Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Feb. 2020 - AK 2/20

bei uns veröffentlicht am06.02.2020

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 2/20
vom
6. Februar 2020
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Kriegsverbrechen gegen Personen u.a.
ECLI:DE:BGH:2020:060220BAK2.20.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie der Angeklagten und ihres Verteidigers am 6. Februar 2020 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Düsseldorf übertragen.

Gründe:


I.


1
Die Angeklagte ist am 4. April 2019 festgenommen worden und befindet sich seit dem 5. April 2019 in Untersuchungshaft, zuletzt - seit dem 6. Juni 2019 - aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 28. Mai 2019 (2 BGs 236/19).
2
Gegenstand dieses Haftbefehls sind die folgenden Tatvorwürfe: Die Angeklagte habe sich von Oktober 2015 bis zum 4. April 2019 in Deutschland und in Syrien durch drei rechtlich selbständige Handlungen als Mitglied an der Gruppierung "Islamischer Staat" (IS) und damit an einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 VStGB) zu begehen. In einem der Fälle habe sie in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen ein Kind einem Elternteil entzogen, um es in das Ausland zu verbringen, wobei sie das Opfer durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung gebracht und in einem der Fälle durch die Tat den Tod des Opfers verursacht habe, zugleich eine andere Person körperlich misshandelt, in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen ihre Fürsorge- und Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr gebracht, in seiner körperlichen und psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, sowie im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt ein Kind unter 15 Jahren in eine bewaffnete Gruppe eingegliedert. In einem weiteren der Fälle habe die Angeklagte tateinheitlich die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ausgeübt, ohne dass der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz beruht habe (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, §§ 171, 223 Abs. 1, § 235 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5, § 25 Abs. 2, §§ 52, 53 StGB, § 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 VStGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG i.V.m. Teil B Nr. 46 der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG).
3
Der Generalbundesanwalt hat am 8. Oktober 2019 wegen dieser Tatvorwürfe Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben.
4
Der Senat hat mit Beschluss vom 17. Oktober 2019 (AK 56/19) die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus angeordnet.
5
Am 20. Dezember 2019 hat das Oberlandesgericht beschlossen, die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zuzulassen und das Hauptverfahren zu eröffnen; des Weiteren hat es die Haftfortdauer angeordnet.

II.


6
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus liegen vor.
7
1. Wegen der Einzelheiten der Tatvorwürfe, der den dringenden Verdacht begründenden Umstände sowie der Haftgründe und der Versagung einer Haftverschonung verweist der Senat auf seine Haftprüfungsentscheidung vom 17. Oktober 2019.
8
2. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen und rechtfertigen weiterhin die Fortdauer der Untersuchungshaft (§ 121 Abs. 1, § 122 Abs. 4 Satz 2 StPO). Das Verfahren ist auch nach der Haftprüfungsentscheidung des Senats hinreichend gefördert worden:
9
Nach Anklageerhebung am 8. Oktober 2019 hat das Oberlandesgericht mit der am 9. Oktober 2019 verfügten Zustellung der Anklageschrift vom 4. Oktober 2019 der Angeklagten eine - angemessene - vierwöchige Stellungnahmefrist gesetzt. Mit Beschluss vom 20. Dezember 2019 hat es die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Mit Verfügung vom 27. Dezember 2019 hat das Oberlandesgericht dem damaligen Verteidiger zum Zweck der Terminsabstimmung mögliche Hauptverhandlungs- tage ab Ende Januar 2020 mitgeteilt. Mit weiterer Verfügung vom 27. Januar 2020 hat es dann den ersten Hauptverhandlungstermin auf den 6. März 2020 bestimmt. Bei der Terminierung hat es Rücksicht darauf nehmen müssen, dass die Angeklagte mittlerweile von zwei anderen Verteidigern verteidigt wird, die ihr mit Vorsitzendenverfügungen vom 22. und 27. Januar 2020 bestellt worden sind.
10
3. Der Vollzug der Untersuchungshaft steht nach wie vor nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Schäfer Gericke Berg

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Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafprozeßordnung - StPO | § 121 Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate


(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden

Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafgesetzbuch - StGB | § 129a Bildung terroristischer Vereinigungen


(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, 1. Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völ

Strafgesetzbuch - StGB | § 129b Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Einziehung


(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausg

Strafprozeßordnung - StPO | § 122 Besondere Haftprüfung durch das Oberlandesgericht


(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es be

Strafprozeßordnung - StPO | § 120 Aufhebung des Haftbefehls


(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sich

Völkerstrafgesetzbuch - VStGB | § 8 Kriegsverbrechen gegen Personen


(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt 1. eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,2. eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,3. ein

Strafgesetzbuch - StGB | § 235 Entziehung Minderjähriger


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. eine Person unter achtzehn Jahren mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List oder2. ein Kind, ohne dessen Angehöriger zu sein,den Eltern,

Völkerstrafgesetzbuch - VStGB | § 9 Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte


(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der ge

Völkerstrafgesetzbuch - VStGB | § 11 Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung


(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt 1. mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen die Zivilbevölkerung als solche oder gegen einzelne Zivilpersonen richtet, die an den Feindseligkeiten n

Völkerstrafgesetzbuch - VStGB | § 10 Kriegsverbrechen gegen humanitäre Operationen und Embleme


(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt 1. einen Angriff gegen Personen, Einrichtungen, Material, Einheiten oder Fahrzeuge richtet, die an einer humanitären Hilfsmission oder an einer friedense

Völkerstrafgesetzbuch - VStGB | § 7 Verbrechen gegen die Menschlichkeit


(1) Wer im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung 1. einen Menschen tötet,2. in der Absicht, eine Bevölkerung ganz oder teilweise zu zerstören, diese oder Teile hiervon unter Lebensbedingungen stellt, die g

Völkerstrafgesetzbuch - VStGB | § 12 Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Mittel der Kriegsführung


(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt 1. Gift oder vergiftete Waffen verwendet,2. biologische oder chemische Waffen verwendet oder3. Geschosse verwendet, die sich leicht im Körper des Mensche

Strafgesetzbuch - StGB | § 171 Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht


Wer seine Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr bringt, in seiner körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, einen

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Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Okt. 2019 - AK 56/19

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS AK 56/19 vom 17. Oktober 2019 in dem Strafverfahren gegen wegen Kriegsverbrechen gegen Personen u.a. ECLI:DE:BGH:2019:171019BAK56.19.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwa

