Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Okt. 2017 - I ZB 18/17

bei uns veröffentlicht am11.10.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 18/17
vom
11. Oktober 2017
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
betreffend die Marke 30 2012 032 880.
ECLI:DE:BGH:2017:111017BIZB18.17.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Oktober 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des 28. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 7. Dezember 2016 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

Gründe:


1
I. Für den Markeninhaber ist am 1. Juni 2012 die Wortmarke Nr. 30 2012 032 880 Die PS-Profis angemeldet und am 19. September 2012 eingetragen worden. Deren Schutz erstreckt sich auf folgende Waren und Dienstleistungen: Klasse 12: Abdeckhauben für Fahrzeuge; Airbags; Anhänger; Anhängerkupplungen ; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser; Autoreifen; Bezüge für Fahrrad- oder Motorradsättel; Bezüge für Fahrzeuglenkräder ; Bremsbacken für Fahrzeuge; Bremsbeläge für Autos; Bremsbeläge für Fahrzeuge; Bremsklötze für Fahrzeuge; Bremskraftverstärker für Fahrzeuge; Bremssättel für Fahrzeuge; Bremsscheiben für Fahrzeuge; Bremsschläuche für Fahrzeuge; Bremsschuhe für Fahrzeuge; Bremstrommeln für Fahrzeuge; Chas- sis für Fahrzeuge; Chassis für Kraftfahrzeuge; Diebstahlsicherungen für Fahrzeuge ; Diebstahlwarngeräte für Fahrzeuge; Dreiräder; Elektrofahrzeuge; Elektromotoren für Landmaschinen; Fahrgestelle für Fahrzeuge; Fahrgestelle für Kraftfahrzeuge; Fahrrad-, Zweiradbremsen; Fahrräder; Fahrradfelgen; Fahrradgabeln ; Fahrradglocken; Fahrradketten; Fahrradklingeln; Fahrradkörbe; Fahrradlenkstangen ; Fahrradmotoren; Fahrradnaben; Fahrradnetze; Fahrradpedale; Fahrradpumpen; Fahrradräder; Fahrradrahmen; Fahrradreifen; Fahrradsättel; Fahrradschläuche; Fahrradspeichen; Fahrradtaschen; Fahrradvorbauten; Fahrtrichtungsanzeiger für Fahrräder; Fahrtrichtungsanzeiger für Fahrzeuge; Fahrzeugbremsen ; Fahrzeuge; Fahrzeugfenster; Fahrzeugkarosserien; Fahrzeugräder ; Fahrzeugradspeichen; Fahrzeugreifen; Fahrzeugsitze; Fahrzeugtüren; Fahrzeugverdecke ; Felgen für Fahrzeugräder; ferngesteuerte Fahrzeuge; Front- und Heckschürzen für Automobile; Frontspoiler und Heckspoiler für Automobile; Fußpedale für Fahrzeuge; Gepäcknetze für Fahrzeuge; Gepäcktaschen für Zweiräder ; Gepäckträger für Fahrzeuge; Getriebe für Landfahrzeuge; Handbremshebel für Fahrzeuge; Hüllen für Ersatzreifen; Hupen und Signalhörner für Fahrzeuge; Innenpolsterungen für Fahrzeuge; Kleinstwagen; Kopfstützen für Fahrzeugsitze; Kotflügel; Kraftfahrzeuge; Kraftfahrzeuge und deren Teile; Kupplungen; Kurbeln für Fahrräder; Ladebordwände; Luftpumpen; Mopeds; Motoren für Landfahrzeuge ; Motorhauben für Fahrzeuge; Motorhauben für Kraftfahrzeuge; Motorräder; Naben für Fahrzeugräder; Radkappen; Radlager für Fahrzeuge; Radzierblenden; Reifen für Fahrzeugräder; Reifen (Pneus); Reserveradhüllen; Roller; Rückfahrwarngeräte für Fahrzeuge; Rückspiegel; Sättel für Fahrräder oder Motorräder; Schaltknäufe für Fahrzeuge; Scheibenwischer; Scheinwerferwischer; Schläuche für Reifen; schlauchlose Reifen; Schmutzfänger; Schnee-, Gleitschutzketten; Schonbezüge für Fahrzeugsitze; Schutzbleche; Schutzbleche für Fahrräder; Sicherheits -Kombigurte für Fahrzeugsitze; Sicherheitsgurte für Fahrzeugsitze; Sicherheitskindersitze für Fahrzeuge; Skiständer für Kraftfahrzeuge; Sonnenblenden für Automobile; Speichenspanner; Sportfahrwerke; Sportwagen; Spurstangen ; Steuerräder für Fahrzeuge; Stoßdämpfer für Fahrzeuge; Stoßdämpfer für Kraftfahrzeuge; Stoßdämpferfedern für Fahrzeuge; Stoßstangen für Fahrzeuge; Stoßstangen für Kraftfahrzeuge; Tankkappen für Fahrzeuge; Tieferlegungsfedern für Fahrwerke; Torsionswellen für Fahrzeuge; Tragfedern für Fahrzeuge; Ventile für Fahrzeugreifen; Wagen (Fahrzeuge); Wagenuntergestelle; Windschutzscheiben ; Wischblätter für Scheibenwischer; Wischer für Scheinwerfer; Klasse 37: Abschmieren von Fahrzeugen; Aufstellung, Wartung und Reparatur von Computerhardware; Auskünfte über Bauangelegenheiten; Auskünfte über Reparaturen; Bau von Messeständen und -läden; Bauberatung; Bimsen; Entstörung in elektrischen Anlagen; Fahrzeuginstandhaltung; Fahrzeugservice; Installation und Reparatur von Einbruchalarmanlagen; Installation und Reparatur von Elektrogeräten; Installation und Reparatur von Heizungen; Installation und Reparatur von Klimaanlagen; Installation und Reparatur von Kühlapparaten; Installation und Reparatur von Telefonen; Installation und Wartung von Hardware für Internetzugänge ; Installation und Wartung von Hardware für Netzwerksysteme; Installation und Wartung von datentechnischen Anlagen; Installation, Wartung und Reparatur von Maschinen; Installationsarbeiten; Instandhaltung, Reinigung und Reparatur von Leder; Lackierarbeiten; Polieren von Fahrzeugen; Reinigung von Fahrzeugen; Reparatur von Fahrzeugen im Rahmen der Pannenhilfe; Reparatur von Schlössern; Rostschutzarbeiten; Rostschutzbehandlung von Fahrzeugen; Runderneuerung von Reifen; Überholung von verschlissenen oder teilweise zerstörten Maschinen; Überholung von verschlissenen oder teilweise zerstörten Mo- toren; Vulkanisierung von Reifen; Wartung und Reparatur von Kraftfahrzeugen; Waschen von Fahrzeugen; Waschen von Kraftfahrzeugen.
