Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2012 - 5 StR 508/11

bei uns veröffentlicht am10.01.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 508/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2012

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19. Juli 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
a) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte im Fall 3 der Urteilsgründe verurteilt ist, und
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen dreier Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Kokain in nicht geringer Menge, im Fall 3 in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge hinsichtlich der Verurteilung im Fall 3 Erfolg. Das Rechtsmittel ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat sich im Wesentlichen auf der Grundlage der Verurteilung des Drogenkuriers O. durch das Amtsgericht Heggen und Fröland (Norwegen) am 29. April 2008 sowie der in großem Umfang ausgewerteten Geodaten der durch O. genutzten Mobiltelefone sowie dessen mit dem Angeklagten geführten Telefongespräche rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass der Angeklagte im Dezember 2007 mindestens 500 g sowie 987 g Kokain höherer Konzentration von Hamburg nach Oslo exportieren ließ. Die dieserhalb gefundenen Schuld- und Strafaussprüche (je vier Jahre Freiheitsstrafe) sind beanstandungsfrei.
3
Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge eines Fairnessverstoßes ist unzulässig. Der erst nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft erteilte Hinweis des Landgerichts auf veränderte Konkurrenzen hätte, wenn die Verteidigung ihn als verspätet beanstanden wollte, einen Zwischenrechtsbehelf erfordert: Die als Maßnahme der Verhandlungsleitung unmittelbar danach ergangene Aufforderung an den Verteidiger, den Schlussvortrag zu halten , wäre gemäß § 238 Abs. 2 StPO zu beanstanden gewesen (vgl. MeyerGoßner , StPO, 54. Aufl., § 238 Rn. 22), anstatt – wie geschehen – widerspruchslos den Schlussvortrag zu halten.
4
2. Dem Schuldspruch hinsichtlich des unerlaubten Handeltreibens in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Einsatzstrafe: fünf Jahre Freiheitsstrafe) hat das Landgericht ausschließlich die Zeugenaussage des am 3. Juni 2008 nach Einreise in die Bundesrepublik mit 987 g Kokain (50 % HHC) festgenommenen , in Hamburg ansässigen Zeugen Am. zugrunde gelegt. Dieser hatte bereits in seiner polizeilichen Vernehmung vom 6. Oktober 2008 den Angeklagten als Auftraggeber der Kurierfahrt benannt (UA S. 19) und ist am 22. Oktober 2008 durch das Landgericht Kleve zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden.
5
3. Die Bewertung der den Angeklagten allein belastenden Zeugenaussage ist unter mehreren Aspekten fehlerhaft und vermag letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2001 – 5 StR 520/01, StV 2002, 235; Beschluss vom 13. September 2011 – 5 StR 308/11).
6
a) Das Landgericht hat es unterlassen, die sich widersprechenden Angaben des Zeugen und des die Tat bestreitenden Angeklagten zu ihrem Kennenlernen für die Glaubhaftigkeitsprüfung heranzuziehen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 158 f.). Der Zeuge Am. hat – für sich wenig plausibel – ausgeführt, der Angeklagte habe ihn in Hamburg während eines Friseurbesuchs angesprochen, ob er bereit sei, Kokain aus Amsterdam nach Hamburg zu transportieren (UA S. 18). Demgegenüber hat sich der Angeklagte dahingehend eingelassen, er kenne Am. als häufigen Besucher des von ihm betriebenen Callshops; Am. habe bei ihm Schulden gehabt (UA S. 10).
7
b) Die Strafkammer hat daneben Besonderheiten der Zeugenaussage ohne kritische Prüfung von deren Auswirkungen auf die Bewertung der belastenden Aussage im Übrigen hingenommen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2002 – 5 StR 130/01, BGHSt 47, 220, 223 f.). Das Landgericht hat fest- gestellt, dass der Belastungszeuge nicht umfassend ausgesagt hat und „in weitem Umfang von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO Gebrauch gemacht hat“ (UA S. 19), ohne hierzu Einzelheiten darzustellen und deren Relevanz für die Beweiswürdigung zu erwägen. Soweit das Land- gericht die Aussage des Zeugen hinsichtlich mitgeführter 3.500 € Bargeld als eher nicht der Wahrheit entsprechend und zu einem kriminellen Hintergrund gehörend gewürdigt hat (UA S. 19 f.), fehlt es an der Einbeziehung dieses Aspektes in die gebotene – hier indes gar nicht angestellte – Gesamtbetrachtung aller die Glaubhaftigkeit der Aussage in Frage stellenden Umstände (vgl. Brause, NStZ 2007, 505, 512 mwN).
8
Der Senat besorgt ferner, dass die Strafkammer der Aussagekonstanz hinsichtlich der Umstände der Kurierfahrt (UA S. 19) eine zu große Bedeutung hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Belastung des Angeklagten als Auftraggeber der Einfuhr zugemessen hat. Der Zeuge konnte nämlich ohne weiteres viele Details der selbst erlebten Kurierfahrt wiederholt schildern, ohne dass hierdurch die eher detailarm bekundete Beauftragung gerade durch den Angeklagten gestützt werden musste (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 – 5 StR 308/11).
9
4. Die Sache bedarf demnach hinsichtlich des Einfuhrfalles neuer Aufklärung und Bewertung. Sollte die gebotene – bis jetzt nach dem Inhalt freilich nicht durchgreifender Verfahrensrügen unterbliebene – Aufklärung des Kommunikationsverhaltens des Belastungszeugen keine Verbindung zu dem Angeklagten erbringen, könnte ressourcenschonend § 154 Abs. 2 StPO angewandt werden.
Basdorf Brause Schaal Schneider König

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 55 Auskunftsverweigerungsrecht


(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 238 Verhandlungsleitung


(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden. (2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.

(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.

5 StR 520/01

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 12. Dezember 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Dezember 2001