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(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Wer im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung

1.
einen Menschen tötet,
2.
in der Absicht, eine Bevölkerung ganz oder teilweise zu zerstören, diese oder Teile hiervon unter Lebensbedingungen stellt, die geeignet sind, deren Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen,
3.
Menschenhandel betreibt, insbesondere mit einer Frau oder einem Kind, oder wer auf andere Weise einen Menschen versklavt und sich dabei ein Eigentumsrecht an ihm anmaßt,
4.
einen Menschen, der sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er ihn unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
5.
einen Menschen, der sich in seinem Gewahrsam oder in sonstiger Weise unter seiner Kontrolle befindet, foltert, indem er ihm erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, die nicht lediglich Folge völkerrechtlich zulässiger Sanktionen sind,
6.
einen anderen Menschen sexuell nötigt oder vergewaltigt, ihn zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
7.
einen Menschen dadurch zwangsweise verschwinden lässt, dass er in der Absicht, ihn für längere Zeit dem Schutz des Gesetzes zu entziehen,
a)
ihn im Auftrag oder mit Billigung eines Staates oder einer politischen Organisation entführt oder sonst in schwerwiegender Weise der körperlichen Freiheit beraubt, ohne dass im Weiteren auf Nachfrage unverzüglich wahrheitsgemäß Auskunft über sein Schicksal und seinen Verbleib erteilt wird, oder
b)
sich im Auftrag des Staates oder der politischen Organisation oder entgegen einer Rechtspflicht weigert, unverzüglich Auskunft über das Schicksal und den Verbleib des Menschen zu erteilen, der unter den Voraussetzungen des Buchstaben a seiner körperlichen Freiheit beraubt wurde, oder eine falsche Auskunft dazu erteilt,
8.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art, zufügt,
9.
einen Menschen unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts in schwerwiegender Weise der körperlichen Freiheit beraubt oder
10.
eine identifizierbare Gruppe oder Gemeinschaft verfolgt, indem er ihr aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen, aus Gründen des Geschlechts oder aus anderen nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts als unzulässig anerkannten Gründen grundlegende Menschenrechte entzieht oder diese wesentlich einschränkt,
wird in den Fällen der Nummern 1 und 2 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummern 3 bis 7 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren und in den Fällen der Nummern 8 bis 10 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 7 Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 8 und 9 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 3 bis 10 den Tod eines Menschen, so ist die Strafe in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 7 lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren und in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 8 bis 10 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist die Strafe bei einer Tat nach Absatz 1 Nr. 3 bis 7 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren und bei einer Tat nach Absatz 1 Nr. 8 bis 10 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) Wer ein Verbrechen nach Absatz 1 in der Absicht begeht, ein institutionalisiertes Regime der systematischen Unterdrückung und Beherrschung einer rassischen Gruppe durch eine andere aufrechtzuerhalten, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft, soweit nicht die Tat nach Absatz 1 oder Absatz 3 mit schwererer Strafe bedroht ist. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, soweit nicht die Tat nach Absatz 2 oder Absatz 4 mit schwererer Strafe bedroht ist.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterliegen, zerstört, sich aneignet oder beschlagnahmt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt völkerrechtswidrig anordnet, dass Rechte und Forderungen aller oder eines wesentlichen Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei aufgehoben oder ausgesetzt werden oder vor Gericht nicht einklagbar sind, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
einen Angriff gegen Personen, Einrichtungen, Material, Einheiten oder Fahrzeuge richtet, die an einer humanitären Hilfsmission oder an einer friedenserhaltenden Mission in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen beteiligt sind, solange sie Anspruch auf den Schutz haben, der Zivilpersonen oder zivilen Objekten nach dem humanitären Völkerrecht gewährt wird, oder
2.
einen Angriff gegen Personen, Gebäude, Material, Sanitätseinheiten oder Sanitätstransportmittel richtet, die in Übereinstimmung mit dem humanitären Völkerrecht mit den Schutzzeichen der Genfer Abkommen gekennzeichnet sind,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. In minder schweren Fällen, insbesondere wenn der Angriff nicht mit militärischen Mitteln erfolgt, ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt die Schutzzeichen der Genfer Abkommen, die Parlamentärflagge oder die Flagge, die militärischen Abzeichen oder die Uniform des Feindes oder der Vereinten Nationen missbraucht und dadurch den Tod oder die schwere Verletzung eines Menschen (§ 226 des Strafgesetzbuches) verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen die Zivilbevölkerung als solche oder gegen einzelne Zivilpersonen richtet, die an den Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen,
2.
mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen zivile Objekte richtet, solange sie durch das humanitäre Völkerrecht als solche geschützt sind, namentlich Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, geschichtliche Denkmäler, Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und Verwundete, unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude oder entmilitarisierte Zonen sowie Anlagen und Einrichtungen, die gefährliche Kräfte enthalten,
3.
mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Schutzschild einsetzt, um den Gegner von Kriegshandlungen gegen bestimmte Ziele abzuhalten,
5.
das Aushungern von Zivilpersonen als Methode der Kriegsführung einsetzt, indem er ihnen die für sie lebensnotwendigen Gegenstände vorenthält oder Hilfslieferungen unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht behindert,
6.
als Befehlshaber anordnet oder androht, dass kein Pardon gegeben wird, oder
7.
einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei meuchlerisch tötet oder verwundet,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. In minder schweren Fällen der Nummer 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(2) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 1 bis 6 den Tod oder die schwere Verletzung einer Zivilperson (§ 226 des Strafgesetzbuches) oder einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person, wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. Führt der Täter den Tod vorsätzlich herbei, ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff weit reichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursachen wird, die außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
Gift oder vergiftete Waffen verwendet,
2.
biologische oder chemische Waffen verwendet oder
3.
Geschosse verwendet, die sich leicht im Körper des Menschen ausdehnen oder flachdrücken, insbesondere Geschosse mit einem harten Mantel, der den Kern nicht ganz umschließt oder mit Einschnitten versehen ist,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(2) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 den Tod oder die schwere Verletzung einer Zivilperson (§ 226 des Strafgesetzbuches) oder einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person, wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. Führt der Täter den Tod vorsätzlich herbei, ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

Wer seine Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr bringt, in seiner körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, einen kriminellen Lebenswandel zu führen oder der Prostitution nachzugehen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
eine Person unter achtzehn Jahren mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List oder
2.
ein Kind, ohne dessen Angehöriger zu sein,
den Eltern, einem Elternteil, dem Vormund oder dem Pfleger entzieht oder vorenthält.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind den Eltern, einem Elternteil, dem Vormund oder dem Pfleger

1.
entzieht, um es in das Ausland zu verbringen, oder
2.
im Ausland vorenthält, nachdem es dorthin verbracht worden ist oder es sich dorthin begeben hat.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und des Absatzes 2 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
das Opfer durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt oder
2.
die Tat gegen Entgelt oder in der Absicht begeht, sich oder einen Dritten zu bereichern.

