Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 60/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 25. Juni 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Juni 2002

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 2. Juli 2001 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

G r ü n d e Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten ist offensichtlich unbegründet (vgl. zum Maßstab BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 6). Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts merkt der Senat folgendes an: 1. Die Besetzungsrüge nach § 338 Nr. 1 StPO bleibt – ihre Zulässigkeit unterstellt – in der Sache erfolglos. Der Richter, der nach der kammerinternen Geschäftsverteilung anstelle der weiteren ordentlichen Beisitzerin der Schwurgerichtskammer, die seine Vertretung wahrnahm, zur Mitwirkung berufen gewesen wäre, war durch Urlaub an drei von Anfang an terminierten Sitzungstagen verhindert (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 1 Vertreter 2). Zumal angesichts einer ähnlichen, letztlich nicht wesentlich abgeänderten vorherigen Urlaubsplanung des Richters, wie sie sich aus dem Gerichtsbeschluß auf den Besetzungseinwand ergibt, liegen Anhaltspunkte für eine Besetzungsmanipulation angesichts des bestehenden Urlaubsanspruchs des verhinderten Richters und mangels jeglicher Anzeichen, die gegen eine sachgerechte Terminierung der Sache sprechen könnten, nicht vor. Es ist kein Grund ersichtlich, wonach der Richter gehalten gewesen wäre, zu versu- chen, den ihm zustehenden Erholungsurlaub ohne Terminskollision mit dieser Sache zu nehmen.
2. Die Ablehnung der Aussetzung der Hauptverhandlung nach dem Verteidigerwechsel läût keinen Rechtsfehler erkennen. Insbesondere steht die Ermessensentscheidung des Schwurgerichts, die Hauptverhandlung nicht nach § 265 Abs. 4 StPO auszusetzen, sondern mit den neuen Wahlverteidigern fortzusetzen, entgegen der Meinung der Revision nicht im Widerspruch zu den im Beschluû des Bundesgerichtshofs vom 2. Februar 2000 ± 1 StR 537/99 ± (BGHR StPO § 265 Abs. 4 Verteidigung, angemessene 6) aufgestellten Grundsätzen: Zur Wahrung der Verteidigungsinteressen des Angeklagten (vgl. dazu auch BGHR StPO § 265 Abs. 4 Verteidigung, angemessene
7) hat das Schwurgericht ± soweit nicht in einem Fall auf eine erneute Zeugenvernehmung verzichtet worden ist ± sämtliche gehörten Zeugen und Sachverständigen nochmals vorgeladen und den neuen Wahlverteidigern , die über den bisherigen Inhalt der Beweisaufnahme jeweils durch die Berichterstatterin informiert worden waren, die uneingeschränkte Möglichkeit zur Befragung der Zeugen und Sachverständigen eingeräumt.
Im übrigen bestand im vorliegenden Fall im Vergleich zu dem Prozeûgeschehen , das der genannten Leitsatzentscheidung zugrundelag, nicht ein derart gewichtiger Anlaû zu gerichtlicher Rücksichtnahme auf die Verteidigungsbelange des Angeklagten. In jenem Verfahren war immerhin ein Interessenkonflikt offengelegt worden, der den Verteidigerwechsel erfordert hatte; hier wurde eine schwerwiegende Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und seinen bisherigen Wahlverteidigern ohne jeden inhaltlichen Beleg lediglich behauptet. Zudem war hier einer der beiden neuen Wahlverteidiger vom Beginn des Ermittlungsverfahrens an bis unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung bereits als Verteidiger tätig gewesen; seine umfassende Unterrichtung über den bisherigen Verlauf der Hauptverhandlung durch einen der abgelösten Wahlverteidiger war sichergestellt.
Soweit die Revision eine Befangenheit der mitwirkenden Richter aufgrund der Ablehnung der Verfahrensaussetzung geltend macht und einen weitergehenden Anlaû für die Aussetzung in der Verfahrensweise des Vorsitzenden im Zusammenhang mit Identifizierungen des Angeklagten durch Zeugen sieht, ist auf die entsprechenden offensichtlich unbegründeten Anträge seitens des Tatgerichts zutreffend reagiert worden.
