Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Feb. 2012 - I ZR 142/11

bei uns veröffentlicht am09.02.2012
vorgehend
Landgericht Mainz, O 65/10, 08.02.2011
Oberlandesgericht Koblenz, 9 U 255/11, 06.07.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 142/11
vom
9. Februar 2012
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Februar 2012 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant,
Prof. Dr. Büscher, Dr. Koch und Dr. Löffler

beschlossen:
1. Der Streitwert für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 20.000 € festgesetzt. 2. Der Wert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu machenden Beschwer beträgt 20.000 €.

Gründe:


1
I. Die Klägerin ist der Dachverband aller Verbraucherzentralen. Die Beklagte betreibt bundesweit SB-Warenhäuser. Sie warb in einem Prospekt für eine Matratze mit dem Logo der Stiftung Warentest. Die Klägerin ist der Ansicht , die Werbung sei irreführend und daher wettbewerbswidrig, weil die beworbenen Matratzen mit der Größe 100 x 200 cm und 140 x 200 cm nicht Gegenstand des Tests gewesen seien. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz pauschaler Abmahnkosten in Höhe von 200 € in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung der weitergehenden Klage hinsichtlich der Werbung für Matratzen mit der Größe 100 x 200 cm und der Abmahnkosten stattgegeben. Auf die Berufungen der Parteien hat das Berufungsgericht der Klage unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Beklagten in vollem Umfang stattgegeben. Es hat die Revision nicht zugelassen. Die Beklagte beabsichtigt , dagegen Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen. Mit der Revision möchte sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Die Klägerin beantragt , den Streitwert für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde vorab festzusetzen.
2
II. Die Klägerin hat zwar beantragt, den Streitwert für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde festzusetzen. Aus der Begründung ihres Antrags ergibt sich jedoch, dass sie in erster Linie eine Entscheidung über den Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer begehrt. Denn sie möchte Klarheit darüber gewinnen, ob das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde im Blick auf § 26 Nr. 8 EGZPO statthaft ist und der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € übersteigt. Der Streitwert des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde entspricht nicht zwangsläufig dem Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer. Der Streitwert des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde richtet sich nach dem Interesse der Klägerin an einer Verurteilung der Beklagten. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich dagegen nach dem Interesse der Beklagten an einer Beseitigung dieser Verurteilung.
3
III. Das Berufungsgericht hat den Streitwert für beide Instanzen auf 20.000 € festgesetzt.Zur Begründung hat es ausgeführt, bei diesem Betrag handele es sich um den Regelwert für eine durchschnittliche Wettbewerbsstreitigkeit im Rahmen eines Klageverfahrens; Umstände die ein Abweichen von diesem Regelwert rechtfertigten, seien dem Vortrag der Parteien nicht zu entnehmen.
4
Es ist schon nicht ersichtlich und insbesondere von der Beschwerde nicht dargelegt, dass die Beklagte die Wertfestsetzung des Berufungsgerichts beanstandet hat. Sie kann deshalb auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht mehr mit Einwänden gegen dieWertfestsetzung gehört werden (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2011 - I ZR 83/11, juris Rn. 1).
5
Davon abgesehen macht die Beschwerde zu Unrecht geltend, das Berufungsgericht hätte schon im Hinblick auf den der Klägerin neben dem Unterlassungsanspruch zusätzlich zuerkannten Anspruch auf Zahlung von Abmahnkos- ten in Höhe von 200 € nicht von diesem Regelstreitwert ausgehen dürfen. Ab- mahnkosten erhöhen, wenn sie - wie hier - neben dem Hauptanspruch als Nebenforderung geltend gemacht werden, nach § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG, § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG weder den Streitwert noch den Beschwerdewert (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 - X ZB 7/06, NJW 2007, 3289 mwN; Beschluss vom 5. April 2011 - VI ZB 61/10, NJW-RR 2011, 1430; Beschluss vom 21. Dezember 2011 - I ZR 83/11, juris Rn. 2).
6
IV. Die Beschwer der Beklagten richtet sich zwar danach, wie sich das ausgesprochene Verbot zu ihrem Nachteil auswirkt. Die Beklagte hat aber nicht glaubhaft gemacht, dass ihr Interesse daran, das Unterlassungsgebot nicht befolgen zu müssen, also weiter für die in Rede stehenden Matratzen wie geschehen mit dem Logo der Stiftung Warentest werben zu dürfen, höher zu bewerten ist als das Interesse der Klägerin an einer Unterlassung.
7
Das Interesse des zur Unterlassung verurteilten Beklagten an einer Beseitigung der Verurteilung entspricht allerdings nicht zwangsläufig, aber doch regelmäßig dem Interesse des Klägers an dieser Verurteilung. Denn das Interesse des Klägers an einer solchen Unterlassung ist pauschalierend und unter Berücksichtigung von Bedeutung, Größe und Umsatz des Verletzers, Art, Umfang und Richtung der Verletzungshandlung sowie subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers wie etwa dem Verschuldensgrad zu bewerten (BGH, Beschluss vom 24. Februar 2011 - I ZR 220/10, AfP 2011, 261 mwN). Die Beklag- te hat nicht glaubhaft gemacht, dass diese Gesichtspunkte bei der Bemessung des Streitwerts nicht ausreichend berücksichtigt worden sind.
8
Im Übrigen sind die von der Beklagten vorgetragenen Umstände - die Verbreitung der Werbung und die von der Beklagten hierfür aufgewandten Kosten - von vornherein nicht geeignet, eine höhere Beschwer der Beklagten darzutun. Die Parteien streiten nicht über die Kosten der von der Beklagten bereits verbreiteten Werbung. Der Beklagten ist es auch künftig nicht untersagt, für die von ihr vertriebenen Matratzen mit dem Logo der Stiftung Warentest zu werben, wenn diese Werbung nicht irreführend ist.
Bornkamm Pokrant Büscher
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 08.02.2011 - 10 KH O 65/10 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 06.07.2011 - 9 U 255/11 -

