Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Okt. 2010 - III ZB 28/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Beschwerdewert: bis 600 €
Gründe:
I.
- 1
- Die Beklagten vermittelten den Klägern im Jahr 2005 den Kauf einer Eigentumswohnung , die diese zu einem Kaufpreis von 91.900 € von der Verkäuferin erwarben. Die Beklagten erhielten für ihre Vermittlungsleistung eine Provision von der Verkäuferin. Im vorliegenden Rechtsstreit nehmen die Kläger die Beklagten auf Auskunft über die Höhe dieser Provision in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben.
- 2
- Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung begehren die Beklagten Abweisung der Klage. Auf einen Hinweis des Berufungsgerichts, dass der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € nicht übersteige, haben die Beklagten geltend gemacht, es sei nicht allein auf ihren Zeit- und Arbeitsaufwand abzustellen, sondern auf negative Folgen, die sich aus der Begründung der angefochtenen Entscheidung auf einen Folgeprozess ergäben; außerdem müssten Kosten für eine Fachberatung und ein Geheimhaltungsinteresse berücksichtigt werden. Zwischen ihnen und der Verkäuferin bestehe eine enge und beständige Geschäftsbeziehung, in der über Provisionszahlungen Stillschweigen vereinbart worden sei. Die Verkäuferin wolle diese Geschäftsbeziehung beenden, wenn die Auskunft erteilt würde, was mit empfindlichen Umsatzausfällen für ihr Unternehmen verbunden sei.
- 3
- Das Landgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II.
- 4
- Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zutreffend entschieden.
- 5
- 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemisst sich der gemäß §§ 2, 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzende Beschwerde- wert für das Rechtsmittel der zur Auskunftserteilung verurteilten Partei nach ihrem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist im Wesentlichen darauf abzustellen, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Erteilung der Auskunft erfordert und ob die verurteilte Partei ein schützenswertes Interesse daran hat, bestimmte Tatsachen vor dem Gegner geheim zu halten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. November 1994 - GSZ 1/94, BGHZ 128, 85, 87; vom 10. August 2005 - XII ZB 63/05, BGHZ 164, 63, 66). Dabei kann die Bewertung des Berufungsgerichts nur darauf überprüft werden, ob es die gesetzlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Dezember 1987 - IVb ZB 124/87, NJW-RR 1988, 836, 837; vom 23. April 1997 - XII ZB 50/97, NJW-RR 1997, 1089).
- 6
- 2. a) Gemessen hieran ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den erforderlichen Aufwand an Zeit und Kosten auf weniger als 600 € veranschlagt hat. Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, wenn der Zeitbedarf für eine große Zahl gleichartiger Handlungen zu schätzen sei, müsse die Schätzung regelmäßig davon ausgehen, wie viel Zeit typischerweise auf die einzelne Handlung entfalle (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 1999 - IX ZR 351/98, NJW 1999, 3050 f.). Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, für die hier geforderte Auskunft über einen einzelnen Geschäftsvorfall gehe der Zeitaufwand nicht über zwei Stunden hinaus, haben die Beklagten jedoch bereits im Anschluss an den gerichtlichen Hinweis keine Einwände erhoben.
- 7
- Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Beklagten keine Kosten für eine Fachberatung darüber zugestanden hat, wie sie dem ausgeurteilten Auskunftsanspruch genügen. Die Grenzen seines Ermessens werden nicht überschritten, wenn es angenommen hat, dass der Gegen- stand der hier nur auf einen bestimmten Geschäftsvorfall beschränkten Auskunftsverpflichtung auch für einen Laien deutlich umschrieben ist.
- 8
- Zu b) Recht hat das Berufungsgericht es auch für nicht hinreichend glaubhaft gemacht (§ 511 Abs. 3 ZPO) angesehen, dass ein Geheimhaltungsinteresse der Beklagten wegen ihrer ständigen Geschäftsbeziehungen zu der Verkäuferin zu berücksichtigen sei.