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 20. Juni 2001 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt sowie sichergestellte Betäubungsmittel und drei Waagen eingezogen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte den unerlaubten Betäubungsmittelhandel seines Onkels unter anderem dadurch gefördert , daß er Kokain in seiner Wohnung lagern ließ und transportierte. Be- sitz an dem gelagerten Kokain hatte er, weil er in Abwesenheit seines Onkels die alleinige Verfügungsgewalt über die Drogen hatte.
Der Angeklagte ist geständig, er habe seit Dezember 2000 gebilligt, daû eine Menge von etwa 100 g Kokain in seiner Wohnung gelagert wurde. Er bestreitet aber, Kenntnis von der Lagerung weiterer etwa fünf kg Kokain gehabt und am 4. Januar 2001 eine Menge von etwa 100 g Kokain transportiert zu haben.
1. Das Landgericht stützt seine Überzeugung, daû der Angeklagte Kenntnis von der Lagerung weiterer fünf kg Kokain hatte, auf folgende Indizien : Weil bei der polizeilichen Wohnungsdurchsuchung am 4. Januar 2001 die etwa fünf kg Kokain im Küchenschrank an derselben Stelle gefunden wurden, an der der Angeklagte nach seiner Einlassung im Dezember 2000 zwei Beutel mit insgesamt 100 g Kokain gesehen hatte, müsse er auch die übrigen Taschen und Beutel mit Kokain gesehen haben. Daû das Rauschgift erst zu einem späteren Zeitpunkt in die Wohnung gebracht und dort gelagert worden sei, schlieût das Landgericht mit der Erwägung aus, es sei “nicht nachvollziehbar, daû der Onkel, der sich ja bereit erklärt hatte, die Kokainmenge von 100 g zu verkaufen und der sich im Dezember nicht mehr in der Wohnung aufgehalten haben soll – zumindest hat ihn der Angeklagte dort nach eigenen Angaben nicht angetroffen – am 4. Januar 2001 oder kurz zuvor eine erheblich gröûere Kokainmenge erneut in die Wohnung verbracht haben soll”.
Diese Indizien sind nicht aussagekräftig und bilden keine tragfähige Grundlage für die Widerlegung der Einlassung des Angeklagten.
Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewiûheit des Richters setzt objektive Grundlagen voraus. Diese müssen aus rationalen Gründen den Schluû erlauben, daû das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Das ist der Nachprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich. Deshalb müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, daû die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen , verstandesmäûig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schluûfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloûe Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (BGH NJW 1982, 2882, 2883 m.w.Nachw.; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 7 und 26; BGHR StPO § 261 Identifizierung 6; BGHR StPO § 261 Vermutung 11; BGH, Beschl. vom 24.03.2000 ± 3 StR 585/99; Schäfer StV 1995, 147, 149).
Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Die Widerlegung der Einlassung des Angeklagten erschöpft sich insoweit in bloûen Vermutungen und in der Schilderung einer Verdachtssituation. Die im Urteil mitgeteilten Indizien lassen auch die Möglichkeit einer Einlagerung der etwa fünf kg Heroin erst im Januar 2001 zu. Die Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes der etwa fünf kg Kokain kann deshalb keinen Bestand haben.
2. Dagegen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts insoweit nicht zu beanstanden, als dem Angeklagten zur Last gelegt wird, 100 g Kokain unerlaubt besessen und Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben auch hinsichtlich der weiteren etwa fünf kg Kokain geleistet zu haben. Der Angeklagte hatte keine Vorkehrungen (etwa durch Auswechseln des Türschlosses ) gegen einen weiteren, auch umfangreicheren Handel mit Betäubungsmitteln getroffen und zumindest billigend in Kauf genommen, daû sein Onkel bei einer Rückkehr neue Betäubungsmittel mitbringt.
3. Der Senat schlieût aus, daû zum Schuldumfang weitere Festste llungen möglich wären und läût den Schuldspruch bestehen.
Dagegen hat der Strafausspruch wegen des beträchtlich geringeren Schuldumfangs hinsichtlich des nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB strafrahmenbestimmenden Verbrechens des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge keinen Bestand. Der Aufhebung von Feststellungen zur Strafe bedarf es nicht. Der neue Tatrichter hat lediglich eine neue Bewertung vorzunehmen. Ergänzende, nicht widersprechende Feststellungen zur Strafe sind möglich.
Harms Basdorf Gerhardt Brause Schaal
5 StR 308/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 13. September 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. September 2011

beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten O. und B. wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 1. April 2011, soweit es diese Angeklagten betrifft, gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Nichtrevidentin W. wegen Beihilfe zum Raub zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten und die Revidenten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von sieben Jahren und drei Monaten (O. ) sowie sieben Jahren und sechs Monaten (B. ) verurteilt. Die Revisionen dieser Angeklagten haben mit den erhobenen Sachrügen Erfolg.
2
1. Gegenstand der Verurteilung der drei Angeklagten ist ein im Parkhaus der Filiale der Sparkasse Holstein in Oststeinbek am 12. Juli 2010 gegen Mittag ausgeführter Raubüberfall auf den Zeugen N. , der die Wochenendeinnahmen mehrerer Tankstellen in Höhe von über 19.000 € in einer Umhängetasche mit sich führte. Hierzu hat das Landgericht festgestellt:
3
Die Mitangeklagte W. fuhr den Angeklagten B. und zwei unbekannt gebliebene Mittäter in ihrem Pkw Mercedes der M-Klasse vor ein Anwesen in unmittelbarer Tatortnähe. Der Angeklagte O. beobachtete den Aufbruch des Zeugen N. zum Tatort von einer nahegelegenen Tankstelle aus, an der die Mitangeklagte ihn zuvor abgesetzt hatte, und informierte W. unter Nutzung eines von ihr entliehenen Mobiltelefons, dass sich B. und seine beiden Tatgenossen auf den Weg machen sollten. Am Tatort brachte einer der Täter den Zeugen N. mit einem heftigen Stoß zu Boden und sprühte ihm Pfefferspray in das Gesicht. „Zugleich wurde er brüllend aufgefordert, die Tasche freizugeben. Der Zeuge hielt die über seine Schulter gehängte Tasche mit dem Geld aber fest. Um ihn zum Loslassen zu zwingen, begannen die beiden anderen auf ihn einzuschlagen und einzutreten. Der Zeuge erlitt dadurch einen Nasenbeinbruch und eine Vielzahl von Prellungen am ganzen Körper. Auf die mehrmalige Aufforderung eines der Täter, die Tasche zu nehmen, wurde ihm diese schließlich entrissen“ (UA S. 8). Die drei Täter kehrten mit der Umhängetasche des Opfers und der eingesetzten Pfefferspraydose zum Fahrzeug der Mitangeklagten W. zurück. Sie rissen die Türen auf und sprangen in das mit laufendem Motor zur Abfahrt bereite Fahrzeug. Die Mitangeklagte W. fuhr – von einem Zeugen, der das Fahrzeugkennzeichen notierte, beobachtet – sofort losund setzte die drei unmittelbaren Täter und den später wieder zugestiegenen O. an verschiedenen Orten ab. Im Pkw verblieben die benutzte Pfefferspraydose und drei Mobiltelefone der Mitangeklagten, darunter das an O. zur Kommunikation bei Tatbegehung ausgeliehene.
4
2. Das Landgericht hat sich allein aufgrund von Angaben der Mitangeklagten W. von der Täterschaft der Angeklagten B. und

O.

