Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2020 - 4 StR 564/19

bei uns veröffentlicht am29.01.2020
vorgehend
Landgericht Traunstein, 402 , 01.10.28310

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 564/19
vom
29. Januar 2020
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2020:290120B4STR564.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 29. Januar 2020 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 30. Juli 2019 im Fall II.3. der Urteilsgründe mit den Feststellungen zur subjektiven Tatseite sowie im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung (Fall II.1. der Urteilsgründe), wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II.2. der Urteilsgründe ) und wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit ver- suchtem Mord „durch Unterlassen“ (Fall II.3. der Urteilsgründe) zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
Am 25. August 2018 geriet der Angeklagte auf einem Weinfest mit seinem langjährigen Freund B. , dem Nebenkläger, in Streit. Als der Ange - klagte gegen 3.30 Uhr mit seinem Fahrzeug das Weinfest verließ, bemerkte er nach kurzer Fahrstrecke infolge Unaufmerksamkeit nicht rechtzeitig, dass der angetrunkene Nebenkläger auf der Fahrbahn lag. Trotz Bremsung seines Fahrzeugs stieß er mit einer Restgeschwindigkeit von 20 bis 25 km/h gegen den Nebenkläger (Fall II.1. der Urteilsgründe). Obwohl der Angeklagte erkannt hatte , dass er einen Menschen angefahren hatte, der vor seinem Fahrzeug lag, fuhr er sodann erneut an und schob die Person mit der Front seines Fahrzeugs langsam ca. 20 Meter weit bis an den Rand der Gegenfahrbahn. Durch den Schiebevorgang erlitt der Nebenkläger schwerste Verletzungen (Fall II.2. der Urteilsgründe). Der Angeklagte setzte nun sein Fahrzeug zurück und erkannte spätestens jetzt den Nebenkläger. Um sein vorangegangenes Tun zu verschleiern und unerkannt zu bleiben, entfernte er sich vom Unfallort, ohne sich um den Geschädigten zu kümmern. Dabei sah er den Tod des Nebenklägers als möglich voraus. Der Nebenkläger wurde kurze Zeit später von anderen Verkehrsteilnehmern gefunden.
4
Der Angeklagte hatte zu seiner Motivation für das Verlassen der Unfallstelle lediglich angegeben, er habe unter Schock gestanden und einfach schnell nach Hause gewollt, auch weil er getrunken habe. Den bedingten Tötungsvorsatz und die Verdeckungsabsicht hat das Landgericht aus dem Nachtatverhalten des Angeklagten gefolgert. Ein – nur – bedingter Tötungsvorsatz stehe der Verdeckungsabsicht hier nicht entgegen, weil der Angeklagte damit gerechnet habe, dass der Nebenkläger ihn nicht als Täter erkannt habe und ihn nicht hätte benennen können.
5
2. Die Annahme eines versuchten Verdeckungsmordes hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
6
Zwar ist das Landgericht im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass Verdeckungsabsicht und bedingter Tötungsvorsatz einander nicht grundsätzlich ausschließen, sondern auch zusammen bestehen können (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2018 – 4 StR 361/17, NStZ-RR 2018, 174, 175; Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 239/10, NStZ 2011, 34; Urteil vom 23. November 1995 – 1 StR 475/95,BGHSt 41, 358, 360). Dies kann der Fall sein, wenn die maßgebliche Handlung vom Täter vorgenommen oder eine gebotene Handlung von ihm unterlassen wird, um eine vorangegangene Straftat zu verdecken, dieser Erfolg nach seinem Vorstellungsbild aber auch ohne den Eintritt des für möglich gehaltenen und billigend in Kauf genommenen Todeserfolges bewirkt wird, der bedingt vorsätzlich herbeigeführte Tod des Opfers mithin keine verdeckungsspezifische Funktion aufweist. So ist Verdeckungsabsicht etwa anzunehmen, wenn der Täter durch die Vornahme seiner Verdeckunghandlung vorsätzlich eine Person zu Tode bringt, von der ihm – wie er weiß – überhaupt keine Entdeckung droht (vgl. BGH, Urteile vom 23. November 1995 – 1 StR 475/95, BGHSt 41, 358, 360; und vom 30. März 2004 – 5 StR 428/03, NStZ 2004, 495, 496; Beschlüsse vom 4. August 2010 – 2 StR 239/10, NStZ 2011, 34; vom 30. Juni 2011 – 4 StR 241/11; und vom 23. Juni 2016 – 5 StR 152/16, NStZ-RR 2016, 280; vgl. auch MüKoStGB/Schneider, 3. Aufl., § 211 Rn. 245; SSWStGB /Momsen, 3. Aufl., § 211 Rn. 80). Geht der Täter dagegen davon aus, dass nur der Tod des Opfers zur Vortatverdeckung führt, können Verdeckungsabsicht und lediglich bedingter Tötungsvorsatz nicht nebeneinander angenom- men werden. Hiervon wird in der Regel auszugehen sein, wenn das Opfer den Täter kennt und er deshalb befürchtet, durch dessen Angaben überführt zu werden, falls es überlebt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1988 – 3 StR 89/88, NJW 1988, 2682).
7
Letzteres hat das Landgericht nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Denn die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte habe nicht damit gerechnet , dass der Nebenkläger ihn erkannt habe (UA 72), wird nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung unterlegt. Denn diese Feststellung steht nicht im Einklang mit dem im Urteil wiedergegebenen Chatverkehr des Angeklagten mit

