu erstellen und auf etwaige Übermittlungsfehler , insbesondere die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer, zu überprüfen (BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2006 - I ZB 64/05 - NJW-RR 2006, 1519 Rn. 9; vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - NJW-RR 2007, 1690, 1691 Rn. 8, 10; Senatsbeschluss vom 4. April 2007 - III ZB 109/06 - NJW-RR 2007, 1429, 1430 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - NJW 2007, 2778 Rn. 6; jeweils m.w.N.). Ausreichend ist auch die allgemeine Anweisung , die Frist erst nach telefonischer Rückfrage beim Empfänger zu streichen (BGH, Beschluss vom 24. Januar 1996 - XII ZB 4/96 - VersR 1996, 1125; Beschluss vom 2. Juli 2001 - II ZB 28/00 - NJW-RR 2002, 60).
6
Das Vorbringen des Beklagten lässt nicht erkennen, dass diesen Anforderungen in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten, dessen Verschulden er sich zurechnen lassen muss (§ 85 Abs. 2 ZPO), genügt worden wäre. Eine allgemeine oder spezielle Anweisung zur Überprüfung des Sendeberichts ist nicht dargetan. Bei der statt dessen hier erteilten Weisung, sich den Eingang des Telefaxes durch die Geschäftsstelle des Landgerichts bestätigen zu lassen, hätte der Prozessbevollmächtigte aber nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts außerdem für den Fall Vorsorge treffen müssen, dass bei Gericht niemand mehr erreicht werden kann und deshalb die vorgesehene Kontrolle fehlschlägt. Dann hätte sich beispielsweise eine alternative Überprüfung des Sendeprotokolls angeboten.
7
3. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Fehlen hinreichender organisatorischer Maßnehmen zur Vermeidung von Fehlern bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze im Streitfall nicht deswegen unerheblich , weil der Prozessbevollmächtigte des Beklagten eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat. Allerdings ist richtig, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend ankommt, wenn im Einzelfall konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02 - NJW-RR 2003, 935 = BB 2003, 707, 708; Senatsbeschluss vom 29. Juli 2004 - III ZB 27/04 - BGH-Report 2005, 44, 45 f.; BGH, Beschluss vom 15. November 2007 - IX ZB 219/06 - NJW 2008, 526, 527 Rn. 10). Dabei ist jedoch auf den Inhalt der Einzelanweisung und den Zweck der allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen Rücksicht zu nehmen. Weicht ein Anwalt von einer bestehenden Organisation ab und erteilt er statt dessen für den konkreten Fall genaue Anweisungen, die eine Fristwahrung gewährleisten, so sind allein diese maßgeblich. Anders ist es hingegen, wenn die Einzelanwei- sung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken (BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03 - NJW 2004, 367, 369; vom 30. Januar 2007 - XI ZB 5/06 - FamRZ 2007, 720 Rn. 6; siehe auch Senatsbeschluss vom 4. April 2007 - III ZB 85/06 - NJW-RR 2007, 1430, 1431 Rn. 9; BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - NJW 2007, 2778 Rn. 6 f).
8
Im vorliegenden Fall fehlte es in der Einzelanweisung des Anwalts an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig gemacht hätten. Die Anweisung an die Kanzleiangestellte bestand lediglich darin, den Schriftsatz umgehend per Telefax an das Landgericht zu übermitteln und sich den Eingang von der Geschäftsstelle bestätigen zu lassen. Damit waren sonst etwa bestehende Kontrollmechanismen weder außer Kraft gesetzt noch obsolet geworden. Denn diese blieben gerade für die hier eingetretene Entwicklung sinnvoll und notwendig, in der die Einzelanweisung des Rechtsanwalts sich als unvollständig erwies, weil die darin bestimmten Kontrollmaßnahmen versagten. Stellt sich dabei die allgemeine Kanzleiorganisation als unzureichend heraus, entlastet es den Rechtsanwalt nicht, wenn er im Einzelfall eine Übermittlung per Telefax an das Berufungsgericht mit gleichfalls ungenügender Überprüfung anordnet.
Schlick Wurm Kapsa
Wöstmann Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
AG Heilbronn, Entscheidung vom 27.06.2007 - 7 C 713/07 -
LG Heilbronn, Entscheidung vom 01.10.2007 - 1 S 35/07 -

