Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Apr. 2019 - IV ZB 32/18

16.04.2019
vorgehend
Landgericht Freiburg, 14 O 97/18, 12.07.2018
Oberlandesgericht Karlsruhe, 9 W 26/18, 28.11.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 32/18
vom
16. April 2019
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2019:160419BIVZB32.18.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Richter Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Lehmann, die Richterin Dr. Bußmann und den Richter Dr. Götz am 16. April 2019
beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg , 9. Zivilsenat - vom 28. November 2018 und der Zivilkammer 14 des Landgerichts Freiburg vom 12. Juli 2018 aufgehoben.
Das Landgericht Freiburg ist für die Entscheidung zuständig.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
Gegenstandswert: bis 3.000 €

Gründe:


1
I. Die Parteien streiten über den Rechtsweg.
2
Der Kläger begehrt mit seiner beim Landgericht erhobenen Klage von dem beklagten Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, einer branchenspezifischen Pensionskasse, die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente.
3
Er war vom 1. September 1972 bis zum 30. September 2007 als Bankkaufmann bei der D. (im Folgenden: Arbeitgeberin) beschäftigt, die Mitgliedsunternehmen beim Beklagten ist. Über diese Arbeitgeberin und später über weitere Arbeitgeberinnen war der Kläger beim Beklagten versichert. Seit dem Ausscheiden bei seiner letzten Arbeitgeberin führt der Kläger den Versicherungsvertrag als alleiniger Versicherungsnehmer fort.
4
Das Landgericht hat sich mit Beschluss vom 12. Juli 2018 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Kläger die Feststellung, dass für seine Klage der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet ist.
5
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
6
1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts, dessen Entscheidung in juris (und in BeckRS 2018, 35911) veröffentlicht ist, ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht eröffnet. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) ArbGG sei vielmehr die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben.

7
Bei dem Beklagten handele es sich um eine Sozialeinrichtung des privaten Rechts. Insoweit folge das Beschwerdegericht der Auffassung des Kammergerichts Berlin (VersR 2003, 1194 und DB 2018, 2123). Maßgeblich sei die satzungsgemäße Aufgabe der Beklagten, Angestellte von Banken durch Rentenleistungen sozial abzusichern, sowie der Umstand , dass der Beklagte ausschließlich von Arbeitgebern der betreffenden Branche finanziert werde. Dagegen komme es nicht darauf an, dass der Beklagte als Pensionskasse nicht nur für ein einzelnes Unternehmen oder einen einzelnen Konzern zuständig sei. § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst.b) ArbGG enthalte keine entsprechende Beschränkung des Begriffs der Sozialeinrichtung.
8
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Gemäß § 13 GVG ist der vom Kläger beschrittene Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zulässig. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts und des Kammergerichts Berlin (VersR 2003, 1194 und DB 2018, 2123) sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) ArbGG nicht erfüllt.
9
Wie der Senat im Beschluss vom 3. April 2019 in der Sache IV ZB 17/18 im Einzelnen dargelegt hat, handelt es sich bei dem hier beklagten Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit nicht um eine Sozialeinrichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) ArbGG.
Felsch Harsdorf-Gebhardt Lehmann
Dr. Bußmann Dr. Götz

Vorinstanzen:
LG Freiburg, Entscheidung vom 12.07.2018- 14 O 97/18 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 28.11.2018- 9 W 26/18 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 17a


(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden. (2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Am

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 13


Vor die ordentlichen Gerichte gehören die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehö

Referenzen

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

Vor die ordentlichen Gerichte gehören die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.