H.

nach der Tat. Auf die Fragen von H. , was passiert sei, antwortete der Angeklagte u.a.: „Ne weil morgen bin ich tot“ und dann „Weil der be. mich anzeigt“.Diese beiden Äußerungen lassen in ihrem Zusammenhang den Schluss zu, dass der Angeklagte befürchtet hat, der Nebenkläger habe ihn erkannt und werde ihn wegen des in Fall II.1. und 2. ausgeurteilten Tatgeschehens anzeigen; wegen der vorangegangenen Auseinandersetzung auf dem Weinfest brauchte der Angeklagte ersichtlich keine schweren rechtlichen Konsequenzen zu befürchten, die ihn zu der Äußerung veranlassen konnten, dass er morgen „tot“ sei. Mit diesem einer Verdeckungsabsicht möglicherweise ent- gegenstehenden Umstand setzen sich die Urteilsgründe nicht auseinander. Dies wäre aber erforderlich gewesen.
8
Soweit die Jugendkammer an anderer Stelle auch davon ausgeht, dass der Angeklagte eine strafrechtlich relevante Alkoholisierung (UA 71) habe verschleiern wollen, ist eine zu verdeckende Straftat nicht hinreichend festgestellt. Die Urteilsfeststellungen ergeben nicht, dass die Trunkenheit des Angeklagten einen strafrechtlich relevanten Bereich erreicht hatte oder dass der Angeklagte dies annahm. Eine Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) oder eine Straßenverkehrsgefährdung durch Trunkenheit (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB) sind nicht belegt. Der Wille zur Verdeckung einer Ordnungswidrigkeit reicht nicht (BGH, Urteil vom 15. Februar 2018 – 4 StR 361/17, NStZ-RR 2018, 174, 176).
9
Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchten Mordes bedingt auch die Aufhebung der tateinheitlichen Verurteilung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort.
10
3. Der Senat hat die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zur subjektiven Tatseite, aufrecht erhalten. Damit haben auch die Feststellungen zum Nachtatgeschehen, wie etwa zum Chatverkehr, Bestand. Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen zu den aufrecht erhaltenen treffen, die zu diesen nicht im Widerspruch stehen. Dies gilt auch hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs.
11
4. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit versuchtem Mord führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der neue Tatrichter wird bei der Strafzumessung den Erziehungsgedanken , der auch bei einer wegen Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe zu beachten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2004 – 3 StR 185/04, NJW 2005, 765, 767; Urteil vom 16. März 2006 – 4 StR 594/05; Beschluss vom 28. Februar 2012 – 3 StR 15/12, NStZ-RR 2012, 186), und insbesondere die Auswirkungen der Tat für den Angeklagten in den Blick zu nehmen haben. Auch der Maßregelausspruch hat keinen Bestand. Die von der Jugendkammer bei der Maßregelanordnung berücksichtigten, nach §§ 154, 154a StPO ausgeschiedenen Delikte der Straßenverkehrsgefährdung aufgrund alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit und der Trunkenheit im Verkehr sind nicht tragfähig festgestellt.
Sost-Scheible Roggenbuck Bender Quentin Feilcke

