Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Jan. 2015 - 4 StR 574/14

bei uns veröffentlicht am28.01.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR574/14
vom
28. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 28. Januar 2015 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. August 2014
a) mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagte im Fall II.2. der Urteilsgründe wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt wurde und im Ausspruch über die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten sowie im gesamten Maßregelausspruch;
b) im verbleibenden Schuldspruch dahin berichtigt, dass die Angeklagte des Diebstahls in zwei Fällen sowie der Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision der Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte bei Teilfreispruch im Übrigen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der (Einzel-) Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Essen vom 6. Dezember 2012 und des Landgerichts Essen vom 1. Februar 2013 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten und wegen Diebstahls in zwei Fällen sowie wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von fünf Monaten und zwei Wochen der „Freiheitsstrafe“ vor der Maßregel angeordnet. Hiergegen wendet sich die Revision der Angeklagten mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
2
1. Die Verurteilung der Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung (Tat II.2. der Urteilsgründe) hält der Überprüfung nicht stand.
3
a) Nach den vom Landgericht hierzu getroffenen Feststellungen liefen die Angeklagte und der – nicht revidierende – Mitangeklagte Sa. nach dem Diebstahl eines Handys durch den Mitangeklagten zunächst weg, jedoch drehte sich die Angeklagte plötzlich um, holte einen Holzstock aus ihrer Tasche und ging „mit schlagenden Bewegungen“ auf einen Zeugen zu, der vor der Flucht den Mitangeklagten festgehalten hatte. Der Zeuge konnte den Schlägen der Angeklagten ausweichen, „die noch vor Eintreffen der Polizei den Stock zurück in ihre Tasche stecken konnte“ (UA S. 16).
4
Weitere Feststellungen, die für die Frage eines von der Strafkammer nicht erörterten strafbefreienden Rücktritts der Angeklagten von Bedeutung sein könnten, enthält das Urteil nicht.
5
b) Angesichts dieser Feststellungen begegnet der Schuldspruch der Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
Zwar kann das befürchtete alsbaldige Eintreffen der Polizei bei einem – wie ersichtlich hier – unbeendeten Versuch die Freiwilligkeit des Rücktritts ausschließen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399, 400; Beschlüsse vom 20. November 2013 – 3 StR 325/13, NStZ 2014, 202; vom 26. Februar 2014 – 4 StR 40/14, NStZ-RR 2014, 171, 172). Unfreiwillig ist aber auch in solchen Fällen das Nicht-Weiterhandeln nur dann, wenn der Täter sich auf Grund äußerer Zwänge oder psychischer Hemmungen zur Tatvollendung nicht mehr in der Lage gesehen hat (BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 – 4 StR 40/14, NStZ-RR 2014, 171, 172; vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 – 2 StR 289/13, StV 2014, 336, jeweils mwN). Dies setzt voraus, dass der Täter dieses „Hindernis“ wahrnimmt und es seine Wil- lensentschließung zumindest mitbestimmt.
7
Entsprechende Feststellungen hat die Strafkammer jedoch nicht getroffen. Auch die Ausführungen des Landgerichts im Rahmen der Beweiswürdigung belegen weder, dass tatsächlich die Polizei verständigt wurde, noch dass die Angeklagte dies – falls es erfolgt sein sollte – bemerkt hat. Auch dass sie ohne eine von ihr bemerkte Verständigung der Polizei mit deren alsbaldigem Eintreffen rechnete und deshalb von weiteren Schlägen mit dem Holzstock absah , belegen weder die Feststellungen noch die Darlegungen im Rahmen der Beweiswürdigung und kann angesichts des von der Strafkammer geschilderten Geschehensablaufs vom Senat auch nicht dem Gesamtzusammenhang entnommen werden.
8
2. Infolge der Aufhebung der Verurteilung im Fall II.2. der Urteilsgründe kann die unter Einbeziehung der hierfür verhängten Einzelstrafe gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten keinen Bestand haben.