überzeugt.
5
a) Es hat den Gang der Ermittlungen und die hierin enthaltenen Angaben der Mitangeklagten W. , die eine Kenntnis von dem geplanten und durchgeführten Raubüberfall während des gesamten Verfahrens bestritten hat, im Wesentlichen wie folgt festgestellt:
6
Bei ihrer Festnahme etwa eine halbe Stunde nach der Tat benannte W. eine Mobiltelefonnummer des ihr bekannten „A. “, den sie auf dessen Wunsch am Tattage mit seinen zwei Begleitern nach Hamburg hätte mitnehmen wollen. Die Verifizierung dieser Telefonnummer führte am 13. Juli 2010 zum Erlass eines Haftbefehls gegen B. .
7
Auch gegen die Mitangeklagte W. erging an diesem Tag Haftbefehl. Sie hatte während ihrer Beschuldigtenvernehmung – naheliegend auf Vorhalt ausgelesener Daten aus ihren Mobiltelefonen – angegeben, mit dem ihr bekannten „K. “ außerhalb ihres Fahrzeugs auf dem Parkplatz einer Drogerie vor Tatbegehung telefoniert zu haben. Diesen Platz habe sie, nachdem die drei Männer ausgestiegen seien, aufgrund eigenen Entschlusses verlassen und die Männer später wieder an anderer Stelle in ihr Fahrzeug aufgenommen.
8
Während einer weiteren Vernehmung am 25. August 2010 räumte sie ein, dass sie von kriminellen Geschäften des O. und des B. wisse, denen sie schon zweimal Chauffeurdienste geleistet habe, als es darum gegangen sei, etwas auszukundschaften. Sie sei davon ausgegangen, dass es sich um „Geldeintreiberjobs“ gehandelt hätte. Ferner gab sie – nach Auffassung des Landgerichts wahrheitswidrig – an, am Tattag um 11.00 Uhr zusammen mit O. noch einen Freier in Glinde besucht zu haben. Der Angeklagte O. wurde am 10. September 2010 in Untersuchungshaft genommen.
9
Während eines Haftprüfungstermins am 17. September 2010 erklärte die Mitangeklagte, es könne sein, dass sie nach der Übergabe des Mobiltelefons an O. mehrfach mit diesem telefoniert habe. Sie erklärte ferner, dass sie O. in das Fahrzeug wieder aufgenommen habe, und beschrieb eine Handnarbe eines der ihr unbekannten Männer, die in ihrem Wagen mitgefahren waren. Sie schilderte weitere Einzelheiten der Abschnitte ihrer Fahrten vor und nach dem Raubüberfall. Sodann wurde sie vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont.
10
b) Das Landgericht hat sich von dem Gehilfenvorsatz der einen solchen noch in der Hauptverhandlung bestreitenden Mitangeklagten W. beweiswürdigend überzeugt. Durch die Aussagen neutraler Zeugen und fünf nachgewiesene telefonische Kontakte zwischen 12.02 und 12.09 Uhr sei ihre Einlassung widerlegt, das Zusammentreffen mit „A. “, dessen Begleitern und mit O. sowie ihr Fahr- und Parkverhalten seien zufällig gewesen. Hinsichtlich seiner Annahme, B. und O. seien Mittäter, stützt sich das Landgericht auf die Angaben der Mitangeklagten W. , der es eine Beutebeteiligung oder eine Kenntnis der Verwendung des Pfeffersprays anders als dem ebenfalls bei der eigentlichen Tatbegehung abwesenden Angeklagten O. nicht zurechnet. Das Landgericht führt hierzu näher aus:
11
„Die Kammer war sich bei der Würdigung der Angaben der Angeklagten bewusst, dass ihre die Mitangeklagten belastenden Angaben mit großer Vorsicht zu bewerten waren. Die Angeklagte hatte durch das Nennen der Namen möglicher Tatbeteiligter Vorteile im Ermittlungsverfahren durch die Entlassung aus der U-Haft wegen des Wegfalls der Verdunkelungsgefahr wie auch in der Hauptverhandlung, weil ihr aufgrund ihrer Angaben eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 46b StGB gewährt wurde. Allein, davon hat die Angeklagte sich zur Überzeugung der Kammer nicht zur falschen Belastung der Mitangeklagten … verleiten lassen. Auch dass die Angeklagte im Ermittlungsverfahren und auch noch in der Hauptverhandlung zum Teil falsche Angaben gemacht hat und in der Hauptverhandlung Fragen der Mitangeklagten und ihrer Verteidiger nicht beantworten wollte, ändert an dieser Einschätzung nichts. Die Angeklagte hat auf diese Art und Weise nur versucht, ihren eigenen Tatbeitrag klein zu halten und insbesondere ihr Wissen von der geplanten Tat zu verschleiern, um sich selbst der Bestrafung zu entziehen“ (UA S. 17 f.).
12
c) Umstände, die gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Mitangeklagten W. sprechen, hat das Landgericht wie folgt erwogen:
13
Soweit am 12. Juli 2010 auf dem Mobiltelefon des B. kein von ihr bekundeter Kontakt zu O. feststellbar gewesen sei, könne ein solcher Kontakt mit einem anderen Telefon hergestellt worden sein. Zwar könne der festgestellte Standort des von der Mitangeklagten nach eigenen Angaben erst kurz vor der Tat an O. verliehenen Mobiltelefons am Vortag in Pinneberg für eine Übergabe des Telefons schon an diesem Tag sprechen; dies beweise aber nicht die Unglaubhaftigkeit der Angabe der W. , weil eine vorherige Rückgabe ohne weiteres möglich gewesen wäre. Es bestehe auch kein Anhaltspunkt dafür, dass sie „O. und B. zu Unrecht belastet haben könnte. Immerhin war zumindest O. ein guter Freund von ihr. Gründe für ein Zerwürfnis mit ihm, das die Angeklagte veranlasst haben könnte, ihm durch eine Falschbeschuldigung eins auszuwischen, haben sich in der Hauptverhandlung nicht ergeben“ (UA S.

19).


14
3. Die Schuldsprüche gegen die Revidenten, die allein auf die Angaben der Mitangeklagten W. gestützt sind, haben keinen Bestand. Ihre Bekundungen vermögen in der allzu pauschalen Auswertung durch das Landgericht letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2001 – 5 StR 520/01, StV 2002, 235).
15
a) Allerdings geht das Landgericht im Ansatz zunächst zu Recht davon aus, dass in der Konstellation alleiniger Belastung im Verfahren durchweg schweigender Angeklagter durch einen Mitangeklagten dessen teilweise wahrheitswidrige Angaben hinsichtlich seiner eigenen Mitwirkung grundsätzlich nicht dazu nötigen, eine Bestätigung dieser belastenden Bekundungen bezüglich der Angeklagten durch außerhalb der Angaben liegende Umstände zu suchen.
16
Bemühungen der Mitangeklagten W. , zu ihrer Verteidigung im gesamten Verfahren unrichtige Angaben zu machen und hierdurch zu versuchen, einer Annahme ihres Vorsatzes als Raubgehilfin entgegenzuwirken, stehen – im Gegensatz zu teilweise falsche Belastungen enthaltenden Aussagen, namentlich von der Wahrheitspflicht unterliegenden Zeugen (vgl. BGH, Urteile vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98 – und 17. November 1998 – 1 StR 450/98, BGHSt 44, 153, 159 sowie 256, 257; vgl. dazu ferner Brause NStZ 2007, 505, 510 f.) – grundsätzlich in keinem untrennbaren Wertungszusammenhang mit den Angaben der Mitangeklagten zur Identität der von ihr in ihrem Pkw beförderten Personen. Eine Falschbelastung hinsichtlich der Umstände der Haupttat steht nicht im Raum. Hierzu hat die Mitangeklagte gar keine Angaben gemacht.
17
b) Indes erfüllt die allein auf die Angaben der Mitangeklagten gestützte Beweisführung hier wegen ihrer inhaltlichen Defizite dennoch nicht das im Verurteilungsfall zu erfüllende Gebot rational begründeter und tatsachengestützter Beweisführung (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2003, 2444, 2445; BGH, Urteil vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, StV 2011, 3, 4).
18
aa) Zwischen den Beteiligten eines Verbrechens bestehen in der Regel persönliche und jedenfalls auf die Begehung der Tat gerichtete kriminelle Beziehungen. Hierzu hat das Landgericht nichts Näheres festgestellt. Die Umstände der Freundschaft der nicht vorbestraften, damals als Prostituierte und Geschäftsfrau tätigen Mitangeklagten W. zu dem geringfügig mit zwei Geldstrafen vorbestraften Angeklagten O. , der als Angestellter eines Fitnessstudios beschäftigt war, werden nicht erhellt. Gleiches gilt für die Angabe der W. , sie kenne den – von Sozialleistungen lebenden und mit Jugendarrest und einer Geldstrafe vorbelasteten – Angeklagten B. von einer Party und er sei ihr sympathisch gewesen. Hinsichtlich der Verwendung der Tatbeute nimmt das Landgericht – indes ohne jeden Beleg – an, dass O. , B. und ihre beiden Tatgenossen die Beute unter sich geteilt hätten. Eine naheliegend vereinbarte Belohnung der Mitangeklagten W. oder auch nur ein Aufwendungsersatz für sie werden nicht erwogen. Während O. der gesamte Tatablauf ohne Problematisierung seiner Ortsabwesenheit ohne weiteres mittäterschaftlich zugerechnet wird, wird der Mitangeklagten W. nicht einmal die geplante Verwendung der später in ihrem Fahrzeug sichergestellten Tatwaffe zugerechnet.
19
bb) Das Landgericht hat es unterlassen, anhand der Angaben des Geschädigten und anderer Zeugen eine generelle Eignung des Angeklagten B. als Haupttäter hinsichtlich seines Erscheinungsbildes und anderer Umstände festzustellen. Ebenso hat es versäumt darzulegen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass sich die Revidenten zur Tatzeit an einem anderen Ort aufgehalten haben können. Auch zu etwa identifizierungsrelevanten Spuren im Fahrzeug der Mitangeklagten, an dem verliehenen Mobiltelefon oder dem Sprühgerät schweigt das Urteil.
20
cc) Unerörtert bleibt, dass die Mitangeklagte W. die beiden weiteren von ihr zweimal transportierten Gewalttäter nicht näher beschrieben hat und dass sie sich durch Vorschützen einer vom Landgericht als unglaubhaft bewerteten Gedächtnislücke (UA S. 17) geweigert hat, durch Angabe der tatbezogenen Gesprächsinhalte mit O. dessen Beteiligung zu konkretisieren. Insoweit hat ihr Streben nach eigener Entlastung eine mögliche Aufklärung belastender Umstände verhindert. Danach wäre die Glaubhaftigkeit der übrigen belastenden Angaben unter dem Gesichtspunkt in Frage zu stellen gewesen, dass der Belastungssachverhalt bewusst reduziert worden ist.