Vorinstanz:
Traunstein, LG, 30.07.2019 - 402 Js 28310/10 KLs jug

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafgesetzbuch - StGB | § 69 Entziehung der Fahrerlaubnis


(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine

Strafprozeßordnung - StPO | § 154a Beschränkung der Verfolgung


(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind, 1. für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder2. neben einer Strafe oder Maß

Strafgesetzbuch - StGB | § 69a Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis


(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß

Strafgesetzbuch - StGB | § 316 Trunkenheit im Verkehr


(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit

Strafgesetzbuch - StGB | § 315c Gefährdung des Straßenverkehrs


(1) Wer im Straßenverkehr 1. ein Fahrzeug führt, obwohl er a) infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oderb) infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder2.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen

1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),
1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d),
2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316),
3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder
4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.

(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.

(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.

(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.

(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 361/17
vom
15. Februar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen
ECLI:DE:BGH:2018:150218U4STR361.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Februar 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –, Staatsanwältin – bei der Verkündung – als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts, Rechtsanwalt als Verteidiger,
Rechtsanwalt als Vertreter der Nebenklägerin, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 20. März 2017 – auch soweit das Rechtsmittel zu Gunsten des Angeklagten wirkt – mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit versuchtem Totschlag durch Unterlassen zu einer Freiheitstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Es hat ferner Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB getroffen. Von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag der Nebenklägerin hat es abgesehen.
2
Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Revision rügt die Nebenklägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes und wendet sich insbesondere gegen die Ablehnung des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht. Ihr Rechtsmittel hat Erfolg, führt aber auch zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, soweit es gemäß § 301 StPO zu Gunsten des Angeklagten wirkt.

A.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

I.


4
1. Während einer Familienfeier wurde der Angeklagte von der Nebenklägerin , der damaligen Freundin seines Bruders, in den frühen Morgenstunden des 19. Juli 2015 gebeten, mit ihr eine Fahrt mit seinem, des Angeklagten, Motorrad zu unternehmen. Der Angeklagte, der zwischen 17.30 und 00.30 Uhr vier bis fünf Flaschen Bier getrunken hatte und zudem sehr müde war, weigerte sich zunächst unter Hinweis auf seine Alkoholisierung, der Bitte der Nebenklägerin nachzukommen. Schließlich gelang es ihr, den Angeklagten doch noch zu überreden. Beide brachen daraufhin zu einer Fahrt in die nähere Umgebung auf, die Nebenklägerin saß auf dem Soziussitz. Motorradhelme und Schutzkleidung trugen beide nicht. Etwa um 03.15 Uhr kippte das Motorrad aus ungeklärter Ursache in Höhe des Friedhofs in M. auf die Straße. Durch den Sturz erlitt die Nebenklägerin lebensbedrohliche Kopfverletzungen und der Angeklagte u.a. ein Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades; er verlor kurzzeitig das Bewusstsein. Als er wieder zu sich kam, kroch er zu der reglos auf dem Bauch liegenden Nebenklägerin. Er sah ihre stark blutende Kopfwunde und nahm – zutreffend – an, sie habe das Bewusstsein verloren. Er dachte daran, sie in die stabile Seitenlage zu bringen, nahm davon jedoch Abstand, weil er nicht wusste, wie er dies hätte bewerkstelligen müssen. Stattdessen versuchte er, das Smartphone der Nebenklägerin zu betätigen und legte es, nachdem ihm auch dies nicht gelungen war, neben dem Tatopfer auf dem Boden ab. Sodann hob er sein Motorrad auf, brachte es in Gang und fuhr nach Hause. Gegen 04.45 Uhr wurde die Nebenklägerin von anderen Verkehrsteilnehmern in nicht ansprechbarem und unterkühltem Zustand am Unfallort gefunden.
5
Die Nebenklägerin ist infolge der erlittenen Hirnblutung u.a. linksseitig gelähmt. Eine vollständige Wiederherstellung ihrer Gesundheit ist ausgeschlossen. An das Unfallgeschehen erinnert sie sich nicht.
6
2. Beim Verlassen des Unfallortes war dem Angeklagten bewusst, dass die Nebenklägerin auf Grund ihrer schweren Verletzungen dringend auf Hilfe angewiesen war und ohne umgehende medizinische Versorgung sterben könnte. Er wusste ferner, dass es wegen der Tageszeit und der Lage des Unfallortes dem Zufall überlassen blieb, ob der leblos auf dem Fußweg liegenden Nebenklägerin geholfen werden würde. Durch das Wegfahren von der Unfallstelle „wollte der Angeklagte seine Teilnahme an der vorausgegangenen Trunken- heitsfahrt bewusst verschleiern“. Er habe „den Tod der Nebenklägerin deswegen billigend in Kauf genommen, um die Beteiligung an dem Unfall zu verde- cken“.Zu Hause angekommen überlegte er erneut, ob er durch einen Anruf medizinische Hilfe für die Nebenklägerin herbeiholen sollte, entschied sich jedoch dagegen und legte sich ins Bett.
7
Infolge seiner Alkoholisierung – seine Blutalkoholkonzentration um 8.05 Uhr betrug 0,52 Promille – im Zusammenwirken mit dem Schädel-HirnTrauma befand sich der Angeklagte im Tatzeitpunkt bei fortbestehender Unrechtseinsichtsfähigkeit im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit.