- 9
- Zwar kommt es im Rahmen der Beschwer nicht darauf an, ob das Geheimhaltungsinteresse materiell-rechtlich dem Auskunftsanspruch entgegensteht , sondern es genügt, wenn schützenswerte wirtschaftliche Interessen des zur Auskunft Verpflichteten gefährdet werden können. Dies kommt etwa in Betracht , wenn in der Person des Auskunftsbegehrenden die Gefahr begründet ist, dieser werde von ihm offenbarten Tatsachen über den Rechtsstreit hinaus in einer Weise Gebrauch machen, die schützenswerte wirtschaftliche Interessen des zur Auskunft Verpflichteten gefährden könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 1993 - IV ZB 14/93, juris Rn. 6). Andererseits hat der Bundesgerichtshof - auch in Bezug auf einen Auskunftsanspruch - entschieden, Drittbeziehungen stellten keinen aus dem Urteil fließenden Nachteil dar und hätten deshalb als reine Fernwirkung nicht nur für den Streitgegenstand und die daran zu orientierende Bemessung des Streitwerts, sondern gleichermaßen für die Beschwer außer Betracht zu bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 1997 - V ZR 208/96, NJW 1997, 3246). Für den vorliegenden Fall ergibt sich hieraus Folgendes :
- 10
- aa) Dass auch eine andere Erwerberin einer Wohnung in demselben Objekt , ebenfalls vertreten durch den Prozessbevollmächtigten der Kläger, die Beklagten auf Auskunft in Anspruch genommen hat, kann nicht als relevante Ge- fährdung der Interessen der Beklagten angesehen werden. Beiden Vorgängen liegt das Interesse der jeweiligen Erwerber zugrunde, im Nachhinein die Werthaltigkeit des von ihnen erworbenen Objekts näher zu prüfen und daran die Beratungs -/Vermittlungsleistung der Beklagten zu messen. Das sind jeweils auf das Streitverhältnis bezogene Überlegungen, die sich in gleich liegenden Fällen zwar in gleicher Weise auswirken mögen, aber nicht den Schluss darauf zulassen , die Kläger wollten von der Auskunft über ihr Verhältnis zu dem Beklagten hinaus Gebrauch machen.
- 11
- bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht auch keinen Anlass gesehen, wegen einer drohenden Rufschädigung den Besch werdewert zu erhöhen. Nach ständiger Rechtsprechung bleibt das Interesse des Beklagten, die von der klagenden Partei letztlich angestrebte Leistung nicht erbringen zu müssen, bei der Wertbemessung außer Betracht, weil es durch die Verurteilung zur Auskunft, die für den Grund des Hauptanspruchs keine Rechtskraft schafft, nicht berührt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 1988 - IVb ZB 205/87, NJW-RR 1988, 693). Dasselbe gilt für Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung, aus denen die Beklagten für ihr Unternehmen negative Folgewirkungen und eine Schädigung ihres Rufes herleiten.
- 12
- cc) Schließlich ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht das von den Beklagten geltend gemachte Geheimhaltungsinteresse nicht werterhöhend berücksichtigt hat. Der Bestätigung der Verkäuferin vom 15. April 2010 hat es entnommen, dass die Beklagten und sie über die von ihr gezahlten Provisionen, die sie als Teil des kalkulierten Kaufpreises als ihr Geschäftsgeheimnis ansieht, Stillschweigen vereinbart haben, soweit nicht aus rechtlichen Gründen eine Offenbarungspflicht besteht. In dem Schreiben wird die zukünftige Fortsetzung der geschäftlichen Zusammenarbeit an die Einhaltung dieser Verpflichtung, und zwar auch für den hier in Rede stehenden Vermittlungsvorgang , geknüpft. Zu Recht hat das Berufungsgericht dem nicht entnommen, dass die weitere Zusammenarbeit auch dann gefährdet sei, wenn die Beklagten einer ihnen durch Urteil auferlegten Offenbarungspflicht nachkommen. Der Beklagte zu 1 hat zwar, worauf die Beschwerde hinweist, in einer eidesstattlichen Versicherung vom 16. April 2010 weitergehende Konsequenzen der Verkäuferin geschildert. Es ist jedoch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht dieses Vorbringen im Hinblick auf die Bestätigung der Verkäuferin nicht als hinreichend glaubhaft gemacht angesehen hat; zur Versicherung an Eides statt durfte es den Beklagten zu 1 ohnehin nicht zulassen (§ 511 Abs. 3 ZPO).
Seiters Tombrink
Vorinstanzen:
AG Dresden, Entscheidung vom 22.10.2009 - 116 C 844/09 -
LG Dresden, Entscheidung vom 10.05.2010 - 8 S 522/09 -
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
Kommt es nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder des Gerichtsverfassungsgesetzes auf den Wert des Streitgegenstandes, des Beschwerdegegenstandes, der Beschwer oder der Verurteilung an, so gelten die nachfolgenden Vorschriften.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.