5 StR 329/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 29. November 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. November 2006 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Neuruppin vom 13. April 2006 gemäß § 349 Abs. 4
StPO im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
G r ü n d e
1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung
und wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe
verurteilt. Die auf die Verletzung förmlichen und sachlichen
Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit einer zulässig erhobenen
Aufklärungsrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
I.
2 Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3 Der Angeklagte ist seit zehn Jahren mit der Zeugin He. verheiratet.
Aus der Ehe sind drei Töchter im Alter von zehn, fünf und vier Jahren
und vier Jahren hervorgegangen. Die Zeugin war dem Angeklagten seit vielen
Jahren untreu, was auch im Verwandten- und Freundeskreis weitgehend
bekannt war. Der Angeklagte fand sich mit dem kränkenden Verhalten seiner
Ehefrau jedoch ab, da er ein Auseinanderbrechen der Ehe vermeiden wollte,
zumal er sehr an seinen Kindern hing.
4 Im Sommer 2005 ging B. He. erneut eine außereheliche Beziehung
ein, wobei sie sich ernsthaft in Hr. , das spätere Tatopfer,
verliebte. Sie plante, sich von dem Angeklagten scheiden zu lassen, die beiden
kleineren Kinder zu sich zu nehmen und mit ihrem Geliebten in eine gemeinsame
Wohnung zu ziehen.
5 Als der Angeklagte von den Absichten seiner Ehefrau erfuhr, versuchte
er alles, um die Trennung zu verhindern. Es gelang ihm jedoch nicht, die
Zeugin umzustimmen. Sie traf sich weiterhin abends regelmäßig mit Hr. ,
wobei der Angeklagte ihr eifersüchtig folgte, nachdem die Kinder eingeschlafen
waren. Der Angeklagte setzte sich mit der mit den Familienverhältnissen
vertrauten Sozialarbeiterin des Jugendamtes in Verbindung und bat um Rat
und Hilfe. Auf deren Intervention sagte die Zeugin He. zunächst zu, die
Ehe fortsetzen zu wollen, was sich jedoch in der Folgezeit als Lippenbekenntnis
erwies. Sie traf sich weiter mit ihrem Liebhaber und beide machten
auch in der Öffentlichkeit keinen Hehl mehr aus ihrem Verhältnis.
6 Bei einem Fest am 3. Oktober 2005 musste der Angeklagte mitansehen
, wie seine Ehefrau und Hr. auf der Tanzfläche ungeniert Zärtlichkeiten
in Form von innigen Küssen und Umarmungen austauschten. Er versuchte
seine Frau von Hr. wegzuzerren. Diese wehrte sich und erklärte ihm,
dass sie sich nun scheiden lassen werde, um Hr. zu heiraten, die Kinder
werde sie auch behalten. Daraufhin schlug der Angeklagte Hr. mit
der Faust so kräftig ins Gesicht, dass dieser einen Nasenbeinbruch erlitt.
7 In den Tagen danach setzte der Angeklagte die Überwachung seiner
Ehefrau fort und musste feststellen, dass sie sich weiter regelmäßig mit Hr.
traf. In der Nacht vom 9. auf den 10. Oktober 2005 kam es zu einem Gespräch
zwischen ihm und Hr. , bei dem dieser ihm mitteilte, er werde mit
der Zeugin und den Kindern zusammenziehen. Der Angeklagte könne aber
jederzeit Kontakt zu seinen Kindern haben.
8 In den frühen Morgenstunden des 11. Oktober 2005 nahm der Angeklagte
heimlich die zu Hr. s Wohnung gehörenden Schlüssel vom Schlüsselbund
seiner Frau ab und versah sich mit einem großen Messer. Zunächst
fuhr er zu seiner Arbeitstätte und führte dort noch ausstehende Restarbeiten
aus. Sodann begab er sich zur Wohnung seines Rivalen und öffnete die
Wohnungstür mit dem entwendeten Schlüssel. In der Wohnung fand er
Hr. – wie erwartet – noch schlafend im Bett vor. Er stieß seinem Opfer
das Messer in Tötungsabsicht mit Wucht insgesamt dreimal in Brust und
Bauch. Die massiven Verletzungen führten innerhalb weniger Minuten zum
Tod des Opfers durch Verbluten. Nach der Tat verließ der Angeklagte zunächst
die Wohnung und schloss hinter sich ab. Einige Stunden später kehrte
er zurück, wickelte die Leiche in Betttücher ein und steckte sie in einen
Müllsack. Er beabsichtigte, die Leiche mit einer Sackkarre abzutransportieren
und verschwinden zu lassen. Zum Abtransport kam es jedoch nicht mehr; die
Tat wurde am folgenden Tag entdeckt.
9 Das Landgericht hat die Tötung des Hr. als Heimtückemord bewertet.
Die Voraussetzungen des
§ 21 StGB hat es sowohl für die Körperverletzung
als auch für den Totschlag ohne sachverständige Hilfe verneint. Anhaltspunkte
dafür, dass die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten
wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden
Bewusstseinsstörung oder wegen einer schweren anderen seelischen
Abartigkeit vermindert oder gar aufgehoben sein könnte, seien nicht
einmal im Ansatz ersichtlich, so dass auch kein Anlass bestanden habe, den
Angeklagten einer forensisch-psychiatrischen Begutachtung zu unterziehen.
