Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2003 - III ZB 82/02

bei uns veröffentlicht am27.02.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 82/02
vom
27. Februar 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Erteilung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn der Prozeßbevollmächtigte
einen falsch adressierten Fristverlängerungsantrag unterzeichnet
, einem zuverlässigen Angestellten jedoch die - nicht befolgte - Weisung
erteilt, entsprechend der handschriftlich bereits angebrachten Korrektur
eine neue Reinschrift der Seite herzustellen und den Schriftsatz sodann zum
Gegenlesen erneut vorzulegen.
BGH, Beschluß vom 27. Februar 2003 - III ZB 82/02 - LG Saarbrücken
AG Saarlouis
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Februar 2003 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und
Galke

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluß des Landgerichts Saarbrücken - 11. Zivilkammer - vom 4. Oktober 2002 - 11 S 157/02 - aufgehoben.
Dem Beklagten wird wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Saarlouis vom 7. Juni 2002 - 29 C 1495/00 - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Gründe


I.


Gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten am 12. Juni 2002 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat der Beklagte am 24. Juni 2002 Berufung eingelegt. Ein an das Amtsgericht adressierter und dort am 12. August 2002 eingegangener Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um zwei Wochen ging beim Berufungsgericht am 16. August 2002 ein. Nach Hinweis vom 19. August 2002 auf die Verfristung dieses Antrags beantragte der Be-
klagte am 2. September 2002 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und be- gründete am gleichen Tag seine Berufung.
Das Berufungsgericht hat die Erteilung von Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Zwar hat der Beklagte die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Auf seinen rechtzeitigen Antrag ist ihm jedoch gemäß §§ 233, 234 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Damit wird der die Berufung als unzulässig verwerfende Beschluß des Berufungsgerichts gegenstandslos.

a) Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde gelegt, der durch anwaltliche Versicherung des Prozeßbevollmächtigten und eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwaltsfachangestellten J. glaubhaft gemacht worden ist: Der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten diktierte am 12. August 2002 einen Fristverlängerungsantrag, der noch an demselben Tag per Telefax an das Gericht übersendet werden sollte. Die Antrags-
schrift wurde von dem Rechtsanwaltsfachangestellten J. gefertigt und dem Prozeßbevollmächtigten zur Unterschrift vorgelegt. Dem Prozeßbevollmächtigten fiel hierbei auf, daß als Adressat fälschlicherweise das Amtsgericht angeführt war. Daraufhin strich der Prozeßbevollmächtigte den Adressaten durch und setzte das Landgericht als richtigen Adressaten handschriftlich unter die Streichung. Den Schriftsatz unterzeichnete er sodann auf der zweiten Seite und gab dem Rechtsanwaltsfachangestellten die mündliche Weisung, den Adressaten - wie handschriftlich geschehen - zu ändern. Darüber hinaus wies er diesen an, ihm nach der ausgeführten Korrektur den Schriftsatz nochmals zum Gegenlesen vorzulegen. Entgegen dieser Anweisung unterließ der Rechtsanwaltsfachangestellte - eine seit drei Jahren bei dem Prozeßbevollmächtigten beschäftigte, geschulte und zuverlässige Bürokraft, die schriftliche und mündliche Anweisungen immer unverzüglich und fehlerfrei ausführte - die Korrektur und Wiedervorlage. Vielmehr druckte er die erste Seite des Schriftsatzes mit dem Fehler erneut aus und gab den Schriftsatz dann ohne Rücksprache der Bürovorsteherin zur Fristenkontrolle.