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

9
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Prozessbevollmächtigte in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen (BGH, Beschl. v. 8.4.1997 - VI ZB 8/97, NJW 1997, 2120, 2121; Beschl. v. 4.10.2000 - XI ZB 9/00, BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 14). Bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax kommt der Rechtsanwalt seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, nur dann nach, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen (BGH, Beschl. v. 18.10.1995 - XII ZB 123/95, VersR 1996, 778 f. = BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 44; Beschl. v. 19.11.1997 - VIII ZB 33/97, NJW 1998, 907). Ob dem die allgemeine Anweisung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin (Ziff. 1.4.3) genügt, kann offen bleiben. Bedenken könnten sich daraus ergeben, dass die Anweisung allgemein gehalten ist und die vorstehend nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlichen Prüfungsschritte nicht im Einzelnen aufgeführt sind. Die Frage kann aber dahinstehen, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Berufungsfrist im Terminkalender als erledigt gekennzeichnet hat, ohne sichergehen zu können, dass die Einhaltung der Frist in der dargelegten Weise ausreichend kontrolliert worden war. Dies begründet ein eigenes Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin.
8
b) Es entspricht ferner der st. Rspr. des Bundesgerichtshofs, dass ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet ist, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet. Dazu muss bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft werden (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 - VersR 2005, 573; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - BGH-Report 2006, 1121; BAGE 79, 379, 382 - jeweils m.w.N.).
8
b) Allerdings muss der Rechtsanwalt durch organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 1996 - XI ZB 20/96 - NJW 1997, 948; vom 11. März 2004 - IX ZR 20/03 - BGH-Report 2004, 978, 979; vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04 - NJW-RR 2005, 1373; vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - NJW 2006, 2412, 2413 Rn. 7; vom 26. September 2006 - VIII ZB 101/05 - NJW 2007, 996, 997 Rn. 8; vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - juris Rn. 8). Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrol- le in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft wird, um Fehler bei der Eingabe, der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2006 aaO Rn. 12; vom 26. September 2006 aaO Rn. 8).
6
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermitt- lung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (Senatsbeschlüsse vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f. und vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - FamRZ 2006, 1104, 1005 f.; BGH Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 27/05 - NJW 2007, 601 f.). Diese zwingend notwendige Ausgangskontrolle muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben. Fehlt es an einer allgemeinen Kanzleianweisung, muss sich die Einzelanweisung , einen Schriftsatz sogleich per Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden , in gleicher Weise auf die Ausgangskontrolle erstrecken. Die Kanzleiangestellte ist dann zusätzlich anzuweisen, die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen. Eine diesen Anforderungen genügende Anordnung der Ausgangskontrolle hat weder der Prozessbevollmächtigte des Beklagten noch dessen Kanzleiangestellte vorgetragen oder glaubhaft gemacht. Denn eine Anweisung, die Frist im Kalender erst nach einer Überprüfung des Sendeberichts zu löschen, ergibt sich hier nach dem Vortrag des Beklagten weder aus einer allgemeinen Kanzleianweisung noch aus einer konkreten Anweisung seines Prozessbevollmächtigten.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 28/00
vom
2. Juli 2001
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 2. Juli 2001 durch den
Vorsitzenden Richter h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger,
Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 26. Juni 2000 aufgehoben.
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Beschwerdewert: 350.000,-- DM

Gründe:


I. Der Kläger hat gegen das - seine Herausgabeklage aus Eigentum abweisende - Urteil des Landgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt. Am 2. Mai 2000, dem letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist, ging ein 43 Seiten umfassender Teil seiner Berufungsbegründung, die aus 57 Seiten bestehen sollte, per Telefax ohne Unterschrift bei dem Berufungsgericht ein, das den Kläger am nächsten Tag über die Unvollständigkeit und die Versäumung der Berufungs-
begründungsfrist informierte. Er hat mit seinem rechtzeitig eingereichten Wiedereinsetzungsgesuch vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter habe am 2. Mai 2000 die Kanzleiangestellte G. angewiesen, den fertiggestellten und unterzeichneten Schriftsatz sofort per Telefax an das Oberlandesgericht zu senden und sich durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern. Sie habe versehentlich die letzten zwölf Seiten des in mehreren "Chargen" übermittelten Schriftsatzes nicht übersandt und den Kontrollanruf unterlassen.
Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen , weil es keine Darlegungen zur Behandlung der Sache im Fristenkalender enthalte und zu einer ordnungsgemäßen Büroorganisation die Anweisung gehöre , die Frist im Fristenkalender erst nach Vergewisserung über die vollständige Übermittlung des Telefax zu streichen, damit ein etwaiges Versäumnis bei der pflichtgemäßen Kontrolle des Fristenkalenders vor Dienstschluß bemerkt und noch rechtzeitig behoben werden könne. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers.
II. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Grundsätzlich trifft einen Anwalt zwar die Verpflichtung, seinen Mitarbeitern für die Übersendung von Telefaxen die allgemeine Weisung zu erteilen, einen Einzelnachweis über den Sendevorgang auszudrucken, ihn zu prüfen und erst dann die Frist im Fristenkalender zu löschen (BGH, Beschl. v. 16. Juni 1998 - XI ZB 13 u. 14/98, VersR 1999, 996). Statt dessen genügt für eine wirksame Ausgangskontrolle aber auch die allgemeine Anweisung, die Frist erst nach telefonischer Rückfrage beim Empfänger zu streichen (BGH, Beschl. v.
24. Januar 1996 - XII ZB 4/96, VersR 1996, 1125). Die Überprüfung des Sendeberichts kann also durch einen Kontrollanruf ersetzt werden, zu dem der Prozeßbevollmächtigte des Klägers seine Kanzleiangestellte konkret angewiesen hat. Ist - wie hier - im Einzelfall eine konkrete Anweisung erteilt worden, die bei Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte, so kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts auf sonstige allgemeine organisatorische Vorkehrungen für die Ausgangskontrolle in einer Anwaltskanzlei nicht mehr an (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00, NJW 2000, 28, 23 m.N.; v. 11. Februar 1998 - XII ZB 184/97, NJW-RR 1998, 787; v. 13. April 1997 - XII ZB 56/97, NJW 1997, 1930; v. 26. September 1995 - XI ZB 13/95, NJW 1996, 130; BAG, Urt. v. 9. Januar 1990 - 3 AZR 528/89, NJW 1990, 2707). Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine bisher zuverlässige Angestellte eine konkrete Anweisung befolgt (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000 aaO m.N.). Ein niemals völlig auszuschließendes Versagen der konkret Angewiesenen bleibt dabei außer Betracht. Da im vorliegenden Fall bei Befolgung der Anweisung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers eine Fristversäumung praktisch ausgeschlossen gewesen wäre und er in Anbetracht seiner Weisung zu "sofortiger" Erledigung
des relativ einfachen Auftrags mit einem Vergessen oder Versehen der Kanzleiangestellten nicht rechnen mußte, kommt es hier auf zusätzliche allgemeine Maßnahmen zur Ausgangskontrolle (Fristenkalender) nicht an. Dem Umstand, daß der zu übermittelnde Schriftsatz sehr umfangreich und deshalb in mehreren "Chargen" zu übermitteln war, kommt dabei entscheidendes Gewicht nicht zu.
Röhricht Hesselberger Goette
Kurzwelly Kraemer