(5) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(6) In minder schweren Fällen des Absatzes 4 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 5 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(7) Die Entziehung Minderjähriger wird in den Fällen der Absätze 1 bis 3 nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 56/19
vom
17. Oktober 2019
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Kriegsverbrechen gegen Personen u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:171019BAK56.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie der Angeschuldigten und ihres Verteidigers am 17. Oktober 2019 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Düsseldorf übertragen.

Gründe:


I.


1
Die Angeschuldigte wurde am 4. April 2019 festgenommen und befindet sich seit dem 5. April 2019 in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Oberhausen vom 28. März 2019 (27 Gs 987/18), seit dem 6. Juni 2019 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 28. Mai 2019 (2 BGs 236/19). Gegenstand dieses Haftbefehls sind folgende Vorwürfe:
2
Die Angeschuldigte habe sich von Oktober 2015 bis zum 4. April 2019 in Deutschland und in Syrien durch drei rechtlich selbständige Handlungen als Mitglied an der Gruppierung "Islamischer Staat" (IS) und damit an einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 VStGB) zu begehen. In einem der Fälle habe sie in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen ein Kind einem Elternteil entzogen, um es in das Ausland zu verbringen, wobei sie das Opfer durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung gebracht und in einem der Fälle durch die Tat den Tod des Opfers verursacht habe, zugleich eine andere Person körperlich misshandelt, in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen ihre Fürsorge- und Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr gebracht, in seiner körperlichen und psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, sowie im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt ein Kind unter 15 Jahren in eine bewaffnete Gruppe eingegliedert. In einem Fall habe die Angeschuldigte tateinheitlich die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ausgeübt, ohne dass der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz beruht habe (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, §§ 171, 223 Abs. 1, § 235 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5, § 25 Abs. 2, §§ 52, 53 StGB, § 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 VStGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG i.V.m. Teil B Nr. 46 der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG).
3
Der Generalbundesanwalt hat unter dem 4. Oktober 2019 wegen dieser Tatvorwürfe Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben.

II.