2
Gegen diese Eintragung hat die Widersprechende aus der am 13. Dezember 2010 angemeldeten und am 28. Februar 2011 für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 24, 25, 26, 28, 35, 38, 41, 42 und 45, darunter in der Klasse 35 für die Dienstleistungen Einzelhandelsdienstleistungen mittels Teleshopping-Sendungen und über das Internet in den Bereichen: … Maschinen, Werkzeuge und Metallwaren, Bau-, Heimwerker- und Gartenartikel, Hobby- und Bastelbedarf, Elektro- und Elektronikwaren, … Fahrzeuge und Fahrzeugzubehör, … eingetragenen Wort-Bild-Marke Nr. 30 2010 072 876 und aus dem Werktitel Die PS-Profis am 18. Januar 2013 Widerspruch eingelegt.
3
Die Widerspruchsmarke besteht aus dem Begriff "PS PROFIS" und der Wortfolge "Mehr Power aus dem Pott" sowie der graphischen Darstellung eines Sportreifens. In der Widerspruchsmarke ist hinter dem Begriff "PS PROFIS" die Silhouette eines schemenhaft skizzierten Stiers zu sehen. Die Widersprechende betreibt den Fernsehsender "S. ". Sie benutzt den Namen "Die PSProfis" seit Dezember 2009 für eine ihrer Fernsehsendungen.
4
Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Wider- sprechenden ist ohne Erfolg geblieben (BPatG, Beschluss vom 7. Dezember 2016 - 28 W [pat] 50/14, juris).
5
Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer zulassungsfreien Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung rechtlichen Gehörs rügt.
6
II. Das Bundespatentgericht hat angenommen, der Widerspruch könne keinen Erfolg haben, weil zwischen der angegriffenen Marke einerseits und der älteren Widerspruchsmarke und dem älteren Werktitel andererseits keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe. Zur Begründung hat es ausgeführt:
7
Die Waren der angegriffenen Marke in Klasse 12, die dem Fahrzeugoder Autoersatzteil- und dem Fahrzeugzubehörbereich zuzuordnen seien, und die "Einzelhandelsdienstleistungen mittels Teleshopping-Sendungen und über das Internet in den Bereichen: … Fahrzeuge und Fahrzeugzubehör" der Widerspruchsmarke in Klasse 35 seien einander durchschnittlich ähnlich. Die von der angegriffenen Marke in Klasse 37 erfassten Dienstleistungen wiesen teilweise keine Ähnlichkeiten zu den Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke auf. Die Dienstleistungen "Installation und Reparatur von Telefonen" der angegriffenen Marke in Klasse 37 und die Waren "Apparate, Instrumente und Geräte für die Telekommunikation" der Widerspruchsmarke in Klasse 9 seien einander hochgradig ähnlich. Verschiedene Waren in Klasse 9 der Widerspruchsmarke seien einzelnen Dienstleistungen in Klasse 37 der angegriffenen Marke hochgradig ähnlich, teilweise stünden die von der angegriffenen Marke in Klasse 37 erfassten Dienstleistungen in keinem Ähnlichkeitsverhältnis zu den Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke.
8
Die Widerspruchsmarke verfüge nur über unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft. Die Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken sei aus Rechtsgründen zu verneinen. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr sei nicht zu befürchten, da der allein für die Verwechslungsgefahr in Betracht kommende Bestandteil "PS PROFIS" der Widerspruchsmarke ihren Gesamteindruck nicht präge, weil es sich dabei um eine rein beschreibende Sachangabe handele. Der Zeichenbestandteil "PS PROFIS" könne deshalb keine selbständig kennzeichnende Stellung in der Widerspruchsmarke einnehmen und keine kollisionsbegründende Funktion ausüben. Es sei zudem keine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung der Vergleichsmarken erkennbar. Auf Grund der übereinstimmenden Bestandteile "PS PROFIS" und "PS-Profis" komme eine mittelbare Verwechslungsgefahr nicht in Betracht, da die Wortkombination wegen ihres beschreibenden Sinngehalts in Bezug auf die im Ähnlichkeitsbereich liegenden Dienstleistungen und Waren nicht auf die Inhaberin der Widerspruchsmarke hinweise. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke beruhe auf der Gesamtheit ihrer Elemente. Ihr Schutz beschränke sich auf die konkrete graphische Gestaltung.