b) Das Berufungsgericht sieht ein dem Beklagten zuzurechnendes Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten darin, daß dieser einen als falsch adressiert erkannten Schriftsatz nach handschriftlicher Korrektur unterschrieben habe. Im Hinblick auf den Umstand, daß an diesem Tag die Berufungsbegründungsfrist abgelaufen sei, hätte er den falsch adressierten Schriftsatz vor der Korrektur entweder nicht unterzeichnen dürfen oder er hätte vor Tagesablauf bemerken müssen, daß ihm der Schriftsatz entgegen seiner Weisung nicht vorgelegt worden sei.
Damit werden die Anforderungen an die Sorgfalt eines Prozeßbevollmächtigten überspannt. Zwar trägt ein Anwalt die Verantwortung dafür, daß eine Rechtsmittelschrift rechtzeitig bei dem zuständigen Gericht eingeht. Insofern muß er sich - wie auch hier geschehen - bei deren Unterzeichnung davon überzeugen, daß sie zutreffend adressiert ist. Der Anwalt darf aber auf der anderen Seite grundsätzlich darauf vertrauen, daß ein Büroangestellter, der sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Ihn trifft unter solchen Umständen nicht die Verpflichtung, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (vgl. BGH, Beschluß vom 13. April 1997 - XII ZB 56/97 - NJW 1997, 1930; Senatsbeschluß vom 31. Oktober 2002 - III ZB 23/02 - Umdruck S. 5). Es kann ihm - wie der Bundesgerichtshof in einem vergleichbaren Fall entschieden hat - unter diesen Umständen auch nicht als Verschulden zugerechnet werden, daß er den Schriftsatz vor der von ihm für erforderlich gehaltenen Korrektur unterzeichnet hat (vgl. BGH, Beschluß vom 10. Februar 1982 - VIII ZB 76/81 - VersR 1982, 471). Dies gilt nicht nur für den Fall einer allgemein erteilten Weisung, wie mit zu korrigierenden Schriftstücken zu verfahren ist, sondern erst recht für eine auf einen speziellen Fall zugeschnittene Einzelweisung, wie sie hier erteilt worden ist.

c) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Berufungsvorschriften kann ein Rechtsanwalt in aller Regel erwarten, daß seinem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entsprochen wird, wenn ein erheblicher Grund im Sinne des § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO a.F. geltend gemacht wird (vgl. nur BGH, Beschluß vom 24. Oktober 1996 - VII ZB 25/96 - NJW 1997, 400). Für die Möglichkeit der Verlängerung nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO n.F. gilt insoweit
nichts anderes. Daß die Begründungsfrist bei rechtzeitiger Antragstellung – der Antrag wurde mit dem Jahresurlaub des sachbearbeitenden Rechtsanwalts begründet - verlängert worden wäre, ergibt sich ferner aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses und aus der anwaltlichen Versicherung des Prozeßbevollmächtigten , ihm sei am Morgen des 12. August 2002 auf telefonische Anfrage zugesagt worden, daß die erbetene Fristverlängerung gewährt werde. Da dem Fristverlängerungsantrag somit zu entsprechen gewesen wäre und die Berufungsbegründung innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO nachgeholt worden ist, kann der Senat selbst dem Beklagten die begehrte Wiedereinsetzung erteilen.
Rinne Wurm Kapsa Dörr Galke

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 23/02
vom
31. Oktober 2002
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Oktober 2002 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Streck, Schlick, Dr. Kapsa und
Dörr

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 25. April 2002 - 16 U 16/02 - aufgehoben.
Dem Kläger wird wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. Dezember 2001 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Gründe


I.


Das Landgericht hat die Feststellungsklage des Klägers aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2001 mit Urteil vom 14. Dezember 2001 abgewiesen. Gegen dieses seiner Prozeßbevollmächtigten am 15. Januar 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. Januar 2002 Berufung eingelegt , die er mit einem am 13. März 2002 eingegangenen Schriftsatz begründet hat. Am 22. März 2002 beantragte der Kläger wegen Versäumung der Beru-
fungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und führte zur Begründung aus: Rechtsanwältin St. , seine erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte , habe mit ihm vereinbart, daß gegen das Urteil des Landgerichts unter Ausschöpfung der Berufungsfrist am 15. Februar 2002 Berufung eingelegt werden solle. Da Rechtsanwältin St. beabsichtigt habe, im Februar 2002 Urlaub zu machen, dessen genaues Datum noch nicht festgestanden habe , habe sie am 28. Januar 2002 die Berufungsschrift diktiert und durch den am Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt Sch. unterzeichnen lassen. Der Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellten G. habe sie die Anweisung erteilt, die Berufungsschrift genau am 15. Februar 2002 bei Gericht einzureichen. Zugleich habe sie verfügt, die Berufungsbegründungsfrist unter Zugrundelegung der angeordneten Einlegung der Berufung vorsorglich auf den 15. März 2002 mit einer Vorfrist zum 8. März 2002 zu notieren. Entgegen der ausdrücklichen Anweisung habe Frau G. die Berufungsschrift schon am 28. Januar 2002 zur Gerichtspost gegeben. Als Rechtsanwältin St. die Kopie der Berufungsschrift mit Eingangsquittung zum 30. Januar 2002 vorgelegt worden sei, habe sie sowohl schriftlich auf der Berufungsschrift als auch mündlich gegenüber Frau G. bei Übergabe der Akte verfügt, die Berufungsbegründungsfrist mit Vorfrist umzunotieren. Frau G. sei jedoch der Ansicht gewesen, eine Umnotierung sei nicht erforderlich, weil die Frist 15. März 2002 nach neuem Recht richtig notiert sei. Sie habe deshalb bei der Verfügung "nicht notwendig" vermerkt, wegen hohen Arbeitsanfalls aber vergessen, Rechtsanwältin St. noch einmal auf die Fristnotierung anzusprechen. Die eingetragene Wiedervorlagefrist 14. Februar 2002 habe sie in der Annahme gestrichen, die Wiedervorlage habe sich durch Einreichung der Berufungsschrift erledigt, weshalb die Akte an diesem Tag nicht vorgelegt worden sei. Dies sei vielmehr erst zur vorsorglich notierten Vorfrist am 8. März
2002 geschehen. Als Rechtsanwältin St. am 11. März 2002 die Akten für die Berufungsbegründung in Arbeit genommen habe, habe sie die falsche Berechnung der Berufungsbegründungsfrist bemerkt.
Das Berufungsgericht hat die Erteilung von Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Zwar hat der Kläger die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Auf seinen rechtzeitigen Antrag ist ihm jedoch gemäß §§ 233, 234 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Damit wird der die Berufung als unzulässig verwerfende Beschluß des Berufungsgerichts gegenstandslos.

