Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2008 - III ZB 80/07

published on 19/03/2008 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2008 - III ZB 80/07
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Amtsgericht Heilbronn, 7 C 713/07, 27/06/2007
Landgericht Heilbronn, 1 S 35/07, 01/10/2007

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 80/07
vom
19. März 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Notwendigkeit einer hinreichenden Ausgangskontrolle bei der Erteilung
einer Einzelanweisung des Rechtsanwalts, einen fristgebundenen Schriftsatz
durch Telefax an das Gericht zu übermitteln.
BGH, Beschluss vom 19. März 2008 - III ZB 80/07 - LG Heilbronn
AG Heilbronn
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. März 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Wöstmann und
die Richterin Harsdorf-Gebhardt

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 1. Oktober 2007 - 1 S 35/07 Bm - wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Gegenstandswert: 4.926,50 €

Gründe:


I.


1
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung restlicher Ausbildungsvergütung in Höhe von 4.926,50 € nebst Zinsen in Anspruch. Das der Klage stattgebende Urteil des Amtsgerichts Heilbronn ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 13. Juli 2007 zugestellt worden. Hiergegen hat er beim Landgericht Heilbronn rechtzeitig Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 13. September 2007 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten wegen Arbeitsüberlastung beantragt, die am selben Tage ablaufende Frist zur Begründung der Berufung um zwei Wochen zu verlängern. Der durch Telefax versandte Schriftsatz ist an das Landgericht adressiert, wurde jedoch wegen einer unrichtigen Telefaxnummer am 13. September 2007 kurz nach 15.00 Uhr dem Amtsgericht Heilbronn übermittelt. Von dort wurde er an das Landgericht weitergeleitet , wo er am 17. September 2007 eingegangen ist.
2
einen Auf Hinweis des Berichterstatters hat der Beklagte noch am 17. September 2007 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt; die Berufungsbegründung ist am 28. September 2007 erfolgt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat der Beklagte vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung der Angestellten E. seines Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht: Nach Vorbereitung des Fristverlängerungsersuchens habe der Prozessbevollmächtigte die Akte der ausgebildeten und besonders zuverlässigen Rechtsanwaltsfachangestellten mit der Anweisung übergeben, das Gesuch umgehend per Telefax an das zuständige Landgericht Heilbronn zu übermitteln und nachfolgend telefonisch die Geschäftsstelle des Gerichts zwecks Kontrolle zu kontaktieren. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen sei der Antrag indes an den Anschluss des Amtsgerichts Heilbronn übermittelt worden. Nachdem Frau E. die Geschäftsstelle des Gerichts bis zum Arbeitsschluss der Kanzlei telefonisch nicht mehr habe erreichen können, sei das Versehen zunächst unentdeckt geblieben.
3
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weiter.

II.


4
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthaft. Es fehlt hier jedoch an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der Beschluss des Berufungsgerichts steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Er verletzt auch nicht das Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz.
5
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt bei der Versendung fristwahrender Schriftsätze für eine Ausgangskontrolle sorgen. Soll der Schriftsatz durch Telefax übermittelt werden, so ist in der Regel ein Sendebericht zu erstellen und auf etwaige Übermittlungsfehler , insbesondere die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer, zu überprüfen (BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2006 - I ZB 64/05 - NJW-RR 2006, 1519 Rn. 9; vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - NJW-RR 2007, 1690, 1691 Rn. 8, 10; Senatsbeschluss vom 4. April 2007 - III ZB 109/06 - NJW-RR 2007, 1429, 1430 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - NJW 2007, 2778 Rn. 6; jeweils m.w.N.). Ausreichend ist auch die allgemeine Anweisung , die Frist erst nach telefonischer Rückfrage beim Empfänger zu streichen (BGH, Beschluss vom 24. Januar 1996 - XII ZB 4/96 - VersR 1996, 1125; Beschluss vom 2. Juli 2001 - II ZB 28/00 - NJW-RR 2002, 60).
6
Das Vorbringen des Beklagten lässt nicht erkennen, dass diesen Anforderungen in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten, dessen Verschulden er sich zurechnen lassen muss (§ 85 Abs. 2 ZPO), genügt worden wäre. Eine allgemeine oder spezielle Anweisung zur Überprüfung des Sendeberichts ist nicht dargetan. Bei der statt dessen hier erteilten Weisung, sich den Eingang des Telefaxes durch die Geschäftsstelle des Landgerichts bestätigen zu lassen, hätte der Prozessbevollmächtigte aber nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts außerdem für den Fall Vorsorge treffen müssen, dass bei Gericht niemand mehr erreicht werden kann und deshalb die vorgesehene Kontrolle fehlschlägt. Dann hätte sich beispielsweise eine alternative Überprüfung des Sendeprotokolls angeboten.
7
3. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Fehlen hinreichender organisatorischer Maßnehmen zur Vermeidung von Fehlern bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze im Streitfall nicht deswegen unerheblich , weil der Prozessbevollmächtigte des Beklagten eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat. Allerdings ist richtig, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend ankommt, wenn im Einzelfall konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02 - NJW-RR 2003, 935 = BB 2003, 707, 708; Senatsbeschluss vom 29. Juli 2004 - III ZB 27/04 - BGH-Report 2005, 44, 45 f.; BGH, Beschluss vom 15. November 2007 - IX ZB 219/06 - NJW 2008, 526, 527 Rn. 10). Dabei ist jedoch auf den Inhalt der Einzelanweisung und den Zweck der allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen Rücksicht zu nehmen. Weicht ein Anwalt von einer bestehenden Organisation ab und erteilt er statt dessen für den konkreten Fall genaue Anweisungen, die eine Fristwahrung gewährleisten, so sind allein diese maßgeblich. Anders ist es hingegen, wenn die Einzelanwei- sung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken (BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03 - NJW 2004, 367, 369; vom 30. Januar 2007 - XI ZB 5/06 - FamRZ 2007, 720 Rn. 6; siehe auch Senatsbeschluss vom 4. April 2007 - III ZB 85/06 - NJW-RR 2007, 1430, 1431 Rn. 9; BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - NJW 2007, 2778 Rn. 6 f).
8
Im vorliegenden Fall fehlte es in der Einzelanweisung des Anwalts an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig gemacht hätten. Die Anweisung an die Kanzleiangestellte bestand lediglich darin, den Schriftsatz umgehend per Telefax an das Landgericht zu übermitteln und sich den Eingang von der Geschäftsstelle bestätigen zu lassen. Damit waren sonst etwa bestehende Kontrollmechanismen weder außer Kraft gesetzt noch obsolet geworden. Denn diese blieben gerade für die hier eingetretene Entwicklung sinnvoll und notwendig, in der die Einzelanweisung des Rechtsanwalts sich als unvollständig erwies, weil die darin bestimmten Kontrollmaßnahmen versagten. Stellt sich dabei die allgemeine Kanzleiorganisation als unzureichend heraus, entlastet es den Rechtsanwalt nicht, wenn er im Einzelfall eine Übermittlung per Telefax an das Berufungsgericht mit gleichfalls ungenügender Überprüfung anordnet.
Schlick Wurm Kapsa
Wöstmann Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
AG Heilbronn, Entscheidung vom 27.06.2007 - 7 C 713/07 -
LG Heilbronn, Entscheidung vom 01.10.2007 - 1 S 35/07 -
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

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Annotations

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.