3. Das Urteil beruht nicht darauf, daû am 19. Juli 2000 der Vorsitzende und nicht, wie in § 228 Abs. 1 Satz 1 StPO vorgeschrieben, das Gericht über eine Unterbrechung nach § 229 Abs. 2 StPO entschieden hat. Der Angeklagte ist hierdurch ersichtlich nicht benachteiligt worden. Die entsprechende Terminierung war mit der Verteidigung abgestimmt, die jener Unterbrechungsanordnung daher auch nicht widersprochen hat. Danach liegt zudem auf der Hand, daû die Terminierung auch mit sämtlichen Mitgliedern des Gerichts abgestimmt war. Es besteht kein Anlaû, die Grundsätze von BGHSt 33, 217, wonach ein Beruhen des Urteils auf einem Verfahrensfehler der hier vorliegenden Art regelmäûig auszuschlieûen ist (vgl. auch Kleinknecht /Meyer-Goûner, StPO 45. Aufl. § 228 Rdn. 17; Gollwitzer in Löwe /Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 228 Rdn. 28), in Frage zu stellen.
4. Die auf fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages gestützte Verfahrensrüge (§ 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 StPO) scheitert jedenfalls daran, daû es sich bei dem Antrag mangels ausreichend bestimmter Bezeichnung der Beweismittel nicht um einen Beweisantrag gehandelt hat (vgl. BGHSt 40, 3, 6 f.; Kleinknecht/Meyer-Goûner aaO § 244 Rdn. 21; Gollwitzer aaO § 244 Rdn. 108; jeweils m. w. N.). Die Benennung einer unbestimmten Vielzahl instruierter Vertreter der Betreiber in einem Gutachtenanhang genannter ± dort tatsächlich undeutlich, teils naheliegend unvollständig aufgelisteter ± Internetseiten läût ± zumal ohne nähere Erläuterung, die weder dem Antrag noch der Revisionsbegründung beigegeben ist ± die erforderliche eindeutige Individualisierung der Zeugen vermissen, deren Vernehmung in dem Antrag begehrt wurde. Da die Beweisbehauptung im Widerspruch zur Aussage des vernommenen Sachverständigen stand, an dessen Sachkunde das Schwurgericht nicht zweifeln muûte, war das Gericht zu einer Ermittlung solcher Zeugen aus Aufklärungsgründen nicht verpflichtet. Abgesehen davon scheitert die Zulässigkeit der Rüge als Aufklärungsrüge an denselben Mängeln der Beweismittelindividualisierung, die dem in der Hauptverhandlung gestellten, in der Revisionsbegründung insoweit nicht etwa nachgebesserten Antrag anhaften (vgl. dazu BGHSt 2, 168; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 7, 9).
Hiernach kann dahinstehen, ob die Zulässigkeit der Rüge nicht bereits insgesamt wegen Unvollständigkeit des Sachvortrags (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) scheitert, weil der Beschwerdeführer, der es für angezeigt gehalten hatte, als Reaktion auf den beanstandeten ablehnenden Gerichtsbeschluû ein Ablehnungsgesuch gegen die Berufsrichter anzubringen, in dem er jenen Beschluû als beispiellose, den Anschein von Willkür tragende Zwischenentscheidung bezeichnete, die Entscheidung hierüber verschwiegen hat; es liegt auf der Hand, daû deren Begründung weitere mindestens ergänzende Erwägungen zur Beurteilung des Antrags enthalten hat. Ebenfalls kann dahinstehen , ob es ± wie der Generalbundesanwalt meint ± angesichts einer aufs Geratewohl aufgestellten Behauptung auch an einer regelgerechten Beweisbehauptung mangelt, damit auch insoweit nur ein Schein-Beweisantrag anzunehmen ist (vgl. Herdegen in KK 4. Aufl. § 244 Rdn. 44), und ob schlieûlich ohnehin ein Beruhen des Urteils auf der Bescheidung des Antrags sicher ausscheidet.
5. Die Beweiswürdigung des Schwurgerichts ist sachlichrechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer fehlerfreien Gesamtwürdigung der gegebenen ± den Angeklagten insbesondere im Blick auf das Spurenbild am Tatort vor dem Hintergrund seiner Selbststellung und seiner hierbei gemachten Angaben schwer belastenden ± Beweislage. Auf der Grundlage der auch zur inneren Tatseite rechtsfehlerfrei getroffenen Tatsachenfeststellun- gen ist die Annahme eines Verdeckungsmordes nach Maûgabe von BGHSt 35, 116 nicht zu beanstanden.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Schaal