II.


8
Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe sich wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen (in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort) schuldig gemacht. Als Garant aus vorangegangenem Tun habe er dafür einstehen müssen, dass die Nebenklägerin nicht infolge mangelnder medizinischer Versorgung zu Tode kommen würde. Der Angeklagte habe mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt. Eine Strafbarkeit wegen Verdeckungsmordes hat das Landgericht abgelehnt.

B.


9
Das angefochtene Urteil enthält hinsichtlich des versuchten Tötungsdelikts zur subjektiven Tatseite sachlich-rechtliche Mängel, die sich sowohl zum Vorteil als auch – was gemäß § 301 StPO auf die Revision der Nebenklägerin ebenfalls zu prüfen ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 – 4 StR 589/09, NStZ-RR 2010, 205, 206 mwN) – zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben können. Es unterliegt auf die zulässige Revision der Nebenklägerin insgesamt der Aufhebung.

I.


10
1. Die Erwägungen des Landgerichts zur Ablehnung eines versuchten Verdeckungsmordes sind in mehrfacher Hinsicht durchgreifend rechtsfehlerhaft:
11
a) Zwar ist das Landgericht im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass Verdeckungsabsicht und bedingter Tötungsvorsatz einander nicht grundsätzlich ausschließen, sondern auch zusammen bestehen können (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 239/10, NStZ 2011, 34; Urteil vom 23. November 1995 – 1 StR 475/95, BGHSt 41, 358, 360). Dies kann der Fall sein, wenn die maßgebliche Handlung vom Täter vorgenommen oder eine gebotene Handlung von ihm unterlassen wird, um eine vorangegangene Straftat zu verdecken, dieser Erfolg nach seinem Vorstellungsbild aber auch ohne den Eintritt des für möglich gehaltenen und billigend in Kauf genommenen Todeserfolges bewirkt wird, der bedingt vorsätzlich herbeigeführte Tod des Opfers mithin keine verdeckungsspezifische Funktion aufweist. So ist Verdeckungsab- sicht etwa anzunehmen, wenn der Täter durch Vornahme seiner Verdeckungshandlung vorsätzlich eine Person zu Tode bringt, von der ihm – wie erweiß – überhaupt keine Entdeckung droht (vgl. BGH, Urteile vom 23. November1995 – 1 StR 475/95, BGHSt 41, 358, 360; und vom 30. März 2004 – 5 StR 428/03, NStZ 2004, 495, 496; Beschlüsse vom 4. August 2010 – 2 StR 239/10, NStZ 2011, 34; vom 30. Juni 2011 – 4 StR 241/11; und vom 23. Juni 2016 – 5 StR 152/16, NStZ-RR 2016, 280; vgl. auch MüKoStGB/Schneider, 3. Aufl., § 211 Rn. 245; SSW-StGB/Momsen, 3. Aufl., § 211 Rn. 80). Geht der Täter dagegen davon aus, dass nur der Tod des Opfers zur Vortatverdeckung führt, können Verdeckungsabsicht und lediglich bedingter Tötungsvorsatz nicht nebeneinander angenommen werden. Hiervon wird in der Regel auszugehen sein, wenn das Opfer den Täter kennt und er deshalb befürchtet, durch dessen Angaben überführt zu werden, falls es überlebt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1988 – 3 StR 89/88, NJW 1988, 2682).
12
b) Mit Rücksicht auf diesen Zusammenhang weist das Urteil aber bereits deshalb einen durchgreifenden Rechtsfehler auf, weil das Landgericht nicht widerspruchsfrei dargelegt hat, welchen Vorsatz der Angeklagte in Bezug auf den Tod der erkannt schwer verletzten Nebenklägerin hatte, als er die Unfallstelle verließ, ohne die rechtlich gebotene Hilfe herbeizurufen. So hat das Landgericht einerseits festgestellt, der Angeklagte habe den Tod der Nebenklägerin (nur) billigend in Kauf genommen, und begründet dies mit der Erwägung, ihm sei der Tod der Nebenklägerin gleichgültig gewesen, um nicht als Verursacher eines Unfalls unter Alkoholeinfluss entdeckt zu werden. Andererseits hat es im Rahmen der rechtlichen Würdigung darauf verwiesen, der Angeklagte sei davon ausgegangen, dass „seine Trunkenheitsfahrt allenfalls beim Tod, nicht aber bei einer Rettung der Nebenklägerin hätte verdeckt werden können“. Letzteres deu- tet indes auf direkten Tötungsvorsatz hin mit der Folge, dass auch die Annahme einer Verdeckungsabsicht nahegelegen hätte. Mit der Abgrenzung der Vorsatzformen hätte sich das Landgericht deshalb auseinandersetzen und den bestehenden Widerspruch auflösen müssen.