4
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
5
1. Die Angeschuldigte ist der ihr zur Last gelegten Taten dringend verdächtig.
6
a) Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
7
aa) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak und das Regime des syrischen Präsidenten Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht der IS als legitimes Mittel des Kampfes an.
8
Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" am 29. Juni 2014 aus "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" (ISIG) in "Islamischer Staat" (IS) umbenannte, wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm, hat seit 2010 Abu Bakr al-Baghdadi inne. Bei der Ausrufung des "Kalifats" erklärte der Sprecher des IS al-Baghdadi zum "Kalifen" , dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Ihm unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "Shura-Räte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-l’tisam" verbreitet , die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift: "Allah - Rasul - Muhammad", auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die zeitweilig über mehrere Tausend Kämpfer sind dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.
9
Die Vereinigung unterteilte von ihr besetzte Gebiete in Gouvernements und richtete einen Geheimdienstapparat ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der irakischen und syrischen Armee, aber auch von in Gegnerschaft zum IS stehenden Oppositionsgruppen , ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellen, sehen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht die Organisation immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb ihres Machtbereichs Terroranschläge. So hat sie für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel und Berlin, die Verantwortung übernommen.
10
Im Irak gelang es dem IS im Jahr 2014, etwa ein Drittel des Staatsterritoriums zu besetzen. Am 10. Juni 2014 erlangte er die Kontrolle über die Millionenstadt Mossul, die bis zu der Offensive der von den USA unterstützten irakischen Armee Ende 2016 der zentrale Ort seiner Herrschaft im Irak war. Seit Januar 2015 wurde die Vereinigung schrittweise erfolgreich zurückgeschlagen. So begann am 16. Oktober 2016 die Rückeroberung von Mossul, die Anfang Juni 2017 abgeschlossen war. Am 27. August 2017 wurde der IS aus seiner letzten nordirakischen Hochburg in Tal Afar verdrängt.
11
bb) Die Angeschuldigte, die bereits im Jahr 2005 zum islamischen Glauben konvertiert war, ist seit dem Jahr 2007 nach deutschem Recht mit dem Zeugen T. verheiratet, der ebenfalls islamischen Glaubens ist. Mit ihmhat die Angeschuldigte die gemeinsamen Kinder H. , geboren am 18. Februar 2008, und Ha. , geboren am 5. Februar 2012; das dritte gemeinsame Kind Ham. , geboren am 8. Juli 2009, kam am 7. Dezember 2018 in Syrien bei einem Raketenangriff ums Leben.
12
Die Angeschuldigte verfolgte während der Ehe zunehmend das Ziel, mit T. und ihren Kindern in das Herrschaftsgebiet des IS in Syrien auszureisen, weil sie der Ansicht war, nur dort ihren Glauben ausleben zu können. Da T. die Ideologie des IS und eine Ausreise nach Syrien stets abgelehnt hatte, begab sich die Angeschuldigte im Oktober 2015 während einer berufsbedingten Abwesenheit von T. sowie gegen dessen Willen mit den Kindern in die Türkei und von dort weiter nach Syrien in das Herrschaftsgebiet des IS. Dadurch hinderte sie T. bewusst und gewollt daran, sein ihm hinsichtlich der Kinder zustehendes Recht der Personensorge auszuüben, im Hinblick auf die Töchter H. und Ha. bis zu deren Rückkehr nach Deutschland am 4. April 2019 und im Hinblick auf den Sohn Ham. bis zu dessen Tod am 7. Dezember 2018.
13
Die Angeschuldigte lebte in Syrien zunächst von Oktober bis November 2015 gemeinsam mit ihren Kindern in einem Frauenhaus des IS in Raqqa. Spätestens mit ihrem Einzug in das Frauenhaus schloss sie sich der Organisation an; sie identifizierte sich mit deren Ideologie, Handlungsweisen und Zielen und unterwarf sich im Einvernehmen mit Personen, die für den IS verantwortlich handelten, dem Willen der Vereinigung. Das Frauenhaus wurde bombardiert, während sich die Angeschuldigte mit ihren Kindern dort aufhielt; dadurch wurden die Kinder in die konkrete Gefahr des Todes gebracht, was die Angeschul- digte schon bei ihrer Ausreise aus Deutschland vorhergesehen und zumindest billigend in Kauf genommen hatte.
14
Ab November 2015 wohnte die Angeschuldigte mit den Kindern in Raqqa in einem Haus, das von ihrer Bekannten G. und deren Ehemann nach islamischem Recht genutzt wurde. Auch dort waren sie Bombardierungen und Beschuss ausgesetzt. Während dieser Zeit nahm die Angeschuldigte mit ihren Kindern an einer öffentlichen Hinrichtung teil. Ihr Sohn Ham. sah überdies mit an, wie einem Dieb zur Strafe eine Hand abgetrennt wurde.
15
Während der ersten Monate ihres Aufenthalts beim IS forderte die Angeschuldigte ihren Ehemann bei Telefongesprächen wiederholt auf, ihr nach Syrien zu folgen, sich dort in einem Ausbildungslager des IS drei Monate lang paramilitärisch ausbilden sowie ideologisch unterweisen zu lassen und anschließend für die Organisation zu kämpfen. Weil sie ihn nicht von einer Ausreise nach Syrien überzeugen konnte, heiratete sie im Frühjahr 2016 nach islamischem Recht das IS-Mitglied I. alias "Abu ", der aus Kenia oder Somalia stammte, und zog mit diesem in eine Drei-Zimmer-Wohnung in Raqqa, für die eine monatliche Miete in Höhe von 50 US-Dollar zu zahlen war. I. hatte sich bei einem Kampfeinsatz eine Schussverletzung an der Hüfte zugezogen und konnte deshalb nicht mehr an Kämpfen teilnehmen. Er war jedoch nach wie vor für den IS tätig, indem er logistische Aufgaben übernahm. Er unterwies die Angeschuldigte zum Zweck der Selbstverteidigung im Umgang mit einer in seinem Besitz befindlichen Kalaschnikow. Gemeinsam mit ihm betreute die Angeschuldigte über den Bargeldtransferanbieter Western Union durchgeführte Geldtransaktionen für Mitglieder des IS in Syrien. Zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts zahlte der IS ihr monatlich 100 US-Dollar.
16
Im Jahr 2016 brachte die Angeschuldigte ihren zu dieser Zeit sechs bzw. sieben Jahre alten Sohn Ham. entsprechend ihrer mit der Organisation übereinstimmenden Ideologie mehrmals in ein Ausbildungslager des IS. Dort wurde er körperlich trainiert und im Umgang mit Schusswaffen unterwiesen; außerdem leistete er Wachdienste. Daneben ließ die Angeschuldigte alle drei Kinder durch eine ägyptische Lehrerin im Sinne des IS unterrichten. Als Ham. die Ideologie des IS kritisch hinterfragte, teilte sie dies der "Religionspolizei" mit, deren Mitglieder ihren Sohn, wie von ihr beabsichtigt, züchtigten.
17
Die Angeschuldigte war zudem Mitglied der Katiba "Nusaiba", bei der es sich um eine Kampfeinheit des IS handelte, der ausschließlich Frauen angehörten. Da die Angeschuldigte über ein Kraftfahrzeug verfügte, hatte sie innerhalb der Katiba die Aufgabe, Frauen zum Schießtraining zu fahren.