9
Eine Verwechslungsgefahr mit dem von der Widersprechenden außerdem herangezogenen Werktitel "Die PS-Profis" scheide aus. Zwar stehe der Widersprechenden für ihre Fernsehsendung ab Dezember 2009 "Die PS-Profis" Werktitelschutz zu. Da die angegriffene Marke nicht für die Produktion oder Verbreitung von Fernsehsendungen geschützt sei, bestehe keine für die Bejahung der Verwechslungsgefahr erforderliche Werknähe. Ein erweiterter Werktitelschutz komme dem Werktitel der Widersprechenden nicht zu, weil keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass ihre Fernsehsendung bekannt sei. Deren Marktanteil betrage nach dem Vortrag der Widersprechenden lediglich zwischen 0 % und 4 %. Dies reiche für die Annahme nicht aus, dass der Werktitel als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst werde.
10
III. Die Rechtsbeschwerde der Widersprechenden hat Erfolg.
11
1. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 83 MarkenG). Ihre Statthaftigkeit folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG). Diese Rüge hat die Rechtsbeschwerde im Einzelnen begründet. Auf die Frage, ob die erhobene Rüge durchgreift, kommt es für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels nicht an (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 26. Juni 2010 - I ZB 40/09, GRUR 2010, 1034 Rn. 9 = WRP 2010, 1034 - LIMES LOGISTIK; Beschluss vom 13. August 2015 - I ZB 76/14, juris).
12
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil der Anspruch der Widersprechenden auf rechtliches Gehör verletzt ist.
13
a) Die Rechtsbeschwerde beanstandet allerdings ohne Erfolg, das Bundespatentgericht habe bei der Prüfung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit , für die die einander gegenüberstehenden Zeichen Schutz beanspruchen, das rechtliche Gehör der Widersprechenden verletzt.
14
aa) Die Rechtsbeschwerde rügt, das Bundespatentgericht habe den Vortrag der Widersprechenden außer Acht gelassen, zwischen den sich konkret gegenüberstehenden Dienstleistungen der Klasse 35 und 37, nämlich den für die Widerspruchsmarke geschützten Dienstleistungen "Einzelhandelsdienstleitungen mittels Teleshopping-Sendungen und über das Internet in den Bereichen : … Fahrzeuge und Fahrzeugzubehör" einerseits und den für die angegriffene Marke geschützten Dienstleistungen andererseits, bestehe ein enger Zusammenhang. Hierfür habe sich die Widersprechende auf das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 15. Februar 2011 (T-213/09, GRUR-RR 2011, 253 - Yorma's/Norma) berufen. Das Bundespatentgericht sei hierauf nicht eingegangen, sondern habe eine Ähnlichkeit der Waren- und Dienstleistungen mit der Erwägung verneint, die Dienstleistungen der Klasse 37 würden im Gegensatz zu den als ähnlich geltend gemachten Dienstleistungen der Klasse 35 typischerweise vor Ort erbracht. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Bundespatentgericht, wenn es den Vortrag der Widersprechenden zu den von der angegriffenen Marke erfassten Dienstleistungen der Klasse 37 in seiner Bedeutung erkannt hätte, eine Dienstleistungsähnlichkeit auch hinsichtlich solcher Dienstleistungen angenommen hätte, bei denen es jegliche Ähnlichkeit von vornherein verneint habe. Diese Erwägungen gälten entsprechend für den Vortrag der Widersprechenden, hinsichtlich der weiteren Dienstleistungen der Klasse 37 "Auskünfte über Bauangelegenheiten, Auskünfte über Reparaturen; Bau von Messeständen und Läden; Bauberatung" bestehe Ähnlichkeit mit der für die Widerspruchsmarke eingetragenen Dienstleistung "Einzelhandelsdienstleistungen mittels Teleshopping-Sendungen und über das Internet in den Berei- chen: … Bau-, Heimwerker- und Gartenartikel sowie Hobby und Bastelbedarf".
15
bb) Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht , die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kommt deshalb erst in Betracht, wenn im Einzelfall besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Dies kann etwa der Fall sein, wenn das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht eingeht, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist (BVerfG, NJW 2009, 1584 f. mwN; FamRZ 2013, 1953 Rn. 14). Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs ist hingegen nicht verletzt, wenn das Gericht den Parteivortrag zwar zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, aus ihm jedoch andere rechtliche Schlüsse gezogen hat als die Partei geltend gemacht hat (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2009 - I ZB 53/08, GRUR 2009, 992 Rn. 17 und 23 = WRP 2009, 1104 - Schuhverzierung ; Beschluss vom 7. Juli 2011 - I ZB 68/10, GRUR 2012, 314 Rn. 14 - Medicus.log).
16