13
c) Aber selbst wenn das Landgericht die Annahme eines lediglich bedingten Tötungsvorsatzes rechtsfehlerfrei begründet hätte, hielte die Verneinung einer Verdeckungsabsicht rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung begegnet durchgreifenden Bedenken, weil wesentliche Umstände im Hinblick auf das Vorstellungsbild des Angeklagten bei Verlassen des Unfallortes unerörtert bleiben.
14
Die Annahme des Landgerichts, dass die Trunkenheitsfahrt, ihre Strafbarkeit unterstellt, nach der Vorstellung des Angeklagten nur durch den Tod der Nebenklägerin hätte verdeckt werden können und deshalb mit einem nur bedingten Tötungsvorsatz unvereinbar sei, greift auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe zu kurz. Zwar waren die Nebenklägerin und der Angeklagte miteinander gut bekannt. Dass die Vorstellung des Angeklagten deshalb dahin ging, die Nebenklägerin werde ihn im Fall ihres Überlebens als Unfallverursacher benennen, ergibt sich hieraus unter den hier gegebenen Umständen aber noch nicht. Zum einen war die Nebenklägerin – wieauch der Angeklagte wahrgenommen hatte – schwer verletzt, sodass es nicht fern lag, dass sie – wie tatsächlich geschehen – außerstande sein würde, den Angeklagten zu überführen. Zum anderen lag es mit Rücksicht auf die persönliche Verbundenheit des Angeklagten mit der Nebenklägerin (Freundin seines Bruders) und ihrer Mitverantwortung für die Unfallfahrt (Überredung des Angeklagten, die zunächst von ihm abgelehnte Fahrt durchzuführen) nicht fern, dass sie ihn nicht einer Straftat belasten würde. Bedingter Tötungsvorsatz und Verdeckungsabsicht wären auch dann miteinander vereinbar, wenn die Ver- deckungshandlung – die Flucht vom Tatort – nach der Vorstellung des Angeklagten nicht der Verschleierung seiner Unfallbeteiligung, sondern allein dazu dienen sollte, Zeit zu gewinnen, um den Nachweis einer für den Unfall strafrechtlich relevanten Trunkenheit oder einer Trunkenheitsfahrt zu verdecken.
15
d) Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht ohne diese den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler zur Annahme eines direkten Tötungsvorsatzes oder einer mit dem bedingten Vorsatz vereinbaren Verdeckungsabsicht und damit zu einer Verurteilung wegen versuchten Mordes durch Unterlassen gekommen wäre.
16
2. Der Senat weist jedoch – den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift folgend – darauf hin, dass das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht voraussetzt, dass der Täter die Tötungshandlung vornimmt oder die ihm zur Abwendung des Todeseintritts gebotene Handlung unterlässt, um dadurch eine andere Straftat zu verdecken (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2002 – 4 StR 297/02, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Verdeckung 15). Nachvollziehbare Feststellungen zur Verdeckung einer Trunkenheitsfahrt , wovon das Landgericht auszugehen scheint, oder jedenfalls der Vorstellung des Angeklagten vom Vorliegen einer solchen Straftat (vgl. BGH, Urteil vom 3. August 1978 – 4 StR 397/78, BGHSt 28, 93, 95) hat das Landgericht nicht getroffen. Das Vorliegen oder die Vorstellung lediglich einer Ordnungswidrigkeit würde für die Annahme des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht nicht ausreichen (BGH, Urteil vom 3. August 1978 aaO; Beschluss vom 2. Juli 2004 – 2 StR 174/04, NStZ-RR 2004, 333 [Ls]).

