Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Apr. 2007 - 5 StR 99/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
a) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist, und
b) im Ausspruch über die wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verhängten 25 Einzelstrafen und über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in 25 Fällen und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sie- ben Jahren und drei Monaten verurteilt und für die Erteilung einer Fahrerlaubnis eine Sperrfrist von zwei Jahren festgesetzt.
- 2
- Der Angeklagte hat die Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und die verhängte Maßregel von seinem Revisionsangriff ausgenommen. Damit sind die sechs festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen von je sechs Monaten und die Maßregel nach § 69a StGB rechtskräftig. Das Rechtsmittel des Angeklagten führt mit der Sachrüge zu dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
- 3
- 1. Das Landgericht hat sich ausschließlich aufgrund der Zeugenaussage des wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vorbestraften und anderweitig verurteilten B. davon überzeugt, dass der Angeklagte dem Zeugen B. im April 2005 20 kg Haschisch für 23.000 Euro verkaufte. Das Landgericht hat hierzu Folgendes festgestellt:
- 4
- Im Rahmen seiner Tätigkeit als Türsteher von Diskotheken hatte B. den Angeklagten, „Präsident der Motorradgang Gremium in Spremberg“, schon 1999 kennengelernt. Er wusste, dass der Angeklagte in der Betäubungsmittelszene eine führende Position innehatte. B. suchte im April 2005 für ein mit D. verabredetes Rauschgiftgeschäft über 20 kg Haschisch einen Lieferanten. Der Angeklagte zeigte sich bei einem zufälligen Treffen mit B. zur Lieferung des Rauschgifts für 23.000 Euro bereit. Dieser Preis war D. indes zu hoch. Daher wandte sich B. an den Neffen des D. , Do. aus Bautzen, und wurde mit diesem handelseinig, wobei Do. als Belohnung den Erlass einer Darlehensschuld von 3.000 Euro versprach. Do. übergab dem B. den Kaufpreis; dieser verabredete mit dem Angeklagten die Anlieferung des Rauschgifts für die nächsten Tage. An einem nicht näher bestimmten Tag im Zeitraum vom 23. April bis 2. Mai 2005 fuhr der Angeklagte mit einem Pkw auf den zur Wohnung des B. gehörenden Parkplatz. Auf das Hupen des Angeklagten begab sich B. zu ihm und nahm gegen Zahlung des Gesamtpreises eine Teillieferung von 7 kg Haschisch in Empfang , die später von Do. bei B. abgeholt wurde. Der Angeklagte überbrachte B. die restlichen 13 kg Haschisch am Abend des 3. Mai 2005 auf die gleiche Weise. B. wollte das Rauschgift noch am späten Abend mit seinem Pkw Audi A 5 an Do. ausliefern. Indes wurde er um Mitternacht festgenommen, wobei er Widerstand leistete.
- 5
- 2. Das Landgericht hat sich von der Glaubhaftigkeit der Aussage des B. aufgrund des von diesem im Kernbereich stets übereinstimmend geschilderten Geschehensablaufs und des Vorliegens weiterer Umstände überzeugt. Für die Glaubhaftigkeit seiner Angaben spreche insbesondere, dass er eine Teillieferung von 7 kg Haschisch ohne dahingehend belastende Indizien eingeräumt habe und es nicht nachvollziehbar sei, dass B. gerade den Angeklagten als eine in Szenekreisen führende und gefährliche Person zu Unrecht belastet haben könnte. Zudem sprächen Komplikationen im Handlungsverlauf für einen Erlebnisbezug der Aussage des B. .
- 6
- Diese Erwägungen reichen indes nicht aus, um die in der hier gegebenen Situation der konkreten Belastung allein durch einen entdeckten Tatbeteiligten gebotene sorgfältige Gesamtwürdigung aller Indizien zu belegen (vgl. BGH NStZ 2004, 691).
- 7
- a) Der Annahme des Landgerichts, der Zeuge B. habe im Kernbereich stets übereinstimmend den Geschehensablauf geschildert, steht entgegen , dass B. als geständiger Angeklagter in dem gegen ihn vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Bautzen geführten Verfahren den Tatablauf und seine zentrale Rolle im Tatgeschehen anders geschildert hat, was das Amtsgericht ersichtlich zur Grundlage der Verurteilung genommen hat. Danach hat der Angeklagte das Haschisch nicht dem Zeugen B. überbracht ; dieser war vielmehr jeweils mit seinem Pkw zum Angeklagten gefahren und hat das Haschisch dort übernommen. Daneben hat sich B. als bloßer Kurierfahrer des Do. geriert, der ihm für den Fall einer erfolgreichen Abwicklung einen Schulderlass in Höhe von 3.000 Euro zugesagt hätte. B. sei klar gewesen, dass es sich um Betäubungsmittel gehandelt habe und er damit keinen Umgang hätte haben dürfen.