cc) Soweit es die Beurteilung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit angeht, hat das Bundespatentgericht den Vortrag der Widersprechenden hierzu sowie ihre Angriffe gegen die Ansicht des Deutschen Patent- und Markenamts, es bestehe keine Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, ausführlich dargestellt. Es hat insbesondere die Bezugnahme der Widersprechenden auf die Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union erwähnt. Das Bundespatentgericht hat diesen Vortrag sodann gewürdigt und zugunsten der Widersprechenden in weitem Umfang eine Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit angenommen. Damit hat es den wesentlichen Kern des von der Widersprechenden in dieser Hinsicht gehaltenen Vortrags erfasst. Eine Gehörsverletzung liegt insoweit nicht vor.
17
b) Die Rechtsbeschwerde rügt jedoch mit Erfolg, das Bundespatentgericht habe den Anspruch der Widersprechenden auf rechtliches Gehör bei der Beurteilung der Frage der Zeichenähnlichkeit verletzt. Das Bundespatentgericht hätte insoweit auf seine im angefochtenen Beschluss vertretene Auffassung vorab hinweisen müssen.
18
aa) Gemäß § 59 Abs. 2 MarkenG hat das Deutsche Patent- und Markenamt einem Verfahrensbeteiligten innerhalb einer bestimmten Frist Gelegenheit zur Äußerung zu geben, wenn die Entscheidung auf Umstände gestützt wird, die dem Verfahrensbeteiligten noch nicht mitgeteilt waren. Gemäß § 78 Abs. 2 MarkenG darf das Bundespatentgericht die Entscheidung nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Mit diesen Bestimmungen wird für das patentamtliche Verfahren und für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gesetzlich festgelegt. Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Aus ihr ergibt sich zwar keine Verpflichtung des Gerichts, vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen oder allgemein von seinem Frage- und Aufklärungsrecht Gebrauch zu machen. Es stellt jedoch eine Versagung des rechtlichen Gehörs dar, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen - nach dem bisherigen Verfahrensverlauf nicht zu rechnen brauchte, weil dies im Ergebnis der Verhinderung des Vortrags eines Verfahrensbeteiligten gleichkommt (vgl. BVerfGE 84, 188, 190; BVerfG, NJW 1994, 1274; BGH, GRUR 2010, 1034 Rn. 11 - LIMES LOGISTIK; BGH, Beschluss vom 11. Februar 2016 - I ZB 87/14, GRUR 2016, 500 Rn. 24 = WRP 2016, 592 - Fünf-Streifen-Schuh).
19
bb) Nach diesen Maßstäben hat das Bundespatentgericht den Anspruch der Widersprechenden auf rechtliches Gehör verletzt.
20
(1) Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Widersprüche der Widersprechenden wegen fehlender Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit zurückgewiesen. Die Widersprechende hat sich mit dieser ihrer Ansicht nach unzutreffenden Beurteilung im Beschwerdeverfahren ausführlich auseinandergesetzt , während sich der Markeninhaber im Beschwerdeverfahren nicht geäußert hat. Das Bundespatentgericht hat in weitem Umfang eine Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit angenommen, eine Zeichenähnlichkeit jedoch wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft des Bestandteils "PS PROFIS" der Widerspruchsmarke verneint und eine Verwechslungsgefahr insgesamt abgelehnt.
21
(2) Mit einer solchen Entscheidung musste die Widersprechende bereits angesichts des Verfahrensverlaufs nicht rechnen, in dem die Verfahrensbeteiligten und das Deutsche Patent- und Markenamt sich allein mit der Frage der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit befasst hatten. Aus diesem Grund war das Bundespatentgericht gehalten, die Widersprechende auf seine im bisherigen Verfahren weder vom Inhaber der angegriffenen Marke noch vom Deutschen Patent- und Markenamt geäußerte Rechtsauffassung vor einer Entscheidung hinzuweisen.
22
(3) Zwar setzt die Prüfung der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG eine Beurteilung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen den Faktoren der Waren- und Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Identität oder Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke voraus, so dass vom Widersprechenden im Regelfall Vortrag hierzu ohne einen entsprechenden Hinweis erwartet werden kann. Im Streitfall musste sich der Widersprechenden die aus dem angefochtenen Beschluss ersichtliche Beurteilung der Zeichenähnlichkeit durch das Bundespatentgericht jedoch nicht ohne einen solchen Hinweis aufdrängen. Das Deutsche Patentund Markenamt hatte die angegriffene Marke mit dem Wortbestandteil "PS Profis" für vom Bundespatentgericht in weiten Teilen als ähnlich oder hochgradig ähnlich angesehene Waren- und Dienstleistungen als reine Wortmarke eingetragen und damit inzident das Vorliegen absoluter Schutzhindernisse verneint. Die Widersprechende musste daher nicht damit rechnen, dass das Bundespatentgericht dem hervorgehobenen, begrifflich identischen Wortbestandteil ihrer Wort-Bild-Marke jegliche Schutzfähigkeit für sämtliche beanspruchten Warenund Dienstleistungen versagen und ihn deshalb in die Prüfung der Zeichenähnlichkeit nicht einbeziehen würde.
