Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 634/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 7. Mai 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Mai 2008

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten L. gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23. Februar 2007 wird das Verfahren gemäß dem Antrag der Bundesanwaltschaft nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit dieser Angeklagte in den Fällen 12 und 13 verurteilt worden ist. Die insoweit entstandenen Kosten und notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Das genannte Urteil wird dementsprechend im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte L. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen verurteilt ist.
Das genannte Urteil wird gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch gegen den Angeklagten L. dahingehend abgeändert, dass dieser Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt ist und die Verfallsanordnung auf 11.000 € – ohne gesamtschuldnerische Haftung – herabgesetzt wird.
Die weitergehende Revision des Angeklagten L. wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Der Angeklagte hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
2. Die Revisionen der Angeklagten S. , B. und Bo. gegen das genannte Urteil werden gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, das Rechtsmittel des Angeklagten Bo. mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO), dass die Verfallsanordnung gegen diesen Angeklagten auf 13.000 € – ohne gesamtschuldnerische Haftung – herabgesetzt wird. Die Angeklagten S. , B. und Bo. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten als Mitglieder einer Bande von Betäubungsmittelhändlern verurteilt, die Angeklagten L. , Bo. und S. jeweils wegen 13 Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwölf, elf und vier Jahren sowie den Angeklagten B. wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Gegen den Angeklagten L. hat das Landgericht ferner die Maßregel der Sicherungsverwahrung verhängt und gegen alle Angeklagte – bis auf B. – Wertersatzverfall angeordnet. Die Revisionen der Angeklagten S. und B. sind unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Die Rechtsmittel der beiden übrigen Angeklagten erzielen die aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolge.
2
1. Das Landgericht hat sich nach komplexer Beweisaufnahme hauptsächlich aufgrund des Geständnisses des Angeklagten S. und des polizeilichen Geständnisses des Angeklagten B. davon überzeugt, dass die Angeklagten L. , Bo. und S. vom 19. April bis 12. August 2004 als Bandenmitglieder für sieben Fahrten zur Beschaffung von jeweils ca. 1 kg Kokain nach Antwerpen und sechs solcher Fahrten nach Den Haag mittäterschaftlich verantwortlich sind. In fünf Fällen hat der Ange- klagte B. als Bandenmitglied durch Dolmetscherdienste Hilfe geleistet.
3
2. Hinsichtlich des Angeklagten L. hat der Senat das Verfahren in den Fällen 12 und 13 gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und den Schuldspruch entsprechend geändert.
4
Dafür war ausschlaggebend, dass in diesen Fällen der zur Tatzeit im Urlaub in Italien befindliche Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen keine eigenen Aktivitäten bei der Abwicklung dieser Rauschgiftgeschäfte entwickelt oder auch nur eigenes Tatinteresse bekundet hat. Eine sukzessive Mittäterschaft – etwa durch Zahlung des Entgelts an den Angeklagten S. nach Urlaubsrückkehr – lässt sich auch dem Zusammenhang der Urteilsgründe nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen. Die danach festgestellte bloße weiter bestehende Bandenmitgliedschaft dieses Angeklagten (UA S. 109) reicht für eine mittäterschaftliche Verurteilung aber nicht aus (vgl. BGHSt [GS] 46, 321, 338).
5
Anders ist die Sach- und Rechtslage im Fall 14. Zwar war der Angeklagte L. zum Zeitpunkt der in diesem Fall stattgefundenen Beschaffungsfahrt ebenfalls noch in Urlaub. Die Fahrt erfolgte indes nach Antwerpen zu der Bezugsquelle, die der Angeklagte L. nach den Feststellungen im Fall 1 unter Einsatz seiner besonderen Beziehungen zur Rauschgiftverkäuferin Bö. geschaffen und regelmäßig (Fälle 2, 3, 8 bis 10) genutzt hat. Damit ist in diesem Fall die Annahme einer mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft ausreichend belegt (vgl. BGHSt 48, 331, 342 m.w.N.).
6
Der Wegfall von zwei Einzelfreiheitsstrafen von je sieben Jahren beeinflusst den Bestand der verhängten Maßregel nicht, nötigt indes zur Herabsetzung der Gesamtfreiheitsstrafe. Der Senat hat diese – dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend – entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf elf Jahre festgesetzt (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 12; BGHR StPO § 356a Gehörsverstoß 1).
