vorgehend
Amtsgericht Hannover, 422 C 816/10, 13.10.2011
Landgericht Hannover, 18 S 65/11, 20.03.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 87/12
vom
27. März 2013
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. März 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Büscher,
Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Löffler

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 20. März 2012 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 12.387,90 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Klägerin möchte mit ihrer Revision den Anspruch weiterverfolgen, den sie im Hinblick auf eine nach ihrem Vortrag von der Beklagten nur unvollständig zurückgereichte Musterauswahl von Ringen mit einer im zweiten Rechtszug vorgenommenen Klageerweiterung erfolglos geltend gemacht hat. Sie ist dabei der Ansicht, dass die für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich maßgebliche Wertgrenze des § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO insoweit gemäß § 26 Nr. 8 Satz 2 EGZPO nicht gelte, weil das Berufungsgericht die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz "als unzulässig verworfen habe". Dies trifft indes nicht zu.
2
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin nicht als unzulässig verworfen, sondern - im Hinblick auf die Klageerweiterung unter Hinweis auf deren Unzulässigkeit - als unbegründet zurückgewiesen. Damit scheidet hier eine direkte Anwendung des § 26 Nr. 8 Satz 2 EGZPO aus.
3
Einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift steht entgegen, dass es insoweit an einer Regelungslücke fehlt (vgl. für den Fall der Einspruchsverwerfung durch Urteil gemäß § 341 Abs. 2 ZPO BGH, Beschluss vom 8. September 2011 - III ZR 259/10, FamRZ 2011, 1792 Rn. 5 ff.). Abweichendes gilt zwar dann, wenn das Berufungsgericht dem Berufungskläger den in bewusster Angleichung an die Regelung des § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO gewährten weiten Rechtsschutz gegen ein Urteil, das sein Rechtsmittel als unzulässig verwirft (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des Justizmodernisierungsgesetzes , BT-Drucks. 15/1508, S. 22), dadurch verkürzt, dass es die Berufung objektiv willkürlich als unbegründet zurückweist, obwohl seine Entscheidung ausschließlich auf Erwägungen beruht, die zu einer Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig hätten führen müssen (BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 - VII ZR 47/08, NJW-RR 2011, 1289 Rn. 11). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der von der Klägerin im zweiten Rechtszug vorgenommenen Klageerweiterung mit Recht am Maßstab des § 533 ZPO gemessen. Da es diese Frage verneint hat, hat es die Berufung der Klägerin - unabhängig davon, ob man seine dabei angestellten Erwägungen als zutreffend ansieht (vgl. zur dem Revisionsgericht nur eingeschränkt möglichen Nachprüfung der Beurteilung der Sachdienlichkeit gemäß §§ 263, 533 ZPO BGH, Urteil vom 27. September 2006 - VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 Rn. 9; Urteil vom 27. Januar 2012 - V ZR 92/11, juris Rn. 13) - formell beanstandungsfrei auch insoweit zurückgewiesen.
4
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
5
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Büscher Schaffert
Kirchhoff Löffler
Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 13.10.2011 - 422 C 816/10 -
LG Hannover, Entscheidung vom 20.03.2012 - 18 S 65/11 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 533 Klageänderung; Aufrechnungserklärung; Widerklage


Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn1.der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und2.diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 263 Klageänderung


Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 341 Einspruchsprüfung


(1) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob der Einspruch an sich statthaft und ob er in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, so ist der Einspruch als unzulässig zu verwerfen. (2) Das Urteil

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(1) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob der Einspruch an sich statthaft und ob er in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, so ist der Einspruch als unzulässig zu verwerfen.

(2) Das Urteil kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.

5
a) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist im vorliegenden Fall nach § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO nicht zulässig, da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung gilt nach dem durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) angefügten Satz 2 dieser Bestimmung nur dann nicht, wenn das Berufungsgericht die Berufung (durch Urteil) verwirft. Durch diese Regelung ist dieselbe Möglichkeit der Überprüfung wie bei der nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO vorgesehenen Rechtsbeschwerde geschaffen worden, die ohne Rücksicht auf den Beschwerdewert statthaft ist, wenn das Berufungsgericht die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO verwirft (vgl. zur Rechtslage nach § 26 Nr. 8 EGZPO a.F. BGH, Beschluss vom 4. September 2002 - VIII ZB 23/02, NJW 2002, 3783).

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

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2. Die Revision rügt jedoch zu Recht, dass die Annahme des Berufungsgerichts , die Klageänderung sei nicht sachdienlich (§ 533 Nr. 1 ZPO), von Rechtsfehlern beeinflusst ist. Das Revisionsgericht kann zwar die Verneinung der Sachdienlichkeit nur darauf überprüfen, ob das Berufungsgericht den Begriff der Sachdienlichkeit verkannt oder die Grenzen seines Ermessens überschritten hat (Senatsurteil vom 15. Juni 2005, aaO; BGH, Urteil vom 19. Oktober 1999 – XI ZR 308/98, NJW 2000, 143, unter II 2 b; BGHZ 123, 132, 137). Das ist hier jedoch der Fall, weil das Berufungsgericht einerseits für die Beurteilung wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat und andererseits Gesichtspunkte in die Abwägung eingeflossen sind, die so nicht hätten berücksichtigt werden dürfen.
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a) Bei der Beurteilung der Sachdienlichkeit steht dem Berufungsgericht ein Ermessensspielraum zu; die Beurteilung ist der Nachprüfung durch das Revisionsgericht nur daraufhin unterworfen, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff der Sachdienlichkeit verkannt oder die Grenzen des Ermessens überschritten hat (siehe nur BGH, Urteil vom 27. September 2006 - VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414, 2415 mit umfangreichen Nachweisen).

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)