23
c) Die angefochtene Entscheidung beruht auch auf der Versagung des rechtlichen Gehörs.
24
aa) Ein Gehörsverstoß im Sinne von § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG setzt voraus , dass die angefochtene Entscheidung auf dem Versagen des rechtlichen Gehörs beruht oder beruhen kann. Liegt der Gehörsverstoß in der Verletzung einer Hinweispflicht, muss mit der Rüge ausgeführt werden, wie die betreffende Partei auf einen Hinweis reagiert hätte, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur dann beurteilen kann, ob die angefochtene Entscheidung auf dem Gehörsverstoß beruht (BGH, GRUR 2010, 1034 Rn. 17 - LIMES LOGISTIK, mwN; BGH, Beschluss vom 11. April 2013 - I ZB 92/11, juris Rn. 25).
25
bb) Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Rechtsbeschwerde.
26
(1) Das Bundespatentgericht hat angenommen, die angesprochenen Verkehrskreise verstünden unter dem Begriff "PS PROFIS" Personen, die im Fahrzeugbereich über besondere Qualifikationen verfügten. Bezüglich der von der Widerspruchsmarke erfassten "Einzelhandelsdienstleistungen mittels Teleshopping -Sendungen und über das Internet in den Bereichen: … Fahrzeuge und Fahrzeugzubehör" erweise sich dieser Zeichenbestandteil als die beanspruchten Dienstleistungen in der Weise beschreibend, dass die sie erbringenden Personen über besondere Kenntnisse im Zusammenhang mit Fahrzeugen und Fahrzeugzubehör verfügten. Entsprechend verhalte es sich bei den Waren "Apparate, Instrumente und Geräte für die Telekommunikation" der älteren Marke. Gerade bei neueren Fahrzeugen sei es üblich, diese mit neuesten Telekommunikationseinrichtungen zu versehen. Der Zeichenbestandteil "PS PROFIS" bringe zum Ausdruck, dass die Apparate, Instrumente und Geräte von ausgewiesenen Spezialisten in die Autos eingebaut würden und für Fahrzeuge bestimmt seien. Dies gelte auch für die Waren "Datenverarbeitungsgeräte, Computer, Modems, Terminals (Datenverarbeitungsgeräte)" der Widerspruchs- marke. Die Reparatur neuerer Fahrzeugmodelle sei oft nur unter Zuhilfenahme dieser Geräte möglich. Aus diesem Grunde könne der Zeichenbestandteil "PS PROFIS" keine kollisionsbegründende Funktion ausüben.
27
(2) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, die Widersprechende hätte auf einen Hinweis des Bundespatentgerichts, die Bezeichnung "PS PROFIS" sei für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen als rein beschreibend anzusehen, hin vorgetragen, dass dem Bestandteil "PS" in Bezug auf Fahrzeuge und Fahrzeugzubehör oder hierauf bezogene Einzelhandelsdienstleistungen keine unmittelbare beschreibende Wirkung zukomme. Bei dem Begriff "PS" handele es sich um eine offiziell nicht mehr gebräuchliche Bezeichnung der physikalischen Einheit für Leistung, die allenfalls beschreibende Anklänge zum Motor eines Fahrzeugs aufweise. Zudem komme der Bezeichnung "PS PROFIS" durch die Alliteration im Anfangs- und Endbuchstaben ihrer Bestandteile "PS" und "PROFIS" eine gewisse Originalität zu. Optisch dominiere dieser Wortbestandteil die Widerspruchsmarke, zumal der Slogan "Mehr Power aus dem Pott" angesichts seiner erheblich geringeren Schriftgröße eindeutig in den Hintergrund trete. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass die angegriffene Marke für zahlreiche Waren der Klasse 12 sowie verschiedene Dienstleistungen der Klasse 37 mit Bezug auf Fahrzeuge und Fahrzeugzubehör in das deutsche Markenregister eingetragen worden sei. Im Übrigen liege die Annahme des rein beschreibenden Charakters der Widerspruchsmarke für die Waren "Apparate, Instrumente und Geräte für die Telekommunikation, Datenverarbeitungsgeräte, Computer, Modems, Terminal (Datenverarbeitungsgeräte)" fern.
28
(3) Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Bundespatentgericht bei Berücksichtigung dieser Umstände zu einer anderen Beurteilung der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen gelangt wäre, das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr bejaht und deshalb der Beschwerde der Widersprechenden stattgegeben hätte.
29
IV. Die angefochtene Entscheidung ist danach aufzuheben. Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 MarkenG).
Büscher Schaffert Kirchhoff Löffler Schwonke
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 07.12.2016 - 28 W(pat) 50/14 -