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 43 Nebenforderungen


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1
Der Wert der von der Beklagten mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteigt nicht 20.000 € (§ 26 Nr. 8 EGZPO, §§ 544, 97 Abs. 1 ZPO). Landgericht und Berufungsgericht haben den Streitwert der Klage jeweils auf insgesamt 20.000 € festgesetzt. Bei der im Streitfall gegebenen Sachverhaltskonstellation , bei der die in der Vorinstanz unterlegene Partei sowohl die vom Berufungsgericht beschränkt zugelassene Revision eingelegt als auch gegen die teilweise Nichtzulassung Beschwerde erhoben hat, richtet sich die mit der Revision geltend zu machende Beschwer nach dem Wert der insgesamt erstrebten Änderung des angefochtenen Urteils (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2006 - I ZR 196/05, GRUR 2007, 83 Rn. 11 - Nur auf Neukäufe). Die Beklagte macht insoweit geltend, dass der Streitwert für das Berufungsverfahren auf einen 20.000 € übersteigenden Betrag hätte festgesetzt werden müssen. Die Beschwerdeerwiderung hält dem jedoch mit Recht entgegen, dass nichts dafür ersichtlich und insbesondere auch von der Nichtzulassungsbeschwerde nichts dafür dargelegt worden ist, dass die Beklagte die Streitwertfestsetzung in den Vorinstanzen beanstandet hat. Sie kann deshalb damit auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr gehört werden (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2011 - I ZR 138/10, juris).

(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt.

(2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Wert der Nebenforderungen maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.

(3) Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Betrag der Kosten maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.

(1) Soweit sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert richten, bestimmt sich der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. In Verfahren, in denen Kosten nach dem Gerichtskostengesetz oder dem Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen erhoben werden, sind die Wertvorschriften des jeweiligen Kostengesetzes entsprechend anzuwenden, wenn für das Verfahren keine Gerichtsgebühr oder eine Festgebühr bestimmt ist. Diese Wertvorschriften gelten auch entsprechend für die Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wenn der Gegenstand der Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte. § 22 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) In Beschwerdeverfahren, in denen Gerichtsgebühren unabhängig vom Ausgang des Verfahrens nicht erhoben werden oder sich nicht nach dem Wert richten, ist der Wert unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach Absatz 3 Satz 2 zu bestimmen, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt. Der Gegenstandswert ist durch den Wert des zugrunde liegenden Verfahrens begrenzt. In Verfahren über eine Erinnerung oder eine Rüge wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs richtet sich der Wert nach den für Beschwerdeverfahren geltenden Vorschriften.

