Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2012 - 5 StR 313/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
a) in den Aussprüchen über die drei Einzelfreiheitsstrafen (Fälle 1.1, 4 und 6) und über die Gesamtstrafe,
b) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit davon abgesehen worden ist, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, Computerbetrugs, Bedrohung u.a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des An- geklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- 1. Das Urteil begegnet durchgreifenden Bedenken, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist.
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- Das Absehen von der Maßregel hat das Landgericht lediglich damit begründet, dass der Angeklagte nicht bereit sei, sich therapieren zu lassen (UA S. 16). Dabei hat es aber auch festgestellt, dass sich der seit März 2009 Heroin und Crystal konsumierende Angeklagte selbst als früher drogenabhängig eingeschätzt habe; durch die zwischenzeitlich erlittene Haftzeit fühle er sich indes nicht mehr behandlungsbedürftig und lehne eine stationäre Langzeitentwöhnungstherapie ab (UA S. 3). Die von der Strafkammer hinzugezogene Sachverständige, die bei dem Angeklagten eine Methamphetaminabhängigkeit diagnostiziert hat, schätzt den Angeklagten als behandlungsbedürftig und -fähig ein und befürwortet die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.
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- Die vom Landgericht gegebene Begründung für das Absehen von der Anordnung kann das Fehlen einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 Satz 2 StGB nicht tragen. Zwar kann die Therapieunwilligkeit des Täters ein gegen die Erfolgsaussicht der Maßregel sprechender Umstand sein. In diesem Fall sind jedoch die Gründe und Wurzeln eines etwaigen Motivationsmangels festzustellen; es ist zu überprüfen, ob eine Therapiebereitschaft für eine Erfolg versprechende Behandlung geweckt werden kann (BGH, Beschlüsse vom 10. November 2009 – 5 StR 413/09, NStZ-RR 2010, 42, 43, und vom 22. September 2010 – 2 StR 268/10, NStZ-RR 2011, 203). Diesen Anforderungen genügt das angegriffene Urteil nicht. Das Landgericht hat keine Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2010 – 2 StR 268/10 aaO) vorgenommen undhat die Gründe der fehlenden The- rapiebereitschaft nicht hinterfragt. Ein Erörterungsbedarf hat sich aber bereits deshalb aufgedrängt, weil angesichts einer in den Urteilsgründen anklingenden (subjektiven) Besserung der Drogenproblematik unter Haftbedingungen die Erfolgsaussichten der Maßregel und auch eine damit verbundene Motivierung des Angeklagten nicht fernliegend erscheinen.
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- Die Sache bedarf insoweit unter Hinzuziehung der Sachverständigen nach § 246a StPO neuer tatrichterlicher Prüfung. Das Verbot der Schlechterstellung steht einer möglichen Maßregelanordnung nach § 64 StGB nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO).
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- 2. Der Senat hebt darüber hinaus auch den Strafausspruch auf, soweit Einzelfreiheitsstrafen verhängt worden sind, und im Gesamtstrafausspruch, um dem neuen Tatgericht gegebenenfalls eine sachgerechte Abstimmung von Strafen und Maßregel zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. April 2012 – 5 StR 87/12). In diesem Zusammenhang ist auch die Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung neu zu treffen; es ist nicht auszuschließen , dass eine erneute ergänzende Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten, darüber hinaus der Umstand mittlerweile erlittenen erheblichen Freiheitsentzugs, nunmehr auch die Prognoseentscheidung in einem anderen Licht erscheinen lässt.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.
(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.