Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Juli 2008 - IV ZR 34/08

published on 02/07/2008 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Juli 2008 - IV ZR 34/08
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Oberlandesgericht Hamm, 10 U 109/99, 09/11/2006

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 34/08
vom
2. Juli 2008
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke
am 2. Juli 2008

beschlossen:
1. Der Klägerin wird gegen die Versäumung der Fristen für die Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 9. November 2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das genannte Urteil zugelassen.
Die Sache wird unter Aufhebung dieses Urteils gemäß § 544 Abs. 7 ZPO an das Berufungsgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zurückverwiesen.
Streitwert: 356.243 €

Gründe:


1
Die I. Vorinstanzen haben die Stufenklage, mit der die Klägerin Pflichtteilsansprüche nach ihrem am 31. März 1990 verstorbenen Ehe- mann verfolgt, abgewiesen. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung auf § 1933 Satz 1 BGB gestützt. Es hat nicht ausgeschlossen, dass für die Scheidung deutsches Recht maßgebend sei. Es hat ferner offen gelassen, ob die Klägerin der vom Erblasser beantragten Scheidung zugestimmt habe. Jedenfalls habe die Ehe nach mehr als einjähriger Trennung gemäß § 1565 Abs. 1 BGB geschieden werden müssen, weil sie gescheitert gewesen sei.
2
Insoweit hat sich das Berufungsgericht wesentlich auf die eigene Darstellung der Klägerin in einer von ihr in Spanien am 18. Dezember 1989 eingereichten so genannten Gegenklage (gegen die dort vom Erblasser erhobene Scheidungsklage) gestützt. Danach hätten sich die Ehegatten im Juli 1988 getrennt; die Klägerin habe ihre Bemühungen, die Ehe zu erhalten, im Hinblick auf das beleidigende und quälende Verhalten des Erblassers eingestellt.
3
der Mit Beschwerde macht die Klägerin unter anderem geltend, das Berufungsgericht habe sich nicht mit ihrem Vorbringen auseinander gesetzt, nach Einreichen dieser Gegenklage hätten sich die Ehepartner dahin geeinigt, ihre Ehe fortzuführen und die eingeleiteten gerichtlichen Schritte zur Auflösung der Ehe nicht weiterzuverfolgen. Von dieser gemeinsamen Entscheidung (man habe sich nunmehr endgültig "zusammengerauft" ) habe der Erblasser mehreren (als Zeugen benannten) Freunden im Januar und März 1990 berichtet.
4
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Berufungsgericht hat das Recht der Klägerin auf Gehör vor Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG) jedenfalls dadurch verletzt, dass es ihrem Vorbringen zu einer Ver- söhnung der Ehegatten in der Zeit nach Einreichen der Gegenklage nicht nachgegangen ist.
5
Berufungsgericht Das stellt zwar einleitend und am Ende seiner Ausführungen zu § 1933 BGB fest, dass die Ehe der Klägerin "im Zeitpunkt des Erbfalls"... "ohne den Tod des Erblassers" geschieden worden wäre. Seine Begründung des Scheiterns der Ehe bezieht das Berufungsgericht dagegen auf den Zeitpunkt "bei Einreichung der Scheidungsklage am 07.09.1989" (BU 17 zu Beginn des zweiten Absatzes). Nach § 1933 BGB kommt es indessen darauf an, dass die Voraussetzungen für eine Scheidung zur Zeit des Todes des Erblassers gegeben waren. Auch wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht, sie schon mehr als ein Jahr getrennt voneinander leben und einer von ihnen die Scheidung beantragt hat, setzt § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB für die Feststellung des Scheiterns dieser Ehe weiterhin voraus, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann (BGHZ 128, 125, 129). Für diese Prognose, zu der das Berufungsgericht nicht näher Stellung genommen hat, war der Vortrag der Klägerin zur Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Zeit nach dem 18. Dezember 1989 von Bedeutung. Soweit das Berufungsgericht dem Vortrag der Klägerin, sie habe schon in der Zeit seit Juli 1988 bis zum Einreichen der Gegenklage am 18. Dezember 1989 nur vorübergehend vom Erblasser getrennt gelebt, im Hinblick darauf keinen Glauben geschenkt hat, dass sie den Sachverhalt in ihrer Gegenklage anders dargestellt und die Abweichung nicht erklärt habe, spielt diese Würdigung keine Rolle für die Frage, wie sich die Beziehungen der Ehepartner nach dem 18. Dezember 1989 weiterentwickelt haben. Die dazu von der Klägerin unter Beweis gestellten Behauptungen insbesondere zu Äußerungen des Erblassers gegenüber Dritten Anfang des Jahres 1990 sind hinreichend substantiiert; wenn sie als wahr unterstellt würden, könnte nicht von einem Scheitern der Ehe ausgegangen werden, das die Beklagten zu beweisen haben.
6
Im Übrigen fehlen Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, von welchen subjektiven Vorstellungen die konkrete Lebensgemeinschaft hier geprägt war (vgl. BGHZ 128, 125, 128). Deshalb ist fraglich, ob außereheliche Beziehungen des Erblassers, obwohl sie nach dem Vortrag der Klägerin "nicht weiter ernstzunehmen" waren, hier als Anhaltspunkt für ein Scheitern der Ehe gewertet werden können.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 27.05.1999 - 15 O 144/99 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 09.11.2006 - 10 U 109/99 -
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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

(1) Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen. (2) Leben die Ehegatten

Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten sowie das Recht auf den Voraus ist ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimm
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Annotations

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten sowie das Recht auf den Voraus ist ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Das Gleiche gilt, wenn der Erblasser berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen, und den Antrag gestellt hatte. In diesen Fällen ist der Ehegatte nach Maßgabe der §§ 1569 bis 1586b unterhaltsberechtigt.

(1) Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.

(2) Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten sowie das Recht auf den Voraus ist ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Das Gleiche gilt, wenn der Erblasser berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen, und den Antrag gestellt hatte. In diesen Fällen ist der Ehegatte nach Maßgabe der §§ 1569 bis 1586b unterhaltsberechtigt.

(1) Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.

(2) Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.