(3) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gelten in anderen Angelegenheiten für den Gegenstandswert die Bewertungsvorschriften des Gerichts- und Notarkostengesetzes und die §§ 37, 38, 42 bis 45 sowie 99 bis 102 des Gerichts- und Notarkostengesetzes entsprechend. Soweit sich der Gegenstandswert aus diesen Vorschriften nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 5 000 Euro, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500 000 Euro anzunehmen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 7/06
vom
30. Januar 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Vorprozessual aufgewendete Kosten zur Durchsetzung des im laufenden Verfahren
geltend gemachten Hauptanspruchs wirken nicht werterhöhend unabhängig
davon, ob diese Kosten der Hauptforderung hinzugerechnet werden
oder neben der im Klagewege geltend gemachten Hauptforderung Gegenstand
eines eigenen Antrags sind.
BGH, Beschl. v. 30. Januar 2007 - X ZB 7/06 - LG Duisburg
AG Duisburg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die
Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Asendorf
am 30. Januar 2007

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 23. Februar 2006 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 577,20 €

Gründe:


1
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Reisepreisminderung und Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit in Höhe von 577,20 € nebst Zinsen in Anspruch. Daneben begehrt sie den Ersatz des auf die Verfahrensgebühr nicht anrechenbaren Teils der vorprozessualen Geschäftsgebühr ihres Prozessbevollmächtigten in Höhe von 40,72 € nebst Zinsen.
2
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und den Streitwert auf 577,20 € festgesetzt. Gegen die Streitwertfestsetzung hat die Klägerin Beschwerde und gegen das Urteil Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Streitwertbeschwerde zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die nicht zugelassene Rechtsbeschwerde der Klägerin.
3
II. 1. Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO). Wie sich aus der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und der zu den Akten gereichten Entscheidung des Amtsgerichts München vom 12. Januar 2006 - 331 C 32140/05 - andererseits ergibt, wird die Frage , ob der nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 des Vergütungsverzeichnisses Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG nicht auf die Verfahrensgebühr anrechenbare Teil einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 (bis zum 30. Juni 2006 Nr. 2400) des Vergütungsverzeichnisses streitwerterhöhend wirkt, wenn er neben der Hauptsache zum Gegenstand der Klage gemacht wird, von den Instanzgerichten unterschiedlich beurteilt und ist Gegenstand der Diskussion in der Literatur (vgl. nur Ruess, MDR 2005, 313; Steenbruck, MDR 2006, 423; Tomsen, NJW 2007, 267).
4
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
5
Das Berufungsgericht nimmt mit zutreffender Begründung an, dass die Berufung der Klägerin nicht statthaft ist, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteigt (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Denn nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG und § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG bleiben Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bei der Wertberechnung unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden. Wie bei Zinsen (dazu BGHZ 26, 174, 175; BGH, Urt. v. 24.3.1994 - VII ZR 146/93, MDR 1994, 720; BGH, Beschl. v. 18.1.1995 - XII ZB 204/94, NJW-RR 1995, 706) besteht auch bezüglich der Kosten das Wesen einer Nebenforderung darin, dass sie vom Bestehen einer Hauptforderung abhängig ist.
6