21
dd) Schließlich kommt hinzu, dass sich die Mitangeklagte W. nach ihrer Verhaftung bezüglich ihrer dolosen Mitwirkung an dem Verbrechen in Erklärungsnot befand und ihre Entlassung aus der Untersuchungshaft, später Strafmilderung durch Aufklärungshilfe erstrebte. Diese Interessenlage, zumal vor dem Hintergrund der bloßen sukzessiven und unvollständigen Benennung von zwei Haupttätern und des Umstands, dass sich die Mitangeklagte der konfrontativen Befragung der Verteidiger entzogen hat, hätte Anlass geben müssen zu erwägen, ob nicht doch andere Hintermänner der Tat hätten gedeckt werden sollen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 1999 – 5 StR 552/99, StV 2000, 243, 244).
22
ee) Die vom Landgericht zugesagte Bewertung der Angaben der Mitangeklagten W. „mit großer Vorsicht“ bleibt insgesamt angesichts allzu schmaler Tatsachenbasis des die Belastung begründenden Sachverhalts ohne ausreichende rationale Verankerung. Auf den in den Angaben zu einzelnen Fahrtabschnitten hervorgetretenen Detailreichtum geht das Landgericht nicht ein; er wäre indes, weil jeder Tatbeteiligte Selbsterlebtes unschwer berichten kann, hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Angaben zur Identität der Mittäter von eher geringerer Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 494/06, StV 2007, 284, 285 zur Aufteilung von Tatbeiträgen). Bei dieser Sachlage konnte die Beweiswürdigung auch das Gebot der Kompensation für die nicht gewährte Konfrontation nicht erfüllen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 – 4 StR 461/08, BGHR MRK Art. 6 Abs. 3 Buchstabe d Fragerecht 7; vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Januar 2002 – 5 StR 130/01, BGHSt 47, 220, 223 f.).
23
4. Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Die Beweiswürdigungsmängel erfassen nicht die Überführung der nicht revidierenden Mitangeklagten als Gehilfin; es kommt mithin nicht etwa in Betracht, die Aufhebung nach § 357 StPO auf sie zu erstrecken. Für den keineswegs ausgeschlossenen Fall erneuter Verurteilung der Angeklagten müsste das Landgericht eine nahezu gleich hohe Bestrafung beider Angeklagter und eine deutliche Überschreitung der Mindeststrafe des Regelstrafrahmens des § 250 Abs. 2 StGB weitergehend als bisher begründen.
Basdorf Brause Schaal Schneider Bellay
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
(nur zu B I 1 und 2)
Veröffentlichung: ja
(nur zu B I 1 und 2)
StPO § 55 Abs. 1; § 338 Nr. 1
1. Auf Besetzungsmängel in der Person eines
später durch einen Ergänzungsrichter
abgelösten Richters ist der absolute Revisionsgrund
anwendbar.
2. Die Feststellung der Verhinderung eines
Schöffen durch den Strafkammervorsitzenden
mit der Folge des Eintritts des Ergänzungsschöffen
ist vom Revisionsgericht nur auf
Willkür zu überprüfen (Ergänzung von
BGHSt 35, 366).
3. Hat ein Zeuge, dem nach § 55 StPO ein
umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht
zugebilligt wird, berechtigterweise die
Beantwortung von Fragen der Verteidigung
verweigert, bleiben seine übrigen Angaben
bei gebotener kritischer Würdigung seines
Aussageverhaltens verwertbar.
BGH, Urt. vom 23. Januar 2002 - 5 StR 130/01
LG Berlin -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 23. Januar 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Bestechung (zu 1) und Bestechlichkeit (zu 2 bis 5)
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. und
23. Januar 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt E für K ,
Rechtsanwälte S und B für P ,
Rechtsanwältin Z für R ,
Rechtsanwältin M für Sc ,
Rechtsanwalt Mi für L
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
am 23. Januar 2002 für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. Dezember 1999 werden verworfen.
Jeder Angeklagte trägt die Kosten seiner Revision. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft und den Angeklagten hierdurch etwa entstandene notwendige Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten K wegen Bestechung in acht Fällen verurteilt; es hat gegen ihn in Anwendung des § 55 StGB zwei Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren und von einem Jahr verhängt. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafen wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt ; daneben blieben anderweits rechtskräftig verhängte zäsurbegründende Geldstrafen bestehen. Das Landgericht hat ferner die Angeklagten P und Sc jeweils wegen Bestechlichkeit in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist; die Angeklagten R und L hat es jeweils wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, verbüßt durch Untersuchungshaft, verurteilt. Alle Angeklagten wurden von weiteren gleichen Anklagevorwürfen freigesprochen.

A.


Der in der Türkei geborene Angeklagte K betrieb von Herbst 1993 bis Frühjahr 1997 in Berlin-Wedding eine Fahrschule mit zahlreichen, vornehmlich türkischstämmigen Fahrschülern. Für Geldbeträge meist zwischen 1.500 und 2.000 DM erteilte er Führerscheinbewerbern, die ± vielfach wegen unzulänglicher Deutschkenntnisse, aber auch wegen intellektueller Defizite oder wegen Zeitmangels ± Probleme mit dem Erlernen der für die theoretische Fahrprüfung notwendigen Kenntnisse hatten, “Garantiezusagen” für das Bestehen der theoretischen Fahrprüfung. Um diese zu erfüllen, kam K ab Sommer 1994 mit den übrigen Angeklagten, die Fahrprüfer bei der Technischen Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr des Kraftfahrzeugüberwachungsvereins Berlin (DEKRA) waren, ± daneben noch mit weiteren dort tätigen Fahrprüfern ± überein, daß diese ihm gegen das Versprechen von Geldzahlungen über jeweils 300 bis 500 DM die Manipulation mündlicher Theorieprüfungen mit von den Kenntnissen unabhängigem Prüfungserfolg zugunsten von ihm angemeldeter Fahrschüler zusagten. Sämtliche Anklagevorwürfe haben entsprechende konkret bezeichnete Einzelfälle zum Gegenstand; acht zwischen Mai 1995 und Dezember 1996 begangene Fälle sind Gegenstand der Verurteilungen K s wegen Bestechung und jeweils eines der anderen Angeklagten wegen Bestechlichkeit.

B.