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 38/02
vom
11. Februar 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn ein Rechtsanwalt die Anweisung
erteilt hat, die von ihm in Gegenwart seiner Büroangestellten unterzeichnete
Rechtsmittelschrift per Telefax an das Rechtsmittelgericht zu senden, die Angestellte
aber aufgrund einer Verwechslung eine nicht unterzeichnete Abschrift übermittelt.
BGH, Beschluß vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02 - OLG Jena
LG Gera
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Februar 2003 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts vom 10. Juni 2002 aufgehoben. Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt. Beschwerdewert: 95.743,64

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt wegen einer Lebensmittelvergiftung von dem Beklagten im Wege der abgesonderten Befriedigung gem. § 157 VVG Ersatz materieller und immaterieller Schäden. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Das Urteil ist den Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 8. März 2002 zugestellt worden. Am 8. April 2002, einem Montag, ist beim Oberlandesgericht per Telefax eine Berufungsschrift aus der Kanzlei der Prozeßbevollmächtigten des Klägers eingegangen; zwei Tage später das Original. Beide Schriftstücke enthielten keine Unterschriften. Lediglich die zusammen mit dem Original eingereichte beglaubigte Abschrift der Berufungsschrift war von
Rechtsanwalt W. unterzeichnet. Hierauf wies das Oberlandesgericht die Pro- zeßbevollmächtigten des Klägers am 9. oder 10. April 2002 hin. Am 15. April 2002 hat der Kläger (erneut) Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, das Fehlen der Unterschrift auf der per Telefax übermittelten Rechtsmittelschrift beruhe auf einem Versehen einer Angestellten seiner Prozeßbevollmächtigten. Rechtsanwalt W. habe die Berufungsschrift in Anwesenheit der im Berufsausbildungsverhältnis beschäftigten Rechtsanwaltsfachangestellten H. unterzeichnet und diese angewiesen , den Schriftsatz per Telefax an das Oberlandesgericht zu übersenden. Da Frau H. auch eine beglaubigte und eine einfache Abschrift für die postalische Übersendung an das Oberlandesgericht habe fertigen sollen, habe sie weitere Exemplare ausgedruckt und auf dem Schreibtisch abgelegt. Anschließend habe sie per Telefax versehentlich ein nicht unterzeichnetes Exemplar übermittelt. Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Organisationsverschulden seines Prozeßbevollmächtigten beruhe. Dieser habe es versäumt , sein Büropersonal anzuweisen, Schriftstücke vor ihrer Absendung auf Unterzeichnung zu überprüfen. Daneben sei ihm vorzuwerfen, bei der Unterzeichnung nicht zugleich das Original-Telefax unterschrieben zu haben. Ein weiterer Organisationsmangel liege darin, daß keine organisatorischen Vorkehrungen dafür getroffen worden seien, per Telefax zu übermittelnde Schriftstücke von den Postsendungen zu trennen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, denn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluß verletzt den Kläger in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten seines Prozeßbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen er auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen mußte (vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f.; BVerfG, NJW-RR 2002, 1004, 1005). 1. Das Berufungsgericht übersieht, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für den Ausschluß des einer Partei zuzurechnenden Verschuldens ihres Anwalts (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO) an der Fristversäumung auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei dann nicht mehr ankommt, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. September 1995 - XI ZB 13/95 - VersR 1996, 348; vom 18. März 1998 - XII ZB 180/96 - NJW-RR 1998, 1360 f.; vom 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00 - NJW 2000, 2823; vom 2. Juli 2001 - II ZB 28/00 - NJW-RR 2002, 60 und vom 1. Juli 2002 - II ZB 11/01 - NJW-RR 2002, 1289 f.). Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt (BGH, Beschluß vom 13. April 1997 - XII ZB
56/97 - NJW 1997, 1930). So liegt der Fall hier, denn der Prozeßbevollmäch- tigte des Klägers hatte der Auszubildenden H. konkret aufgetragen, die von ihm in ihrer Gegenwart unterzeichnete Berufungsschrift per Telefax an das Oberlandesgericht zu senden. Hätte Frau H. diese Einzelanweisung befolgt, wäre die Berufungsfrist gewahrt worden. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, daß sich Mängel bei der allgemeinen Organisation des Anwaltsbüros in einer die Wiedereinsetzung ausschließenden Weise ausgewirkt haben könnten (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - NJW 2003, 435 f. und BGH, Beschluß vom 9. Januar 2001 - VIII ZB 26/00 - NJW-RR 2001, 782 f.). Das für die Fristversäumung ursächliche Versehen der Büroangestellten H. steht dem Wiedereinsetzungsbegehren des Klägers nicht entgegen. Einer Partei ist nur ein Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten, nicht aber dasjenige seines Büropersonals zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO; vgl. BGH, Beschluß vom 28. Oktober 1993 - VII ZB 22/93 - VersR 1994, 955). Zwar trägt ein Rechtsanwalt die Verantwortung dafür, daß eine einwandfreie Rechtsmittelschrift rechtzeitig bei dem zuständigen Gericht eingeht (BGH, Beschluß vom 10. Februar 1982 - VIII ZB 76/81 - VersR 1982, 471). Zur Erfüllung seiner Pflicht darf der Anwalt aber eine einfache Aufgabe einer zuverlässigen Angestellten übertragen, ohne daß er die ordnungsgemäße Erledigung überwachen muß (BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 1982, aaO und vom 4. November 1981 - VIII ZB 59/81 und VIII ZB 60/81 - VersR 1982, 190). Das gilt nicht nur für allgemeine Weisungen, sondern auch und erst recht - wie hier - für eine konkrete mündliche Weisung im Einzelfall (BGH, Beschlüsse vom 29. April 1994 - V ZR 62/93 - VersR 1994, 1494 f. und vom 3. September 1998 - IX ZB 46/98 - VersR 1999, 1170 f.). Die Versendung der Rechtsmittelschrift per Telefax ist eine einfache Bürotätigkeit, mit der eine im zweiten Lehrjahr stehende Auszubildende beauftragt werden darf, sofern sie mit einer solchen Tätigkeit vertraut ist und
eine regelmäßige Kontrolle ihrer Tätigkeit keine Beanstandungen ergeben hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 1994 - VII ZB 7/94 - VersR 1995, 238, 239; vom 6. Dezember 1995 - VIII ZR 12/95 - VersR 1996, 910 und vom 27. Februar 2002 - I ZB 23/01 - NJW-RR 2002, 1070, 1071). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, wie der Kläger durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen des Rechtsanwalts W. und der Auszubildenden H. glaubhaft gemacht hat. 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers auch nicht vorgeworfen werden, bei der Unterzeichnung der (später wohl als beglaubigte Abschrift eingereichten) Berufungsschrift nicht zugleich das Original-Telefax unterschrieben zu haben. Die Unterzeichnung eines zweiten Exemplars der Berufungsschrift war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht möglich, denn nach dem glaubhaft gemachten Vortrag des Klägers hat Frau H. weitere Exemplare erst nach Unterzeichnung des ersten ausgedruckt. Dieser Arbeitsablauf ist nicht zu beanstanden, da zur wirksamen und rechtzeitigen Berufungseinlegung die Existenz eines einzigen Exemplars genügte. Weitergehende Anforderungen stellt die Rechtsprechung nicht.
3. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann auch nicht mit der Erwägung des Berufungsgerichts versagt werden, den Prozeßbevollmächtigten des Klägers treffe ein Organisationsverschulden wegen unzureichender Ausgangskontrolle , weil die per Telefax zu versendenden Schriftstücke nicht von den zur postalischen Übersendung vorgesehenen Exemplaren getrennt würden. Ob die Organisationspflichten eine allgemeine Anweisung zu einer solchen Trennung erfordern, kann hier dahinstehen, da bei Befolgung der Einzelanweisung eine Verwechslung der Schriftstücke ausgeschlossen gewesen wäre und sich deshalb die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage nicht stellt.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 27/04
vom
29. Juli 2004
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Juli 2004 durch den Vorsitzenden
Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Galke und
Dr. Herrmann