Einem allgemeinen Grundsatz entsprechend sind die Kosten des laufenden Prozesses bei der Wertbemessung nicht zu berücksichtigen, solange die Hauptsache Gegenstand des Rechtsstreits ist (§ 4 ZPO; vgl. BGHZ 128, 85, 92). Zu den Prozesskosten rechnen nicht nur die durch die Einleitung und Führung eines Prozesses ausgelösten Kosten, sondern grundsätzlich auch diejenigen Kosten, die der Vorbereitung eines konkret bevorstehenden Rechtsstreits dienen (BGH, Beschl. v. 20.10.2005 - I ZB 21/05, NJW-RR 2006, 501). Soweit derartige Kosten zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO gehören, können sie im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103, 104 ZPO, § 11 Abs. 1 Satz 1 RVG geltend gemacht werden; einer auf den materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch gestützten Klage fehlt regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. dazu BGHZ 111, 168, 171; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., vor § 91 ZPO Rdn. 22 m.w.N.). Soweit derartige Kosten nicht auf diesem Wege festgesetzt werden können, wie dies für den nicht auf die Verfahrensgebühr anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 20.10.2005 - I ZB 21/05, NJW-RR 2006, 501) oder für den nicht auf die Verfahrensgebühr anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr für ein Mahnschreiben gilt (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 27.4.2006 - VII ZB 116/05, NJW 2006, 2560), können sie auf der Grundlage eines materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs Gegenstand einer unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses zulässigen Klage auf Erstattung dieser Kosten sein.
7
Anspruchsvoraussetzung des materiellrechtlichen Kostenersatzbegehrens ist das Bestehen einer sachlich-rechtlichen Anspruchgrundlage, nämlich dass der Schuldner wegen einer Vertragsverletzung, Verzugs oder sonstigen Rechtsverletzung für den adäquat verursachten Schaden einzustehen hat (Stein/Jonas/Bork, aaO, vor § 91 ZPO, Rdn. 16; Belz in Münch.Komm/ZPO, vor § 91 Rdn. 9). Wird der materiellrechtliche Kostenerstattungsanspruch neben der Hauptforderung, aus der er sich herleitet, geltend gemacht, ist er von dem Bestehen der Hauptforderung abhängig, so dass es sich bei den zur Durchsetzung eines Anspruchs vorprozessual aufgewendeten und unter dem Gesichtspunkt des materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch geltend gemachten Geschäftsgebühren um Nebenforderungen im Sinne von § 4 ZPO handelt, solange die Hauptsache Gegenstand des Rechtsstreits ist (Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 4 Rdn. 12; Musielak/Heinrich, ZPO, 5. Aufl., § 4 Rdn. 16; Steenbruck, MDR 2006, 423, 424; Tomsen, NJW 2007, 267, 269). Die geltend gemachten Beträge wirken deshalb nicht werterhöhend, solange das Abhängigkeitsverhältnis zur Hauptforderung besteht (Zöller/Herget, aaO, § 4 ZPO Rdn. 13 m.w.N.; Enders, JurBüro 2004, 57 f.; Tomsen, NJW 2007, 267, 269). Durch das Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes hat sich daran nichts geändert, da die einschlägigen Wertvorschriften inhaltlich unverändert geblieben sind (zu § 4 ZPO vor Inkrafttreten des RVG vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 4 Rdn. 26; Schwerdtfeger in Münch.Komm/ ZPO, 2. Aufl., § 4 Rdn. 26).
8
Diese Berechnung gilt unabhängig davon, ob die Kosten der Hauptforderung hinzugerechnet werden oder neben der im Klagewege geltend gemachten Hauptforderung Gegenstand eines eigenen Antrags sind (Steenbruck, aaO, S. 424; Enders, JurBüro 2004, 57, 58; für den Fall der Geltendmachung von Zinsen als Nebenforderung vgl. BGH, Beschl. v. 18.1.1995 - XII ZB 204/94, NJW-RR 1995, 706, 707; BGH, Beschl. v. 25.3.1998 - VIII ZR 298/97, NJW 1998, 2060, 2061).
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanzen:
AG Duisburg, Entscheidung vom 07.12.2005 - 53 C 2931/05 -
LG Duisburg, Entscheidung vom 23.02.2006 - 12 S 4/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 61/10
vom
5. April 2011
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Soweit das Erstgericht die Klage wegen eines Anspruchs auf Erstattung vorgerichtlicher
Anwaltskosten abgewiesen hat, bleibt der Wert dieser Forderung bei der Berechnung
des für die Berufung des Beklagten maßgeblichen Beschwerdewerts
(§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) unberücksichtigt.
BGH, Beschluss vom 5. April 2011 - VI ZB 61/10 - LG Kassel
AG Kassel
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. April 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin Diederichsen, die Richter Pauge und
Stöhr und die Richterin von Pentz