9
Aber auch im Übrigen bestehen hinsichtlich dieser Gesamtstrafenbildung durchgreifende Bedenken. Anders als im Urteilstenor wird nämlich das Datum des Urteils des Amtsgerichts Essen statt mit dem „06.12.2012“ in den Entscheidungsgründen mit dem „06.03.2012“ angegeben (UA S. 6, 13, 29). Zeitpunkt der Tat, die der – die Ahndungen jenes Urteils einbeziehenden – Entscheidung des Landgerichts Essen vom 1. Februar 2013 zugrunde lag, war die Nacht vom 4. auf den 5. Oktober 2012 (UA S. 11), wobei in dieser Entscheidung ferner ausgeführt ist, dass die dort – vom Landgericht – abgeurteilte Tat von der An- geklagten „währenddes laufenden Instanzenzuges gegen die Verurteilung des Amtsgerichts Essen vom 06.03.2012 begangen“ worden sei (UA S. 13). Vor diesem Hintergrund steht weder fest, dass damals oder jetzt die Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen (sofern dieses damals überhaupt rechtskräftig war, vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2013 – 1 StR 525/12) einbeziehungsfähig waren, zumal die Tatzeit der ersten nunmehr bei der Angeklagten abgeurteilten Tat (der versuchten gefährlichen Körperverletzung) der 28. Januar 2013 war und die weiter bei der Angeklagten hier abgeurteilten Taten am 13. und 26. Februar 2013 begangen wurden. Der Senat kann nicht ausschließen , dass die Angeklagte hierdurch beschwert ist, da die (damalige und auch nunmehrige) Gesamtstrafenbildung die beiden durch das Amtsgericht Essen verhängten viermonatigen Freiheitsstrafen umfasst, damals vom Amtsgericht Essen eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten und vom Landgericht Essen für die im Urteil vom 1. Februar 2013 abgeurteilte Tat eine (Einzel-)Strafe von zwei Jahren verhängt worden war. Sollte bereits die Gesamtstrafenbildung im Urteil des Landgerichts Essen vom 1. Februar 2013 fehlerhaft gewesen sein, verweist der Senat zur „Korrektur“ auch dieser Entscheidung auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11. Januar 2000 (5 StR 651/99, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Strafen, einbezogene 7 mwN).
10
3. Die gegen die Angeklagte verhängte Maßregel der Unterbringung nach § 64 StGB kann ebenfalls keinen Bestand haben, da mit der Aufhebung der Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung ein insbesondere für die Gefährlichkeitsprognose bedeutsamer Umstand entfällt.
11
4. Ferner bedarf der verbleibende Schuldspruch aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 2. Januar 2015 dargelegten Gründen der Korrektur, da – entsprechend der rechtlichen Würdigung der Strafkammer in den Entscheidungsgründen – hinsichtlich der Nötigung nur ein Versuch vorliegt. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen die Angeklagte beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR40/14
vom
26. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 26. Februar 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 4. Oktober 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision, mit der der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen stach der Angeklagte der Geschädigten, die im Wohnzimmer unmittelbar vor der geschlossenen Terrassentür stand, mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz mit einem Messer mit einer ca. 20 cm lan- gen Klinge etwa mittig links in den Rücken. Die Geschädigte, bei der durch den Stich lediglich ihre Daunenjacke in einem Bereich von einem halben Zentimeter bis zur Innenseite beschädigt wurde, bemerkte von dem Auftreffen des Messers zunächst nichts. Nachdem sie sich umgedreht hatte, versuchte der Angeklagte, mit dem Messer den Oberkörper der Geschädigten von vorn zu treffen, wobei er weiterhin zumindest mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Die Geschädigte ergriff mit ihrer linken Hand die nach vorn spitz zulaufende und glatt geschliffene Messerklinge und konnte so das Eindringen des Messers in ihren Körper verhindern. Durch die Stoßbewegungen auf den linken Bauchbereich wurde sie jedoch mit Wucht rückwärts sitzend auf die Schreibtischplatte gedrängt, wobei der Angeklagte weiter versuchte, sie mit der Klinge in den Bauch zu stechen, was ihm jedoch ebenfalls nicht gelang. Die Geschädigte hielt mit äußerstem Kraftaufwand die Messerschneide gegen die von ihm durchgeführten kraftvollen , auf ihren Körper gerichteten Bewegungen und stellte dadurch ein Kräftegleichgewicht her. Durch die Hilfeschreie der Geschädigten alarmiert, erschien deren Tochter im Wohnzimmer und erkannte, dass der Angeklagte und ihre Mutter einen von ihr nicht näher identifizierbaren Gegenstand in den Händen hielten. Von der Geschädigten dazu aufgefordert, wählte sie den Notruf und forderte die Polizei auf, zur Wohnung zu kommen, da ihre Mutter von deren Lebensgefährten angegriffen werde. Während dieses Telefonats ließ der Angeklagte das Messer los und trat von der Geschädigten ein Stück zurück. Diese nutzte die Gelegenheit, um vom Schreibtisch aufzustehen, ihren Sohn zu nehmen und durch die Terrassentür und den Garten zu einer Nachbarin zu laufen. Da ihr bewusst wurde, dass ihre Tochter sich noch in der Wohnung aufhielt, kehrte sie zurück und forderte diese auf, mitzukommen, woraufhin die Tochter ihr nach draußen folgte. Während dieser Zeit telefonierte die Tochter der Geschädigten immer noch mit der Polizei.