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juni 2002 - 5 StR 60/02 zitiert 8 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 338 Absolute Revisionsgründe


Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

Strafprozeßordnung - StPO | § 229 Höchstdauer einer Unterbrechung


(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden. (2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat. (3) Hat eine Hauptverhandlun

Strafprozeßordnung - StPO | § 228 Aussetzung und Unterbrechung


(1) Über die Aussetzung einer Hauptverhandlung oder deren Unterbrechung nach § 229 Abs. 2 entscheidet das Gericht. Kürzere Unterbrechungen ordnet der Vorsitzende an. (2) Eine Verhinderung des Verteidigers gibt, unbeschadet der Vorschrift des § 14

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Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Feb. 2000 - 1 StR 537/99

bei uns veröffentlicht am 02.02.2000

Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja ________________________ StPO § 265 Abs. 4 Zur Aussetzung des Verfahrens bei Verteidigerwechsel. BGH, Beschl. vom 2. Februar 2000 - 1 StR 537/99 - LG München I BUNDESGERICHTSHOF BESCH
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juni 2002 - 5 StR 60/02.

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Aug. 2012 - 4 StR 108/12

bei uns veröffentlicht am 30.08.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 108/12 vom 30. August 2012 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u. a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. August 2012, an der teilgenommen haben: Richter

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
________________________
Zur Aussetzung des Verfahrens bei Verteidigerwechsel.
BGH, Beschl. vom 2. Februar 2000 - 1 StR 537/99 - LG München I

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 537/99
vom
2. Februar 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Februar 2000 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 12. April 1999 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Betruges zu Freiheitsstrafen verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichteten Revisionen der Angeklagten haben mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Der Rüge liegt folgendes Prozeßgeschehen zugrunde: Nach dem 10. von insgesamt 16 Hauptverhandlungstagen legten die beiden aus derselben Sozietät stammenden Wahlverteidiger der Angeklagten ihr Mandat nieder. Am folgenden Hauptverhandlungstag beantragten die inzwischen beauftragten, aus verschiedenen Sozietäten stammenden neuen Wahlverteidiger die Aussetzung der Hauptverhandlung. Sie begründeten dies insbesondere damit, daß eine ordnungsgemäße Verteidigung der Angeklagten ohne eine Wiederholung der gesamten bisherigen Beweisaufnahme nicht möglich sei, weil sie sich kein eigenes Urteil über Inhalt und Glaubhaftigkeit der bisherigen Zeugenaussagen bilden könnten. Die Strafkammer hat diese und die beiden später gestellten Aussetzungsanträge zurückgewiesen. Sie hielt die angeordnete zehntägige Unterbrechung der Hauptverhandlung u.a. im Hinblick auf die den Verteidigern zur Verfügung gestellten Mitschriften der Berichterstatterin für ausreichend.
Diese Verfahrensweise beanstandet die Revision mit Recht als unzulässige Beschränkung der Verteidigung (§ 338 Nr. 8 StPO) und Verletzung des § 265 Abs. 4 StPO. Nach § 265 Abs. 4 StPO ist das Gericht verpflichtet, die Hauptverhandlung auszusetzen, wenn dies wegen veränderter Sachlage zu einer genügenden Vorbereitung der Verteidigung angemessen erscheint. Eine Veränderung der Sachlage kann auch durch einen Wechsel des Verteidigers eintreten (BGH NJW 1965, 2164, 2165). Erklärt der neubestellte Verteidiger, daß er zur Verteidigung nicht genügend vorbereitet sei, so entscheidet das Gericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen darüber, ob die Verhandlung zu unterbrechen oder auszusetzen ist. Das Gericht kann nach dem geltenden Strafverfahrensrecht die Hauptverhandlung grundsätzlich mit dem neubestellten Verteidiger fortsetzen, ohne von neuem beginnen zu müssen. Es wird immer von den Umständen des einzelnen Falles abhängen, ob die Anwesenheit desselben Verteidigers bei allen Teilen der Hauptverhandlung für eine sachgemäße Durchführung der Verteidigung unbedingt notwendig ist (BGHSt 13, 337, 340). Die Besonderheiten des vorliegenden Falles machten es erforderlich, die Hauptverhandlung auszusetzen oder – was hier nicht geschehen ist – zumindest den Hauptbelastungszeugen erneut, nunmehr in Anwesenheit der neuen Verteidiger, zu vernehmen (vgl. BGHSt 13, 337, 345). Von Bedeutung waren hier insbesondere die Schwere des Anklagevorwurfs (BGH NStZ 1983, 281), der zu nicht mehr bewährungsfähigen Freiheitsstrafen geführt hat, und die Beweislage im Zeitpunkt des Verteidigerwechsels. Alle besonders wichtigen Zeugen waren bereits vernommen. Der zentrale Punkt des Verfahrens ist die Frage, ob der Angeklagte Dr. W. als Rechtsanwalt gegenüber einem Mandanten, bevor dieser der Mitangeklagten D. 400.000 DM zur Verfü-
gung stellte, hinsichtlich der beabsichtigten Verwendung des Geldes und der wirtschaftlichen Lage der Mitangeklagten D. unwahre Angaben gemacht hat. Dritte waren bei dem fraglichen Gespräch nicht zugegen. Die dazu von dem Geschädigten abgegebene Darstellung wird von den Angeklagten bestritten. Die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen war daher – auch ausweislich der Gründe des angefochtenen Urteils – von entscheidender Bedeutung. Sie wurde von der Verteidigung u.a. mit der Begründung in Frage gestellt, der Zeuge habe während der Hauptverhandlung widersprüchliche Angaben gemacht. Hinzu kommt, daß die Kammer selbst der vom Zeugen während der Vernehmung gezeigten Mimik und Gestik Bedeutung beigemessen hat. So wird in dem angefochtenen Urteil angeführt, der Zeuge habe in Richtung des Angeklagten keinerlei Belastungsinteressen gezeigt und sogar einen Handschlag angedeutet, während er der Mitangeklagten lediglich einen abschätzigen Blick zugeworfen habe. Ob eine andere Beurteilung angezeigt sein könnte, wenn die Mandatsniederlegung erfolgte, um einen Abbruch der Hauptverhandlung zu erzwingen, kann dahingestellt bleiben. Für ein solches Verhalten gibt es hier keine Anhaltspunkte. Die Verteidiger beriefen sich insoweit auf einen erst im Laufe der Hauptverhandlung aufgetretenen Interessenwiderstreit. Dabei bezogen sie sich auf ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen die Angeklagten, das die Strafkammer in den im hiesigen Verfahren nach dem 7. Hauptverhandlungstag erlassenen Haftbefehlen zur Begründung der Fluchtgefahr angeführt hatte. In diesem weiteren Ermittlungsverfahren wird die Angeklagte D. – anders als im vorliegenden Verfahren – vom Mitangeklagten Dr.W. belastet. Daß die
Mandatsniederlegungen aus diesem sachgerechten Grund (vgl. § 3 Abs. 2 der Berufsordnung für Rechtsanwälte) erfolgten, hat auch die Strafkammer in den die Aussetzung ablehnenden Beschlüssen nicht in Frage gestellt. Schäfer Maul Granderath Wahl Schluckebier