II.


17
Die Wertung der Strafkammer, der Angeklagte habe mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, weist auch Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 301 StPO).
18
1. Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186; und vom 5. Dezember 2017 – 1 StR 416/17, Tz. 18; jeweils mwN). Die Prüfung, ob Vorsatz oder (bewusste) Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert insbesondere bei Tötungs- oder Körperverletzungsdelikten eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements regelmäßig erforderlich ist, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung sowie seine Motivation und die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise – mit in Betracht zieht (BGH, Urteil vom 22. März 2012 aaO; ebenso Urteile vom 4. April 2013 – 3 StR 37/13, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 64; und vom 14. Januar 2016 – 4 StR 84/15, NStZ-RR 2016, 79, 80 mwN). Diese individuelle Gesamtschau sämtlicher objektiven und subjektiven, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles ist insbesondere dann erforderlich, wenn der Tatrichter allein oder im Wesentlichen aus äußeren Umständen auf die innere Einstellung eines Angeklagten zur Tat schließen muss (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 – 1 StR 410/05, NJW 2006, 386 f.). Sie ist lückenhaft, wenn der Tatrichter sich mit wesentlichen, den Angeklagten be- oder entlastenden Umständen nicht auseinandersetzt, die für die subjektive Tatseite bedeutsam sind (BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 aaO).
19
2. Eine solche Gesamtschau hat die Strafkammer nicht in der gebotenen Vollständigkeit vorgenommen.
20
Das Landgericht verweist in seinen Rechtsausführungen zur subjektiven Tatseite auf die fehlende Anwesenheit Dritter am Unfallort, auf die frühe Morgenstunde und die wenig frequentierte Straße. Der Angeklagte habe zudem die stark blutende Kopfverletzung der Nebenklägerin wahrgenommen und das Tatopfer zutreffend für bewusstlos gehalten. Diesen Umständen kommt zwar grundsätzlich Bedeutung für die im Urteil vorgenommene Wertung zu, der Angeklagte habe die Notwendigkeit sofortiger medizinischer Hilfe für die Nebenklägerin erkannt, auf (externe) Hilfe nicht ernsthaft vertrauen können und deshalb bedingt vorsätzlich gehandelt. Die Strafkammer hat aber weitere, den Angeklagten insoweit möglicherweise entlastende Umstände, deren Berücksichtigung sich nach den getroffenen Feststellungen aufdrängte, nicht in den Blick genommen. Ausweislich der Urteilsgründe ist sie der eigenen Einlassung des Angeklagten „zum größten Teil“ gefolgt. Danach hat sie ihren Feststellungen insbesondere zugrunde gelegt, der Angeklagte habe nach Wiedererlangung seines Bewusstseins daran gedacht, die Nebenklägerin in die stabile Seitenlage zu bringen, davon aber mangels entsprechender Kenntnisse Abstand genommen. Ob und gegebenenfalls welche Schlüsse daraus hinsichtlich der subjektiven Tatseite, hier insbesondere hinsichtlich des voluntativen Elements des bedingten Vorsatzes zu ziehen waren, bleibt jedoch gänzlich unerörtert. Entsprechendes gilt für die Feststellung, der Angeklagte habe vergeblich versucht, das Smartphone der Nebenklägerin zu bedienen und habe es sodann neben der am Boden Liegenden abgelegt, bevor er sich entfernte. Auch die vom Landgericht angenommene erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten infolge seiner Alkoholisierung im Zusammenwirken mit dem erlittenen SchädelHirn -Trauma wäre als vorsatzkritischer Umstand in die Gesamtabwägung einzubeziehen gewesen.
21
Auf diesen den Angeklagten beschwerenden Erörterungsmängeln in der Beweiswürdigung kann das Urteil beruhen. Die Sache bedarf daher auch insoweit (§ 301 StPO) neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Rechtsfehler in der Beweiswürdigung bedingen die Aufhebung der getroffenen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke
5 StR 428/03