II.


3
Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten vom Totschlagsversuch (§ 24 Abs. 1 StGB) abgelehnt hat, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
4
1. Das Landgericht hat angenommen, der Versuch sei fehlgeschlagen. Der Angeklagte habe sich zwar dahin eingelassen, das Messer erst wahrgenommen zu haben, als er es zum Rücken der Geschädigten geführt habe. Er habe Angst gehabt, ansonsten aber an nichts gedacht. Nachdem die Geschädigte in das Messer gegriffen habe, habe er es ihr vergeblich aus der Hand ziehen wollen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe aber objektiv fest, dass der Angeklagte, nachdem er die Geschädigte auf die Schreibtischplatte gedrängt hatte, wiederholt versucht habe, mit der Klinge in ihren Bauch zu stechen , was ihm aber auf Grund der erheblichen Gegenwehr der Geschädigten nicht gelungen sei. Seine erfolglosen Bemühungen habe er erst aufgegeben, nachdem die zu Hilfe gerufene Tochter der Geschädigten das Telefon ergriffen und die Notrufnummer gewählt habe. Da die Geschädigte zu diesem Zeitpunkt das Wohnzimmer mit ihrem Sohn über die Terrasse verlassen habe, habe der Angeklagte nach der objektiven Sachlage aus seiner Sicht die Tötung der Geschädigten nicht mehr mit dem bereits eingesetzten Mittel erreichen können, weil die Tochter die Tat durch Erscheinen im Wohnzimmer entdeckt habe und auf Grund des abgesetzten Notrufs mit dem baldigen Erscheinen der Polizei zu rechnen gewesen sei.
5
2. Diese Begründung trägt den Ausschluss eines strafbefreienden Rücktritts nicht.
6
a) Ausgehend von diesen Feststellungen des Landgerichts war der Versuch des Totschlags unbeendet. Der Angeklagte konnte daher Strafbefreiung grundsätzlich durch bloßes Aufgeben der begonnenen Tathandlung erlangen. Ein strafbarer fehlgeschlagener Versuch hätte nur dann vorgelegen, wenn der Angeklagte die versuchte Tat als endgültig gescheitert angesehen hätte, weil er sie, wie er wusste, mit dem bereits eingesetzten oder anderen ihm zur Hand liegenden Mitteln nicht vollenden konnte. Dabei kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (sogenannter Rücktrittshorizont; vgl. nur Senatsurteil vom 25. November 2004 – 4 StR 326/04, NStZ 2005, 263, 264; Senatsbeschlüsse vom 8. Oktober 2008 – 4 StR 233/08, NStZ 2009, 628, und vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240). Dazu, ob der Angeklagte den Tötungsversuch als endgültig gescheitert ansah, als er die Schneide des Messers nach seiner letztmaligen Stichbewegung gegen den Körper der Geschädigten losließ, verhält sich das Urteil nicht. Danach bleibt offen, ob es ihm objektiv oder zumindest aus seiner Sicht möglich gewesen wäre , das Messer wiederzuerlangen und den angestrebten Taterfolg ohne zeitliche Zäsur doch noch herbeizuführen oder ob er die weitere Tatausführung angesichts der kraftvollen Abwehr der Geschädigten als endgültig aussichtslos ansah.
