Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Feb. 2018 - 5 StR 622/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 22. Februar 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) in den Schuldsprüchen hinsichtlich der Taten 3 bis 12 der Urteilsgründe ,
b) in den Feststellungen zur Menge des erworbenen Rauschgifts bei Tat 8 sowie
c) in den gesamten Strafaussprüchen.
Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen und bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren, den Angeklagten A. wegen Handel- treibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen und bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt und beide im Übrigen freigesprochen. Darüber hinaus hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Die Revisionen der Angeklagten sind im Umfang der Beschlussformel erfolgreich.
- 2
- 1. Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte H. dem gesondert Verfolgten Z. am 1. Oktober und 1. November 2016 Haschisch durchschnittlicher Qualität mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils mehr als 7,5 g THC zu einem Preis von jeweils 1.200 Euro (Taten 1 und 2).
- 3
- Die Taten 3 bis 10 begingen die Angeklagten entsprechend einem gemeinsamen Tatplan in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken. H. bestellte bei seinem Lieferanten in Berlin jeweils Haschisch zum gewinnbringenden Weiterverkauf. A. fuhr mit dem Bus nach Berlin und übernahm dort von dem Lieferanten die Betäubungsmittel gegen Bezahlung des Kaufpreises. Deren Absatz führten beide Angeklagten arbeitsteilig durch, wobei die Absatzgeschäfte überwiegend von H. vorgenommen wurden, der nach der internen Rollenverteilung der „Kopf des Unternehmens“ war. Er arbeitete auf eigene Rechnung, während A. von ihm pro Fahrt nach Berlin einen Geldbetrag von zumindest 200 Euro erhielt. Auf diese Weise erwarben die Angeklagten in der Zeit vom 5./6. November 2016 bis 28. Januar 2017 in acht einzelnen Handlungen zwischen 400 g und 1.500 g Haschisch. Die Betäubungsmittel veräußerten sie in der Folgezeit an mehr als 30 Abnehmer zu einem Verkaufspreis von zumindest zwei Euro pro Gramm.
- 4
- Am 4./5. Februar 2017 erwarben die Angeklagten von ihrem Berliner Lieferanten erneut insgesamt 1.000 g Haschisch, das sie – wie in den übrigen Fällen – in einem Schrank in der Küche der gemeinsam bewohnten Einraumwohnung in Dresden lagerten (Tat 12), wo am 17. Februar 2017 noch knapp 200 g Haschisch aus der erworbenen Menge mit einem Wirkstoffgehalt von 22,6 g THC sichergestellt wurden. Im Wohnzimmer befand sich eine Dose mit Pfefferspray. Circa 800 g des Rauschgifts verkauften sie an verschiedene Abnehmer.
- 5
- Am 16./17. Februar 2017 hatte sich der Angeklagte A. von dem Lieferanten in Berlin erneut 1.969,7 g Haschisch mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 246,4 g THC beschafft. Bei seiner Rückkehr nach Dresden wurde er am Busbahnhof festgenommen und das Betäubungsmittel wurde sichergestellt (Tat 13).
- 6
- 2. Die Schuldsprüche hinsichtlich der Taten 3 bis 12 halten sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 7
- Das Landgericht hat den entsprechend der Einlassung des Angeklagten H. festgestellten Einkaufsmengen aufgrund von TKÜ-Maßnahmen ermittelte Verkaufsmengen gegenübergestellt, die jene hinsichtlich der Taten 5, 6, 8 und 10 – teilweise deutlich – überschreiten. Beweiswürdigend hat es hierzu ausgeführt, dass die „eingestandenen Mindestmengen“ in ihrer Größenordnung „unter Berücksichtigung von Lagerbeständen und unbekannt gebliebenen Abverkäufen“ hinreichend mit den Verkaufsmengen korrespondierten, wobei auch zu beachten sei, dass der Angeklagte über eine weitere Erwerbsquelle für Haschisch in Dresden verfügte. Es ist dabei nicht der naheliegenden Frage nachgegangen , ob und inwieweit es zu gemeinsamen Abverkäufen von aus mehreren verfahrensgegenständlichen Lieferungen stammenden Betäubungsmitteln gekommen ist. Wenn der Täter mehrere der durch einzelne Ankäufe erworbe- nen Betäubungsmittel in einheitlichen Umsatzgeschäften veräußert, führt dies zu einer Teilidentität der jeweiligen tatbestandlichen Ausführungshandlungen und verknüpft so die einzelnen Fälle zu einem Handeltreiben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2011 – 3 StR 485/10, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 11; vom 24. Januar 2017 – 3 StR 487/16, NStZ-RR 2017, 218,
219).