18
Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt war sie im Besitz einer Handgranate. Diese wollte sie im Falle eines Angriffs zünden, um möglichst viele Gegner des IS sowie sich selbst und ihre Kinder zu töten.
19
Nachdem die Angeschuldigte im Mai 2017 ein von I. abstammendes Kind zur Welt gebracht hatte, verließ sie Raqqa im Juni 2017 mit ihren vier Kindern, weil die Bombardierungen der Stadt zunahmen. I. blieb in Raqqa zurück und kam dort ums Leben. Daraufhin erhielt die Angeschuldigte im Februar 2018 vom "Witwenbüro" des IS eine einmalige Zahlung in Höhe von 1.000 US-Dollar. Später heiratete sie das IS-Mitglied N. und wurde dessen Zweitfrau. Nachdem sie Raqqa verlassen hatte, flüchtete sie parallel zum Frontverlauf in jeweils noch vom IS kontrollierte Gebiete.
20
Am 7. Dezember 2018 kam ihr Sohn Ham. ums Leben, als das in der Nähe der Front gelegene Haus, in dem die Angeschuldigte mit ihren Kindern lebte, bombardiert wurde. Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Angeschuldigte erkennen können, dass ihre Kinder zu Tode kommen könnten, nachdem sie diese in ein Gebiet verbracht hatte, in dem seinerzeit schwere kriegerische Auseinandersetzungen stattfanden und eine ständige Bedrohung durch Waffengewalt bestand.
21
b) Der dringende Tatverdacht beruht im Hinblick auf die terroristische Vereinigung IS auf den diesbezüglichen Gutachten, insbesondere denjenigen der Sachverständigen Dr. St. und Dr. K. , sowie Auswerteberichten des Bundeskriminalamts.
22
In Bezug auf die der Angeschuldigten zur Last gelegten Tathandlungen ergibt sich der dringende Tatverdacht im Wesentlichen aus den Angaben des Zeugen T. . Er hat insbesondere bei seiner Vernehmung durch denErmittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am 25. April 2019 eingehend geschildert, dass die Angeschuldigte ihn zunehmend drängte, gemeinsam mit ihr und den Kindern nach Syrien zu gehen und sich dort dem IS anzuschließen. Seiner Darstellung zufolge forderte sie ihn nach ihrer Ausreise telefonisch wiederholt auf, ihr nach Syrien zu folgen, um sich dort vom IS militärisch ausbilden zu lassen und für die Organisation zu kämpfen. Ferner ergeben sich aus seinen Angaben tragfähige Hinweise darauf, dass die Angeschuldigte ihren Sohn Ham. in einem Ausbildungslager des IS im Umgang mit Schusswaffen unterweisen ließ und dass sie zeitweise eine Handgranate besaß, um diese im Falle eines Angriffs zu zünden und dadurch möglichst viele Gegner des IS sowie sich selbst und ihre Kinder zu töten.
23
Die Bekundungen des Zeugen T. stehen teilweise im Einklang mit den Angaben der Angeschuldigten. Diese hat sich zwar bei ihrer Vernehmung durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs nicht zu den Tatvorwürfen eingelassen , sie hat sich aber bei verschiedenen anderen Gelegenheiten zur Sache geäußert. Insbesondere berichtete sie den Zeuginnen K. und N. , die sie während ihrer Rückreise aus Syrien über die Türkei nach Stuttgart am 4. April 2019 begleiteten, über ihr Leben in Syrien. Sie erzählte ihnen unter anderem von ihren Aufenthalten im Frauenhaus des IS sowie im Haus ihrer "Freundin" in Raqqa, von den Bombenangriffen, von ihren Ehemännern nach islamischem Recht sowie davon, vom IS zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts 100 US-Dollar pro Monat und nach dem Tod ihres Ehemanns nach islamischem Recht 1.000 US-Dollar vom "Witwenbüro" der Vereinigung ausgezahlt bekommen zu haben.
24
Wegen der Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht begründenden Umstände wird auf die eingehenden Ausführungen in dem Haftbefehl vom 28. Mai 2019 und die Anklageschrift Bezug genommen.
25
c) Danach hat sich die Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit in drei Fällen als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 53 StGB), davon in einem Fall in Tateinheit (§ 52 StGB) mit einem Kriegsverbrechen gegen Personen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 VStGB), mit schwerer Entziehung Minderjähriger (§ 235 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB) in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen, mit Entziehung Minderjähriger mit Todesfolge (§ 235 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 StGB), mit Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen (§§ 171, 52 StGB) sowie mit Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB), und in einem weiteren Fall in Tateinheit (§ 52 StGB) mit einem Verstoß gegen § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG in Verbindung mit Teil B Nr. 46 der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG.
26
aa) Die Angeschuldigte ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung am IS dringend verdächtig (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB).
27
Das gilt sowohl unter Zugrundelegung des früher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblichen Vereinigungsbegriffs (s. dazu etwa BGH, Urteile vom 20. März 1963 - 3 StR 5/63, BGHSt 18, 296, 299 f.; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 123) als auch auf der Grundlage der Legaldefinition des § 129 Abs. 2 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB in der seit dem 22. Juli 2017 gültigen Fassung (vgl. § 2 Abs. 1, 3 StGB), die im Hinblick auf die Organisationsstruktur und die Willensbildung geringere Anforderungen stellt und den Begriff dadurch ausgeweitet hat. Es sollen nunmehr nicht nur Personenzusammenschlüsse erfasst werden, deren Mitglieder sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen, sondern auch hierarchisch organisierte Gruppierungen mit bloßer Durchsetzung eines autoritären Anführerwillens ohne "Gruppenidentität" (BT-Drucks. 18/11275, S. 7, 11).
28
Auch nach der Legaldefinition handelt es sich bei einer Vereinigung indes um einen organisierten Zusammenschluss von Personen, was zumindest eine gewisse Organisationsstruktur sowie in gewissem Umfang instrumentelle Vorausplanung und Koordinierung erfordert; notwendig ist darüber hinaus das Tätigwerden in einem übergeordneten gemeinsamen Interesse (BT-Drucks. 18/11275, S. 7 f., 11). Wenngleich die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer Vereinigung auf der Grundlage der Legaldefinition anders als nach früherem Verständnis nicht erfordert, dass sich der Täter in das "Verbandsleben" der Organisation integriert und sich deren Willen unterordnet, so setzt sie nach wie vor eine gewisse, einvernehmliche Eingliederung des Täters in die Organisation voraus (BGH, Beschluss vom 5. September 2019 - AK 49/19, juris Rn. 11). Sie kommt nur in Betracht, wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Insoweit bedarf es zwar keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Dafür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die einer Vereinigung nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern. Die Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung scheidet daher aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2019 - AK 27/19, juris Rn. 20; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 128).