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(1) Die Eintragung einer Marke kann gelöscht werden,

1.
wenn sie mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang identisch ist und die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen worden ist, mit den Waren oder Dienstleistungen identisch sind, für die die Marke mit älterem Zeitrang angemeldet oder eingetragen worden ist,
2.
wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfaßten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, oder
3.
wenn sie mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang identisch ist oder dieser ähnlich ist, falls es sich bei der Marke mit älterem Zeitrang um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung der eingetragenen Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.

(2) Anmeldungen von Marken stellen ein Schutzhindernis im Sinne des Absatzes 1 nur dar, wenn sie eingetragen werden.

(3) Waren und Dienstleistungen werden nicht schon deswegen als ähnlich angesehen, weil sie in derselben Klasse gemäß dem in der Genfer Fassung vom 13. Mai 1977 des Abkommens vom 15. Juni 1957 von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken (BGBl. 1981 II S. 358, 359) festgelegten Klassifikationssystem (Nizza-Klassifikation) erscheinen. Waren und Dienstleistungen werden nicht schon deswegen als unähnlich angesehen, weil sie in verschiedenen Klassen der Nizza-Klassifikation erscheinen.

(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Bundespatentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 66 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat. Die Rechtsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde bedarf es nicht, wenn gerügt wird,

1.
daß das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
daß bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
daß einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
daß ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
daß der Beschluß aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
daß der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 76/14
vom
13. August 2015
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung Nr. 30 2009 005 341
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. August 2015 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Koch,
Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 28. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 14. Mai 2014 wird auf Kosten der Widersprechenden zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Für die Markeninhaberin ist am 15. Juli 2009 die Wortmarke Nr. 30 2009 005 341 Heliomedical für verschiedene Waren und Dienstleistungen eingetragen worden, deren Schutz sich nach einem Teilverzicht der Markeninhaberin auf folgende Waren und Dienstleistungen erstreckt: Klasse 5: Pharmazeutische und veterinärmedizinische Präparate für die Hautpflege ; Sonnenschutzmittel für pharmazeutische und veterinärmedizinische Zwecke; Badesalze und Badezusätze für medizinische Zwecke; Lichtreaktive Präparate in Form von pharmazeutischen und medizinischen Erzeugnissen; Sonnenbrandsalben; Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke; Öle für medizinische Zwecke; Salze für medizinische Zwecke; Klasse 10: UV-(Ultraviolett), VIS-(visible=sichtbar) und/oder IR-(Infrarot)Filter für medizinische Zwecke; Ultraviolettlampen für medizinische Zwecke; Apparate und daraus bestehende Anlagen zur Erzeugung von UV-(Ultraviolett), VIS (visible=sichtbar) und/oder IR-(Infrarot)Strahlen für medizinische Zwecke; Lam- pen und Bestrahlungsgeräte für medizinische Zwecke; aus Apparaten bestehende Schutzvorrichtungen gegen UV-(Ultraviolett), VIS-(visible=sichtbar) und/oder IR-(Infrarot)Strahlen für medizinische Zwecke; Strahlentherapiegeräte; Becken für medizinische Geräte; Sessel und Liegen für medizinische Zwecke; Spezialmöbel und Einhausungen für medizinische Zwecke (soweit in Klasse 10 vorhanden); Ultraschallgeräte für medizinische Zwecke; Vernebler für medizinische Zwecke; Klasse 44: Betrieb von Solarien; Schönheitspflege
2
Gegen diese Eintragung hat die Widersprechende aus ihren nachstehend angeführten Marken Widerspruch erhoben: Aus der am 7. November 2006 eingetragenen Gemeinschaftswortmarke
3
GM 4 491 941 HELIOS.EU, die für die Dienstleistungen Klasse 35: Erstellung und Verwaltung medizinischer und administrativer Daten; Klasse 37: Reinigungsdienstleistungen für den gesamten Krankenhausbereich; Klasse 38: Kommunikation über das Internet; Klasse 42: Dienstleistungen eines medizinischen und bakteriologischen Labors; Klasse 44: Dienstleistungen eines Krankenhauses; Verpflegung von Personen im Krankenhausbereich; gewerbsmäßige Beratung (ausgenommen Unternehmensberatung ) im Hinblick auf den Einkauf für den gesamten Krankenhausbedarf ; Informationsdienstleistungen im Gesundheitswesen, nämlich Austausch digitaler Daten zwischen Krankenhäusern und Kliniken untereinander oder zu Dritten eingetragen ist.
4
Aus der am 7. Dezember 2009 eingetragenen Gemeinschaftswortmarke GM 4 492 062 HELIOS, die für die Dienstleistungen Klasse 35: Erstellung und Verwaltung medizinischer und administrativer Daten; Klasse 37: Reinigungsdienstleistungen für den gesamten Krankenhausbereich; Klasse 42: Dienstleistungen eines medizinischen und bakteriologischen Labors; Klasse 44: Dienstleistungen eines Krankenhauses; Verpflegung von Personen im Krankenhausbereich; gewerbsmäßige Beratung (ausgenommen Unternehmensberatung ) im Hinblick auf den Einkauf für den gesamten Krankenhausbedarf ; Informationsdienstleistung im Gesundheitswesen, nämlich Austausch digitaler Daten zwischen Krankenhäusern und Kliniken untereinander oder zu Dritten eingetragen ist.
5
Aus der am 7. März 1997 eingetragenen deutschen Wortmarke Nr. 396 17 615 HELIOS, die für die Dienstleistungen Klasse 37: Reinigungsdienstleistungen für den gesamten Krankenhausbereich; Klasse 42: Dienstleistungen eines medizinischen und bakteriologischen Labors; Klasse 44: Dienstleistungen eines Krankenhauses; Verpflegung von Personen im Krankenhausbereich; gewerbsmäßige Beratung (ausgenommen Unternehmensberatung ) im Hinblick auf den Einkauf für den gesamten Krankenhausbedarf eingetragen ist.
6
Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Widersprechenden hat das Bundespatentgericht zurückgewiesen (BPatG, Beschluss vom 14. Mai 2014 - 28 W (pat) 564/12, juris).
7
Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer zulassungsfreien Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung rechtlichen Gehörs rügt.
8