- 8
- Aufgrund dieser Erörterungslücke bleiben die Erwägungen unvollständig , mit denen das Landgericht weitere Qualitätsmängel der Aussage des Zeugen B. (differierender Zeitpunkt der ersten Haschischlieferung in vier polizeilichen Vernehmungen und in der Hauptverhandlung – ersichtlich nach einem dem Angeklagten für den zunächst genannten Liefertag geglückten Alibi, unzutreffende Angaben zum Typ des vom Angeklagten gefahrenen Pkw, ungenaue Angaben bezüglich der Festlegung des Preises für das Haschisch und widersprüchliche Darlegungen der Zeugen B. und Do. zum Vorteil des B. ) relativiert hat (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 494/06). Das Landgericht hätte sämtliche Qualitätsmängel der Aussage des Zeugen B. in einer Gesamtschau daraufhin würdigen müssen, ob sie in ihrer Häufung zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit des Tatvorwurfs Anlass geben konnten (vgl. BGHR StPO § 261 Zeuge 3; Indizien 1, 7; BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 494/06).
- 9
- b) Soweit das Landgericht der den Angeklagten belastenden Aussage des Zeugen B. eine größere Zuverlässigkeit wegen der Selbstbelastung hinsichtlich der ersten – zunächst unbekannt gewesenen – Teillieferung und der dargestellten Komplikationen im Handlungsablauf zugebilligt hat, lässt solches besorgen, dass einem bloßen schlüssig geschilderten Tatgeschehen eines Mittäters – was stets die Aktionen eines anderen Mittäters umfasst, aber nicht dessen wahre Identität umfassen muss – eine zu große Bedeutung für die Glaubhaftigkeit der Angaben zur Identifizierung des genannten Mittäters beigemessen worden sein kann (vgl. BGH StV 2006, 683; BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 494/06). Allein aus dem Umstand der Selbstbelastung ist kein Indiz von überragender Bedeutung für die Belastung der Person des Angeklagten zu gewinnen.
- 10
- c) Auch die Erwägung des Landgerichts, eine Falschbelastung des Angeklagten sei wegen dessen Rachekompetenz nicht nachvollziehbar, begegnet Bedenken. Einen bereits stadtbekannten Rauschgifthändler – wie den Angeklagten – wird jemand, der etwa, ohne den wahren Tatbeteiligten zu verraten, einen Vorteil durch weitere Aufklärung erreichen will, mit größerer Plausibilität belasten können als einen den Ermittlungsbehörden noch gänzlich unbekannten Täter (vgl. BGH StV 2006, 515). Zudem lässt das Landgericht in diesem Zusammenhang unerörtert, dass vorliegend – vom Landgericht ohne jede Erläuterung festgestellt – der Angeklagte von der Polizei bereits am 4. Mai 2005 verdächtigt wurde, der Zeuge B. sich indes erst am 30. Mai den Ermittlungsbehörden anvertraut hat.
- 11
- d) Das dem Angeklagten angelastete Rauschgiftgeschäft bedarf demnach neuer tatrichterlicher Aufklärung und Bewertung.
- 12
- 3. Soweit die Revision den Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in 25 Fällen angreift, offenbart sie keinen Rechtsfehler. Das Landgericht hat sich nach ausreichender Würdigung der Tatumstände vor dem Hintergrund des nach Überzeugung des Angeklagten von ihm ausgehenden Aids-Ansteckungsrisikos von 1:1.000 in allen 25 Fällen des von ihm praktizierten ungeschützten oralen und vaginalen Geschlechtsverkehrs rechtsfehlerfrei von einem bedingten Körperverletzungsvorsatz überzeugt (vgl. BGH NJW 1992, 2644, 2645 f., insoweit in BGHSt 38, 300 nicht abgedruckt). Indes können die dem gemäß §§ 23, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Regelstrafrahmen des § 224 StGB entnommenen Einzelfreiheitsstrafen von jeweils einem Jahr und sechs Monaten schon deshalb nicht aufrecht erhalten bleiben, weil der Senat nicht ausschließen kann, dass sie von der Höhe der Einsatzstrafe beeinflusst worden sind.
- 13
- Das neue Tatgericht wird insoweit bei der Strafrahmenfindung und Einzelstrafbemessung zu berücksichtigen haben, dass das vom Angeklagten objektiv ausgehende Ansteckungsrisiko (1:1 Mio.) durch die erfolgreiche Medikation des Angeklagten nachhaltig geringer als vom Angeklagten angenommen und darüber hinaus in 24 Fällen durch den vom Angeklagten praktizierten coitus interruptus noch weiter verringert war (vgl. BGHSt 36, 1, 8).
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.
(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.
(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.
(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.
(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.
(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.
(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).
(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.