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 15. Oktober 2010 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: 587,20 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger begehrt Ersatz weiteren materiellen und immateriellen Schadens nach einem Verkehrsunfall, der sich am 18. November 2008 in Kassel ereignete, als sein Pkw beim Abbiegen nach links aus streitiger Ursache mit einer von der Beklagten zu 1 geführten Straßenbahn der Beklagten zu 2 kollidierte. Die Kaskoversicherung erstattete den Fahrzeugschaden von 5.328 € unter Berücksichtigung einer Selbstbeteiligung von 150 €. Mit der Klage hat der Kläger den Restbetrag von 150 €, Nutzungsausfall in Höhe von 650 €, pauschale Unkosten von 25 €, die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten für die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten, die Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten wegen der Geltendmachung des Ersatzanspruchs gegenüber der Kaskoversicherung sowie ein Schmerzensgeld von 200 € begehrt. Das Amtsgericht hat der Klage unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 50 % stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Der zuerkannte Betrag von 671,04 € setzt sich aus folgenden Positionen zusammen : 150 € Selbstbeteiligung, 325 € Nutzungsausfall, 12,50 € anteilige Unkostenpauschale , 100 € Schmerzensgeld sowie 83,54 € anteilige vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Berufung als unzulässig verworfen und zur Begründung ausgeführt, der Wert des Beschwerdegegenstands übersteige 600 € nicht, denn die noch im Streit befindlichen vorgerichtlichen Anwaltskosten seien als Nebenforderungen bei der Wertberechnung nicht zu berücksichtigen. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beklagten mit der Rechtsbeschwerde.

II.

2
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die hier maßgeblichen Rechtsfragen durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs geklärt sind und das Berufungsgericht hiernach zutreffend entschieden hat (vgl. § 574 Abs. 2 ZPO).
3
2. Das Berufungsgericht hat die Berufung mit Recht als unzulässig verworfen , denn der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 600 € nicht (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind die mit der Klage verlangten vorgerichtlichen Kosten der Geltendmachung der Ersatzansprüche gegenüber der Kaskoversicherung des Klägers bei der Ermittlung des Beschwerdewerts nicht zu berücksichtigen.
4
a) Allerdings sind vorprozessuale Anwaltskosten als streitwerterhöhender Hauptanspruch zu berücksichtigen, wenn sie sich auf einen Anspruch beziehen, der nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden ist (Senatsbeschluss vom 17. Februar 2009 - VI ZB 60/07, VersR 2009, 806 Rn. 4). Das ist vorliegend hinsichtlich der durch die Inanspruchnahme der Kaskoversicherung entstandenen Anwaltskosten ursprünglich der Fall gewesen. Der für die Zulässigkeit der Berufung maßgebliche Umfang der Beschwer beurteilt sich indessen nicht nach dem Streitwert in erster Instanz, sondern nach dem Betrag, um den der Berufungskläger durch das Urteil der ersten Instanz in seinem Recht verkürzt zu sein behauptet und in dessen Höhe er mit seinem Berufungsantrag Abänderung des Urteils beantragt (Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 511 Rn. 13). Demgemäß ist bei einer unbeschränkt eingelegten Berufung des Beklagten der Wert seiner Beschwer nach dem Umfang der erstinstanzlichen Verurteilung zu bemessen (BGH, Beschluss vom 8. Oktober 1982 - V ZB 9/82, NJW 1983, 1063).
5
b) Soweit die Beklagten durch das Urteil des Amtsgerichts zum Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten verurteilt worden sind, handelt es sich um eine nicht werterhöhende Nebenforderung im Sinne von § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO, denn diese Kosten betreffen ausschließlich die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, die Gegenstand des Rechtsstreits sind (vgl. Senatsbeschluss vom 11. März 2008 - VI ZB 9/06, NJW-RR 2008, 898 Rn. 5 mwN). Einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten wegen der Geltendmachung des Ersatzanspruchs gegenüber der Kaskoversicherung des Klägers hat das Amtsgericht verneint. Da es die Klage wegen dieses Anspruchs abgewiesen hat, sind die Beklagten insoweit nicht beschwert. Mithin bleibt der Wert dieser Forderung bei der Berechnung des für die Berufung maßgeblichen Beschwerdewerts (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) unberücksichtigt.
6
3. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht eine Entscheidung darüber hätte nachholen müssen, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO erfüllt sind.
7
a) Das Amtsgericht hat über die Zulassung der Berufung nicht ausdrücklich entschieden. Das Fehlen einer ausdrücklichen Entscheidung bedeutet grundsätzlich Nichtzulassung der Berufung (vgl. MünchKommZPO/Rimmelspacher , 3. Aufl., § 511 Rn. 86; Zöller/Heßler, aaO Rn. 39). Enthält ein Urteil keinen Ausspruch über die Zulassung der Berufung, kann dieser im Wege eines Berichtigungsbeschlusses allerdings dann nachgeholt werden, wenn das Gericht die Berufung im Urteil zulassen wollte und dies nur versehentlich unterblieben ist. Dieses Versehen muss nach außen hervorgetreten und selbst für Dritte ohne Weiteres deutlich sein (Senatsbeschluss vom 11. Mai 2004 - VI ZB 19/04, VersR 2004, 1625). Dass dies hier der Fall sei, macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend.
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b) Nur wenn das erstinstanzliche Gericht deshalb keine Veranlassung gesehen hat, die Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO zuzulassen, weil es aufgrund seiner Streitwertfestsetzung eine Beschwer von mehr als 600 € angenommen hat, muss das Berufungsgericht, sofern es diesen Wert für nicht erreicht hält, die Entscheidung darüber nachholen, ob die Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen ist (Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2010 - VI ZB 74/08, NJW 2011, 615 Rn. 12). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Das Berufungsgericht hat den Wert des Beschwerdegegenstands für die Berufung der Beklagten nicht abweichend von der Wertbemessung des Amtsgerichts festgesetzt. Dass der Wert des Beschwerdegegenstands unterhalb des erstinstanzlichen Gegenstandswerts liegt und 600 € nicht übersteigt, beruht vielmehr allein darauf, dass das Amtsgericht die Klage teil- weise abgewiesen hat. Den für die Berechnung des Beschwerdegegenstands zu berücksichtigenden Wert der zuerkannten Ansprüche hat das Amtsgericht ebenso wie das Berufungsgericht mit weniger als 600 € bemessen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Galke Diederichsen Pauge
Stöhr von Pentz