29
Daran gemessen hat sich die Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit als Mitglied am IS beteiligt. Es liegen Umstände vor, denen zu entnehmen ist, dass sie sich spätestens mit ihrem Einzug in das Frauenhaus des IS im Oktober 2015 in die Organisation eingliederte. So reiste sie aus eigenem Antrieb mit ihren Kindern nach Syrien, um dort den Kampf gegen das syrische Regime zu unterstützen und am Aufbau eines islamischen Staates nach den Regeln der Sharia mitzuwirken. Sie bemühte sich darum, ihren Ehemann als Kämpfer für den IS zu gewinnen, und heiratete nach islamischem Recht einen IS-Kämpfer, der sie im Umgang mit der Kalaschnikow unterwies. Überdies wurde sie von der Organisation alimentiert und erhielt nach dem Tod ihres Ehemannes nach islamischem Recht vom "Witwenbüro" der Vereinigung eine Einmalzahlung von 1.000 US-Dollar. Ferner war sie Mitglied einer Kampfeinheit des IS, der nur Frauen angehörten, und übernahm in diesem Rahmen die Aufgabe, die Frauen zum Schießtraining zu fahren. Sie betreute gemeinsam mit ihrem Ehemann nach islamischem Recht über den Bargeldtransferanbieter Western Union durchgeführte Geldtransaktionen für Mitglieder des IS in Syrien und besaß zeitweise eine Handgranate, um damit im Falle eines Angriffs unter anderem möglichst viele Gegner des IS zu töten. In Anbetracht dessen ist davon auszugehen , dass die Angeschuldigte einvernehmlich in die Vereinigung aufgenommen wurde.
30
Sie förderte das Ziel des IS, in Syrien dauerhaft ein eigenes staatsähnliches Gebilde unter Geltung der Sharia zu errichten, nicht nur, indem sie versuchte , ihren Ehemann dazu zu bewegen, ebenfalls nach Syrien zu kommen und sich der Organisation anzuschließen, indem sie Geldtransaktionen für Mitglieder der Vereinigung betreute und indem sie sich in der Katiba "Nusaiba" engagierte, sondern auch durch die von ihr veranlasste Aufnahme ihres Sohnes Ham. in dem Ausbildungslager des IS sowie dadurch, dass sie ihre Kinder im Sinne der Organisation unterrichten und ihren Sohn von Mitgliedern der "Religionspolizei" züchtigen ließ, als er Zweifel an der Ideologie des IS äußerte.
31
bb) Die Angeschuldigte ist zudem dringend verdächtig, in einem Fall tateinheitlich ein Kriegsverbrechen gegen Personen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 VStGB) begangen zu haben, indem sie ihren Sohn Ham. mehrfach in ein Ausbildungslager des IS schickte, um ihn dort im Umgang mit Waffen unterweisen zu lassen.
32
(1) Bei den im Tatzeitraum in Syrien stattfindenden Kämpfen zwischen der staatlichen syrischen Armee und oppositionellen Gruppierungen, insbesondere dem IS, handelte es sich um einen bewaffneten Konflikt im Sinne des § 8 Abs. 1 VStGB.
33
(2) Die Angeschuldigte gliederte ihren damals sechs bzw. sieben Jahre alten Sohn Ham. und damit ein Kind unter 15 Jahren in eine bewaffnete Gruppe ein.
34
(a) Durch die Verwendung des Merkmals der bewaffneten Gruppe neben demjenigen der (staatlichen) Streitkräfte wollte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 Nr. 5 VStGB - den Regelungen in Art. 8 Abs. 2 Buchst. b (xxvi) und Buchst. e (vii) IStGH-Statut entsprechend - auf den nichtinternationalen bewaffneten Konflikt erstrecken, der nicht notwendigerweise eine Beteiligung von Streitkräften voraussetzt (MüKoStGB/Geiß/Zimmermann, 3. Aufl., § 8 VStGB Rn. 163; BT-Drucks. 14/8524, S. 26 f.). Aus der Orientierung an den Bestimmungen des IStGH-Statuts ergibt sich, dass das Merkmal der bewaffneten Gruppe im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 5 VStGB ein Mindestmaß an Organisationsstruktur erfordert (vgl. MüKoStGB/Geiß/Zimmermann, aaO). Denn die entsprechende Vorschrift des Art. 8 Abs. 2 Buchst. e (vii) IStGH-Statut findet gemäß Art. 8 Abs. 2 Buchst. f IStGH-Statut nur Anwendung, wenn an einem im Hoheitsgebiet eines Staates stattfindenden bewaffneten Konflikt - gegebenenfalls neben staatlichen Streitkräften - "organisierte" bewaffnete Gruppen beteiligt sind, nicht dagegen in Fällen bloßer innerer Unruhen, Spannungen oder Tumulte.
35
Der IS wies zur Tatzeit eine Organisationsstruktur auf, die über das insoweit erforderliche Mindestmaß deutlich hinausging. Die Organisation verfügte über mehrere Tausend Kämpfer, die dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert waren. Dadurch war eine Struktur geschaffen worden, die es ermöglichte, unter einer verantwortlichen Führung die Kontrolle über ein Gebiet auszuüben, für die Ausbildung neuer Rekruten Sorge zu tragen und anhaltende sowie koordinierte Kampfhandlungen durchzuführen.
36
(b) Unter Eingliederung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 VStGB ist jede Aufnahme in eine bewaffnete Einheit zu verstehen. Das ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, wonach der Begriff "Eingliedern" das sinnvolle Einfügen oder Einordnen in ein größeres Ganzes bezeichnet (vgl. www.duden.de/rechtschreibung/eingliedern). Dieses Verständnis entspricht demjenigen der Regelungen in Art. 8 Abs. 2 Buchst. b (xxvi) und Buchst. e (vii) IStGH-Statut, an denen sich § 8 Abs. 1 Nr. 5 VStGB orientiert. Der in diesen Bestimmungen verwendete Begriff der Eingliederung erfasst ebenfalls jede faktische Aufnahme in eine bewaffnete Einheit; ein formaler Aufnahmeakt ist ebenso wenig erforderlich wie eine aktive Teilnahme an Kampfhandlungen (vgl. Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 4. Aufl., Rn. 1304 f.).
37
Hier stellte das Ausbildungslager des IS, in das der Sohn der Angeschuldigten auf deren Veranlassung aufgenommen wurde, eine bewaffnete Einheit dar. Dies ergibt sich schon daraus, dass er dort im Umgang mit Schusswaffen unterwiesen wurde.
38
(3) Die Tat stand auch im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt. Das Merkmal ist funktional zu verstehen. Der Zusammenhang ist gegeben, wenn das Vorliegen des bewaffneten Konflikts für die Fähigkeit des Täters, die Tat zu begehen, für seine Entscheidung zur Tatbegehung, für die Art und Weise der Begehung oder für den Zweck der Tat von wesentlicher Bedeutung war; die Tat darf nicht lediglich "bei Gelegenheit" des bewaffneten Konflikts begangen werden. Eine Tatausführung während laufender Kampfhandlungen oder eine besondere räumliche Nähe dazu sind hingegen nicht erforderlich (vgl. etwa BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 - 3 StR 57/17, BGHSt 62, 272 Rn. 55 mwN).
39
Hier bildete der bewaffnete Konflikt, an dem der IS beteiligt war, den maßgeblichen Hintergrund für die Entscheidung der Angeschuldigten, ihren Sohn in dem Ausbildungslager der Organisation im Umgang mit Schusswaffen unterweisen zu lassen.
40