7
Der gesamtschuldnerisch mit dem Angeklagten Bo. angeordnete Verfall von 50.000 € kann nur in Höhe von 11.000 € – und zwar als allein den Angeklagten L. treffend – aufrechterhalten bleiben. Die Feststellungen belegen keine gemeinschaftliche Verfügbarkeit über die Rauschgifterlöse und lassen auch nichts Genaueres zur Frage über deren Verteilung erkennen (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 121; BGH, Beschluss vom 10. Januar 2008 – 5 StR 365/07 Rdn. 8). Indes schließt es der Senat aus, dass der Angeklagte L. einen geringeren Vorteil als der in der Hierarchie der Bande eher untergeordnete Angeklagte S. – je 1.000 € aus jeder Tat (UA S. 131) – erzielt haben kann. Danach ist der angeordnete Verfall aufzuheben , soweit er 11.000 € übersteigt (§ 354 Abs. 1 StPO analog).
8
3. Auf die Sachrüge des Angeklagten Bo. hebt der Senat aus den gleichen, auch für diesen Angeklagten geltenden Gründen die Verfallsanordnung auf, soweit sie 13.000 € übersteigt; auch diese Anordnung kann sich nur noch allein gegen den Angeklagten Bo. richten (§ 354 Abs. 1 StPO analog).
9
Zu den Beweisantragsrügen, die Vernehmung von Hotelangestellten aus Den Haag und Hengelo betreffend, bemerkt der Senat ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts:
10
Das Landgericht hat den mit der Gegenvorstellung des Rechtsanwalts E. vom 13. November 2006 (Revisionsbegründung S. 78 ff.) erläuterten Antrag des Rechtsanwalts Bl. vom 30. Oktober 2006 (Revisionsbegründung S. 68 ff.) zwar nicht förmlich als Beweisantrag gemäß § 244 Abs. 6 StPO verbeschieden. Dies begründet aber keinen durchgreifenden Rechtsfehler. Der Senat entnimmt den ablehnenden Beschlüssen des Landgerichts (Revisionsbegründung S. 75 f. und 82 f.), die auf die Wahrnehmungssituation und die Erinnerungsfähigkeit der Hotelangestellten für ein Wiedererkennen von Hotelgästen nach Ablauf von zweieinhalb Jahren und weitere Umstände abstellen (vgl. BGH NStZ 2000, 156, 157), eine die Voraussetzung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO erfüllende antizipierende Wertung, dass das erhoffte Beweisergebnis nicht werde erbracht werden können und dass die Aufklärungspflicht die beantragte Beweiserhebung nicht gebietet (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeuge 1). Im Blick darauf, dass das erhoffte Beweisergebnis (vom Hotelpersonal nicht in Den Haag wahrgenommen worden zu sein) die Einlassung des Angeklagten (nicht mit S. in Den Haag zum Kauf von Kokain gewesen zu sein) lediglich wahrscheinlicher gemacht haben könnte, ist eine Benachteiligung des Angeklagten durch ein auf Grund der Behandlung des Antrags als Beweisermittlungsantrag entstandenes Informationsdefizit nicht gegeben (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Ablehnung 1). Der Senat schließt deshalb aus, dass das Urteil auf einer letztlich nur unzutreffenden rechtlichen Einordnung des Antrags beruhen kann (vgl. BGHR aaO; BGH, Beschluss vom 29. März 2007 – 5 StR 116/07).
11
Auch die weitere Beweisantragsrüge hinsichtlich eines „instruierten Vertreters“ des Hotels W. in Hengelo versagt. Insoweit handelt es sich nicht um einen Beweisantrag, weil kein bestimmtes Beweismittel bezeichnet worden ist (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 270). Der namentlich nicht benannte Zeuge hätte erst mit Hilfe einer vom Gericht vorzunehmenden näheren Beschreibung des Sachverhalts, zu dessen Aufklärung er hätte herangezogen werden sollen, in einem an die Hotelleitung gerichteten Ersuchen und durch deren Auswahlakt ermittelt werden müssen. Dazu musste sich das Landgericht angesichts des Ergebnisses der polizeilichen Ermittlungen unter keinen Umständen gedrängt sehen.
12
4. Die vom 25. April bis zum 5. Mai 2008 nachgereichten Schriftsätze zu dem ergänzten Antrag des Generalbundesanwalts haben vorgelegen.