Vorinstanzen:
AG Kassel, Entscheidung vom 24.06.2010 - 434 C 2371/09 -
LG Kassel, Entscheidung vom 15.10.2010 - 1 S 281/10 -
1
Der Wert der von der Beklagten mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteigt nicht 20.000 € (§ 26 Nr. 8 EGZPO, §§ 544, 97 Abs. 1 ZPO). Landgericht und Berufungsgericht haben den Streitwert der Klage jeweils auf insgesamt 20.000 € festgesetzt. Bei der im Streitfall gegebenen Sachverhaltskonstellation , bei der die in der Vorinstanz unterlegene Partei sowohl die vom Berufungsgericht beschränkt zugelassene Revision eingelegt als auch gegen die teilweise Nichtzulassung Beschwerde erhoben hat, richtet sich die mit der Revision geltend zu machende Beschwer nach dem Wert der insgesamt erstrebten Änderung des angefochtenen Urteils (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2006 - I ZR 196/05, GRUR 2007, 83 Rn. 11 - Nur auf Neukäufe). Die Beklagte macht insoweit geltend, dass der Streitwert für das Berufungsverfahren auf einen 20.000 € übersteigenden Betrag hätte festgesetzt werden müssen. Die Beschwerdeerwiderung hält dem jedoch mit Recht entgegen, dass nichts dafür ersichtlich und insbesondere auch von der Nichtzulassungsbeschwerde nichts dafür dargelegt worden ist, dass die Beklagte die Streitwertfestsetzung in den Vorinstanzen beanstandet hat. Sie kann deshalb damit auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr gehört werden (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2011 - I ZR 138/10, juris).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 220/10
vom
24. Februar 2011
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Februar 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant,
Prof. Dr. Büscher, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

beschlossen:
1. Der Streitwert für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 20.000 € festgesetzt. 2. Der Wert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu machenden Beschwer beträgt 20.000 €.

