Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Jan. 2019 - I ZB 2/15

bei uns veröffentlicht am24.01.2019
vorgehend
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 26 Sch 3/13, 18.12.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 2/15
vom
24. Januar 2019
in dem Verfahren
auf Aufhebung eines inländischen Schiedsspruchs
ECLI:DE:BGH:2019:240119BIZB2.15.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Januar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Prof. Dr. Kirchhoff, Feddersen und die Richterin Dr. Schmaltz
beschlossen:
Die Anhörungsrüge gegen den Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2018 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Gründe:

1
I. Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet. Der Anspruch der Antragsgegnerin aus Art. 103 Abs. 1 GG auf rechtliches Gehör ist durch den Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2018 nicht verletzt.
2
1. Die Antragsgegnerin rügt vergeblich, der Senat habe sich mit ihrem Vortrag zur Versagung effektiven Rechtsschutzes sowie zum Vertrauensschutz, der insbesondere Übergangsregelungen für bereits durch Schiedsspruch vollständig abgeschlossene Schiedsverfahren erfordere, nicht auseinandergesetzt. Der Senat hat ausgeführt, nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union könne die Antragsgegnerin als Investorin effektiven Rechtsschutz vor den Gerichten der Slowakei erhalten, eine Aberkennung materieller Ansprüche sei mit der Entscheidung des Gerichtshofs und der sich daraus ergebenden Aufhebung des Schiedsspruchs im Streitfall nicht verbunden (Senatsbeschluss Rn. 72). Mit den dagegen von der Antragsgegnerin geltend gemachten Argumenten hat sich der Senat befasst, ist ihnen aber nicht gefolgt. Einer ausdrück- lichen Erwähnung sämtlicher Argumente in den Entscheidungsgründen bedurfte es nach den verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht.
3
2. Ohne Erfolg macht die Anhörungsrüge geltend, der Senat habe ihren Vortrag zur Staatenimmunität der Niederlande übergangen, wonach deutsche Gerichte Bestimmungen eines BIT zwischen den Niederlanden und einem dritten Staat nicht für nichtig erklären könnten. Dieser Vortrag war unerheblich. Gegenstand des von der Antragstellerin eingeleiteten Aufhebungsverfahrens ist nicht die Unwirksamkeit des mit den Niederlanden abgeschlossenen BIT, sondern der gegen die Antragstellerin ergangene Schiedsspruch. Soweit für seinen Fortbestand die Gültigkeit der Schiedsklausel in Art. 8 Abs. 2 BIT von Bedeutung ist, handelt es sich um eine Vorfrage, die vom Grundsatz der Immunität fremder Staaten vor nationalen Gerichten nicht erfasst ist (vgl. Kau in Vitzthum/ Proelß, Völkerrecht, 6. Aufl., 3. Abschn. Rn. 89). Im Übrigen sind die Niederlande im Anwendungsbereich des Unionsrechts zweifelsfrei der Jurisdiktion des Gerichtshofs der Europäischen Union unterworfen.
4
3. Vergeblich macht die Antragsgegnerin geltend, der Senat habe ihren Vortrag zur Qualität von Investitionsschutzabkommen als Völkergewohnheitsrecht übergangen.
5
a) Soweit sich die Antragsgegnerin im Zusammenhang mit Art. 18 AEUV auf Völkergewohnheitsrecht bezogen hatte, wollte sie damit die Verpflichtung eines Mitgliedstaats begründen, einen Investor aus einem Mitgliedstaat, mit dem ausnahmsweise kein BIT besteht, einem Investor aus einem anderen Mitgliedstaat gleichzustellen, mit dem ein Investitionsschutzabkommen besteht (Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 27. August 2015, S. 22 f.). Diese Erwägung war weder für den Gerichtshof der Europäischen Union noch für den Senat im Beschluss vom 31. Oktober 2018 erheblich.
6
b) Soweit sich die Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Rüge auf Ausführungen zum Völkergewohnheitsrecht im Zusammenhang mit einer Vorlagepflicht des Senats nach Art. 100 Abs. 2 GG bezieht, hat sich der Senat mit diesem Vortrag ausführlich befasst (Senatsbeschluss Rn. 68 bis 70).
7
c) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin begründet es auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs, dass der Senat nicht ausdrücklich auf Art. 26f WVK als Teil des Völkergewohnheitsrechts eingegangen ist. Der Senat hat ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten durch den Beitritt zur Union ihre völkerrechtliche Dispositionsbefugnis beschränkt und untereinander auf die Ausübung mit dem Unionsrecht kollidierender völkervertraglicher Rechte verzichtet haben. Im Hinblick darauf hat der Vorrang der unionsrechtlichen Bestimmungen zur Folge, dass eine mit ihnen unvereinbare Regelung in einem unionsinternen Abkommen der Mitgliedstaaten auch als völkervertragliche Regelung unanwendbar ist (Senatsbeschluss Rn. 40 f.). Dementsprechend kann auch dem Unionsrecht widersprechendes Völkergewohnheitsrecht zwischen Mitgliedstaaten nicht bestehen.
8
d) Soweit die Antragsgegnerin ihre Zweifel an der Unparteilichkeit und Effektivität der Gerichte der Slowakischen Republik wiederholt und eine fehlende Berücksichtigung von Tatsachenvortrag zu Rechtsschutzdefiziten in der Slowakei rügt, hat der Senat diesen Vortrag zur Kenntnis genommen, darauf jedoch keine abweichende Würdigung gegenüber der Beurteilung des Gerichtshofs der Europäischen Union im vorliegenden Verfahren gründen können (vgl. Senatsbeschluss Rn. 72).
9
e) Ohne Erfolg macht die Anhörungsrüge weiter geltend, der Senat habe den Vortrag der Antragsgegnerin zu Art. II EuÜbk als Völkergewohnheitsrecht übergangen. Dieser Vortrag war unerheblich. Im Streitfall geht es nicht um die Fähigkeit der Slowakei, in einem Einzelfall wirksam eine Schiedsvereinbarung abzuschließen, sondern darum, ob ein Mitgliedstaat die in den Anwendungsbereich eines BIT fallenden Streitigkeiten generell der staatlichen Gerichtsbarkeit entziehen kann. Im Übrigen ginge das Unionsrecht etwaigen völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten auch insoweit vor.
10
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO analog.
Koch Schaffert Kirchhoff
Feddersen Schmaltz
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 18.12.2014 - 26 Sch 3/13 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 100


(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 321a Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör


(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn1.ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2.das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches G

Referenzen

(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)