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Über die Aussetzung einer Hauptverhandlung oder deren Unterbrechung nach § 229 Abs. 2 entscheidet das Gericht. Kürzere Unterbrechungen ordnet der Vorsitzende an.

(2) Eine Verhinderung des Verteidigers gibt, unbeschadet der Vorschrift des § 145, dem Angeklagten kein Recht, die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen.

(3) Ist die Frist des § 217 Abs. 1 nicht eingehalten worden, so soll der Vorsitzende den Angeklagten mit der Befugnis, Aussetzung der Verhandlung zu verlangen, bekanntmachen.

(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden.

(2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat.

(3) Hat eine Hauptverhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden, so ist der Lauf der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen gehemmt, solange

1.
ein Angeklagter oder eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen Krankheit oder
2.
eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen gesetzlichen Mutterschutzes oder der Inanspruchnahme von Elternzeit
nicht zu der Hauptverhandlung erscheinen kann, längstens jedoch für zwei Monate. Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluß fest.

(4) Wird die Hauptverhandlung nicht spätestens am Tage nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist fortgesetzt, so ist mit ihr von neuem zu beginnen. Ist der Tag nach Ablauf der Frist ein Sonntag, ein allgemeiner Feiertag oder ein Sonnabend, so kann die Hauptverhandlung am nächsten Werktag fortgesetzt werden.

(5) Ist dem Gericht wegen einer vorübergehenden technischen Störung die Fortsetzung der Hauptverhandlung am Tag nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist oder im Fall des Absatzes 4 Satz 2 am nächsten Werktag unmöglich, ist es abweichend von Absatz 4 Satz 1 zulässig, die Hauptverhandlung unverzüglich nach der Beseitigung der technischen Störung, spätestens aber innerhalb von zehn Tagen nach Fristablauf fortzusetzen. Das Vorliegen einer technischen Störung im Sinne des Satzes 1 stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.