Basdorf Brause Schaal Schäfer Sander

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 356a Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei einer Revisionsentscheidung


Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der

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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.

5 StR 365/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2008

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten M. K. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. September 2006, soweit es ihn betrifft, gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten M. K. und die Revisionen der Angeklagten T. , E. und Vaske werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, hinsichtlich des Angeklagten T. mit der Maßgabe, dass er des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist.
Die Angeklagten T. , E. und V. haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision des Angeklagten M. K. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. K. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer anderweitigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und zehn Monaten verurteilt; zudem hat es gegen ihn den Verfall von Wertersatz in Höhe von 1,8 Mio. Euro angeordnet. Den Angeklagten T. hat das Landgericht wegen unerlaubten Handeltreibens (ausweislich der Urteilsgründe: in nicht geringer Menge) in zwei Fällen, davon in einem Fall bandenmäßig handelnd , zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt; daneben hat es gegen ihn den Verfall von Wertersatz von 100.000 Euro angeordnet. Gegen die Angeklagten E. und V. hat es jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Freiheitsstrafen von sechs Jahren (E. ) sowie sechs Jahren und sechs Monaten (V. ) verhängt.
2
Die Angeklagten wenden sich gegen ihre Verurteilung mit jeweils auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Das Rechtsmittel des Angeklagten M. K. hat hinsichtlich des Ausspruchs über den Verfall von Wertersatz einen Teilerfolg. Im Übrigen sind die Revisionen der Angeklagten aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen den Angeklagten M. K. in Höhe von 1,8 Mio. Euro kann keinen Bestand haben.
4
a) Allerdings beschwert es den Angeklagten M. K. nicht, dass das Landgericht bei der Bestimmung des aus den Taten Erlangten im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB unzutreffende Maßstäbe angelegt hat. Den Urteilsfeststellungen ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Wert des Erlangten den vom Landgericht angenommenen Betrag von 1,8 Mio. Euro erheblich überschritten hat.
5
aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden die im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Taten aus der Karibik nach London ver- brachten Kokainmengen vom Angeklagten M. K. zusammen mit den Nichtrevidenten G. und B. in London verkauft (UA S. 17, 22, 23, 26). Anschließend wurden die in britischen Pfund erzielten Verkaufserlöse in DM, bei den späteren Taten in Euro getauscht und dann an die Tatteilnehmer entsprechend ihrem Anteil ausgezahlt (UA S. 17). Die Größe der Anteile bestimmte sich danach, wie viele Kokainpäckchen die einzelnen Beteiligten im Rahmen der arbeitsteilig durchgeführten Transporte auf eigene Rechnung nach London befördern ließen (UA S. 16). Das Landgericht hat den Verkaufserlös pro verkauftem Kilogramm Kokain mit 20.000 britischen Pfund geschätzt (§ 73b StGB). Es hat einen Umrechnungskurs zur Tatzeit pro britisches Pfund von 1,50 Euro angenommen. Hieraus hat es für den Angeklagten M. K. , der „insgesamt mindestens 60 kg Kokain auf eigene Rechnung verkauft“ hat (UA S. 52), ohne die Anschaffungskosten für das Rauschgift in Abzug zu bringen, einen „Gewinn“ von 1,8 Mio. Euro errechnet. In dieser Höhe hat es gemäß § 73a StGB Verfall von Wertersatz angeordnet.