7
b) Ebenso wenig lässt sich den bisher getroffenen Feststellungen entnehmen , dass der Angeklagte unfreiwillig von weiteren Tötungshandlungen abließ. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn er sich auf Grund äußerer Zwänge oder psychischer Hemmungen (zum Maßstab vgl. SSW-StGB/Kudlich/ Schuhr, 2. Aufl., § 24 Rn. 63 ff. m. Nachw. z. Rspr.) nicht mehr in der Lage gesehen hätte, weitere Stiche zu setzen. Die Erwägung des Landgerichts, nach der objektiven Sachlage habe der Angeklagte aus seiner Sicht die Tötung der Geschädigten nicht mehr mit dem bereits eingesetzten Mittel erreichen können, weil deren Tochter die Tat entdeckt hatte und auf Grund des von ihr abgesetzten Notrufs mit dem baldigen Eintreffen der Polizei zu rechnen gewesen sei, trägt die Annahme der Unfreiwilligkeit für sich genommen nicht. Dass der Angeklagte gerade deshalb von weiteren Einwirkungen auf die Geschädigte absah, war im vorliegenden Fall schon deshalb näher zu erörtern, weil sich der Angeklagte nach den Feststellungen in Kenntnis der in Kürze eintreffenden Polizei zunächst weiter in der Wohnung aufhielt und sodann das Haus verließ, um telefonischen Kontakt zu seiner Rechtsanwältin aufzunehmen, die die Polizei von seinem Aufenthaltsort in Kenntnis setzte.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 289/13
vom
10. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. Juli 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 3. Januar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung eine Jugendstrafe von drei Jahren verhängt. Die hiergegen gerichtete und auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts trat der Angeklagte wiederholt und massiv gegen den Kopf des am Boden liegenden Geschädigten und fügte diesem dadurch zahlreiche schwere Gesichtsschädelfrakturen zu. Nachdem der Angeklagte von einer unbekannt gebliebenen Person von der körperlichen Auseinandersetzung weggezogen worden war, ließ er von dem Geschädigten ab und begab sich in eine Diskothek.
3
2. Die Feststellungen des Landgerichts tragen zwar die Annahme eines versuchten Totschlags durch den Angeklagten, nicht aber den Ausschluss eines strafbefreienden Rücktritts von diesem Versuch.
4
a) Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative StGB wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt. Voraussetzung ist zunächst, dass der Täter zu diesem Zeitpunkt (Rücktrittshorizont) noch nicht mit einem Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs rechnet (unbeendeter Versuch), seine Herbeiführung aber noch für möglich hält (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227f.). Scheitert – wie vorliegend – der Versuch, so kommt es darauf an, ob der Täter nach anfänglichem Misslingens des vorgestellten Tatablaufs sogleich zu der Annahme gelangt, er könne ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten oder bereitstehenden Mittel die Tat noch vollenden. Nur dann liegt kein fehlgeschlagener, sondern ein unbeendeter Versuch vor, von dem der Täter noch durch freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung zurücktreten kann (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2006 – 4StR 67/06, NStZ 2006, 685 mwN). Da die Freiwilligkeit des Rücktritts eine autonom getroffene Willensentscheidung des Täters voraussetzt, darf diese dem Täter zwar nicht durch die äußeren Umstände aufgezwungen worden sein (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 – 4 StR 532/92, NStZ 1993, 279; Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399, 400). Die Tatsache aber, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt, stellt für sich genommen die Autonomie der Entscheidung des Täters ebenso wenig in Frage (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1987 – 5 StR 534/87, NStZ 1988, 69, 70; Urteil vom 14. April 1955 – 4 StR 16/55, BGHSt 7, 296, 299) wie der Umstand, dass ein Täter zunächst von dem Tatopfer weggezogen werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2007 – 2 StR 336/07, NStZ 2008, 393). Maßgebend ist auch in diesen Fällen, ob der Täter trotz des Eingreifens oder der Anwesenheit Dritter noch "aus freien Stücken" handelt oder aber ob Umstände vorliegen, die zu einer ihn an der Tatausführung hindernden äußeren Zwangslage oder inneren Unfähigkeit einer Tatvollendung führen (BGH, Beschluss vom 27. August 2009 – 4 StR 306/09, NStZ-RR 2009, 366, 367).
5
b) Unter Zugrundlegung dieses rechtlichen Maßstabs tragen die Feststellungen des Landgerichts den Ausschluss eines strafbefreienden Rücktritts des Angeklagten nicht.