II.
10 Die Einwände der Revision gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung
sind offensichtlich unbegründet. Die sich aus dem Gutachten des Landeskriminalamts
Brandenburg von Oktober 2006 ergebenden neuen Erkenntnisse
können im Revisionsverfahren keine Berücksichtigung finden. Die Bewertung
der Tötung des Hr. als Heimtückemord hält ebenfalls rechtlicher
Prüfung stand.
11 Der Beschwerdeführer rügt jedoch zu Recht, die Strafkammer habe
ihre Aufklärungspflicht verletzt, weil sie zur Frage der Schuldfähigkeit des
Angeklagten keinen psychiatrischen Sachverständigen gehört habe. Hierzu
hätten die im Urteil beschriebene Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten,
seine Persönlichkeitsentwicklung mit Blick auf den schwelenden und sodann
offen ausbrechenden Beziehungskonflikt sowie die Entwicklung der Beziehung
des Revisionsführers zu seiner Ehefrau und zu dem späteren Tatopfer
gedrängt.
12 Auf die im Urteil dargestellte, entsprechend der Entwicklung des konflikthaften
Geschehens zunehmende Destabilisierung der Persönlichkeit des
Angeklagten, die seine psychiatrische Begutachtung nahe legten, hat der
Verteidiger in seiner Revisionsbegründung zutreffend hingewiesen.
13 So wird der Angeklagte zunächst als verschlossener Mensch geschildert
, der auch Personen in seinem engsten Umkreis nicht an seinem Gefühlsleben
teilhaben lässt. Er wird als besonnener, gut organisierter Handwerker
beschrieben, der im Interesse der Familie und insbesondere seiner
Kinder das ihn kränkende Treiben seiner Frau jahrelang geduldet hat. Dies
änderte sich merklich, als die Zeugin ihn unter Mitnahme der Kinder verlassen
wollte. Der Revisionsführer unternahm nun erhebliche Anstrengungen,
eine Trennung von seiner Ehefrau und damit das Auseinanderbrechen der
Familie zu verhindern. Ihn plagte „eine brennende Sorge“ im Hinblick auf das
Scheidungsbegehren und den hiermit verbundenen drohenden Verlust seiner
Kinder. Die Situation belastete ihn derart, dass er nunmehr entgegen seinen
bisherigen Gepflogenheiten mit anderen Menschen und sogar mit seinem
Arbeitgeber über seine Sorgen sprach und weinend um Rat fragte. Er folgte
seiner Frau Abend für Abend und musste zusehen, wie sie sich mit ihrem
Geliebten traf. Die „zunehmende Ratlosigkeit und Verzweiflung“ des Angeklagten
in Reaktion auf dieses Geschehen und seine daraus „entstehende
unreflektierte Aggressionsbereitschaft“ entluden sich erstmalig in der Körperverletzung
zum Nachteil des Hr. am 3. Oktober 2005. In diesem Zusammenhang
stellt das Landgericht weiter fest, dass sich die Eifersucht des Angeklagten
jetzt „in blanke Wut“ steigerte. Am Vorabend der Tötung musste er
sich zudem bei einem von ihm gesuchten Gespräch mit dem Liebhaber seiner
Frau anhören, dass seine – des Angeklagten – Ehe kaputt sei, dass er
aber nach einer Trennung seine Kinder, die die Zeugin in die neue Verbindung
mitnehmen werde, jederzeit sehen könne, was der Angeklagte als „bittere
Enttäuschung der mit dieser Aussprache verbundenen erheblichen Erwartungen“
empfand. Zugleich führte diese Unterredung dem Angeklagten
deutlich vor Augen, dass er sich keine Hoffnungen auf eine günstige Wendung
mehr machen konnte.
14 Angesichts dieser vom Landgericht festgestellten konflikthaften Entwicklung
mit den entsprechenden psychischen Auswirkungen auf den Angeklagten
ist der Befund, es fehle schon im Ansatz an jedem Anhaltspunkt dafür
, dass die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt
gewesen sei, für sich nicht tragfähig. Jedenfalls ohne weitere Erkenntnisse
oder tiefergehende Erörterungen hätte das Schwurgericht sachverständiger
Beratung zur Frage der Schuldfähigkeit unbedingt bedurft. Dies gilt auch unter
Berücksichtigung der Tatsache, dass der Angeklagte bei der Tötung des
Hr. durchaus planvoll gehandelt hat, denn auch zielstrebiges und folgerichtiges
Verhalten steht der Annahme einer erheblichen Verminderung des
Hemmungsvermögens nicht unbedingt entgegen (vgl. Tröndle/Fischer,
StGB 53. Aufl. § 20 Rdn. 25 m.w.N.).
15 Da nach der gegebenen Sachlage eine Schuldunfähigkeit im Sinne
des
§ 20 StGB auszuschließen ist, nötigt der aufgezeigte Rechtsfehler nur
zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.
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