6
bb) Diese Ausführungen enthalten Unklarheiten. Ihnen ist nicht eindeutig zu entnehmen, worin das Landgericht jeweils das „aus der Tat Erlangte“ im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB gesehen hat. Der Umstand, dass das Landgericht die nach dem Umtausch der Verkaufserlöse in DM bzw. Euro dem Angeklagten M. K. zugeflossenen Beträge als Wertersatz im Sinne des § 73a StGB angesehen hat, deutet darauf hin, dass das Landgericht lediglich den Teil der Verkaufserlöse, der dem Angeklagten zustand, als „Erlangtes“ angesehen hat. Hierfür spricht auch, dass die Strafkammer außer Betracht gelassen hat, dass der Angeklagte im Fall 5 der Urteilsgründe lediglich 100.000 DM erhielt (UA S. 22), obwohl 10 kg für seine Rechnung transportiert worden waren. Hinzu kommt, dass das Landgericht bei der Verfallsanordnung nicht berücksichtigt hat, dass im Fall 8 der Urteilsgründe aufgrund eines Überfalls auf die Wechselstube „die der Gruppierung gehörenden Gelder“ in Höhe von mindestens 370.000 britischen Pfund „verloren gingen“ (UA S. 26). Demgegenüber deuten zwei weitere Umstände darauf hin, dass das Landgericht lediglich die dem Angeklagten M. K. tatsächlich zugeflossenen, bereits umgetauschten Geldbeträge als „Erlangtes“ im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB angesehen hat. Zum einen bezeichnet es den „Gewinn“ als Verfallsgegenstand (UA S. 52). Zum anderen legt es der Umrechnung des Verkaufserlöses nicht den Umrechnungskurs zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung zugrunde (vgl. BGHSt 4, 305), sondern schätzt den Umrechnungskurs zum Umtauschzeitpunkt.
7
cc) Gleichwohl beschwert es den Angeklagten M. K. trotz dieser Unklarheiten nicht, dass das Landgericht den Wert des Verfallsgegenstandes mit 1,8 Mio. Euro bestimmt hat. Denn die rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen belegen, dass der tatsächliche Wert des vom Angeklagten durch die Taten „Erlangten“ im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erheblich über diesem Betrag liegt. Das „Erlangte“ besteht hier nicht nur in dem Verkaufserlös für das auf Rechnung des Angeklagten verkaufte Kokain, sondern im Gesamterlös des im Rahmen der mittäterschaftlich begangenen Taten an die Erwerber verkauften Rauschgifts.
8
Bei einem Betäubungsmittelgeschäft ist ein Vermögensvorteil erlangt, wenn der Tatbeteiligte die faktische Verfügungsgewalt über den Erlös erworben hat (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 121 m.w.N.; vgl. zum Problem der Gesamtschuld kritisch Schmidt, Gewinnabschöpfung im Straf- und Bußgeldverfahren 2006 Rdn. 260 f.). Dies trifft hier hinsichtlich des Angeklagten M. K. für die gesamten unter seiner Beteiligung erzielten Verkaufserlöse zu. Es spielt daher für die Bestimmung des Erlangten keine Rolle, welchem Tatbeteiligten welcher Anteil an den Erlösen letztlich verbleiben sollte. Die Mitverfügungsgewalt ist für den Angeklagten M. K. durch die festgestellten Umstände zu den jeweils gemeinsam mit den Nichtrevidenten G. und B. vereinnahmten Erlösen bei Durchführung der Verkäufe des in London eingetroffenen Kokains noch hinreichend klar belegt. Ein Vertretungsfall im Sinne des § 73 Abs. 3 StGB (vgl. BVerfG StV 2004, 409, 411; BGH, Beschluss vom 13. November 1996 – 3 StR 482/96) liegt bei der hier vorliegenden gemeinschaftlichen arbeitsteiligen Veräußerung des Rauschgifts nicht vor.
9
b) Die Verfallsanordnung gegen den Angeklagten M. K. kann aber deswegen keinen Bestand haben, weil das Landgericht die Voraussetzungen der Härtevorschrift des § 73c StGB nicht erörtert hat. Hierauf konnte vorliegend nicht verzichtet werden, da sich aus den Urteilsgründen gewichtige Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die vom Landgericht als Verfallsbetrag zugrundegelegte Summe von 1,8 Mio. Euro zum Zeitpunkt der Entscheidung wertmäßig nicht mehr im Vermögen des Angeklagten M. K. befunden hat (§ 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alternative StGB): Die den anderen Tatbeteiligten zustehenden Erlösanteile waren – was bei § 73c StGB anders als bei der Bestimmung des Erlangten erheblich ist – ersichtlich an diese ausgekehrt worden; im Fall 5 der Urteilsgründe erhielt der Angeklagte M. K. zur eigenen Verwendung letztlich nur 100.000 DM (UA S. 22); im Fall 8 der Urteilsgründe gingen „der Gruppierung“ vom Veräußerungserlös wegen eines Überfalls auf die Wechselstube 370.000 britische Pfund verloren und standen einer Auskehrung an die Tatbeteiligten nicht mehr zur Verfügung.