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß der 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 17. März 2004 aufgehoben.
Dem Kläger wird gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Der Kläger hat die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens zu tragen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 1.843,24 €

Gründe:


I.


Das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts vom 12. Novembe r 2003 wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 17. November 2003 zugestellt. Dieser legte am 15. Dezember 2003 fristgerecht Berufung ein. Die Beru-
fung hat er hingegen erst am 5. Februar 2004 begründet und zugleich beantragt , gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Hierzu hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers vorgetragen und eine eidesstattliche Versicherung seiner Angestellten I. H. vorgelegt:
Nach Zugang des amtsgerichtlichen Urteils notierte die A ngestellte H. im Terminkalender und in der Handakte die Berufungsfrist sowie die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung (Montag, den 12. Januar 2004: "VF Beruf.begründung" ; Montag, den 19. Januar 2004: "Abl. Berufungsbegr."), und zwar als Rotfristen. Nach vorfristgemäßer Vorlage der Akte am 12. Januar 2004 wurde der Prozeßbevollmächtigte des Klägers am 14. Januar 2004 vom Amtsgericht aufgefordert, binnen zehn Tagen zu dem Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten Stellung zu nehmen. Im Terminkalender trug Frau H. daraufhin am 19. Januar 2004 - zusätzlich zu der Ablauffrist für die Berufungsbegründung - eine entsprechende Vorfrist ein und vermerkte den Ablauf der Stellungnahmefrist für den 26. Januar 2004; auch diese Fristen wurden, wie vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers allgemein angeordnet, als Rotfristen notiert.
Am 14. Januar 2004 diktierte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die Stellungnahme zu dem Kostenfestsetzungsantrag vom 15. Januar 2004 und verfügte schriftlich:
"1) bitte am 15.I. Schr. an Gericht
2) …
3) Rotfristen VF 19.I.04 FA 26.I.04 n. Erl. streichen, bitte nicht FA 19.I.04
für BerBegrd streichen!
4) Wv n. Erl. 16.I.04"
Entgegen dieser Verfügung strich die Büroangestellte, die ansonsten stets zuverlässig und fehlerfrei arbeitete, die Rotfristen für den 19. Januar 2004 - also die Vorfrist für die Stellungnahme zum Kostenfestsetzungsantrag und die Ablauffrist für die Berufungsbegründung - insgesamt und hängte die Akte nach Erledigung des Schreibens vom 15. Januar 2004 weg. Das Versehen wurde am 28. Januar 2004 aufgedeckt.
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers als un zulässig verworfen und den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Den Prozeßbevollmächtigten des Klägers treffe ein - dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes - Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Zu beanstanden sei die Büroanweisung, sowohl Rechtsmittelfristen als auch die Fristen zu Stellungnahmen als Rotfristen in den Akten und im Terminkalender zu notieren. Diese Praxis verstoße gegen die anwaltliche Pflicht, Not-, Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen besonders hervorzuheben. Indem die Stellungnahmefristen ebenso wie die Fristen für die Rechtsmittel und deren Begründung gleichermaßen als Rotfristen vermerkt worden seien, sei die besondere Bedeutung der zuletzt genannten Fristen nicht mehr gegenwärtig gewesen. Hierdurch sei der Keim für Mißverständnisse gelegt worden wie dasjenige , das hier wohl zu dem versehentlichen Streichen der am 19. Januar 2004 eingetragenen Rotfristen geführt habe.

