Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juli 2004 - 5 StR 190/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die zugunsten des Angeklagten eingelegte, auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft führt in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts wegen eines Wertungsfehlers zur Aufhebung des Strafausspruchs unter Aufrechterhaltung der Feststellungen. Entsprechenden Teilerfolg hat die Revision des Angeklagten.
1. Die Revision des Angeklagten ist zum Schuldspruch unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts merkt der Senat lediglich an:
a) Die Auffassung des Generalbundesanwalts zur Verfahrensrüge nach § 261 StPO ist zutreffend. Zum einen sind Rückschlüsse auch auf „innere Tatsachen“ Dritter aus vom Angeklagten in seiner Einlassung mitgeteilten Beobachtungen ohne weiteres möglich. Abgesehen davon können zeugenschaftlich vernommene Kriminalbeamte entsprechendes auch ohne formelle Vernehmungen von Rechtsanwälten und Kanzleimitarbeitern durch schlichte Befragungen ermittelt und demgemäß ausgesagt haben.
b) Die Annahme direkten Tötungsvorsatzes ist bei dem gegebenen Tatbild ersichtlich rechtsfehlerfrei.
c) Trotz ganz außergewöhnlicher – teils bizarrer – Begleitumstände des Vor- und Nachtatgeschehens ist es sachlichrechtlich noch nicht zu beanstanden , daß das – auch insoweit sachverständig beratene – Schwurgericht die Ablehnung der Voraussetzungen der §§ 20, 63 StGB wegen krankhafter seelischer Störung oder schwerer anderer seelischer Abartigkeit nicht eingehender begründet hat. Daß das Schwurgericht den Ausnahmefall eines affektbedingten Ausschlusses der Schuldfähigkeit verneint hat, ist aus den zutreffenden Erwägungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts rechtsfehlerfrei. Allerdings ist das Ausmaß der – ohne jeden Zweifel festzustellenden – erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Vergleich zu sonstigen Fällen nach § 21 StGB herabgesetzter Schuldfähigkeit wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung beträchtlich.
2. Wie von beiden Revisionen zutreffend beanstandet, erweist sich die Anlastung (UA S. 29 f., 31) selbstbefriedigender sexueller Praktiken des Angeklagten in der Wohnung des noch nicht entdeckten Getöteten nach der Tat als rechtsfehlerhaft, weil – wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt – damit kein strafbares Verhalten (§ 168 StGB) und keine besondere Rechtsfeindlichkeit oder Uneinsichtigkeit des Angeklagten belegt und eine bewußte Mißachtung des Opfers ausdrücklich nicht festgestellt ist. Der Wertungsfehler zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich, ohne daß es einer Aufhebung der nicht von dem Rechtsfehler berührten, beanstandungsfrei getroffenen zugehörigen Feststellungen bedürfte.
Der Senat merkt an, daß entgegen den in beiden Revisionen geäußerten Auffassungen dem angefochtenen Urteil trotz des Ausmaßes der Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Angeklagten keine durchgreifenden Strafzumessungsmängel im Zusammenhang mit der Anwendung des § 21 StGB anhaften (vgl. zur Handlungsintensität BGHR StGB § 21 Strafzumessung 18; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 46 Rdn. 28 und 33). Es liegt auch nicht etwa ein Fall vor, in dem das Revisionsgericht die Strafe wegen eines offensichtlich nicht mehr schuldangemessenen Ergebnisses zu beanstanden hätte.
Auch sonst fehlt es an weiteren durchgreifenden Rechtsfehlern in der Strafzumessung, namentlich solchen, die Anlaß geben könnten, auch die zugehörigen Feststellungen aufzuheben. Der Senat weist indes darauf hin, daß die Begründung, mit der das Schwurgericht die Voraussetzungen eines benannten minder schweren Falles des Totschlags (§ 213 StGB, erste Alternative ) verneint hat (UA S. 28 f.), durchgreifenden Bedenken begegnet, weil bei der Beurteilung der Schwere der Beleidigung (vgl. dazu nur Tröndle /Fischer aaO § 213 Rdn. 5 a. E. m.w.N.) die konkreten Vorbeziehungen zwischen dem Angeklagten und seinem Opfer nicht ausreichend bedacht worden sind und die Annahme eines Mitverschuldens des Angeklagten an der Provokation durch das Opfer kaum vertretbar erscheint. Angesichts des schon bislang – nach Annahme des § 213 StGB, zweite Alternative – zutreffend zugrundegelegten Strafrahmens aus § 213 i.V.m. §§ 21, 49 Abs. 1 StGB, dessen Anwendung hier zwingend war, ist dieser Mangel freilich ohne durchgreifende Auswirkung geblieben. Der neue Tatrichter ist nicht gehindert , die gebotene erneute Bewertung zu § 213 StGB, erste Alternative auf der Grundlage der gleichwohl umfassend fehlerfrei getroffenen Feststellungen vorzunehmen.
Harms Basdorf Gerhardt Raum Brause
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt oder wer daran beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Aufbahrungsstätte, Beisetzungsstätte oder öffentliche Totengedenkstätte zerstört oder beschädigt oder wer dort beschimpfenden Unfug verübt.
(3) Der Versuch ist strafbar.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.