a) Nach dem durch anwaltliche Versicherung des Prozeßbevollmächtigten zweiter Instanz und durch eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsund Notariatsfachangestellten G. glaubhaft gemachten Vorbringen des Klägers war dieser ohne ein ihm zuzurechnendes Verschulden seiner Prozeßbevollmächtigten gehindert, die Berufungsbegründungsfrist zu wahren. Hier-
nach beruhte die Versäumung der Frist auf drei Fehlern der Angestellten G. . Entgegen einer erteilten Weisung reichte sie die bereits am 28. Januar 2002 erstellte Berufungsschrift sofort und nicht erst unter Ausschöpfung der Frist am 15. Februar 2002 bei Gericht ein. War dies für sich genommen noch kein Fehler, der unmittelbar zu Rechtsverlusten des Klägers führte, unterließ sie nach Zugang einer Kopie der Berufungsschrift mit Eingangsquittung die ihr mündlich und schriftlich angewiesene Umnotierung der Berufungsbegründungsfrist vom 15. März 2002 auf den 28. Februar 2002, weil sie der irrigen Auffassung war, die Frist laufe nach neuem Recht am 15. März 2002 aus. Sie war jedoch nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen darüber unterrichtet worden, daß nach der Übergangsregelung das alte Recht in Fällen anzuwenden ist, in denen die mündliche Verhandlung, auf welche das Urteil ergeht, vor dem 1. Januar 2002 geschlossen worden ist. Schließlich legte sie die Handakten am 14. Februar 2002 nicht vor, weil sie den Zusammenhang dieser Frist mit der bereits eingereichten Berufung sah.