II.


1. Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluß verletzt den Kläger in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozeßbevollmächtigten zu versagen, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen mußte (vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f und BVerfG NJW-RR 2002, 1004; BGH, Beschluß vom 9. Dezember 2003 - VI ZB 26/03 - NJW-RR 2004, 711, 712).

a) Das Berufungsgericht hat an die Organisation der Fr istennotierung zu hohe, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht verlangte Anforderungen gestellt.
Es entspricht zwar gefestigter Rechtsprechung, daß Rechtsmit tel- und Rechtsmittelbegründungsfristen so notiert werden müssen, daß sie sich von gewöhnlichen Wiedervorlagefristen deutlich abheben (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 1988 - VIII ZR 84/88 - NJW 1989, 2393, 2394 m.w.N.). Ein bestimmtes Verfahren ist insoweit weder vorgeschrieben noch allgemein üblich. Bei der in der Rechtsprechung erörterten Verwendung eines besonderen
Promptfristenkalenders oder eines Kalenders mit besonderen Spalten für Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen sowie bei der farblichen Kennzeichnung bestimmter Fristen handelt es sich nur um Beispiele (vgl. BGH aaO). Die Pflicht, bestimmte Fristen hervorzuheben, ist ferner nicht, wie das Berufungsgericht anzunehmen scheint, zwingend auf Not-, Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen beschränkt. Gerötet oder in anderer Weise von einfachen Wiedervorlagefristen unterschieden werden können auch andere genau einzuhaltende Fristen (vgl. BAG AP Nr. 6 zu § 232 ZPO) oder solche sich aus dem Gesetz oder gerichtlicher Verfügung ergebenden Not- und andere Promptfristen, deren Nichtbeachtung Rechtsnachteile nach sich ziehen kann (vgl. BGH aaO S. 2395).
Die Handhabung der Fristennotierung im Büro des Proze ßbevollmächtigten des Klägers genügte den vorbeschriebenen Erfordernissen. Der verwendete Tageskalender sah eine Spalte "Wiedervorlagen" und eine weitere, fett umrandete Spalte "Fristablauf" vor. In der zuletzt genannten Spalte wurden die genau einzuhaltenden Fristen, insbesondere die Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen und die fristgebundenen Stellungnahmen, als Rotfristen eingetragen. Sie waren damit von den gewöhnlichen Wiedervorlagen getrennt und hinreichend hervorgehoben.

b) Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers ist im übrigen seiner Verpflichtung , für den rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung bei dem Berufungsgericht zu sorgen, bereits dadurch nachgekommen, daß er seiner Angestellten H. eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Ein Rechtsanwalt darf nämlich grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine Büroangestellte, die sich - wie hier - bisher als
zuverlässig erwiesen hat, derartigen Weisungen nachkommt; es besteht keine Verpflichtung, sich anschließend über die Ausführung zu vergewissern (vgl. BGH, Beschluß vom 18. März 1998 - XII ZB 180/96 - NJW-RR 1998, 1360; Beschluß vom 23. Oktober 2003 - V ZR 28/03 - NJW 2004, 366, 369).
Im vorliegenden Fall hatte der Prozeßbevollmächtigte d es Klägers am 14. Januar 2004 verfügt, daß nur die das Kostenfestsetzungsverfahren betreffenden Fristen ("VF 19.I.04", "FA 26.I.04") nach Erledigung zu streichen seien. Die (weitere) Frist für den Ablauf der Berufungsbegründung am 19. Januar 2004 sollte ausdrücklich bleiben und ihm die Akte am 16. Januar 2004 wieder vorgelegt werden. Damit war das Notwendige veranlaßt, damit die Berufungsbegründung rechtzeitig gefertigt und bei Gericht eingereicht werden konnte.
Schlick Streck Kapsa
Galke Herrmann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 28/03
vom
23. Oktober 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch der beschwerten
Partei auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes, so ist die nach § 574 Abs. 1
Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unabhängig davon zulässig
, ob sich der Rechtsverstoß auf das Endergebnis auswirkt.
Eine konkrete Anweisung des Anwalts im Einzelfall macht nur dann allgemeine organisatorische
Regelungen obsolet, wenn diese durch die Einzelanweisung ihre Bedeutung
für die Einhaltung der Frist verlieren; das ist nicht der Fall, wenn die Weisung
nur dahin geht, einen Schriftsatz per Telefax zu übermitteln, die Fristüberschreitung
aber darauf beruht, daß es an ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen
dazu fehlt, unter welchen Voraussetzungen eine Frist nach Übermittlung
fristwahrender Schriftsätze per Telefax als erledigt vermerkt werden darf.
BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03 - LG Konstanz
AGÜberlingen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 23. Oktober 2003 durch die
Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin
Dr. Stresemann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 2. April 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:


I.