Die unbeschränkten Revisionen aller fünf Angeklagter sind ebenso offensichtlich (vgl. BGHR StPO § 349 Abs. 2 StPO Verwerfung 6) unbegründet wie die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die beschränkt sind auf die Nachprüfung sämtlicher Freisprüche, ferner der Rechtsfolgenaussprüche zum Nachteil der vier wegen Bestechlichkeit verurteilten Angeklagten. Auch der Generalbundesanwalt vertritt die Revisionen der Staatsanwaltschaft
nicht. Zur Begründung kann sich der Senat auf die im Ergebnis umfassend zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in den Antragsschriften vom 19. Juli 2001 beziehen, zu denen er lediglich folgendes ergänzend bemerkt.
I. Verfahrensrügen
1. Am 22. Sitzungstag stellte die Strafkammervorsitzende die (dauerhafte ) Verhinderung eines bis dahin an der Hauptverhandlung mitwirkenden Schöffen durch länger andauernde Erkrankung fest; für ihn trat ein Ergänzungsschöffe ein, der dann als Schöffe bei der Urteilsfindung mitgewirkt hat. Mit auf § 338 Nr. 1 StPO gestützten Besetzungsrügen machen drei Angeklagte geltend, der ursprüngliche Schöffe sei bereits an den ersten 21 Sitzungstagen teilweise krankheitsbedingt verhandlungsunfähig gewesen; einer der Revisionsführer beanstandet auch die Ablösung dieses Schöffen. Die Rügen können keinen Erfolg haben.

a) Sinn und Zweck des absoluten Revisionsgrundes des § 338 Nr. 1 StPO sowie die entsprechenden Regelungen unter Nrn. 2 und 3 der Vorschrift machen deutlich, daß als erkennendes Gericht im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO ausschließlich die Gerichtsbesetzung anzusehen ist, die das mit der Revision angefochtene Urteil gefällt hat (vgl. Hanack in Löwe /Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 338 Rdn. 8; Kuckein in KK 4. Aufl. § 338 Rdn. 23). Allein für diese Richter hat zu gelten, daß in ihrer Person während der gesamten Dauer der Hauptverhandlung kein Besetzungsmangel vorliegen darf (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1954, 151). Auf Besetzungsmängel in der Person eines später durch einen Ergänzungsrichter (§ 192 GVG) abgelösten Richters ist der absolute Revisionsgrund daher ebensowenig anwendbar wie auf solche bei einem bis zur Urteilsfindung nicht eingetretenen Ergänzungsrichter.
Aus einer Verhandlungsunfähigkeit des später wegen Krankheit ausgeschiedenen Schöffen während seiner Mitwirkung an der Hauptverhandlung könnte daher allenfalls ein relativer Revisionsgrund hergeleitet werden, wenn dieser Schöffe im Zustand der Verhandlungsunfähigkeit an einer Entscheidung mitgewirkt hätte, die sich ± ohne in fehlerfreier Besetzung bestätigt worden zu sein ± auf die Urteilsfindung ausgewirkt hätte. An entsprechendem nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unerläûlichem Revisionsvorbringen fehlt es. Abgesehen davon sind nicht einmal hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine Verhandlungsunfähigkeit des ausgeschiedenen Schöffen vor seiner Erkrankung ersichtlich.

b) Die Erkrankung wiederum gab der Strafkammervorsitzenden Anlaû , den Schöffen als verhindert ablösen zu lassen (§ 192 Abs. 2 und 3, § 77 Abs. 3 Satz 3, § 54 Abs. 1 und 3 GVG). Willkür läût ihre Entscheidung nicht erkennen. Dieser eingeschränkte revisionsgerichtliche Prüfungsmaûstab kann hier nicht anders gelten als im Fall der Feststellung der Verhinderung eines Schöffen vor Beginn der Hauptverhandlung, für den dies aus der Regelung in § 54 Abs. 3 Satz 1, § 77 Abs. 1 GVG, § 336 Satz 2 StPO folgt (Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 338 Rdn. 37; Kleinknecht/MeyerGoûner , StPO 45. Aufl. § 192 GVG Rdn. 7; noch offengeblieben in BGHSt 35, 366, 373).
2. Auch die auf § 338 Nr. 8 StPO und auf Verletzung des § 261 StPO gestützten Verfahrensrügen von drei Angeklagten im Zusammenhang mit der Befragung der Zeugin T bleiben erfolglos. Diese Zeugin, der das Landgericht ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht aus § 55 StPO zugebilligt hat, die indes nach entsprechender Belehrung zunächst zur Sache ausgesagt hatte, weigerte sich im Verlauf ihrer Vernehmung unter Berufung auf das Auskunftsverweigerungsrecht, weiterhin Fragen der Verteidigung zu beantworten.
Nach dem Revisionsvorbringen ist nicht ersichtlich, daû das Landgericht der Zeugin, die selbst wegen ähnlicher Vorwürfe wie der Angeklagte K im Zusammenhang mit der DEKRA tatverdächtig, zudem als Sekretärin seiner Fahrschule teilnahmeverdächtig war, zu Unrecht ein zum Aussageverweigerungsrecht verdichtetes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO zugebilligt hätte (vgl. BGHSt 43, 321, 325 f.; Kleinknecht /Meyer-Goûner aaO § 55 Rdn. 2 m.w.N.). Die Zeugin war damit, auch nachdem sie auf eine Aussageverweigerung zunächst verzichtet hatte, befugt , ohne Angabe von Gründen die Beantwortung sämtlicher Fragen der Verteidiger zu verweigern (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goûner aaO § 55 Rdn. 12; § 52 Rdn. 15; Dahs in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 55 Rdn. 17). Deren und der Angeklagten eigenes Fragerecht (Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK; Art. 14 Abs. 3 Buchst. e IPbürgR; vgl. dazu BGHSt 46, 93, 94 ff.) muû dem Schutz des Zeugen vor erzwungener Selbstbelastung (“nemo tenetur se ipsum accusare”; Art. 14 Abs. 3 Buchst. g IPbürgR; vgl. dazu BVerfGE 38, 105, 113; BGHSt 42, 139, 151 ff. m.w.N.; Rieû in Löwe /Rosenberg, StPO 25. Aufl. Einl. Abschn. I Rdn. 88, 96) nachstehen.
Im übrigen haben die Verteidiger das Angebot, über das Gericht Fragen an die Zeugin zu richten, nicht genutzt (UA S. 49; Beschluû des Landgerichts vom 30. August 1999, Bl. 64, 67/PB V). Der unbegründete Antrag , die Zeugin zur Beantwortung bestimmter unmittelbar von den Verteidigern formulierter Fragen zu zwingen, schloû nicht den Antrag ein, das Gericht möge diese Fragen als eigene stellen. Dies gilt umso mehr, als die Verteidigung ausdrücklich das bloûe Einräumen der Möglichkeit einer Übernahme ihrer Fragen durch das Gericht anstelle der ± notfalls auch zwangsweise ± begehrten Durchsetzung ihres eigenen Fragerechts als unzulässig erachtet hatte. Zudem ist eine zulässige Aufklärungsrüge, mit der das Unterlassen der Übernahme von Verteidigerfragen durch das Gericht im Revisionsverfahren beanstandet werden müûte, in diesem Zusammenhang nicht erhoben worden.

Die Prozeûsituation steht im Spannungsfeld zwischen dem Schutz des Zeugen vor erzwungener Selbstbelastung auf der einen und dem Fragerecht von Angeklagtem und Verteidigung auf der anderen Seite. Ein Verbot, die Angaben eines so die Aussage teilweise verweigernden Zeugen zum Nachteil des hierdurch in der aktiven Wahrnehmung seines Fragerechts beeinträchtigten Angeklagten zu verwerten, läût sich indes aus dessen Recht auf ein faires Verfahren nicht herleiten. Dieses Ergebnis folgt maûgeblich aus der Bedeutung der Wahrheitsermittlung im Strafverfahren. Allerdings ist der Tatrichter verpflichtet, ein solches Aussageverhalten im Rahmen der Beweiswürdigung bei der Beurteilung der Aussage des betreffenden Zeugen kritisch zu bewerten (vgl. BGH NStZ 2001, 440; allgemein zur Verwertbarkeit BGHR StPO § 55 Abs. 1 Auskunftsverweigerung 8; Rengier NStZ 1998, 47, 48). Nach dem Gesamtzusammenhang des Urteils ist nicht zu besorgen, daû der Tatrichter dieser Verpflichtung im Rahmen seiner Beweiswürdigung letztlich nicht genügt hätte.
3. Die auf Ablehnung von Beweisanträgen auf Vernehmung eines sprachwissenschaftlichen Sachverständigen gestützten Verfahrensrügen der Staatsanwaltschaft scheitern bereits an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Für die hinreichende Beurteilung der Geeignetheit des Beweismittels (§ 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 StPO) hätte es ± bezogen auf jeden Prüfling, dessen Sprachkundigkeit sachverständig zu untersuchen begehrt wurde ± einer genauen Bezeichnung hierfür relevanter besonders tatzeitnaher aktenkundiger Erkenntnisse ± gegebenenfalls aus Prüfungsunterlagen und Vernehmungen ± bedurft. Die pauschale Bezugnahme auf in der Anklage angegebene Fundstellen in dem abgelehnten Antrag ist jedenfalls im Rahmen der Revisionsbegründung insoweit offensichtlich unzulänglich (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Beweisantragsrecht 5).
II. Sachrügen