II. Das Bundespatentgericht hat angenommen, zwischen der angegriffenen Marke und den älteren Widerspruchsmarken bestehe keine Verwechslungsgefahr (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG). Die für die angegriffene Marke in Klasse 5 eingetragenen Waren und Dienstleistungen seien mit den für die Widerspruchsmarken in Klassen 44 geschützten Dienstleistungen ähnlich. Die Widerspruchsmarken verfügten nur über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Die von der Widersprechenden zur Bekanntheit eingereichten Unterlagen - Internetauftritt , Finanz- und Geschäftsberichte aus den Jahren 2008 bis 2011 sowie Umsatzzahlen von über 2 Mrd. € in den Jahren 2008 bis 2011 - reichten nicht aus, um eine erhöhte Kennzeichnungskraft anzunehmen. Aus ihnen ergäben sich zu wenig objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Widerspruchsmarken bei den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt seien. Es fehlten objektive Statistiken und Angaben zu dem von der Marke gehaltenen Marktanteil, die zuverlässige Schlüsse auf die Verkehrsbekanntheit zuließen. Eine für die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausreichende Zeichenähnlichkeit bestehe nicht. Die identische Übernahme des Bestandteils "Helio" der Widerspruchsmarken in die angegriffene Marke führe wegen seiner Kombination mit dem weiteren Wortbestandteil "medical" nicht zur Annahme der Verwechslungsgefahr. Der übereinstimmende Bestandteil "Helio" sei weder prägend noch habe er innerhalb der Gesamtbezeichnung eine selbständig kennzeichnende Stellung.
9
III. Die Rechtsbeschwerde der Widersprechenden hat keinen Erfolg.
10
1. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig (§§ 133, 83 MarkenG). Ihre Statthaftigkeit folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG). Diese Rüge hat die Rechtsbeschwerde im Einzelnen begründet. Auf die Frage, ob die erhobene Rüge durchgreift, kommt es für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels nicht an (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 26. Juni 2010 - I ZB 40/09, GRUR 2010, 1034 Rn. 9 = WRP 2010, 1034 - LIMES LOGISTIK).
11
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, weil der Anspruch der Widersprechenden auf rechtliches Gehör nicht verletzt ist.
12
a) Die Rechtsbeschwerde rügt, das Bundespatentgericht habe den Vortrag der Widersprechenden außer Acht gelassen, wonach die Widerspruchsmarken überragend kennzeichnungskräftig seien. Abgesehen davon, dass die Bekanntheit der Marke "HELIOS" im Gesundheitsbereich gerichtskundig im Sinne des § 291 ZPO sei, habe das Bundespatentgericht die Anlagen LS 1 bis 6 entweder gar nicht oder nur unvollständig berücksichtigt. Es fehle jeder Bezug auf die Anlage LS 2, aus der sich für das Jahr 2012 ein Umsatz der Widersprechenden von mehr als 3,2 Milliarden Euro ergebe. Das Bundespatentgericht habe auch den Vortrag übergangen, dass die Widersprechende in 110 Kliniken in Deutschland mit derzeit rund 69.000 Mitarbeitern und über 34.000 Betten mehr als 4,2 Mio. Patienten medizinisch versorge, davon mehr als 1,2 Mio. stationär. Das Bundespatentgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass die Widersprechende in ihrem Internetauftritt intensiv mit der Wortverbindung "Helios" und "Medizin" werbe. Hätte das Bundespatentgericht diesen Vortrag berücksichtigt , hätte es zugunsten der Widersprechenden entschieden, weil bei gegebener hochgradiger Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen und überragender Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken eine Verwechslungsgefahr anzunehmen sei. Hinzu komme, dass das Bundespatentgericht zu Unrecht auch die hochgradige Markenähnlichkeit verneint habe. Damit habe das Bundespatentgericht den Anspruch der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör entscheidungserheblich verletzt.
13
b) Eine Versagung rechtlichen Gehörs im Sinne von § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG liegt nicht vor.
14
aa) Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht , die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kommt deshalb allenfalls in Betracht, wenn im Einzelfall besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Dies kann etwa der Fall sein, wenn das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht eingeht, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist (BVerfG, FamRZ 2013, 1953 Rn. 14; NJW 2009, 1584 f. mwN). Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs ist hingegen nicht verletzt, wenn das Gericht den Parteivortrag zwar zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, aus ihm jedoch andere rechtliche Schlüsse gezogen hat als die Partei geltend gemacht hat (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2009 - I ZB 53/08, GRUR 2009, 992 Rn. 17 und 23 = WRP 2009, 1104 - Schuhverzierung; Beschluss vom 7. Juli 2011 - I ZB 68/10, GRUR 2012, 314 Rn. 14 - Medicus.log).
15
bb) Im vorliegenden Fall ist eine Verletzung des Gebots der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht gegeben. Das Bundespatentgericht hat den von der Widersprechenden als übergangen gerügten Vortrag ausweislich seiner Be- schlussbegründung zur Kenntnis genommen und erwogen. Es hat die Frage erörtert, ob die Widerspruchsmarken angesichts der durch die Vorlage des Internetauftritts sowie der Finanz- und Geschäftsberichte aus den Jahren 2008 bis 2011 dokumentierten wirtschaftlichen Betätigung der Widersprechenden über gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügten. Auch ohne die ausdrückliche Bezugnahme auf die Anlagen "LS 1 bis 6" geht hieraus hervor, dass das Bundespatentgericht den Vortrag der Widersprechenden berücksichtigt hat. Dass es die aufgeworfene Frage einer gesteigerten Kennzeichnungskraft verneint hat, weil nach seiner tatrichterlichen Würdigung die vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend aussagekräftig waren, um von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft durch Benutzung auszugehen, liegt nach den vorstehend wiedergegebenen Maßstäben außerhalb des Kontrollbereichs einer Gehörverletzung. Die Widersprechende begehrt mit ihrer Rüge eine durch die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde des § 83 Abs. 3 MarkenG nicht eröffnete Überprüfung der Richtigkeit der Entscheidung des Bundespatentgerichts. Soweit die Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang auf Umsatzzahlen der Jahre 2012 und 2013 abhebt, kommt es auf diese Zeiträume nicht an, weil sie der Anmeldung der angegriffenen Marke (29. Januar 2009) nachfolgen und eine Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken nach dem Anmeldezeitpunkt nicht zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - I ZB 61/07, GRUR 2008, 903 Rn. 14 = WRP 2008, 1342 - SIERRA ANTIGUO ). Es ist deshalb unschädlich, dass das Bundespatentgericht auf diese Umsatzzahlen nicht eingegangen ist.
16
Auch mit den Darlegungen der Rechtsbeschwerde zu den Fragen der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit, der Zeichenähnlichkeit und der mittelbaren Verwechslungsgefahr greift die Rechtsbeschwerde lediglich die Richtigkeit der Entscheidung des Bundespatentgerichts an, was ihr im vorliegenden Verfahren verwehrt ist. Es ist nicht ersichtlich, dass das Bundespatentgericht Vor- trag der Widersprechenden übergangen hat. Dass das Bundespatentgericht aus den Darlegungen der Widersprechenden andere rechtliche Schlüsse gezogen hat, verletzt nicht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.
Büscher Koch Löffler
Schwonke Feddersen

Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 14.05.2014 - 28 W(pat) 564/12 -

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

17
Erforderlich ist danach, dass eine gleiche oder zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung als Marke angemeldet wird. Das hat das Bundespatentgericht im vorliegenden Fall verneint. Es hat angenommen, dass die angegriffene Bildmarke, die einen weißen Sportschuh darstellt, Schutz nur für die konkrete Abbildung genießt und sich der von der Antragstellerin vertriebene schwarze Schuh mit weißem "H" hiervon deutlich unterscheidet. Ist der Sportschuh der Antragstellerin aber wegen deutlicher Unterschiede nicht dem auf der in Rede stehenden Marke abgebildeten Schuh zum Verwechseln ähnlich, scheidet eine bösgläubige Markenanmeldung unter dem Gesichtspunkt der Störung des Besitzstands des Vorbenutzers aus. Darauf, ob die vom Bundespatentgericht vorgenommene Würdigung zutrifft, kommt es für die Frage der Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht an.
14
Das Bundespatentgericht hat auch diesen Vortrag zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Es hat nur jegliche Ähnlichkeit zwischen "Schuhwaren", für die die Widersprechende allein eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht hat, und den Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke verneint. Dies bedurfte im Hinblick auf die Dienstleistungen der Klassen 35 und 39, für die die angegriffene Marke Schutz beansprucht, keiner näheren Begründung in dem angefochtenen Beschluss.

(1) Das Deutsche Patent- und Markenamt ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Soll die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts auf Umstände gestützt werden, die dem Anmelder oder Inhaber der Marke oder einem anderen am Verfahren Beteiligten noch nicht mitgeteilt waren, so ist ihm vorher Gelegenheit zu geben, sich dazu innerhalb einer bestimmten Frist zu äußern.

(1) Das Bundespatentgericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In der Entscheidung sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Die Entscheidung darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(3) Ist eine mündliche Verhandlung vorhergegangen, so kann ein Richter, der bei der letzten mündlichen Verhandlung nicht zugegen war, bei der Beschlußfassung nur mitwirken, wenn die Beteiligten zustimmen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

24
aa) Gemäß § 59 Abs. 2 MarkenG hat das Deutsche Patent- und Markenamt einem Verfahrensbeteiligten innerhalb einer bestimmten Frist Gelegenheit zur Äußerung zu geben, wenn die Entscheidung auf Umstände gestützt wird, die dem Verfahrensbeteiligten noch nicht mitgeteilt waren. Mit dieser Bestimmung wird auch für das patentamtliche Verfahren der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gesetzlich festgelegt (Kirschneck in Ströbele/Hacker aaO § 59 Rn. 14; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 59 MarkenG Rn. 20; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 59 Rn. 8). Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Aus ihr ergibt sich zwar keine Verpflichtung des Gerichts, vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen oder allgemein von seinem Frage- und Aufklärungsrecht Gebrauch zu machen. Es stellt jedoch eine Versagung des rechtlichen Gehörs dar, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen - nach dem bisherigen Verfahrensverlauf nicht zu rechnen brauchte, weil dies im Ergebnis der Verhinderung des Vortrags eines Verfahrensbeteiligten gleichkommt (vgl. BVerfGE 84, 188, 190; BVerfG, NJW 1994, 1274; BGH, Beschluss vom 24. Juni 2010 - I ZB 40/09, GRUR 2010, 1034 Rn. 11 = WRP 2010, 1399 - LIMES LOGISTIK).

(1) Die Eintragung einer Marke kann gelöscht werden,

1.
wenn sie mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang identisch ist und die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen worden ist, mit den Waren oder Dienstleistungen identisch sind, für die die Marke mit älterem Zeitrang angemeldet oder eingetragen worden ist,
2.
wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfaßten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, oder
3.
wenn sie mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang identisch ist oder dieser ähnlich ist, falls es sich bei der Marke mit älterem Zeitrang um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung der eingetragenen Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.

(2) Anmeldungen von Marken stellen ein Schutzhindernis im Sinne des Absatzes 1 nur dar, wenn sie eingetragen werden.

(3) Waren und Dienstleistungen werden nicht schon deswegen als ähnlich angesehen, weil sie in derselben Klasse gemäß dem in der Genfer Fassung vom 13. Mai 1977 des Abkommens vom 15. Juni 1957 von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken (BGBl. 1981 II S. 358, 359) festgelegten Klassifikationssystem (Nizza-Klassifikation) erscheinen. Waren und Dienstleistungen werden nicht schon deswegen als unähnlich angesehen, weil sie in verschiedenen Klassen der Nizza-Klassifikation erscheinen.

(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Bundespatentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 66 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat. Die Rechtsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde bedarf es nicht, wenn gerügt wird,

1.
daß das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
daß bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
daß einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
daß ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
daß der Beschluß aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
daß der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

25
aa) Ein Gehörsverstoß im Sinne von § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung auf dem Versagen des rechtlichen Gehörs beruht oder beruhen kann. Liegt der Gehörsverstoß in der Verletzung einer Hinweispflicht, muss mit der Rüge ausgeführt werden, wie die betreffende Partei auf einen Hinweis reagiert hätte, weil nur so das Rechtsbeschwerdegericht beurteilen kann, ob die angefochtene Entscheidung auf dem Gehörverstoß beruht (BGH, GRUR 2010, 1034 Rn. 17 - LIMES LOGISTIK, mwN).

(1) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluß. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung getroffen werden.

(2) Der Bundesgerichtshof ist bei seiner Entscheidung an die in dem angefochtenen Beschluß getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Rechtsbeschwerdegründe vorgebracht sind.

(3) Die Entscheidung ist zu begründen und den Beteiligten von Amts wegen zuzustellen.

(4) Im Falle der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen. Das Bundespatentgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.