Gegen das ihr am 7. November 2002 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist per Fax am 8. Januar 2003 bei dem Landgericht eingegangen.
Die Beklagte hat gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu folgendes ausgeführt : Ihr Prozeßbevollmächtigter habe den Begründungsschriftsatz am 7. Januar gefertigt und unterzeichnet und die bei ihm beschäftigte Rechtsanwaltsfachangestellte W. gegen 17.15 Uhr angewiesen, ihn per Fax an das Landgericht zu senden. Diese habe zwar mehrfach versucht zu faxen, was aber , weil sie versehentlich eine falsche Nummer gewählt habe, erfolglos geblieben sei. Sie habe angenommen, das Empfängergerät sei belegt, und habe sich zunächst anderen Aufgaben zugewendet, darüber aber die Angelegenheit ver-
gessen. Später habe sie die Frist im Kalender als erledigt eingetragen, so daß dem Prozeßbevollmächtigten bei dessen Kontrolle gegen 20.00 Uhr das Versäumnis nicht aufgefallen sei.
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses verlangt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
aa) Allerdings liegt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kein Fall einer Divergenz zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29. Juni 2000 (VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006) vor. Eine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründende Abweichung ist nämlich nur gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Entscheidung eines höherrangigen oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts (Senat, BGHZ 151, 42; BGHZ 89, 149, 151). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Das Berufungsgericht geht - im Einklang mit der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes - davon aus, daß üblicherweise in Anwaltskanzleien auftretende Schwankungen der Arbeitsbelastung die Sorgfalts-
pflicht des Prozeßbevollmächtigten im Hinblick auf die Organisation eines reibungslos und fehlerfrei funktionierenden Geschäftsbetriebs nicht erhöhen. Es meint lediglich, im konkreten Fall hätten Umstände vorgelegen, die über das Übliche einer Mehrbelastung hinausgingen und daher zu besonderen Maßnahmen Anlaß gegeben hätten. Ist diese Auffassung - wie hier (siehe im folgenden ) - falsch, so liegt darin zwar eine rechtsfehlerhafte Würdigung. Doch wird damit kein allgemeiner Rechtssatz aufgestellt, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofes entgegensteht.
bb) Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht aber auf einer Würdigung , die der Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, BGHZ 151, 221; Beschl. v. 20. Februar 2003, V ZB 60/02, NJW-RR 2003, 861; Beschl. v. 30. April 2003, V ZB 71/02, NJW 2003, 2388). Die Annahme, der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten habe angesichts der "besonderen Situation am Nachmittag" des 7. Januars 2003 eine eigenständige Prüfung der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist vornehmen müssen, entbehrt jeder Grundlage. Unscharf ist schon der Ansatz. Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist war an sich nicht gefährdet. Der Prozeßbevollmächtigte hatte den Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und dessen Übermittlung per Fax verfügt. Welche zusätzlichen Maßnahmen er hätte ergreifen sollen, worin sich die nach Auffassung des Berufungsgerichts gebotene erhöhte Sorgfaltspflicht hätte äußern sollen, wird in der angefochtenen Entscheidung nicht gesagt. Dafür ist auch nichts erkennbar. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxüber-
mittlung kann der Anwalt seinem Personal überlassen (BGH, Beschl. v. 11. Februar 2003, VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, 936 m. zahlr. Nachw.). Er braucht sie nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren. Im übrigen ist hier nach dem Vorbringen der Beklagten sogar eine Kontrolle erfolgt, die aber wegen des falschen Erledigungsvermerks ohne Befund blieb.
Wenn man in dieser konkreten Situation ein Weiteres von dem Anwalt verlangen wollte, so überspannte man die Sorgfaltsanforderungen. Denn solche Maßnahmen könnten nur in einer Beaufsichtigung des Übermittlungsvorgangs selbst oder in einer sofortigen Kontrolle sogleich nach Durchführung bestehen. Dies kann höchstens ganz ausnahmsweise in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschl. v. 29. Juni 2000, VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006), wenn ein geordneter Geschäftsbetrieb infolge besonderer Umstände nicht mehr gewährleistet ist. Solche Umstände hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt. Daß eine Rechtsanwaltsangestellte über ihre normale Dienstzeit hinaus arbeiten muß und daß drei fristgebundene Sachen zusätzlich zu bearbeiten sind, bedingt keine Situation, die ein ausreichend organisiertes Büro nicht bewältigen könnte. Im übrigen sollte die Übermittlung per Telefax zunächst, nur wenige Minuten nach dem üblichen Dienstschluß, erfolgen, und es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Bearbeitung weiterer Fristsachen, die sich bis 19.30 Uhr hinzog, diese einfache Tätigkeit hätte stören oder in einer Weise gefährden können, daß ein Eingreifen des Anwalts erforderlich gewesen wäre.
cc) Dieser Verstoß gegen das Gebot der Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes führt unabhängig davon zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde , ob er sich auf das Ergebnis auswirkt. Insoweit besteht ein Unterschied zum Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO), in dem eine nicht entscheidungserhebliche Frage auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision gebietet (Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181; Urt. v. 18. Juli 2003, V ZR 187/02, Umdruck S. 9, zur Veröffentlichung vorgesehen; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831). Dieser Unterschied beruht auf folgendem: Anders als das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Rechtsbeschwerde ein Rechtsmittel, das zur Entscheidung über die Sache führt. Dabei hängt - wie stets - die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht von Fragen der Begründetheit ab. Liegen die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO vor, so ist die Rechtsbeschwerde zulässig. Ob die angefochtene Entscheidung gleichwohl Bestand hat, ist eine Frage der Begründetheit. Beides miteinander zu verquicken, hieße, die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu verneinen, weil es an der Begründetheit fehlt. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es demgegenüber nicht um eine Entscheidung in der Sache selbst, sondern nur um die Frage, ob eine Sachüberprüfung im Revisionsverfahren geboten ist. Bei dieser Prüfung kann und muß berücksichtigt werden, ob die unter die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO subsumierbaren Rechts- oder Verfahrensfragen im konkreten Fall entscheidungserheblich sind oder nicht. Sind sie es nicht, besteht kein Anlaß für eine Zulassung; denn es kommt auf sie letztlich nicht an.