1. Die sachlichrechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung gibt insgesamt keinen Anlaû zu durchgreifenden Bedenken. Dies gilt letztlich auch, soweit die Staatsanwaltschaft beanstandet, daû das Landgericht trotz Feststellung länger andauernder allgemeiner Unrechtsvereinbarungen zwischen dem Angeklagten K auf der einen und den übrigen Angeklagten auf der anderen Seite nur in den Fällen zur Verurteilung gelangt ist, an die sich der geständige Angeklagte K konkret sicher erinnern konnte und bei denen zugleich gravierende Indizien für eine tatsächlich erfolgte Prüfungsmanipulation vorlagen.

a) Die überaus vorsichtige und zurückhaltende Beweiswürdigung des Tatrichters war geprägt von der dem Zusammenhang des Urteils ausreichend deutlich zu entnehmenden erheblichen Schwierigkeit der gesamten Beweislage. Diese war mitbeeinfluût von unterschiedlichen Interessen des Angeklagten K auf der einen, der übrigen Angeklagten auf der anderen Seite, und ersichtlich auch von unterschiedlichen, nicht stets am Ziel der Wahrheitsfindung orientierten Eigeninteressen verschiedener Beweispersonen. Zwar erfuhr das Pauschalgeständnis des Angeklagten K zahlreiche Stützungen, nicht zuletzt durch die Feststellungen über weitgehende Manipulationsmöglichkeiten, wie sie im Organisationsbereich der DEKRA eröffnet waren. Auch konnten generelle Falschbezichtigungsmotive des Angeklagten K rechtsfehlerfrei als fernliegend angesehen werden. Indes waren massive Bedenken gegen die Detailgenauigkeit seiner Angaben berechtigt, da er einerseits ± ersichtlich aufschneiderisch ± angab, “99 Prozent” der in Zahlungslisten enthaltenen Fahrschüler hätten eine manipulierte Prüfung erhalten, an die einzelnen Personen andererseits dann keine oder nur vage Erinnerungen hatte. Bei dieser Ausgangslage war eine nähere Konkretisierung seiner pauschalen Angaben, die zur zuverlässigen Überzeugungsbildung für die Ausführung bestimmter Bestechungstaten ausgereicht hätte, nur schwer zu erreichen. Die sachlichrechtliche Prüfung durch
den Senat ergibt in diesem Zusammenhang keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daû der Tatrichter insoweit vorhandene aussichtsreiche Beweismittel unerschöpft gelassen hätte.
Ohnehin bestand zusätzlicher Anlaû zu kritischer Würdigung ± ohne daû der Tatrichter deshalb gehalten gewesen wäre, dem Geständnis insgesamt zu miûtrauen ± im Blick auf die besondere Geständnismotivation des Angeklagten K , der ersichtlich durch seine Aussagebereitschaft eine weitere Inhaftierung zu verhindern suchte; dies gilt zumal im Blick auf das gesamte Prozeû- und Begleitverhalten dieses Angeklagten, insbesondere im Zusammenhang mit seinem schlieûlich erfolgten eigenmächtigen Ausbleiben aus der weiteren Hauptverhandlung. Der Gesamtzusammenhang des Urteils läût hinreichend deutlich erkennen, daû der Tatrichter sich bei seiner im Detail besonders zurückhaltenden Überzeugungsbildung auch von solchen berechtigten Überlegungen hat leiten lassen.

b) Auch in Fällen der hier vorliegenden Art mag freilich eine tatrichterliche Überzeugung von einem über die Einzelfallindividualisierbarkeit hinausgehenden , im Wege der Schätzung zu ermittelnden Mindestschuldumfang in Betracht zu ziehen sein, was zur Aburteilung einer unter Beachtung des Zweifelsgrundsatzes zu bestimmenden Mindestzahl weiterer von der Anklage erfaûter Einzelfälle auf wahldeutiger Tatsachengrundlage führen kann (vgl. für allerdings ganz unterschiedliche Fälle BGHSt 40, 374, 376 f.; 42, 107, 109 f.; BGH NStZ 1997, 280; wistra 1999, 426). Dies wäre namentlich zum Nachteil des an sämtlichen in Betracht zu ziehenden Taten mitbeteiligten Angeklagten K nicht undenkbar gewesen. Indes war das Landgericht hier nicht gehalten, eine solche Schätzung vorzunehmen. Insbesondere vor dem Hintergrund der Umstände des Geständnisses des Angeklagten K und seines sonstigen Verhaltens ist es vom Revisionsgericht hinzunehmen, daû der Tatrichter bei seiner ihm obliegenden Überzeugungsbildung den Angaben dieses Angeklagten mit Zurückhaltung begegnet
ist und eine weitergehende Verurteilung im Wege der Schätzung allein auf der Grundlage seines weitgehend pauschalen Geständnisses nicht vorgenommen hat.
Da im übrigen gravierende Indizien für eine Prüfungsmanipulation nicht gegeben waren, fehlte es an einer hinreichenden Schätzungsgrundlage. Anlaû zu revisionsgerichtlicher Korrektur des Beweiswürdigungsergebnisses , namentlich zum Nachteil der Angeklagten, bestand umso weniger angesichts eines vor den festgestellten Tathintergründen eher milden, aber nicht etwa ersichtlich unausgewogenen Gesamtergebnisses.

c) Die Konkretisierungsanforderungen, die der Tatrichter bei Feststellung jeder einzelnen Tat vorausgesetzt hat, und seine daraus folgende strikte Orientierung an den angeklagten Einzelfällen sind hier zudem vom Revisionsgericht umso mehr hinzunehmen, da die Taten nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des Korruptionsbekämpfungsgesetzes vom 13. August 1997 (BGBl. I 2038) zu beurteilen waren (§ 2 Abs. 3 StGB). Nach altem Recht bestanden noch strengere Anforderungen an die Bestimmtheit der Diensthandlung, die mit der Vorteilsgewährung an den Amtsträger zusammenhing (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 331 Rdn. 21 ff.; Bauer/Gmel in LK 11. Aufl. §§ 331 ± 338 ± Nachtrag ± Rdn. 7 ff.; Dölling ZStW 112 [2000], 334, 343 f.).
2. Die Schuldsprüche sind rechtsfehlerfrei. Die bestochenen DEKRA-Fahrprüfer waren Amtsträger gemäû § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB (vgl. BGHSt 42, 230, 233).
Auch die Rechtsfolgenaussprüche sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Namentlich im Blick auf die lange Dauer der Untersuchungs-
haft bei allen vier wegen Bestechlichkeit verurteilten Angeklagten können die Einwände der Staatsanwaltschaft gegen die jeweiligen Rechtsfolgenaussprüche keinen Erfolg haben.
Harms Basdorf Gerhardt Brause Schaal