- 8
- 3. Darüber hinaus haben auch die Strafaussprüche hinsichtlich der Taten 1 und 2 betreffend den Angeklagten H. keinen Bestand.
- 9
- Das Urteil enthält hinsichtlich dieser Taten weder konkrete Feststellungen zu den Mengen des verkauften Haschischs noch solche zu den Wirkstoffmengen. Es beschränkt sich vielmehr auf die Angabe, dass der Mindestwirkstoffgehalt der gehandelten Menge jeweils 7,5 g THC überstieg. Genauere Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des gehandelten Betäubungsmittels hat das Landgericht lediglich zu Tat 13 sowie zu Tat 12 hinsichtlich der sichergestellten Teilmenge getroffen.
- 10
- Zwar sind die Schuldsprüche zu den Taten 1 und 2 von diesem Rechtsfehler noch nicht betroffen, denn der Verkaufspreis in Höhe von jeweils 1.200 Euro trägt die Feststellung, dass der Grenzwert der nicht geringen Menge jeweils überschritten wurde. Die Feststellungen sind jedoch als Grundlage der Strafaussprüche unzureichend. Denn neben der Art und der hier schon nicht konkret angegebenen Menge des jeweils gehandelten Betäubungsmittels ist für den Unrechts- und Schuldgehalt der Taten insbesondere auch dessen Wirkstoffgehalt maßgebend (vgl. BGH, Urteile vom 5. September 1991 – 4StR 386/91, NJW 1992, 380, und vom 24. Februar 1994 – 4 StR 708/93, NJW 1994, 1885, 1886). Für eine schuldangemessene Festsetzung der Strafe kann auf nähere Feststellungen zum Wirkstoffgehalt – jedenfalls soweit eine nicht geringe Menge vorliegt – regelmäßig nicht verzichtet werden (BGH, Beschlüsse vom 26. Juli 2001 – 4 StR 110/01, NStZ-RR 2002, 52, und vom 9. November 2010 – 4 StR 521/10, NStZ-RR 2011, 90). Das Landgericht hätte demnach unter Berücksichtigung der anderen festgestellten Tatumstände untersuchen müssen, von welcher Mindestqualität auszugehen ist. Die zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Strafkammer wird auch bezüglich der Erwerbshandlungen 3 bis 12, auf die sich die Aufhebung der Schuldsprüche bezieht, die insoweit ebenfalls fehlenden Feststellungen zu treffen haben.
- 11
- 4. Der Senat hebt zugleich den von den Rechtsfehlern nicht betroffenen Strafausspruch im Fall 13 auf, um dem neuen Tatgericht eine stimmige Strafzumessung in allen Einzelfällen zu ermöglichen. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nur im Fall 8, weil diese zur Einkaufsmenge widersprüchlich sind (UA S. 5: 700 g; UA S. 14: 500 g). Die im Übrigen erforderlichen neuen Feststellungen können in Ergänzung der bestehen bleibenden getroffen werden , denen sie nicht widersprechen dürfen.
- 12
- Sollte das neue Tatgericht die im angefochtenen Urteil näher geschilder- te „Aufklärungshilfe“ des Angeklagten A. (UA S. 17) erneut annehmen, wird es bei der Strafzumessung § 31 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB in den Blick zu nehmen haben.
RiBGH Dölp Berger ist infolge Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft, - 2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt, - 3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein, - 4.
(weggefallen) - 5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt, - 6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel - a)
verschreibt, - b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
- 6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt, - 6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht, - 7.
entgegen § 13 Absatz 2 - a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke, - b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
- 8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt, - 9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen, - 10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet, - 11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt, - 12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind, - 13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt, - 14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt, - 2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.
(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.
Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter
- 1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder - 2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.