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht versagt (§ 233 ZPO) und die Berufung infolgedessen zutreffend als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte hat nämlich nicht dargelegt , daß sie ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Es ist nicht ausgeräumt, daß dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ein eigenes (Organisations-) Verschulden vorzuwerfen ist,
das diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Das ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten:
Zum einen hat der Anwalt organisatorische Vorkehrungen zu treffen, daß Fristen im Fristenkalender erst dann mit einem Erledigungsvermerk versehen werden, wenn die fristwahrende Handlung auch tatsächlich erfolgt oder jedenfalls soweit gediehen ist, daß von einer fristgerechten Vornahme auszugehen ist (BGH, Beschl. v. 18. Oktober 1993, II ZB 7/93, VersR 1994, 703; Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 60 m.w.N.). Zum anderen muß der Anwalt bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax die Ausgangskontrolle organisatorisch dahin präzisieren , daß er die damit befaßten Mitarbeiter anweist, einen Einzelnachweis über den Sendevorgang ausdrucken zu lassen, der die ordnungsgemäße Übermittlung anzeigt, bevor die entsprechende Frist als erledigt vermerkt wird (Senat, Beschl. v. 9. Februar 1995, V ZB 26/94, VersR 1995, 1073, 1074). Er muß ferner Vorsorge für Störfälle treffen, um sicherzustellen, daß der Übermittlungsvorgang entweder vollständig wiederholt wird oder daß der Anwalt selbst über geeignete andere Maßnahmen entscheidet.
Ob solche allgemeinen organisatorischen Maßnahmen im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten bestanden, ist nicht vorgetragen worden. Die bloße Angabe, vor Büroschluß werde kontrolliert, ob alle Fristen erledigt seien, erst danach werde die Frist gelöscht, genügt nicht den vorstehenden Anforderungen. Soweit die Beklagte in einem nach Erlaß des angefochtenen Beschlusses bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz nähere Angaben zur Ausgangskontrolle gemacht hat, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Derjenige, der Wiedereinsetzung beantragt, muß die Gründe, die die Wiedereinsetzung rechtfertigen, innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO vor-
bringen (BGH, Beschl. v. 12. Mai 1998, VI ZB 10/98, BGHR ZPO § 236 Abs. 2 Satz 1 Antragsbegründung 3). Zwar können erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (BGH aaO; Beschl. v. 9. Juli 1985, VI ZB 10/85, VersR 1985, 1184, 1185). Das hilft der Beklagten im konkreten Fall aber schon deswegen nicht, weil die ergänzenden Angaben nach Erlaß der Entscheidung gemacht worden sind und daher für das Rechtsbeschwerdegericht nicht verfügbar sind. Seiner Beurteilung unterliegt - anders als im früheren Verfahren der sofortigen Beschwerde (§ 577 ZPO a.F.) - nur der in den Tatsacheninstanzen festgestellte Sachverhalt sowie der auf Verfahrensrüge zu beachtende dortige Sachvortrag. Soweit die Rechtsbeschwerde den neuen Sachvortrag mit Hilfe einer Aufklärungsrüge einführen möchte, ist ihr nicht zu folgen. Es bestand für das Berufungsgericht keine Pflicht, die anwaltlich vertretene Beklagte auf die nicht ausreichenden Gründe ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hinzuweisen. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Ausgangskontrolle und an die organisatorischen Maßnahmen bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze stellt, sind bekannt und müssen einem Anwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Wenn der Vortrag dem nicht Rechnung trägt, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken, die aufzuklären bzw. zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluß darauf , daß entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Fehlen organisatorischer Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlern bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze nicht deswegen unerheblich, weil der Prozeßbevollmächtigte eine konkrete Einzelweisung erteilt hat. Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, daß es auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend ankommt, wenn im Einzelfall
konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (BGH, Urt. v. 6. Oktober 1987, VI ZR 43/87, VersR 1988, 185, 186; Beschl. v. 26. September 1985, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Dabei ist jedoch auf den Inhalt der Einzelweisung und den Zweck der allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen Rücksicht zu nehmen. Weicht ein Anwalt von einer bestehenden Organisation ab und erteilt er stattdessen für einen konkreten Fall genaue Anweisungen, die eine Fristwahrung gewährleisten, so sind allein diese maßgeblich; auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen kommt es dann nicht mehr an (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01, NJW-RR 2002, 1289). Anders ist es hingegen, wenn die Einzelweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken. So ersetzt z.B. die Anweisung, einen Schriftsatz sofort per Telefax zu übermitteln und sich durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern, alle allgemein getroffenen Regelungen einer Ausgangskontrolle und macht etwa hier bestehende Defizite unerheblich (BGH, Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Ebenso liegt es, wenn der Anwalt von der Eintragung der Sache in den Fristenkalender absieht und die Anweisung erteilt, den fertiggestellten Schriftsatz in die Ausgangsmappe für die Post zum Berufungsgericht zu legen (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZR 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45). Denn in diesem Fall würde eine Frist als erledigt vermerkt werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, NJW 1997, 3446; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 233 Rdn. 23 S. 698).