6
Das Landgericht hat insoweit lediglich festgestellt, dass der Angeklagte von einem unbekannten Dritten von dem Geschädigten "weggezogen" wurde. Ob aber schon allein dieser Umstand eine äußere Zwangslage schaffte, die den Angeklagten tatsächlich hinderte, die Tat fortzusetzten – weil sich etwa der unbekannte Dritte ihm weiterhin eingriffsbereit und präsent gegenüberstellte –, lässt sich den insoweit dürftigen Feststellungen des Landgerichts nicht entnehmen. Es ist nach den Feststellungen ebenso wenig ausgeschlossen, dass es dem Angeklagten – etwa aufgrund körperlicher Überlegenheit oder weil sich der Dritte sogleich entfernte – möglich gewesen wäre, die Tat fortzusetzen, er davon aber – durch das Eingreifen des Dritten motiviert – nunmehr aus freien Stücken abgesehen hat. Auch soweit das Landgericht im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung erwähnt hat, der Angeklagte sei von einer unbekannten Person von weiteren Tathandlungen abgehalten und aus der Auseinandersetzung herausgezogen worden, bleibt offen, ob ein "Abhalten" auch noch in der Situation nach dem "Herausziehen" stattfand.
7
Bei dieser Sachlage wäre es erforderlich gewesen, weitere Feststellungen insbesondere auch zum Vorstellungsbild des Angeklagten zu treffen. Dies ist nicht geschehen. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
8
3. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Strafzumessung – entgegender verbalen Beteuerung in den Urteilsgründen – eine tatsächliche Berücksichtigung des Erziehungsgedankens nicht erkennen lässt. Zwar erscheint die Höhe der gegen den Angeklagten unter dem Gesichtspunkt der Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe im Ergebnis nicht unangemessen hoch. Angesichts dessen aber, dass die Tat zum Zeitpunkt des Urteilserlasses bereits über zweieinhalb Jahre zurücklag, wäre es geboten gewesen, auch die weitere Entwicklung des zur Tatzeit 18jährigen Angeklagten, der zwischenzeitlich eine Ausbildung begonnen hatte, in die Strafzumessung miteinzubeziehen.
Fischer Appl Krehl Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 525/12
vom
9. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Januar 2013 beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14. Juni 2012 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Betäubungsmitteldelikten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt und Wertersatzverfall angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, die weitgehend ohne Erfolg bleibt.
2
Einzig der Gesamtstrafausspruch hat keinen Bestand. Ausweislich der Urteilsgründe hat das Landgericht die Strafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Schwabach vom 14. April 2008 einbezogen, dies hat es im Tenor jedoch - wie es selbst erkannt hat - nicht zum Ausdruck gebracht.
3
Das zur Gesamtstrafenbildung nunmehr berufene Gericht wird die Voraussetzungen des § 55 StGB insbesondere im Hinblick darauf prüfen, wann in dem Berufungsverfahren die dem angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Schwabach zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen zuletzt geprüft werden konnten (vgl. BGH, Beschluss vom 30. April 2008 - 2 StR 51/08). Angesichts der Tatzeiten von März 2007 bis Februar 2009 der hier abgeurteilten Taten kommt es für die Gesamtstrafenbildung darauf an. Denn aus den hier erkannten Strafen und der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Schwabach wäre nur dann eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden, wenn bei dem Urteil vom 6. April 2009 zur Sache verhandelt worden wäre.
Nack Rothfuß Graf Cirener Radtke
5 StR 651/99

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 11. Januar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2000

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten Z wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 22. Juli 1999 nach § 349 Abs. 4 StPO im Gesamtstrafausspruch gegen diesen Angeklagten aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Beschwerdeführer wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung, Diebstahls in vier Fällen und versuchten Diebstahls in zwei Fällen unter Einbeziehung anderweits rechtskräftig verhängter Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine Revision ist zum Schuldspruch und zu den Einzelstrafaussprüchen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Sie führt jedoch mit der Sachrüge zur Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs.
