Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Feb. 2009 - IX ZB 136/06
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg vom 4. April 2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten beider Rechtsmittelzüge hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Der Streitwert beträgt 10.374,88 €.
Gründe:
I.
- 1
- Antragstellerin, Die eine in Polen ansässige Handelsgesellschaft, hat aufgrund des rechtskräftigen Versäumnisurteils des Bezirksgerichts Warschau vom 28. Juni 2005 einen Zahlungsanspruch über 40.122,78 Zloty zuzüglich Zinsen und Kosten gegen die Firma "K. GmbH in R. /Deutschland".
- 2
- Auf ihren Antrag wurde das Versäumnisurteil vom Landgericht für vollstreckbar erklärt. Die Zustellung wurde entsprechend den Angaben der Antragstellerin an die Anschrift "Ä -Straße R." veranlasst , erfolgte jedoch aufgrund eines Weitersendeantrags des Gerichts an die auf der Zustellungsurkunde genannte Firma "K. , K -Weg D.".
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- Die "K. GmbH, K -Weg legte D." Beschwerde ein mit der Begründung, sie habe ge genüber dem polnischen Gericht sachlich mit Schreiben vom 24. Mai 2005 innerhalb der bis 16. Mai 2005 laufenden Frist Stellung genommen, habe aber von diesem Gericht nie mehr etwas gehört und sei auch nicht erneut angehört worden.
- 4
- Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass die Vollstreckbarerklärung gemäß Beschluss des Landgerichts sich nicht auf die Beschwerdeführerin beziehe. Mit der hiergegen eingelegten Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag auf Zurückweisung der Erstbeschwerde weiter.
II.
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- Das gemäß § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsmittel ist zulässig, weil das Beschwerdegericht die Antragstellerin in ih- rem Recht auf rechtliches Gehör verletzt hat, § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO. Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 15 Abs. 2, § 16 Abs. 2 AVAG, § 575 Abs. 2 und 3 ZPO.
- 6
- Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
- 7
- 1. Anwendbar auf die beantragte Vollstreckbarerklärung ist nicht mehr, wie die Antragstellerin gemeint hat, das Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (BGBl. 1994 II S. 2660), sondern die im Verhältnis zu Polen seit 1. Mai 2004 anwendbare Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - EuGVVO - vom 22. Dezember 2000, Amtsblatt EG 2001 Nr. L 12 S. 1 (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht 8. Aufl. Einleitung Rn. 20). Die Übergangsvorschrift des Art. 66 Abs. 2 EuGVVO findet keine Anwendung, weil die Klage in Polen erst nach dem Inkrafttreten der EuGVVO im Verhältnis zu Polen erhoben worden ist (Art. 66 Abs. 1 EugVVO).
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- 2. Das Beschwerdegericht ist unzutreffend davon ausgegangen, dass sich nicht feststellen lasse, dass mit der Firma "K. GmbH, Ä -Straße R.", also mit der im polnischen Urteil genannten Firma, an die die Klage im Rechtshilfeweg zugestellt worden war, die Beschwerdeführerin gemeint sei.
- 9
- Die Beschwerdeführerin ist jedoch offenkundig die Partei, gegen die das polnische Urteil ergangen ist. Die Bezeichnung einer Partei ist als Teil der Pro- zesshandlung auslegungsfähig (BGHZ 4, 328, 334). Entscheidend ist, welchen Sinn die Erklärung aus der Sicht des Gerichts und des Prozessgegners hat. Demgemäß ist bei einer dem Wortlaut nach unrichtigen Bezeichnung grundsätzlich diejenige (juristische) Person als Partei anzusehen, die nach dem Gesamtzusammenhang der Prozesserklärungen als Partei gemeint ist. Dabei können als Auslegungsmittel auch spätere Prozessvorgänge herangezogen werden (BGH, Urt. v. 26. Februar 1987 - VII ZR 58/86, WM 1987, 739, 740; v. 12. Oktober 1987 - II ZR 21/87, ZIP 1988, 571, 574; Beschl. v. 3. Februar 1999 - VIII ZB 35/98, ZIP 1999, 616, 617; v. 15. Mai 2006 - II ZB 5/05, NJW-RR 2006, 1569, 1570 Rn. 11).