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

5 StR 308/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 13. September 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. September 2011

beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten O. und B. wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 1. April 2011, soweit es diese Angeklagten betrifft, gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Nichtrevidentin W. wegen Beihilfe zum Raub zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten und die Revidenten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von sieben Jahren und drei Monaten (O. ) sowie sieben Jahren und sechs Monaten (B. ) verurteilt. Die Revisionen dieser Angeklagten haben mit den erhobenen Sachrügen Erfolg.
2
1. Gegenstand der Verurteilung der drei Angeklagten ist ein im Parkhaus der Filiale der Sparkasse Holstein in Oststeinbek am 12. Juli 2010 gegen Mittag ausgeführter Raubüberfall auf den Zeugen N. , der die Wochenendeinnahmen mehrerer Tankstellen in Höhe von über 19.000 € in einer Umhängetasche mit sich führte. Hierzu hat das Landgericht festgestellt:
3
Die Mitangeklagte W. fuhr den Angeklagten B. und zwei unbekannt gebliebene Mittäter in ihrem Pkw Mercedes der M-Klasse vor ein Anwesen in unmittelbarer Tatortnähe. Der Angeklagte O. beobachtete den Aufbruch des Zeugen N. zum Tatort von einer nahegelegenen Tankstelle aus, an der die Mitangeklagte ihn zuvor abgesetzt hatte, und informierte W. unter Nutzung eines von ihr entliehenen Mobiltelefons, dass sich B. und seine beiden Tatgenossen auf den Weg machen sollten. Am Tatort brachte einer der Täter den Zeugen N. mit einem heftigen Stoß zu Boden und sprühte ihm Pfefferspray in das Gesicht. „Zugleich wurde er brüllend aufgefordert, die Tasche freizugeben. Der Zeuge hielt die über seine Schulter gehängte Tasche mit dem Geld aber fest. Um ihn zum Loslassen zu zwingen, begannen die beiden anderen auf ihn einzuschlagen und einzutreten. Der Zeuge erlitt dadurch einen Nasenbeinbruch und eine Vielzahl von Prellungen am ganzen Körper. Auf die mehrmalige Aufforderung eines der Täter, die Tasche zu nehmen, wurde ihm diese schließlich entrissen“ (UA S. 8). Die drei Täter kehrten mit der Umhängetasche des Opfers und der eingesetzten Pfefferspraydose zum Fahrzeug der Mitangeklagten W. zurück. Sie rissen die Türen auf und sprangen in das mit laufendem Motor zur Abfahrt bereite Fahrzeug. Die Mitangeklagte W. fuhr – von einem Zeugen, der das Fahrzeugkennzeichen notierte, beobachtet – sofort losund setzte die drei unmittelbaren Täter und den später wieder zugestiegenen O. an verschiedenen Orten ab. Im Pkw verblieben die benutzte Pfefferspraydose und drei Mobiltelefone der Mitangeklagten, darunter das an O. zur Kommunikation bei Tatbegehung ausgeliehene.
4
2. Das Landgericht hat sich allein aufgrund von Angaben der Mitangeklagten W. von der Täterschaft der Angeklagten B. und

O.

überzeugt.
5
a) Es hat den Gang der Ermittlungen und die hierin enthaltenen Angaben der Mitangeklagten W. , die eine Kenntnis von dem geplanten und durchgeführten Raubüberfall während des gesamten Verfahrens bestritten hat, im Wesentlichen wie folgt festgestellt:
6
Bei ihrer Festnahme etwa eine halbe Stunde nach der Tat benannte W. eine Mobiltelefonnummer des ihr bekannten „A. “, den sie auf dessen Wunsch am Tattage mit seinen zwei Begleitern nach Hamburg hätte mitnehmen wollen. Die Verifizierung dieser Telefonnummer führte am 13. Juli 2010 zum Erlass eines Haftbefehls gegen B. .
7
Auch gegen die Mitangeklagte W. erging an diesem Tag Haftbefehl. Sie hatte während ihrer Beschuldigtenvernehmung – naheliegend auf Vorhalt ausgelesener Daten aus ihren Mobiltelefonen – angegeben, mit dem ihr bekannten „K. “ außerhalb ihres Fahrzeugs auf dem Parkplatz einer Drogerie vor Tatbegehung telefoniert zu haben. Diesen Platz habe sie, nachdem die drei Männer ausgestiegen seien, aufgrund eigenen Entschlusses verlassen und die Männer später wieder an anderer Stelle in ihr Fahrzeug aufgenommen.
8
Während einer weiteren Vernehmung am 25. August 2010 räumte sie ein, dass sie von kriminellen Geschäften des O. und des B. wisse, denen sie schon zweimal Chauffeurdienste geleistet habe, als es darum gegangen sei, etwas auszukundschaften. Sie sei davon ausgegangen, dass es sich um „Geldeintreiberjobs“ gehandelt hätte. Ferner gab sie – nach Auffassung des Landgerichts wahrheitswidrig – an, am Tattag um 11.00 Uhr zusammen mit O. noch einen Freier in Glinde besucht zu haben. Der Angeklagte O. wurde am 10. September 2010 in Untersuchungshaft genommen.
9
Während eines Haftprüfungstermins am 17. September 2010 erklärte die Mitangeklagte, es könne sein, dass sie nach der Übergabe des Mobiltelefons an O. mehrfach mit diesem telefoniert habe. Sie erklärte ferner, dass sie O. in das Fahrzeug wieder aufgenommen habe, und beschrieb eine Handnarbe eines der ihr unbekannten Männer, die in ihrem Wagen mitgefahren waren. Sie schilderte weitere Einzelheiten der Abschnitte ihrer Fahrten vor und nach dem Raubüberfall. Sodann wurde sie vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont.
10
b) Das Landgericht hat sich von dem Gehilfenvorsatz der einen solchen noch in der Hauptverhandlung bestreitenden Mitangeklagten W. beweiswürdigend überzeugt. Durch die Aussagen neutraler Zeugen und fünf nachgewiesene telefonische Kontakte zwischen 12.02 und 12.09 Uhr sei ihre Einlassung widerlegt, das Zusammentreffen mit „A. “, dessen Begleitern und mit O. sowie ihr Fahr- und Parkverhalten seien zufällig gewesen. Hinsichtlich seiner Annahme, B. und O. seien Mittäter, stützt sich das Landgericht auf die Angaben der Mitangeklagten W. , der es eine Beutebeteiligung oder eine Kenntnis der Verwendung des Pfeffersprays anders als dem ebenfalls bei der eigentlichen Tatbegehung abwesenden Angeklagten O. nicht zurechnet. Das Landgericht führt hierzu näher aus:
11
„Die Kammer war sich bei der Würdigung der Angaben der Angeklagten bewusst, dass ihre die Mitangeklagten belastenden Angaben mit großer Vorsicht zu bewerten waren. Die Angeklagte hatte durch das Nennen der Namen möglicher Tatbeteiligter Vorteile im Ermittlungsverfahren durch die Entlassung aus der U-Haft wegen des Wegfalls der Verdunkelungsgefahr wie auch in der Hauptverhandlung, weil ihr aufgrund ihrer Angaben eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 46b StGB gewährt wurde. Allein, davon hat die Angeklagte sich zur Überzeugung der Kammer nicht zur falschen Belastung der Mitangeklagten … verleiten lassen. Auch dass die Angeklagte im Ermittlungsverfahren und auch noch in der Hauptverhandlung zum Teil falsche Angaben gemacht hat und in der Hauptverhandlung Fragen der Mitangeklagten und ihrer Verteidiger nicht beantworten wollte, ändert an dieser Einschätzung nichts. Die Angeklagte hat auf diese Art und Weise nur versucht, ihren eigenen Tatbeitrag klein zu halten und insbesondere ihr Wissen von der geplanten Tat zu verschleiern, um sich selbst der Bestrafung zu entziehen“ (UA S. 17 f.).
12
c) Umstände, die gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Mitangeklagten W. sprechen, hat das Landgericht wie folgt erwogen:
13
Soweit am 12. Juli 2010 auf dem Mobiltelefon des B. kein von ihr bekundeter Kontakt zu O. feststellbar gewesen sei, könne ein solcher Kontakt mit einem anderen Telefon hergestellt worden sein. Zwar könne der festgestellte Standort des von der Mitangeklagten nach eigenen Angaben erst kurz vor der Tat an O. verliehenen Mobiltelefons am Vortag in Pinneberg für eine Übergabe des Telefons schon an diesem Tag sprechen; dies beweise aber nicht die Unglaubhaftigkeit der Angabe der W. , weil eine vorherige Rückgabe ohne weiteres möglich gewesen wäre. Es bestehe auch kein Anhaltspunkt dafür, dass sie „O. und B. zu Unrecht belastet haben könnte. Immerhin war zumindest O. ein guter Freund von ihr. Gründe für ein Zerwürfnis mit ihm, das die Angeklagte veranlasst haben könnte, ihm durch eine Falschbeschuldigung eins auszuwischen, haben sich in der Hauptverhandlung nicht ergeben“ (UA S.

