Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juli 2017 - I ZA 3/17

27.07.2017
vorgehend
Amtsgericht Memmingen, 50 M 3401/16, 28.12.2016
Landgericht Memmingen, 44 T 72/17, 09.02.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZA 3/17
vom
27. Juli 2017
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
ECLI:DE:BGH:2017:270717BIZA3.17.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juli 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke

beschlossen:
Der Antrag des Schuldners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:


1
I. Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Rundfunkbeiträge in Höhe von 660,46 €.
2
Nachdem der Gerichtsvollzieher den Schuldner erfolglos zur Zahlung aufgefordert und Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft anberaumt hatte, erließ er am 26. Oktober 2016 eine Anordnung zur Eintragung ins Schuldnerverzeichnis gemäß § 882c Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
3
Mit Beschluss vom 28. Dezember 2016 hat das Vollstreckungsgericht den gegen die Eintragungsanordnung gerichteten Widerspruch des Schuldners vom 8. November 2016 zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners mit Beschluss vom 9. Februar 2017 zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
4
Nachdem ihm am 18. Februar 2017 die Entscheidung des Beschwerdegerichts zugestellt worden war, hat der Schuldner mit Schreiben vom 28. März 2017, beim Bundesgerichtshof am 1. April 2017 eingegangen, Rechtsbeschwerde eingelegt und, da die Rechtsbeschwerde nur mit einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt eingelegt werden könne, Prozesskostenhilfe beantragt.
5
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die vom Schuldner beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Satz 1 ZPO).
6
1. In dem Schreiben des anwaltlich nicht vertretenen Schuldners vom 28. März 2017 ist ausschließlich ein Prozesskostenhilfeantrag zu sehen, auch wenn der Wortlaut des Schreibens bereits als Rechtsmitteleinlegung verstanden werden könnte. Da der Schuldner unter Hinweis auf das Erfordernis, sich im Rechtsbeschwerdeverfahren durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten zu lassen, gleichzeitig Prozesskostenhilfe beantragt hat, ist sein Schreiben anhand seiner erkennbaren Interessenlage auszulegen. Danach kann es allein im Interesse des Schuldners liegen, Prozesskostenhilfe zu beantragen, weil eine unbedingte Rechtsmitteleinlegung Kosten auslösen würde und zudem mangels ordnungsgemäßer Vertretung unzulässig wäre.
7
2. Die vom Schuldner beabsichtigte Rechtsbeschwerde ist ohne Aussicht auf Erfolg, weil der Schuldner seinen Prozesskostenhilfeantrag nicht innerhalb der einmonatigen Rechtsbeschwerdefrist (§ 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO) gestellt hat und deshalb eine Wiedereinsetzung in eine wegen wirtschaftlichen Unvermögens versäumte Frist nicht möglich ist. Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist dem Schuldner am 18. Februar 2017 zugestellt worden, so dass er - da der 18. März 2017 ein Samstag war - bis zum Ablauf des 20. März 2017 Prozesskostenhilfe hätte beantragen müssen. Sein Schreiben vom 28. März 2017 ist jedoch erst am 1. April 2017 beim Bundesgerichtshof eingegangen. Deshalb wäre die beabsichtigte Rechtsbeschwerde wegen der Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist als unzulässig zu verwerfen.
8
3. Soweit der Schuldner mit Schreiben vom 8. Mai 2017 auf den gerichtlichen Hinweis, dass sein Prozesskostenhilfeantrag nicht innerhalb der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingegangen ist, auf eine seit Dezember 2016 vorliegende Erkrankung hingewiesen hat, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.
9
Wer ohne sein Verschulden gehindert ist, eine Notfrist einzuhalten, kann innerhalb von zwei Wochen die Wiedereinsetzung in die versäumte Frist beantragen (§§ 233, 234 ZPO). Diese Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist (§ 234 Abs. 2 ZPO). War der Schuldner - wie er geltend macht - lang andauernd erkrankt, war er jedenfalls bei Abfassung seines Schreibens vom 28. März 2017 in der Lage, einen Prozesskostenhilfeantrag zu stellen. Bei Abfassung dieses Schreibens war die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde bereits abgelaufen. Wenn der Schuldner bis dahin krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sein sollte, Prozesskostenhilfe zu beantragen , lief ab diesem Zeitpunkt die zweiwöchige Frist zur Beantragung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Schuldner hätte deshalb bis zum 11. April 2017 geltend machen müssen, er sei - unabhängig von seiner fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit - nicht in der Lage gewesen, innerhalb der Rechtsmittelfrist einen Prozesskostenhilfeantrag zu stellen. Sein Schreiben vom 8. Mai 2017 ist erst danach beim Bundesgerichtshof eingegangen.
10
4. Da der Schuldner nicht rechtzeitig Prozesskostenhilfe beantragt hat, ist es dem Bundesgerichtshof verwehrt, sich mit seinem Vorbringen in der Sache auseinanderzusetzen.
Büscher Schaffert Kirchhoff Löffler Schwonke
Vorinstanzen:
AG Memmingen, Entscheidung vom 28.12.2016 - 50 M 3401/16 -
LG Memmingen, Entscheidung vom 09.02.2017 - 44 T 72/17 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 575 Frist, Form und Begründung der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der E