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Rechtsanwalt die Berechnung üblicher und in seiner Praxis häufig vorkommender Fristen sowie die Führung des Fristenkalenders seinem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büropersonal überlassen. Er muß aber durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür sorgen, daß Fristversäumnisse möglichst vermieden werden (vgl. BGH, Beschluß vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 26/94 - NJW 1994, 2551; Senatsbeschluß vom 31. Januar 2002 - III ZB 69/01 - NJW 2002, 1130). Darüber hinaus darf ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Ihn trifft unter solchen Umständen nicht die Verpflichtung, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung
zu vergewissern (vgl. BGH, Beschluß vom 13. April 1997 - XII ZB 56/97 - NJW 1997, 1930).
aa) Nach diesen Grundsätzen ist den Prozeßbevollmächtigten des Klägers ein Verschulden nicht vorzuwerfen. Die Weisung an die Büroangestellte, die am 28. Januar 2002 bereits unterzeichnete Berufungsschrift erst am 15. Februar 2002 bei Gericht einzureichen, betraf eine einfach wahrzunehmende Handlung, die keine besonderen Kenntnisse voraussetzte und mit Hilfe des Fristenkalenders verläßlich hätte ausgeführt werden können. Auch die möglicherweise vorzunehmende Korrektur einer vorsorglich eingetragenen Berufungsbegründungsfrist nach Eingang der Mitteilung über den genauen Eingang der Berufungsschrift bei Gericht war ein nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Recht immer wieder vorkommender Routinevorgang, den der Anwalt seinem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büropersonal überlassen durfte. Es kommt hier hinzu, daß sich Rechtsanwältin St. auf eine selbständige Bearbeitung durch die Büroangestellte nicht beschränkt, sondern ihr eine mündliche und schriftliche Weisung zur Umnotierung der Berufungsbegründungsfrist erteilt hat. Angesichts dieser Weisung kommt dem Umstand, daß die Büroangestellte möglicherweise die Unterrichtung über das neue Rechtsmittelrecht und die Übergangsregelung noch nicht richtig aufgenommen hatte, keine entscheidende Bedeutung zu, weil die Weisung in jedem Fall zu befolgen war und die Büroangestellte nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen gleichfalls angewiesen war, Rücksprache mit dem Prozeßbevollmächtigten zu halten, wenn sie eine Verfügung anders als angeordnet ausführen wollte. Da ihr nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen bei der Fristberechnung und -notierung seit Beginn ihres Arbeitsverhältnisses in der Kanzlei (Oktober 1997) noch keine Fehler unterlaufen waren, durften sich die Prozeßbevollmächtigten
darauf verlassen, daß auch in dieser Sache die angewiesene Frist eingetragen würde.
bb) Der Senat folgt der Beurteilung des Berufungsgerichts nicht, Rechtsanwältin St. hätte die Eintragung der Frist in den Kalender selbst vornehmen, jedenfalls prüfen müssen, ob die Büroangestellte die Frist richtig eingetragen hatte, nachdem sie bemerkt hatte, daß die Angestellte die Berufungsschrift weisungswidrig zu früh eingereicht hatte. Nicht jeder Fehler rechtfertigt den vom Berufungsgericht gezogenen Schluß, daß man sich auf einen Mitarbeiter nicht mehr verlassen könne. Der Fehler hatte hier nicht entscheidendes Gewicht, weil er als solcher noch nicht mit Rechtsnachteilen für den Kläger verbunden war und eine ordnungsmäßige Abwicklung des Berufungsverfahrens nicht behinderte. Er betraf auch nicht im Kern die Führung des Fristenkalenders , so daß er das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Angestellten in dieser Beziehung nicht berührte. Daß Rechtsanwältin St. unter diesen Umständen durch eine eigene - mündliche und schriftliche - Weisung zur Umnotierung der Berufungsbegründungsfrist dem eingetretenen Fehler Rechnung trug und die weitere fristgemäße Bearbeitung sicherstellen wollte, entsprach einer verantwortungsbewußten und die Interessen des Mandanten wahrnehmenden Verfahrensweise. Zu mehr war sie auch im Hinblick auf den der Angestellten unterlaufenen Fehler bei der Einreichung der Berufungsschrift nicht verpflichtet. Soweit das Berufungsgericht den Beschlüssen des Bundesgerichtshofs vom 3. November 1997 (VI ZB 47/97 - NJW 1998, 460) und vom 10. Juli 1980 (VII ZB 7/80 - VersR 1980, 1047) weitergehende Anforderungen an die vom Rechtsanwalt selbst wahrzunehmenden Pflichten entnehmen will, verkennt es, daß diesen Entscheidungen keine vergleichbaren Fallgestaltungen zugrunde lagen. Es kommt auch nicht auf die Bedenken an, die das Beru-
fungsgericht mit Rücksicht auf das Verhalten des beim Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalts Sch. äußert. Denn dem Wiedereinsetzungsantrag ist seinem gesamten Inhalt nach zu entnehmen, daß Rechtsanwältin St. mit der Bearbeitung betraut war. Daß ihr im Februar 2002 geplanter Urlaub einer Überwachung der Sache entgegenstand, ist nicht erkennbar. Vielmehr belegt ihre Bearbeitung, daß sie das Erforderliche veranlaßt hatte, um die Berufungsbegründung rechtzeitig vorzubereiten. Daß hierzu möglicherweise vor dem 28. Februar 2002 ein Verlängerungsantrag hätte gestellt werden müssen, stellt die ordnungsmäßige Handhabung durch sie nicht in Frage.
Rinne Streck Schlick
Kapsa Dörr

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.