19).


14
3. Die Schuldsprüche gegen die Revidenten, die allein auf die Angaben der Mitangeklagten W. gestützt sind, haben keinen Bestand. Ihre Bekundungen vermögen in der allzu pauschalen Auswertung durch das Landgericht letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2001 – 5 StR 520/01, StV 2002, 235).
15
a) Allerdings geht das Landgericht im Ansatz zunächst zu Recht davon aus, dass in der Konstellation alleiniger Belastung im Verfahren durchweg schweigender Angeklagter durch einen Mitangeklagten dessen teilweise wahrheitswidrige Angaben hinsichtlich seiner eigenen Mitwirkung grundsätzlich nicht dazu nötigen, eine Bestätigung dieser belastenden Bekundungen bezüglich der Angeklagten durch außerhalb der Angaben liegende Umstände zu suchen.
16
Bemühungen der Mitangeklagten W. , zu ihrer Verteidigung im gesamten Verfahren unrichtige Angaben zu machen und hierdurch zu versuchen, einer Annahme ihres Vorsatzes als Raubgehilfin entgegenzuwirken, stehen – im Gegensatz zu teilweise falsche Belastungen enthaltenden Aussagen, namentlich von der Wahrheitspflicht unterliegenden Zeugen (vgl. BGH, Urteile vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98 – und 17. November 1998 – 1 StR 450/98, BGHSt 44, 153, 159 sowie 256, 257; vgl. dazu ferner Brause NStZ 2007, 505, 510 f.) – grundsätzlich in keinem untrennbaren Wertungszusammenhang mit den Angaben der Mitangeklagten zur Identität der von ihr in ihrem Pkw beförderten Personen. Eine Falschbelastung hinsichtlich der Umstände der Haupttat steht nicht im Raum. Hierzu hat die Mitangeklagte gar keine Angaben gemacht.
17
b) Indes erfüllt die allein auf die Angaben der Mitangeklagten gestützte Beweisführung hier wegen ihrer inhaltlichen Defizite dennoch nicht das im Verurteilungsfall zu erfüllende Gebot rational begründeter und tatsachengestützter Beweisführung (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2003, 2444, 2445; BGH, Urteil vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, StV 2011, 3, 4).
18
aa) Zwischen den Beteiligten eines Verbrechens bestehen in der Regel persönliche und jedenfalls auf die Begehung der Tat gerichtete kriminelle Beziehungen. Hierzu hat das Landgericht nichts Näheres festgestellt. Die Umstände der Freundschaft der nicht vorbestraften, damals als Prostituierte und Geschäftsfrau tätigen Mitangeklagten W. zu dem geringfügig mit zwei Geldstrafen vorbestraften Angeklagten O. , der als Angestellter eines Fitnessstudios beschäftigt war, werden nicht erhellt. Gleiches gilt für die Angabe der W. , sie kenne den – von Sozialleistungen lebenden und mit Jugendarrest und einer Geldstrafe vorbelasteten – Angeklagten B. von einer Party und er sei ihr sympathisch gewesen. Hinsichtlich der Verwendung der Tatbeute nimmt das Landgericht – indes ohne jeden Beleg – an, dass O. , B. und ihre beiden Tatgenossen die Beute unter sich geteilt hätten. Eine naheliegend vereinbarte Belohnung der Mitangeklagten W. oder auch nur ein Aufwendungsersatz für sie werden nicht erwogen. Während O. der gesamte Tatablauf ohne Problematisierung seiner Ortsabwesenheit ohne weiteres mittäterschaftlich zugerechnet wird, wird der Mitangeklagten W. nicht einmal die geplante Verwendung der später in ihrem Fahrzeug sichergestellten Tatwaffe zugerechnet.
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bb) Das Landgericht hat es unterlassen, anhand der Angaben des Geschädigten und anderer Zeugen eine generelle Eignung des Angeklagten B. als Haupttäter hinsichtlich seines Erscheinungsbildes und anderer Umstände festzustellen. Ebenso hat es versäumt darzulegen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass sich die Revidenten zur Tatzeit an einem anderen Ort aufgehalten haben können. Auch zu etwa identifizierungsrelevanten Spuren im Fahrzeug der Mitangeklagten, an dem verliehenen Mobiltelefon oder dem Sprühgerät schweigt das Urteil.
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cc) Unerörtert bleibt, dass die Mitangeklagte W. die beiden weiteren von ihr zweimal transportierten Gewalttäter nicht näher beschrieben hat und dass sie sich durch Vorschützen einer vom Landgericht als unglaubhaft bewerteten Gedächtnislücke (UA S. 17) geweigert hat, durch Angabe der tatbezogenen Gesprächsinhalte mit O. dessen Beteiligung zu konkretisieren. Insoweit hat ihr Streben nach eigener Entlastung eine mögliche Aufklärung belastender Umstände verhindert. Danach wäre die Glaubhaftigkeit der übrigen belastenden Angaben unter dem Gesichtspunkt in Frage zu stellen gewesen, dass der Belastungssachverhalt bewusst reduziert worden ist.

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dd) Schließlich kommt hinzu, dass sich die Mitangeklagte W. nach ihrer Verhaftung bezüglich ihrer dolosen Mitwirkung an dem Verbrechen in Erklärungsnot befand und ihre Entlassung aus der Untersuchungshaft, später Strafmilderung durch Aufklärungshilfe erstrebte. Diese Interessenlage, zumal vor dem Hintergrund der bloßen sukzessiven und unvollständigen Benennung von zwei Haupttätern und des Umstands, dass sich die Mitangeklagte der konfrontativen Befragung der Verteidiger entzogen hat, hätte Anlass geben müssen zu erwägen, ob nicht doch andere Hintermänner der Tat hätten gedeckt werden sollen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 1999 – 5 StR 552/99, StV 2000, 243, 244).
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ee) Die vom Landgericht zugesagte Bewertung der Angaben der Mitangeklagten W. „mit großer Vorsicht“ bleibt insgesamt angesichts allzu schmaler Tatsachenbasis des die Belastung begründenden Sachverhalts ohne ausreichende rationale Verankerung. Auf den in den Angaben zu einzelnen Fahrtabschnitten hervorgetretenen Detailreichtum geht das Landgericht nicht ein; er wäre indes, weil jeder Tatbeteiligte Selbsterlebtes unschwer berichten kann, hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Angaben zur Identität der Mittäter von eher geringerer Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 494/06, StV 2007, 284, 285 zur Aufteilung von Tatbeiträgen). Bei dieser Sachlage konnte die Beweiswürdigung auch das Gebot der Kompensation für die nicht gewährte Konfrontation nicht erfüllen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 – 4 StR 461/08, BGHR MRK Art. 6 Abs. 3 Buchstabe d Fragerecht 7; vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Januar 2002 – 5 StR 130/01, BGHSt 47, 220, 223 f.).
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4. Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Die Beweiswürdigungsmängel erfassen nicht die Überführung der nicht revidierenden Mitangeklagten als Gehilfin; es kommt mithin nicht etwa in Betracht, die Aufhebung nach § 357 StPO auf sie zu erstrecken. Für den keineswegs ausgeschlossenen Fall erneuter Verurteilung der Angeklagten müsste das Landgericht eine nahezu gleich hohe Bestrafung beider Angeklagter und eine deutliche Überschreitung der Mindeststrafe des Regelstrafrahmens des § 250 Abs. 2 StGB weitergehend als bisher begründen.
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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.