Besteht hingegen - wie hier - die Anweisung nur darin, die Übermittlung eines Schriftsatzes sofort per Fax zu veranlassen, so fehlt es an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig machen. Inhalt der Anweisung ist nur die Bestimmung des Mediums der Übermittlung und der Zeitpunkt ihrer Vornahme. Damit sind aber sonst etwa bestehende Kontrollmechanismen weder außer Kraft gesetzt noch obsolet. Es bleibt sinnvoll und notwendig , daß Anweisungen darüber bestehen, wie die Mitarbeiter eine vollständige Übermittlung per Telefax sicherzustellen haben und unter welchen Voraussetzungen sie eine Frist als erledigt vermerken dürfen. Bestehen sie nicht, entlastet es den Anwalt nicht, wenn er sich im konkreten Einzelfall darauf beschränkt , eine Übermittlung per Telefax anzuordnen. Dem entspricht es, daß z.B. der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01) einen solchen Übermittlungsauftrag nur für ausreichend erachtet hat, wenn jedenfalls die betreffende Angestellte allgemein angewiesen war, die Telefaxübermittlung jeweils anhand des (auszudruckenden) Sendeberichts zu kontrollieren.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Tropf Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann
6
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde weicht die angegriffene Entscheidung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verschulden eines Prozessbevollmächtigten bei Vorliegen einer konkreten Einzelweisung nicht ab. Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, daß es auf allgemeine organisatorische Regelungen für die Fristwahrung nicht entscheidend ankommt, wenn im Einzelfall konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 26. September 1995 - XI ZB 13/95, NJW 1996, 130; BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935 m.w.Nachw. und vom 29. Juli 2004 - III ZB 27/04, BGH-Report 2005, 44, 45 f.). Wie das Berufungsgericht zutreffend gesehen hat, gilt etwas anderes nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber dann, wenn die Einzelweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken. Besteht die Einzelweisung nur darin, die sofortige Übermittlung per Telefax zu veranlassen, so fehlt es an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig machen (Senatsbeschluss vom 3. Mai 2005 - XI ZB 41/04, Umdruck S. 5; BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369 und vom 26. Januar 2006 - I ZB 64/05, NJW 2006, 1519 f.). So liegt der Fall hier.
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Ein Rechtsanwalt darf zwar grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelweisung befolgt (ständige Rechtsprechung, z.B. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - NJW-RR 2004, 1361, 1362 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688, 689). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Betrifft die Anweisung - wie hier - einen solch wichtigen Vorgang wie die Wahrung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anordnung in Vergessenheit gerät und die Frist dadurch versäumt wird. In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen Organisationsmangel (BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. November 2003 aaO). Eine besondere Vorkehrung mag ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn die Bürokraft die unmissverständliche Weisung erhält, einen Vorgang sogleich auszuführen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 aaO). Lässt der Anwalt seiner Angestellten hingegen - wie hier - einen zeitlichen Spielraum von mehreren Stunden zur Erledigung der aufgetragenen Arbeit , besteht die Gefahr, dass der Auftrag im Drange der sonstigen Geschäfte vergessen wird. Dieser Fehler kann auch ansonsten verlässlichen Kanzlei- angestellten unterlaufen. Der Rechtsanwalt muss deshalb, wenn er nicht die sofortige Ausführung seiner Einzelweisung anordnet, durch eine allgemeine Weisung oder durch einen im Einzelfall zu erteilenden Auftrag Vorkehrungenhiergegen treffen. Insoweit kommt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, zum Beispiel in Betracht, dass sofort nach der mündlichen Weisung, den Schriftsatz noch am selben Tag per Fax zu versenden, ein entsprechender Vermerk im Fristenkalender angebracht wird.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermitt- lung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (Senatsbeschlüsse vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f. und vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - FamRZ 2006, 1104, 1005 f.; BGH Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 27/05 - NJW 2007, 601 f.). Diese zwingend notwendige Ausgangskontrolle muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben. Fehlt es an einer allgemeinen Kanzleianweisung, muss sich die Einzelanweisung , einen Schriftsatz sogleich per Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden , in gleicher Weise auf die Ausgangskontrolle erstrecken. Die Kanzleiangestellte ist dann zusätzlich anzuweisen, die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen. Eine diesen Anforderungen genügende Anordnung der Ausgangskontrolle hat weder der Prozessbevollmächtigte des Beklagten noch dessen Kanzleiangestellte vorgetragen oder glaubhaft gemacht. Denn eine Anweisung, die Frist im Kalender erst nach einer Überprüfung des Sendeberichts zu löschen, ergibt sich hier nach dem Vortrag des Beklagten weder aus einer allgemeinen Kanzleianweisung noch aus einer konkreten Anweisung seines Prozessbevollmächtigten.