Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Feb. 2016 - 5 StR 10/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:160216B5STR10.16.0
bei uns veröffentlicht am16.02.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 10/16
vom
16. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2016:160216B5STR10.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Februar 2016 beschlossen :
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Februar 2015 wird nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen, dass von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe ein Monat als vollstreckt gilt.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachbeschwerde und die Beanstandung der Verletzung formellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Senat geht von einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von rund sechs Monaten nach Urteilsverkündung aus. Im Hinblick darauf, dass sich der Angeklagte in dieser Zeit in Untersuchungshaft befunden hat, erscheint eine Kompensation von einem Monat der Gesamtfreiheitsstrafe erforderlich und angemessen. Diese kann der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1a Satz 2 StPO selbst aussprechen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2015 – 4 StR 391/14 Rn. 4 mwN).
3
2. Zur Rüge betreffend ein Verwertungsverbot hinsichtlich der bei der Überwachung der Telekommunikation ab dem 20. Juni 2014 erlangten Erkenntnisse ist ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 14. Januar 2016 Folgendes zu bemerken:
4
a) Die Rüge ist bereits nicht zulässig nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erhoben. Der Beschwerdeführer bezieht sich zur Begründung seines Vorbringens auf Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten vom 19. und 20. Juni 2014, auf Vermerke sowie einen Zwischenbericht eines Polizeibeamten vom 20. bzw. 26. Juni 2014, auf Vermerke des zuständigen Staatsanwalts und eines Oberstaatsanwalts jeweils vom 20. Juni 2014 und auf den Durchsuchungsbericht betreffend das Objekt Karow (vgl. RB S. 9 bis 11). Keines dieser Dokumente wird jedoch durch die Revision in einer Weise mitgeteilt, die dem Senat eine eigene Bewertung ermöglichen würde. Die vollständige Kenntnis der einschlägigen Unterlagen wäre jedoch zumindest für die Beurteilung der Frage unabdingbar gewesen, ob die durch den Beschwerdeführer geltend gemachten Verfahrensverstöße ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 – 4 StR 493/11). Die Vorlage eines Beschlusses und des Urteils aus dem Parallelverfahren vermag keinen Ausgleich zu schaffen. Soweit der Beschwerdeführer meint, es obliege dem Senat, die maßgebenden Tatsachen im Freibeweisverfahren zu ermitteln, verkennt er, dass dies nur aufgrund einer zulässig erhobenen Verfahrensrüge zu erfolgen hat, an der es hier aber fehlt.
5
b) Der Generalbundesanwalt weist mit Recht darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Verwertung der Erkenntnisse aus einer Telekommunikationsüberwachung grundsätzlich widersprochen werden muss, um sich das Rügerecht zu erhalten (vgl. MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 100a Rn. 39 mwN). Der Senat neigt der Auffassung zu, dass diese Voraussetzung auch dann zu wahren ist, wenn – wie vorliegend – eine täuschungsähnliche Situation behauptet wird, aus der der Beschwerdeführer ein umfassendes Beweisverwertungsverbot hinsichtlich sämtlicher weiterer Überwachungsmaßnahmen herleitet (vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1995 – 5 StR 445/95, NStZ 1996, 290, 291). Dies gilt zumal dann, wenn die Zwangsmaßnahmen für sich genommen auf ordnungsgemäß zustande gekommenen richterlichen Anordnungen beruhen.
6
c) Auf Fragen der Begründetheit der Beanstandung kommt es nach alldem nicht mehr an.
Schneider König Berger
Bellay Feilcke

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Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

4
2. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Kompensation nicht mit dem Umfang der Verzögerung gleichzusetzen, sondern hat nach den Umständen des Einzelfalles grundsätzlich einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu betragen (vgl. nur Senatsbeschluss vom 7. Juni 2011 – 4 StR 643/10, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 41 mwN). In Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts in seiner Zuschrift vom 16. Januar 2015 erscheint dem Senat im vorliegenden Fall eine Kompensation von drei Monaten angesichts der insgesamt eingetretenen Verzögerung von etwa eineinhalb Jahren als angemessen. Diese Kompensation kann der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1a Satz 2 StPO selbst aussprechen (BGH, Beschluss vom 6. März 2008 – 3 StR 376/07, NStZ-RR 2008, 208, 209; Beschluss vom 3. November 2011 – 2 StR 302/11, NStZ 2012, 320, 321).

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 493/11
vom
24. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 24. Januar 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 8. April 2011 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die angeordnete Einziehung der Plastikdose mit blauem Deckel, des Küchenmessers und der Schachtel mit Röhrchen D + G aufgehoben wird; diese Einziehungsanordnung entfällt. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Die Rüge, das Landgericht habe die §§ 250, 251 StPO durch die Verlesung des Protokolls der polizeilichen Vernehmung des Zeugen Ba. vom 8. April 2010 verletzt, greift nicht durch. Die Angaben des Zeugen, der in der Hauptverhandlung gemäß § 55 StPO die Auskunft verweigert hat, sind durch Vernehmung der Zeugen KHK S. und KHK B. in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Das Vernehmungsprotokoll vom 8. April 2010 ist ausweislich der Urteilsgründe zum Zwecke der Feststellung der inhaltlichen Übereinstimmung der Angaben der Zeugen KHK S. und KHK B. mit diesem Protokoll verlesen worden, nachdem sich in der Hauptverhandlung Zweifel an der Zuverlässigkeit des Zeugen KHK S. ergeben hatten. Da somit das Landgericht die Aussage des Zeugen Ba. rechtsfehlerfrei durch die Verneh- mung der Vernehmungsbeamten und nicht durch die Verlesung des Protokolls „ersetzt“ und die Verlesung lediglich der Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen KHK S. gedient hat, ist der in § 250 StPO niedergelegte Grundsatz der Unmittelbarkeit nicht verletzt.
2. Die Verfahrensrüge, mit der ein Verstoß gegen § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO und ein Verwertungsverbot für die im Zuge der Durchsuchung aufgefundenen Beweismittel geltend gemacht wird, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Revision teilt den Inhalt des polizeilichen Vermerks vom 26. Januar 2010 nicht mit, auf den in den Gründen des Durchsuchungsbeschlusses ergänzend Bezug genommen wird. Jedenfalls für die Frage, ob eine Rechtswidrigkeit des Beschlusses ein Verwertungsverbot für die bei der Durchsuchung aufgefundenen Beweismittel nach sich zöge, käme es auf den Inhalt dieses Vermerks an (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 289 f.).
3. Die Anordnung der Einziehung der Plastikdose mit blauem Deckel, des Küchenmessers und der Schachtel mit Röhrchen D + G hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Aus dem Urteil ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die genannten Gegenstände durch eine vorsätzliche Straftat hervorgebracht oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind. Soweit das Landgericht die Gegenstände als „Konsumutensilien“ bezeichnet hat (UA S. 44), fehlt es an einer Begründung hierfür. Bei den in Rede stehenden Gegenständen erschließt sich eine solche Zweckbestimmung auch nicht ohne Weiteres. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Umstände festgestellt werden könnten, welche die Einziehung rechtfertigen würden. Er sieht deshalb von einer Zurückverweisung der Sache an das Landgericht ab und lässt die Einziehung entfallen.
Ernemann Roggenbuck Franke Mutzbauer Bender