cc) Die Angeschuldigte ist außerdem der tateinheitlich begangenen schweren Entziehung Minderjähriger in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen (§ 235 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1, § 52 StGB) sowie der Entziehung Minderjähriger mit Todesfolge (§ 235 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5, § 52 StGB) dringend verdächtig , indem sie sich mit ihren drei Kindern in das Herrschaftsgebiet des IS in Syrien begab.
41
Dadurch, dass sie gegen den Willen des gemeinsam mit ihr sorgeberechtigten Zeugen T. mit den Kindern nach Syrien reiste, um dort dauerhaft zu leben, hinderte sie ihren Ehemann während ihres Aufenthalts in Syrien daran, sein Recht der Personensorge auszuüben. Die Kinder wurden aufgrund der Bombardierungen mehrfach einer konkreten Lebensgefahr ausgesetzt, was die Angeschuldigte billigend in Kauf nahm. Ihr Sohn wurde schließlich bei dem Raketenangriff am 7. Dezember 2018 getötet, wodurch sich ein Risiko verwirklichte , das für die Angeschuldigte vorhersehbar und vermeidbar war.
42
dd) Es besteht überdies der dringende Tatverdacht, dass die Angeschuldigte in drei tateinheitlichen Fällen ihre Fürsorge- und Erziehungspflicht verletzte (§§ 171, 52 StGB), indem sie sich mit ihren drei Kindern in das Herrschaftsgebiet des IS in Syrien begab, dort dauerhaft mit ihnen im Kriegsgebiet lebte und ihren Sohn Ham. in einem Ausbildungslager der Organisation im Umgang mit Schusswaffen unterweisen sowie von der "Religionspolizei" des IS züchtigen ließ.
43
Der Tatbestand ist erfüllt, wenn die betreffende Handlung objektiv in einem besonders deutlichen Widerspruch zu den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Erziehung steht und subjektiv, gemessen an den Möglichkeiten des Täters, ein erhöhtes Maß an Verantwortungslosigkeit erkennen lässt. Insoweit kann bei einer besonders folgenschweren Pflichtverletzung eine einmalige Handlung ausreichen, bei Wiederholungen oder längerer Dauer können aber auch Verstöße, die für sich gesehen von geringer Art sind, das Ausmaß einer gröblichen Verletzung annehmen (Schönke/Schröder/Bosch/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl., § 171 Rn. 4 mwN).
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Diese Anforderungen sind hier erfüllt. Nach dem Willen der Angeschuldigten mussten die Kinder im Herrschaftsgebiet des IS und damit unter einer Willkürherrschaft sowie in einem Kriegsgebiet leben. Sie waren wiederholt Bombardierungen ausgesetzt und besuchten keine Schule. Außerdem nahm die Angeschuldigte mit ihnen an einer öffentlichen Hinrichtung teil. Ihren Sohn Ham. ließ die Angeschuldigte überdies in einem Ausbildungslager der Organisation im Umgang mit Schusswaffen unterweisen und von der "Religionspolizei" des IS züchtigen, als er Zweifel an dessen Ideologie äußerte. Darin kommt zumindest insgesamt ein erhöhtes Maß an Verantwortungslosigkeit der Angeschuldigten zum Ausdruck, wodurch die Kinder, was die Angeschuldigte erkannte und zumindest billigend in Kauf nahm, in die konkrete Gefahr gerieten, in ihrer körperlichen und psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden.
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ee) Die Angeschuldigte ist ferner dringend verdächtig, eine Körperverletzung begangen zu haben, indem sie ihren Sohn Ham. , als dieser Zweifelan der Ideologie des IS äußerte, zur "Religionspolizei" der Organisation brachte und dort züchtigen ließ (§ 223 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB). Die von den Angehörigen der "Religionspolizei" vorgenommenen Züchtigungshandlungen sind der Angeschuldigten gemäß § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. Sie wollte Ham. von den Mitgliedern der "Religionspolizei" körperlich misshandeln lassen und leistete dazu einen wesentlichen Tatbeitrag, indem sie ihn zu diesem Zweck der "Religionspolizei" überließ.
46
ff) Schließlich besteht gegen die Angeschuldigte dringender Tatverdacht wegen eines Verstoßes gegen § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG. Sie übte zeitweise die tatsächliche Gewalt über eine Handgranate aus, bei der es sich um eine Kriegswaffe im Sinne von Teil B Nr. 46 der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG handelte.
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gg) Im Hinblick auf die konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten gilt:
48
(1) Die zum Nachteil mehrerer Kinder begangenen Verletzungen des § 235 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB stehen - wie die Gefährdung mehrerer Schutzbefohlener (§ 171 StGB) durch dieselbe Handlung - zueinander in Tateinheit , ebenso der mit dem Eintritt des Todes des Kindes Ham. verwirklichte Verstoß gegen § 235 Abs. 5 StGB. § 235 Abs. 4 und Abs. 5 StGB sind gegenüber § 235 Abs. 2 StGB lex specialis (vgl. MüKoStGB/Wieck-Noodt, 3. Aufl., § 235 Rn. 103 mwN); § 235 Abs. 5 verdrängt § 235 Abs. 4 StGB.
49
§ 235 StGB ist ein Dauerdelikt (RG, Urteil vom 28. Januar 1887 - 3310/86, RGSt 15, 340, 341; MüKoStGB/Wieck-Noodt, aaO Rn. 10); es ist mit der Herbeiführung des rechtswidrigen Zustands der Entziehung des Minderjäh- rigen vollendet und erst dann beendigt, wenn der rechtswidrige Zustand nicht mehr andauert (MüKoStGB/Wieck-Noodt, aaO Rn. 101). Andere Straftaten, die während des Dauerzustands begangen werden, stehen in Tateinheit mit dem Dauerdelikt, wenn sich die Ausführungshandlungen der Taten wenigstens teilweise decken; demgegenüber ist Realkonkurrenz anzunehmen, wenn die andere Straftat nur gelegentlich des Dauerdelikts begangen wird (vgl. MüKoStGB/ von Heintschel-Heinegg, 3. Aufl., § 52 Rn. 33).
50
Ein Dauerdelikt wie § 235 StGB verbindet andere Straftaten, die bei isolierter Betrachtung in Tatmehrheit zueinander stünden, zu Tateinheit, wenn es seinerseits mit jeder dieser Straftaten tateinheitlich zusammentrifft und in seinem strafrechtlichen Unwert, wie er in der Strafandrohung Ausdruck findet, nicht deutlich hinter den während seiner Begehung zusätzlich verwirklichten Gesetzesverstößen zurückbleibt (BGH, Urteil vom 8. November 2007 - 3 StR 320/07, NStZ 2008, 209, 210 mwN).
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(2) Hier liegen sich überschneidende Tatausführungshandlungen vor, soweit die Angeschuldigte die Aufnahme ihres Sohnes Ham. in dem Ausbildungslager des IS veranlasste und ihn zum Zweck der körperlichen Züchtigung zur "Religionspolizei" brachte. Dadurch wurde der rechtswidrige Zustand im Sinne des § 235 StGB weiter vertieft. Zudem erfüllte das Verbringen von Ham. in das Ausbildungslager und zur "Religionspolizei" aufgrund des damit einhergehenden Umgangs mit Waffen, der erhöhten Gefahr von Bombardements und der dort drohenden körperlichen Misshandlungen den Qualifikationstatbestand des § 235 Abs. 4 Nr. 1 StGB. Die durch diese Handlungen verwirklichte mitgliedschaftliche Beteiligung im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB steht jeweils mit § 235 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB in Tateinheit. Dies gilt im Hinblick auf das Verbringen von Ham. indas Ausbildungslager auch für den zugleich verwirklichten Verstoß gegen § 171 StGB in drei tateinheitlichen Fällen und das Kriegsverbrechen gegen Personen gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 VStGB. Hinsichtlich der von der Angeschuldigten veranlassten Züchtigung ihres Sohnes durch die "Religionspolizei" gilt Gleiches für die Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) und die auch dadurch verwirklichte Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht (§ 171 StGB).