Allerdings sind die Ausgangsüberlegungen des Tatrichters bei Anwendung des § 55 Abs. 1 StGB zunächst weitgehend nicht zu beanstanden. So hat er rechtsfehlerfrei die verhängten Einzelstrafen mit den rechtskräftigen Einzelstrafen aus dem nach Begehung der Taten ergangenen Urteil des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 18. Juni 1997 (Zäsur im Sinne des § 55 Abs. 1 StGB) und aus vier späteren rechtskräftigen Vorverurteilungen, die ebenfalls Taten vor der genannten Zäsur betrafen, auf eine Gesamtfreiheitsstrafe zurückgeführt. Da alle jene Taten erst in den Jahren 1996 und 1997 begangen worden waren, hat der Tatrichter mit Recht die Einzelstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 23. Februar 1995 und vom 12. August 1997 nicht in die Gesamtstrafe einbezogen, weil die mit jenen Urteilen abgeurteilten Taten bereits vor Februar 1995, der durch das erstgenannte dieser Urteile begründeten weiteren früheren (ersten) Zäsur, begangen worden waren (BGHSt 44, 179, 180 f. m.w.N.). Zutreffend hat sich der Tatrichter zu dieser Einbeziehung auch durch die Rechtskraft der letzten Vorverurteilung durch das Landgericht Neubrandenburg vom 11. Dezember 1998 nicht veranlaßt gesehen, obgleich in dessen Gesamtfreiheitsstrafe (sechs Jahre und sechs Monate) neben den auch hier einbezogenen weiteren Einzelstrafen aus vier früheren Vorverurteilungen rechtsfehlerhaft auch die Einzelstrafen aus den die erste Zäsur betreffenden Vorverurteilungen einbezogen worden waren. Die Rechtskraft einer fehlerhaften Gesamtstrafbildung steht bei weiterer nachträglicher Gesamtstrafbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB der nunmehr gebotenen Korrektur nicht entgegen (BGHSt 35, 243; BGHR StGB § 55 Abs. 1 - Einbeziehung 3 sowie § 55 Abs. 1 Satz 1 - Strafen, einbezogene 4; Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 55 Rdn. 17 m.w.N.).
Diese zulässige und notwendige Korrektur berechtigte den Tatrichter aber nicht, die vom Landgericht Neubrandenburg rechtskräftig aufgehobene Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 12. August 1997 (zwei Jahre und vier Monate), welche die weiteren fälschlich einbezogenen Einzelstrafen für die Taten vor der ersten Zäsur betroffen hatte , „wieder aufleben” zu lassen. Diese Gesamtstrafe hatte ihre Wirkung durch das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Neubrandenburg endgültig eingebüßt. Der Tatrichter hätte insoweit selbst eine neue weitere Gesamtfreiheitsstrafe bilden müssen; er wäre freilich nicht gehindert gewesen, sie wieder in gleicher Höhe festzusetzen (BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 - Strafen, einbezogene 2 a.E., insoweit in BGHSt 35, 243 nicht abgedruckt).
Schon weil der Tatrichter insoweit keine eigenen Strafzumessungserwägungen angestellt und weder die vor der ersten Zäsur begangenen Taten hinreichend konkret bezeichnet noch die hierfür verhängten Einzelstrafen mitgeteilt hat (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 - Strafen, einbezogene 1), sieht sich der Senat nicht in der Lage, etwa von sich aus auf eine solche weitere (erste) Gesamtfreiheitsstrafe durchzuentscheiden. Vielmehr hebt er auch die hier verhängte (zweite) Gesamtfreiheitsstrafe auf, die für den Beschwerdeführer zusammen mit der alten, fälschlich als „wiederaufgelebt” angesehenen (ersten) Gesamtfreiheitsstrafe zu einer beträchtlichen Erhöhung der bisherigen Gesamtstrafenlast - um insgesamt drei Jahre und vier Monate - geführt hat. Dem neuen Tatrichter ist so Gelegenheit zu umfassender neuer Gesamtstrafabwägung gegeben. Hierbei werden der enge zeitliche Zusammenhang zwischen sämtlichen Taten, welche die Einzelstrafen der zweiten Gesamtstrafbildung betreffen, der beträchtliche zeitliche Abstand zwischen Tatbegehungen und endgültiger Sanktionierung, das verhältnismäßig niedrige Alter des Beschwerdeführers und die Höhe der Einsatzstrafe für die zweite Gesamtstrafe - drei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe aus der letzten Vorverurteilung - besonders zu beachten sein.
Die notwendigen Feststellungen zu Tatzeiten, Aburteilungsgegenständen und Einzelstrafhöhe für die nachzuholende, neu vorzunehmende erste Gesamtstrafbildung wird der neue Tatrichter zu treffen haben. Der Aufhebung bisheriger Feststellungen bedarf es hingegen nicht. Nach dem Ver- schlechterungsverbot gelten für den neuen Tatrichter für die erste Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre und vier Monate, für die zweite sieben Jahre und sechs Monate als Obergrenzen.
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(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.