Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2017 - 5 StR 270/17

bei uns veröffentlicht am13.07.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 270/17
vom
13. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Hehlerei
ECLI:DE:BGH:2017:130717B5STR270.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. Juli 2017 gemäß § 46 Abs. 1 StPO beschlossen:
Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. November 2016 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe:


1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten am 4. November 2016 wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Verteidiger Rechtsanwalt Q. am 11. November 2016 form- und fristgerecht Revision eingelegt, diese jedoch nicht begründet. Deswegen hat das Landgericht die Revision des Angeklagten mit Beschluss vom 22. Februar 2017 gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen.
2
Der Verteidiger hat mit am 4. Mai 2017 eingegangenem Schreiben Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Revision begründet. Es sei zu vermuten, dass er einen am 5. Januar 2017 gefertigten Schriftsatz zur „Berufungsbegründung“ aus Unachtsamkeit nicht versandt habe.
3
2. Der Antragsteller hat zwar nicht zugleich einen Antrag nach § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO gestellt bzw. Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO beantragt. Der Erreichung seines Rechtsschutzziels steht dies aber nicht zwingend entgegen, weil die Bewilligung der Wiedereinsetzung bezüglich der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist dem Verfahren nach § 346 StPO die Grundlage entzieht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. August 2013 – 1 StR 245/13 Rn. 3 mwN).
4
3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist jedoch unzulässig. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 21. Juni 2017 ausgeführt: „Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hinder- nisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO); innerhalb dieser Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2016 – 3 StR 444/16, StraFo 2017, 66, 67). Dies ist vorliegend nicht geschehen. Das Wiedereinsetzungsgesuch enthält keine Angaben dazu, wann der Antragsteller Kenntnis vom Wegfall des Hindernisses erhalten hat.“
5
Dem tritt der Senat bei. Es verbleibt daher bei dem Beschluss des Landgerichts vom 22. Februar 2017.
Mutzbauer Dölp König
Berger Mosbacher

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2017 - 5 StR 270/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2017 - 5 StR 270/17

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2017 - 5 StR 270/17 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 45 Anforderungen an einen Wiedereinsetzungsantrag


(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei de

Strafprozeßordnung - StPO | § 346 Verspätete oder formwidrige Einlegung


(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß a

Strafprozeßordnung - StPO | § 46 Zuständigkeit; Rechtsmittel


(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht, das bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre. (2) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung unterliegt keiner Anfechtung. (3) Gegen die den Antrag verwerfende E

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2017 - 5 StR 270/17 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2017 - 5 StR 270/17 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Aug. 2013 - 1 StR 245/13

bei uns veröffentlicht am 06.08.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 245/13 vom 6. August 2013 in der Strafsache gegen wegen versuchter schwerer sexueller Nötigung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. August 2013 gemäß § 46 Abs. 1 StPO beschlossen: Der Antrag des An

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2016 - 3 StR 444/16

bei uns veröffentlicht am 29.11.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 444/16 vom 29. November 2016 in der Strafsache gegen wegen schweren Bandendiebstahls u.a. ECLI:DE:BGH:2016:291116B3STR444.16.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts un

Referenzen

(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht, das bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre.

(2) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung unterliegt keiner Anfechtung.

(3) Gegen die den Antrag verwerfende Entscheidung ist sofortige Beschwerde zulässig.

(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

3
Der Antragsteller hat zwar nicht zugleich einen Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO gestellt bzw. Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 StPO beantragt. Der Erreichung seines Rechtsschutzziels steht dies aber nicht zwingend entgegen, da die Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist dem Verfahren nach § 346 StPO die Grundlage entzieht (BGH, Beschluss vom 21. Januar 1958 – 1 StR 236/57, BGHSt 11, 152, 154; MeyerGoßner , StPO, 56. Aufl., § 346 Rn. 17).

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 444/16
vom
29. November 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:291116B3STR444.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 29. November 2016 gemäß § 46 Abs. 1, § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 25. Mai 2016 wird auf seine Kosten verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in zehn Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben ist, und wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen das am 25. Mai 2016 in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte mit einem am 1. Juli 2016 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage Revision eingelegt. Zugleich hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision be- antragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Verteidiger ausgeführt:
2
Der Angeklagte habe ihn gleich nach der Urteilsverkündung beauftragt, Revision gegen das Urteil einzulegen. Das habe er aufgrund von Arbeitsüberlastung unterlassen. Erst als ihn der Angeklagte "heute" in der Justizvollzugsanstalt darauf angesprochen habe, eine neue Strafzeitberechnung erhalten zu haben, in der die Rechtskraft des Urteils vermerkt sei, habe er sein Versäumnis erkannt.
3
1. Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig, weil die Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht eingehalten wurden. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 26. Oktober 2016 ausgeführt : "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO); innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2016 - 4 StR 452/15, BeckRS 2016, 02161, mwN). An dieser Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt es hier. Der Antrag enthält keine ausreichenden Angaben dazu, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist. Entscheidend für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Angeklagten. Auf den - von der Revision mitgeteilten - Zeitpunkt der Kenntnis des Verteidigers kommt es hingegen nicht an (BGH, aaO, mwN). Wann dem Angeklagten die neue Strafzeitberechnung, in der das Urteil als rechtskräftig vermerkt ist, ausgehändigt wurde und ihm somit die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist bekannt geworden ist, wird indes von der Revision nicht vorgetragen, obwohl der Wiedereinsetzungsantrag erst einen Monat nach Ablauf der Frist des § 341 Abs. 1 StPO gestellt wurde. Jedenfalls in den Fällen, in denen die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO wie hier nach Aktenlage nicht offen- sichtlich ist, gehört zur formgerechten Anbringung des Wiedereinsetzungsantrags , dass der Antragsteller mitteilt, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger ein eigenes Verschulden geltend macht, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen wäre (BGH, aaO, mwN)."
4
Dem schließt sich der Senat an.
5
Soweit nunmehr mit Schriftsatz des Verteidigers vom 16. November 2016 ausgeführt worden ist, dass auch der Angeklagte erst am 1. Juli 2016 von der unterbliebenen Revisionseinlegung erfahren habe, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Die Angaben zu dem Zeitpunkt, in dem der Angeklagte von dem Wegfall des Hindernisses, hier mithin von dem Versäumnis des Verteidigers , erfahren hat, müssen innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO gemacht werden, weil sie Voraussetzung für die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags sind; später können bereits rechtzeitig vorgetragene Zulässigkeitsvoraussetzungen nur noch ergänzt und verdeutlicht werden (BGH, Beschluss vom 30. April 2015 - 1 StR 135/15, juris Rn. 4).
6
2. Da die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels (§ 341 Abs. 1 StPO) danach nicht eingehalten worden ist, ist die Revision gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen.
Becker Schäfer Gericke Tiemann Berg