52
Zwar bestünde zwischen den durch die Verbringung von Ham. in das Ausbildungslager des IS einerseits und zur "Religionspolizei" andererseits verwirklichten Straftatbeständen bei isolierter Betrachtung Tatmehrheit. Hier begründet aber die Verklammerung durch das damit jeweils in Tateinheit stehende Delikt des § 235 Abs. 4 Nr. 1 StGB die Annahme von Idealkonkurrenz. Der strafrechtliche Unwert des - gleichermaßen wie die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Satz 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB) - mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedrohten Verstoßes gegen § 235 Abs. 4 Nr. 1 StGB bleibt lediglich hinter demjenigen des Kriegsverbrechens gegen Personen gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 VStGB zurück, das mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren zu ahnden ist.
53
Demgegenüber beging die Angeschuldigte die Straftat nach § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG i.V.m. Teil B Nr. 46 der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG und die dadurch zugleich verwirklichte mitgliedschaftliche Beteiligung im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB nur bei Gelegenheit des Dauerdelikts der Entführung Minderjähriger (§ 235 StGB). Sie steht deshalb zu den übrigen Gesetzesverstößen ebenso in Tatmehrheit wie die Gesamtheit der daneben verwirklichten, keinen anderen Straftatbestand erfüllenden mitglied- schaftlichen Beteiligungsakte der Angeschuldigten (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308 Rn. 23 ff.).
54
d) Deutsches Strafrecht ist anwendbar.
55
Im Hinblick auf die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung kann offenbleiben, ob sich die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts unmittelbar aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 2 StGB ergibt, weil die Angeschuldigte Deutsche ist (siehe dazu BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.). Jedenfalls ist deutsches Strafrecht insoweit - ebenso wie in Bezug auf die Entziehung Minderjähriger, die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht, die Körperverletzung und den Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz - gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB anwendbar. Die jeweiligen Tatorte befanden sich zur Tatzeit unter alleiniger Kontrolle des IS und unterlagen damit faktisch keiner Strafgewalt.
56
Im Hinblick auf das Kriegsverbrechen gegen Personen folgt die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts aus § 1 VStGB.
57
e) Die nach § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung liegt vor.
58
f) Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts für die Verfolgung von Straftaten nach den §§ 129a, 129b StGB und damit auch für die tateinheitlich verwirklichten Delikte ergibt sich aus § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG i.V.m. § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG, für die Verfolgung von Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch im Übrigen aus § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG i.V.m. § 120 Abs. 1 Nr. 8 GVG.
59
2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Es ist wahrscheinlicher, dass sich die Angeschuldigte - sollte sie auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen, als dass sie sich ihm stellen wird.
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Die Angeschuldigte hat im Falle ihrer Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Die Angeschuldigte verfügt in Deutschland weder über einen festen Wohnsitz noch über eine geregelte Erwerbstätigkeit. Eine familiäre Bindung hat sie lediglich zu ihrer Mutter, wodurch sie sich indes bereits im Jahr 2015 nicht davon abhalten ließ, nach Syrien auszureisen. Im Übrigen äußerte die Angeschuldigte bei ihrer Befragung am 4. April 2019, dass sie sich als streng gläubige Muslima ein Leben in Deutschland nicht vorstellen könne.
61
Jedenfalls begründen diese Umstände die Gefahr, dass die Ahndung der Taten ohne weitere Inhaftierung der Angeschuldigten vereitelt werden könnte, so dass die Fortdauer der Untersuchungshaft im Hinblick darauf, dass die Angeschuldigte unter anderem der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung dringend verdächtig ist, auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (BGH, Beschlüsse vom 22. September 2016 - AK 47/16, juris Rn. 26; vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.) auf den Haftgrund der Schwerkriminalität zu stützen ist.
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Weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO sind nicht erfolgversprechend.
63
3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwie- rigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen.
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Nach der Festnahme der Angeschuldigten bei ihrer Wiedereinreise nach Deutschland im April 2019 mussten zunächst die bei der Durchsuchung ihrer Person aufgefundenen Asservate ausgewertet werden, insbesondere Mobiltelefone , die teilweise umfangreiche Bild-, Text-, Audio- und Videodateien in deutscher und arabischer Sprache enthielten. Nachdem der Zeuge T. vernommen worden war und den Ermittlungsbehörden Anfang Mai 2019 sein Mobiltelefon zur Verfügung gestellt hatte, waren auch die darin gespeicherten Daten zu sichern und auszuwerten. Zur Vervollständigung der Erkenntnisse über die Ehemänner der Angeschuldigten nach islamischem Recht, zu ihren sonstigen Kontaktpersonen in Syrien, zu den in der Region Raqqa vom IS betriebenen Ausbildungscamps für Kindersoldaten und zu der ausschließlich aus Frauen bestehenden Katiba "Nusaiba" wurden Erkenntnisanfragen an das Bundeskriminalamt und den Bundesnachrichtendienst gerichtet. Antworten der Behörden sind noch nicht zu den Akten gelangt. Zudem waren weitere Ermittlungen, insbesondere Zeugenvernehmungen, erforderlich. Gleichwohl hat der Generalbundesanwalt bereits unter dem 4. Oktober 2019 Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben.
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Vor diesem Hintergrund ist das Verfahren bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
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4. Schließlich steht die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Schäfer Tiemann Berg

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.