Gründe:


1
I. Die Klägerin vertreibt im Raum W. das „W. Wochenblatt“. Die Beklagte vertreibt dort das Anzeigenblatt „N. “. Die Beklagte warb für ihre Druckschrift mit der Aussage „Der Marktführer in W. und Umgebung“. Die Klägerin sieht darin eine irreführende Werbung und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat die Revision nicht zugelassen. Die Beklagte beabsichtigt, dagegen Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen. Mit der Revision möchte sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Sie beantragt, den Streitwert für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde vorab festzusetzen.
2
II. Die Beklagte hat zwar beantragt, den Streitwert für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde festzusetzen. Aus der Begründung ihres Antrags ergibt sich jedoch, dass sie in erster Linie den Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer erfahren möchte. Denn sie möchte Klarheit darüber gewinnen, ob das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde im Blick auf § 26 Nr. 8 EGZPO statthaft ist und der Wert ihrer mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € übersteigt. Der Streitwert des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde entspricht nicht zwangsläufig dem Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer. Der Streitwert des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde richtet sich nach dem Interesse der Klägerin an einer Verurteilung der Beklagten. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich dagegen nach dem Interesse der Beklagten an einer Beseitigung dieser Verurteilung.
3
III. Landgericht und Berufungsgericht haben den Streitwert des Verfahrens übereinstimmend und von den Parteien unbeanstandet auf 20.000 € festgesetzt. Die Beklagte macht nicht geltend, dass das Interesse der Klägerin an der erstrebten Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung damit unzutreffend bewertet ist. Auch für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde ist der Streitwert daher auf 20.000 € festzusetzen.
4
IV. Die Beschwer der Beklagten richtet sich zwar danach, wie sich das ausgesprochene Verbot zu ihrem Nachteil auswirkt. Die Beklagte hat aber nicht glaubhaft gemacht, dass ihr Interesse daran, das Unterlassungsgebot nicht befolgen zu müssen, also weiter für den von ihr vertriebenen „N. “ mit der Werbeaussage „Der Marktführer in W. und Umgebung“ werben zu dürfen, höher zu bewerten ist als das Interesse der Klägerin an einer Unterlassung.
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1. Das Interesse des zur Unterlassung verurteilten Beklagten an einer Beseitigung der Verurteilung entspricht zwar nicht zwangsläufig, aber doch regelmäßig dem Interesse des Klägers an dieser Verurteilung. Denn das Interesse des Klägers an einer solchen Unterlassung ist pauschalierend und unter Berücksichtigung von Bedeutung, Größe und Umsatz des Verletzers, Art, Umfang und Richtung der Verletzungshandlung sowie subjektiven Umständen auf Sei- ten des Verletzers wie etwa dem Verschuldensgrad zu bewerten (Spätgens in Gloy/Loschelder/Erdmann, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl., § 87 Rn. 3; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 49 Rn. 13 und 16; Harte/Henning/Retzer, UWG, 2. Aufl., § 12 Rn. 829 f.; Hess in Ullmann, jurisPK-UWG, 2. Aufl., § 12 Rn. 227 f.). Die Beklagte hat nicht glaubhaft gemacht, dass diese Gesichtspunkte bei der Bemessung des Streitwerts nicht ausreichend berücksichtigt worden sind.
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2. Im Übrigen sind die von der Beklagten vorgetragenen Umstände von vornherein nicht geeignet, eine höhere Beschwer der Beklagten darzutun.
7
a) Es mag sein, dass die Behauptung der regionalen Marktführerschaft, wie die Beklagte geltend macht, das entscheidende Verkaufsargument gegenüber Anzeigenkunden ist. Es ist aber nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Beklagte mehr Anzeigenkunden verliert als die Klägerin gewinnt, wenn sie nicht mehr mit der in Rede stehenden Behauptung werben darf. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass - wie die Beklagte behauptet - Anzeigenkunden , die der Beklagten deshalb verlorengehen, nicht zur Klägerin, sondern zu anderen Wettbewerbern wechseln. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass es überhaupt Wettbewerber gibt, die für Anzeigenkunden als Alternative zu den Parteien von Interesse sein könnten.
8
b) Die Beklagte hat auch nicht dargetan, inwiefern die Umstellung ihrer Werbung einen erheblichen Aufwand verursacht und die Mitteilung an ihre Mitarbeiter , dass die untersagte Werbebehauptung nicht mehr verwendet werden darf, kostenintensive Maßnahmen erfordert.
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3. Die von der Beklagten beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer kommt nach alledem nicht in Betracht (vgl. dazu im Übrigen BGH, Beschluss vom 25. Juli 2002 - V ZR 118/02, NJW 2002, 3180). Bornkamm Pokrant Büscher Kirchhoff Koch
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 18.06.2010 - 12 HKO 61/08 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 24.11.2010 - 9 U 817/10 -