Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juni 2006 - II ZB 26/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Beschwerdewert: 250.000,00 €
Gründe:
- 1
- I. Das Landgericht hat die Anfechtungsklagen der Kläger zu 1 bis 13 gegen einen Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 7. April 2004 abgewiesen. Die Klägerin zu 12 hat gegen das ihr am 3. Juni 2005 zugestellte Urteil des Landgerichts am 28. Juni 2005 Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat die Klägerin zu 12 mit Verfügung vom 8. August 2005 darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung als unzulässig zu verwerfen , weil sie nicht innerhalb der zweimonatigen Begründungsfrist begründet worden sei. Mit Schriftsatz vom 4. August 2005 hat auch die Beklagte auf den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist aufmerksam gemacht. Die Klägerin zu 12 hat am 22. August 2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und am 24. August 2005 die Berufung begründet.
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- Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Klägerin zu 12 vorgetragen:
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- Die zuständige, bisher fehlerfrei arbeitende Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellte Frau L. , die über eine langjährige Berufserfahrung verfüge , habe die Berufungsbegründungsfrist mit Vorfrist ordnungsgemäß im Fristenkalender notiert, bei Eintritt der Vorfrist am 20. Juli 2005 die Akten mit einem Fristverlängerungsantrag zur Vorlage an den Rechtsanwalt vorbereitet und in einem Regal abgelegt. Hierbei sei sie durch mehrere Anrufe unterbrochen worden , die zu Folgetätigkeiten geführt hätten. Während eines Telefongesprächs habe sie im Fristenbuch die Erledigung von Vorfrist und Frist vermerkt, weil sie davon ausgegangen sei, den Vorgang nach diesem Anruf dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 12 vorlegen zu können, und dieser Anträge auf Fristverlängerung in der Regel sofort unterzeichne. Danach wie auch in den folgenden Tagen habe sie wegen Arbeitsüberlastung vergessen, die Akten in sein Büro zu bringen. Weil sie die beide Fristen im Fristenbuch als erledigt vermerkt habe, habe sie auch durch das Fristenbuch nicht mehr an die Vorlage der Akten erinnert werden können.
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- Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin zu 12 als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin zu 12 mit der Rechtsbeschwerde.
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- II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 577 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Sie ist zwar statthaft, §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO, aber unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordern weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Wahrung des Rechtsstaatsprinzips eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
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- 1. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung liegt nicht vor, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Einklang steht.
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- Der Klägerin zu 12 konnte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden, weil sie nicht ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO).
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- Die von der Klägerin zu 12 dargelegte Büroorganisation ihres Prozessbevollmächtigten genügt den an eine ordnungsgemäße Fristenkontrolle zu stellenden Anforderungen nicht. Es fehlt nämlich schon nach dem eigenen glaubhaft gemachten Vortrag der Klägerin zu 12 an einer effektiven Ausgangskontrolle , wie sie nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erforderlich ist (vgl. nur BGH, Beschl. v. 4. November 2003 - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688 f.; v. 2. März 2000 - V ZB 1/00, NJW 2000, 1957; v. 9. Juni 1992 - VI ZB 9/92, NJW-RR 1992, 1277). Die von ihrem Prozessbevollmächtigten für die Bearbeitung von Fristsachen erteilte Anweisung, "die Erledigung der Einhaltung von Frist und Vorfrist im Fristenbuch zu vermerken", ist völlig unzureichend. Durch sie wird nicht sichergestellt, dass eine Frist im Kalender erst dann als erledigt gekennzeichnet wird, wenn der fristgebundene Schriftsatz zumin- dest postfertig gemacht und die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet ist. In dem entschiedenen Fall hat sich gerade die Gefahr verwirklicht, der durch die genannten organisatorischen Vorkehrungen begegnet werden soll, dass nämlich Mitarbeiter der Kanzlei, abgelenkt durch andere Aufgaben, Fristen löschen, obwohl die zu erledigenden Aufgaben nicht erfüllt sind.
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- 2. Aus der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ergibt sich ferner ein weiteres organisatorisches Versagen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 12. Denn selbst nach Unterzeichnung und Absendung des vorbereiteten Schriftsatzes hätte die Berufungsbegründungsfrist auch deshalb nicht gestrichen werden dürfen, weil nicht schon die Berufungsbegründung, sondern nur ein Fristverlängerungsantrag bei Gericht eingereicht werden sollte. In einem solchen Fall darf die bisherige - noch nicht ausgeschöpfte - Frist erst nach Bewilligung der Fristverlängerung gelöscht werden (BGH, Beschl. v. 25. Januar 1984 - IVa ZB 11/83, VersR 1984, 336; Beschl. v. 14. Juli 1999 - XII ZB 62/99, NJW-RR 1999, 1663). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 12 hat nicht vorgetragen, dass er durch eine entsprechende Arbeitsanweisung Vorkehrungen dagegen getroffen hat, dass es zu einer solchen fehlerhaften vorzeitigen Löschung der Frist kommen kann.
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- 3. Die angefochtene Entscheidung verletzt die Klägerin zu 12 nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör oder auf wirkungsvollen Rechtsschutz.
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- Anders als die Klägerin zu 12 meint, hat das Berufungsgericht nicht ihren Vortrag übersehen, dass ihr Prozessbevollmächtigter sogar für eine wirksame Eingangskontrolle bei Gericht gesorgt habe, indem er die Anweisung erteilt habe , dass "der Eingang der Schriftsätze bei Gericht zu kontrollieren" sei. Ob eine solche Anweisung im Wiedereinsetzungsverfahren ordnungsgemäß vorgetragen wurde, kann offen bleiben. Es ist zu unterstellen, dass diese Anweisung erteilt ist. Sie genügt aber nicht den - von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten - Anforderungen an eine wirksame Fristenkontrolle, weil nicht sichergestellt ist, dass die Kontrolle des Eingangs vor Ablauf der Frist stattfindet und damit genügend Zeit für eine "Reparatur" bleibt.
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 13.05.2005 - 420 O 53/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 17.10.2005 - 11 U 149/05 -
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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.