Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Okt. 2012 - III ZR 285/12

31.10.2012
vorgehend
Landgericht Halle, 3 O 1951/10, 17.11.2011
Oberlandesgericht Naumburg, 5 U 236/11, 28.03.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 285/12
vom
31. Oktober 2012
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Oktober 2012 durch den
Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter Wöstmann, Hucke, Seiters und
Dr. Remmert

beschlossen:
Die Beklagte wird, nachdem sie die Revision gegen das am 28. März 2012 verkündete Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg - 5 U 236/11 - zurückgenommen hat, dieses Rechtsmittels für verlustig erklärt.
Von einer Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG). Im Übrigen werden die Kosten der Revision der Beklagten auferlegt (§§ 565, 516 Abs. 3 ZPO).
Streitwert: 19.022,88 €

Gründe:


1
1. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 19.022,88 € nebst Zinsen verur- teilt. Das Urteil wurde nach Schluss der mündlichen Verhandlung im selben Termin am 28. März 2012 durch Verlesen der Urteilsformel verkündet. Mit Schriftsatz vom 27. August 2012 hat die Beklagte Revision gegen das zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugestellte Urteil eingelegt. Nach Anforderung der Akten ist das Urteil der Beklagten am 10. September 2012 zugestellt worden; die Revision wurde nach Maßgabe der Entscheidungsgründe nicht zugelassen. Die Beklagte hat daraufhin die Revision "vorsorglich" zurückgenommen und beantragt, Gerichtskosten nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht zu erheben.
2
2. Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 26. Mai 2004 (IBR 2004, 471) darauf verweist, dass sich das Rechtsmittelverfahren gegebenenfalls stillschweigend erledigt habe und es insoweit keiner Entscheidung nach §§ 565, 516 Abs. 3 ZPO bedürfe , folgt dem der Senat nicht.
3
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Dresden wird die Berufung dann, wenn sie sich gegen ein nicht erlassenes und nicht verkündetes Urteil - in erster Instanz war ein Verkündungstermin anberaumt, dort jedoch keine Entscheidung verkündet worden - richtet, im Hinblick auf § 517 Halbsatz 2 Alternative 2 ZPO bei vernünftiger und objektiver Betrachtung unter der stillschweigenden Bedingung des tatsächlichen Erlasses eines Urteils eingelegt. Mithin solle das Rechtsmittel bei Nichtvorliegen dieser Bedingung als nicht eingelegt gelten; in einem solchen Fall bedürfe es keiner Berufungsverwerfung und entfalle eine Kostenentscheidung.
4
Dies kann aber jedenfalls für die vorliegende Konstellation, in der ein Urteil existiert und verkündet worden ist, nicht gelten. Insoweit ist daran festzuhalten , dass die Einlegung der Revision nicht - genauso wenig wie die Einlegung einer Berufung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. November 1951 - IV ZB 68/51, BGHZ 4, 54, 55; vom 16. Dezember 1987 - IVb ZB 161/87, NJW 1988, 2046, 2048 und vom 24. Juni 1999 - IX ZB 30/99, NJW 1999, 2823; OLG Frankfurt MDR 2011, 190, 191) - von einer Bedingung (hier: Zulassung der Revision im noch nicht zugestellten Urteil) abhängig gemacht werden kann.
5
3. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Hätte das Berufungsgericht bei der Abfassung seines Urteils die Zeitvorgaben in § 315 Abs. 2 ZPO eingehalten oder auch nur der Fünf-Monatsfrist des § 548 Halbsatz 2 Alternative 2 ZPO annähernd Rechnung getragen, wäre es nicht zur Einlegung des Rechtsmittels gekommen. Zwar war der Beklagten der Tenor des im Termin am 28. März 2012 verkündeten Urteils durch Übermittlung des Protokolls bekannt. Da die Zulassung der Revision aber nicht zwingend in den Tenor aufgenommen und verkündet werden muss, sondern der Ausspruch auch erst in den Gründen enthalten sein kann (vgl. Senat, Urteil vom 8. März 1956 - III ZR 265/54, BGHZ 20, 188, 189; BGH, Urteil vom 10. März 1956 - IV ZR 268/55, NJW 1956, 831; siehe auch MünchKommZPO/Wenzel, 3. Aufl., § 543 Rn. 30), konnte die Beklagte anhand des Tenors nicht erkennen, dass gegen das Urteil kein Rechts- mittel möglich war, was dazu geführt hat, dass sie im Hinblick auf die Frist des § 548 ZPO vorsorglich Revision eingelegt hat.
Schlick Wöstmann Hucke
Seiters Remmert
Vorinstanzen:
LG Halle, Entscheidung vom 17.11.2011 - 3 O 1951/10 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 28.03.2012 - 5 U 236/11 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Okt. 2012 - III ZR 285/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Okt. 2012 - III ZR 285/12

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Okt. 2012 - III ZR 285/12 zitiert 6 §§.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 21 Nichterhebung von Kosten


(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 565 Anzuwendende Vorschriften des Berufungsverfahrens


Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Z

Zivilprozessordnung - ZPO | § 516 Zurücknahme der Berufung


(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen. (2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 315 Unterschrift der Richter


(1) Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhi

Zivilprozessordnung - ZPO | § 548 Revisionsfrist


Die Frist für die Einlegung der Revision (Revisionsfrist) beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Berufungsurteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkü

Referenzen

(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.

(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.

Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.

(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.

(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.

(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.

(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.

Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.

(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.

(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.

(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.

(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.

(1) Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt.

(2) Ein Urteil, das in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet wird, ist vor Ablauf von drei Wochen, vom Tage der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser Frist das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe der Geschäftsstelle zu übermitteln. In diesem Fall sind Tatbestand und Entscheidungsgründe alsbald nachträglich anzufertigen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(3) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Verkündung oder der Zustellung nach § 310 Abs. 3 zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Prozessakten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

Die Frist für die Einlegung der Revision (Revisionsfrist) beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Berufungsurteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.