- 10
- Danach war die Beschwerdeführerin zweifelsfrei die Partei, gegen die das polnische Urteil ergangen und der Antrag auf Vollstreckbarerklärung gerichtet war. Zwar enthält die Bezeichnung der Antragsgegnerin in dem polnischen Urteil eine Ungenauigkeit, weil sie dort mit "K. GmbH" bezeichnet wurde, während die Firmenbezeichnung gemäß dem Auszug aus dem Handelsregister richtig "K Service GmbH" lautet. Die Antragsgegnerin hat jedoch selbst nicht geltend gemacht, sie sei nicht betroffen , der Prozess in Polen gegen eine andere Firma ähnlichen Namens geführt worden. Sie hat sich vielmehr auf den Prozess in Polen sachlich eingelassen. Die von dem Gericht in Polen veranlasste Zustellung war im Rechtshilfeweg an die Anschrift Ä -Straße in R. erfolgt. Ausweislich des historischen Auszugs aus dem Handelsregister B des Amtsgerichts R. hat die Antragsgegnerin 2006 ihren Sitz von R. nach D. verlegt. In dem Schreiben der Antragsgegnerin an das polnische Gericht vom 24. Mai 2005 und dem Beschwerdeschreiben an das Landgericht vom 28. April 2006 sind jeweils die identische Handelsregisternummer HRB sowie identische Umsatzsteueridentifikationsnummern angegeben.
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- 3. Im Verfahren der Beschwerde durfte die vom Landgericht angeordnete Vollstreckbarerklärung nur unter den Voraussetzungen der Art. 34 und 35 EuGVVO aufgehoben werden, Art. 45 Abs. 1 EuGVVO. Deren Voraussetzungen liegen nicht vor. Dies wird von der Antragsgegnerin auch nicht geltend gemacht. Insbesondere ist Art. 34 Nr. 2 EuGVVO nicht gegeben, weil sich die Antragsgegnerin auf die zugestellte Klage eingelassen hat.
- 12
- Die Antragsgegnerin macht vielmehr geltend, die Entscheidung des polnischen Gerichts sei sachlich falsch, sie sei auch nicht noch einmal angehört worden. Beides ist hier unerheblich. Das polnische Urteil kann inhaltlich nicht überprüft werden, Art. 45 Abs. 2 EuGVVO. Für eine Verletzung des deutschen ordre public im Sinne des Art. 34 Nr. 1 EuGVVO ist keinerlei Anhaltspunkt vorgetragen. Die Antragsgegnerin hätte sich in dem Verfahren in Polen ordnungsgemäß , insbesondere fristgemäß verteidigen und gegebenenfalls Rechtsmittel einlegen müssen.
- 13
- 4. Der Streitwert bemisst sich nach dem Umrechnungskurs bei Eingang der Rechtsbeschwerde am 11. August 2006. Er betrug an diesem Tag laut Auskunft der Deutschen Bundesbank 3,8673.
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
LG Regensburg, Entscheidung vom 04.04.2006 - 6 O 783/06 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 11.07.2006 - 5 W 1082/06 -
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(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen.
(3) Die Rechtsbeschwerdefrist ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 13 Absatz 3).
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen.
(3) Die Rechtsbeschwerdefrist ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 13 Absatz 3).
(1) Die Rechtsbeschwerde wird durch Einreichen der Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof eingelegt.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zu begründen. § 575 Absatz 2 bis 4 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden. Soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Beschwerdegericht von einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgewichen sei, muss die Entscheidung, von der der angefochtene Beschluss abweicht, bezeichnet werden.
(3) Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Beschlusses, gegen den sich die Rechtsbeschwerde richtet, vorgelegt werden.
(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und - 2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.
(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge), - 2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2, - 3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar - a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; - b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.
(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.