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 882c Eintragungsanordnung


(1) Der zuständige Gerichtsvollzieher ordnet von Amts wegen die Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis an, wenn1.der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachgekommen ist;2.eine Vollstreckung nach dem Inhalt

Referenzen

(1) Der zuständige Gerichtsvollzieher ordnet von Amts wegen die Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis an, wenn

1.
der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachgekommen ist;
2.
eine Vollstreckung nach dem Inhalt des Vermögensverzeichnisses offensichtlich nicht geeignet wäre, zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers zu führen, auf dessen Antrag die Vermögensauskunft erteilt oder dem die erteilte Auskunft zugeleitet wurde, oder
3.
der Schuldner dem Gerichtsvollzieher nicht innerhalb eines Monats nach Abgabe der Vermögensauskunft oder Bekanntgabe der Zuleitung nach § 802d Abs. 1 Satz 2 die vollständige Befriedigung des Gläubigers nachweist, auf dessen Antrag die Vermögensauskunft erteilt oder dem die erteilte Auskunft zugeleitet wurde. Dies gilt nicht, solange ein Zahlungsplan nach § 802b festgesetzt und nicht hinfällig ist.
Die Anordnung der Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis ist Teil des Vollstreckungsverfahrens.

(2) Die Eintragungsanordnung soll kurz begründet werden. Der Gerichtsvollzieher stellt sie dem Schuldner von Amts wegen zu, soweit sie ihm nicht mündlich bekannt gegeben und in das Protokoll aufgenommen wird (§ 763 Absatz 1). Über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung entscheidet abweichend von § 186 Absatz 1 Satz 1 der Gerichtsvollzieher.

(3) Die Eintragungsanordnung hat die in § 882b Abs. 2 und 3 genannten Daten zu enthalten. Sind dem Gerichtsvollzieher die nach § 882b Abs. 2 Nr. 1 bis 3 im Schuldnerverzeichnis anzugebenden Daten nicht bekannt, holt er Auskünfte bei den in § 755 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 genannten Stellen ein, um die erforderlichen Daten zu beschaffen. Hat der Gerichtsvollzieher Anhaltspunkte dafür, dass zugunsten des Schuldners eine Auskunftssperre gemäß § 51 des Bundesmeldegesetzes eingetragen oder ein bedingter Sperrvermerk gemäß § 52 des Bundesmeldegesetzes eingerichtet wurde, hat der Gerichtsvollzieher den Schuldner auf die Möglichkeit eines Vorgehens nach § 882f Absatz 2 hinzuweisen.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.