10
Einer Aufhebung der Feststellungen zur Höhe des Erlangten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB bedarf es nicht, da der Rechtsfehler bei der Ermittlung des Erlangten den Angeklagten nicht beschwert. Es bedarf aber neuer tatrichterlicher Prüfung, ob – ausgehend von einem vom Angeklagten erlangten Erlös von 1,8 Mio. Euro – eine Verfallsanordnung in dieser Höhe für den Angeklagten M. K. eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB bedeuten würde oder ob in Ausübung des durch § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB eingeräumten Ermessens von einem Verfall ganz oder teilweise abgesehen werden soll. Dabei wird der neue Tatrichter insbesondere zu prüfen haben, ob der Angeklagte entreichert ist oder ob das Erlangte noch in seinem Vermögen vorhanden ist (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 7).
11
2. Eine Erstreckung der Aufhebung des angefochtenen Urteils auf die Verfallsanordnungen gegen die Nichtrevidenten B. , G. und Ba. gemäß § 357 StPO ist nicht geboten. Zwar ist die Vorschrift des § 357 StPO grundsätzlich auch auf identische sachlichrechtliche Fehler bei Verfallsentscheidungen anzuwenden (vgl. BGHR StGB § 73 Gewinn 2; BGH, Beschlüsse vom 22. Dezember 2004 – 2 StR 498/04 –, vom 13. Februar 2004 – 3 StR 501/03 – und vom 9. Juli 2002 – 5 StR 30/02). Dies gilt jedoch nicht, soweit der Rechtsfehler lediglich in der Nichterörterung der Härtevorschrift des § 73c StGB besteht. Die Frage, ob wegen einer unbilligen Härte (§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB) oder aufgrund einer Ermessensentscheidung (§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB) von einer Verfallsentscheidung abzusehen ist, beruht auf individuellen Erwägungen (vgl. zu § 64 StGB: BGHR StPO § 357 Erstreckung 4; BGH NStZ-RR 1999, 15), deren Beantwortung ganz wesentlich von den persönlichen Verhältnissen des jeweils Betroffenen abhängt.
12
Damit folgt der Senat nicht dem Antrag des Generalbundesanwalts, gemäß § 357 StPO auch die Verfallsanordnungen der Nichtrevidenten B. , G. und Ba. aufzuheben. Auch insoweit entscheidet er durch Beschluss. § 349 Abs. 5 StPO steht dem nicht entgegen (vgl. BGHR StPO § 349 Abs. 5 Entscheidung 1).
3. Die Schuldspruchkorrektur hinsichtlich des Angeklagten T. entspricht der zutreffenden rechtlichen Würdigung in den Urteilsgründen. Das
Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen (vgl. Kuckein in KK-StPO, 5. Aufl. § 358 Rdn. 18).
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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

5 StR 116/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 29. März 2007
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. März 2007

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 14. November 2006 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Zu der Verfahrensrüge, der Antrag auf erneute Vernehmung des Zeugen B sei zu Unrecht zurückgewiesen worden, bemerkt der Senat: Zwar beschreibt der Antrag mit der behaupteten Tatsache, dass der Zeuge vorsätzlich gelogen habe, ein bloßes Beweisziel. Indes enthält die Begründung des Antrags die Behauptung, der Zeuge habe nach seiner gerichtlichen Vernehmung gegenüber dem Angeklagten eine bestimmte Äußerung bezüglich seiner bisher den Angeklagten belastenden Zeugenaussage gemacht. Solches genügt, um die an das Vorliegen eines Beweisantrags zu stellenden Anforderungen zu erfüllen (vgl. BGHR StPO § 274 Beweiskraft 16; BGH StV 2005, 254, 255). Das Landgericht hat aber diesen Antrag als Beweisermittlungsantrag dergestalt zurückgewiesen (RB S. 3 3. Absatz), dass hierdurch die Erfordernisse einer Zurückweisung eines Beweisantrags als bedeutungslos im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO erfüllt sind.
Der Senat schließt deshalb aus, dass das Urteil bei dem hier gegebenen besonders sicheren Beweisergebnis auf der letztlich nur unzutreffenden rechtlichen Einordnung des Antrags beruhen und der Angeklagte hierdurch benachteiligt werden konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2005 – 5 StR 514/04). Im Übrigen wird auf BGH StV 2001, 504, 505 und BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 30 verwiesen.
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