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 30. März 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
30. März 2004, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf
als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin S
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt W ,
Rechtsanwalt L ,
Rechtsanwalt P
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger F und B V , Be , K und Sk wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. März 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsmittel – an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren (Einzelstrafen: acht und zehn Jahre Freiheitsstrafe) verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (unter Anordnung eines Vorwegvollzugs von acht Jahren und sechs Monaten) angeordnet. Die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft – vertreten vom Generalbundesanwalt – und von fünf (von insgesamt acht) Nebenklägern, die u. a. die unterbliebene Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes rügen, haben Erfolg.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Der Angeklagte, u. a. vorbestraft mit einer zunächst zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe wegen einer 1990 im Vollrausch verübten gefährlichen Körperverletzung, war nach Verurteilung wegen einer im Dezem- ber 1995 wiederum im Vollrausch begangenen Körperverletzung mit Todesfolge zu vier Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe und Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Herbst 1999 vorzeitig aus Strafhaft und Maßregelvollzug entlassen worden.
In den Morgenstunden des 10. August 2002 lief der Angeklagte nach durchzechter Nacht, aufgeputscht durch konsumierte antriebssteigernde Drogen (Speed, eventuell auch Kokain) und alkoholisiert (bei maximaler Blutalkoholkonzentration von etwa 2,3 ‰), möglicherweise ziel- und planlos durch ein Wohnviertel in Berlin-Weißensee. Er überstieg den Gartenzaun eines bewohnten Einfamilienhauses und versuchte gegen 6.45 Uhr, in das Schlafzimmerfenster der 16jährigen Tochter der Eigentümer zu schauen, die soeben nach Hause gekommen und dabei möglicherweise von dem Angeklagten beobachtet worden war. Kurz danach gelang es dem Angeklagten, ein angekipptes Fenster des im Hochparterre gelegenen Wintergartens zu öffnen; hierdurch stieg er zunächst unbemerkt in das Haus ein. Das Motiv ist ungeklärt geblieben; der Angeklagte hat nicht damit begonnen, im Haus zu stehlen.
Die Hauseigentümerin, die im Hochparterre mit ihrem Ehemann im Schlafzimmer schlief, erwachte, trat unbekleidet auf den Flur und traf dort auf den im Eingangsbereich der Küche stehenden Angeklagten. Dieser war seinerseits kurz zuvor durch eine im Spiegel bemerkte Bewegung hinter der halb geöffneten Tür des Schlafzimmers auf darin befindliche Personen aufmerksam geworden und war – unwiderlegt – entschlossen, das Haus alsbald möglichst unbemerkt wieder zu verlassen. Die Frau schrie beim für sie gänzlich überraschenden Anblick des ihr unbekannten Angeklagten sofort laut um Hilfe und begann, mit bloßen Händen auf ihn einzuschlagen. Dieser ergriff ein unmittelbar neben ihm in einem Messerblock steckendes Fleischermesser mit einer Klingenlänge von 20 cm und stach damit unvermittelt mit Wucht der Frau einmal knapp 20 cm tief in den oberen rechten Brustbereich. Er war durch die Situation des Zusammentreffens in Panik geraten, dachte jäh dar- an, daß er unter Führungsaufsicht und Bewährung stand, und handelte spontan, um seine Flucht aus dem Haus zu ermöglichen. Daß er dies „auch durch mildere Mittel“ hätte bewerkstelligen können, war ihm nach Auffassung des Schwurgerichts möglicherweise nicht bewußt. Den Tod der Geschädigten nahm er, wie das Schwurgericht meint, zumindest billigend in Kauf.
Die Frau brach nach dem Stich nicht zusammen, sondern flüchtete durch das Wohnzimmer und den Wintergarten in den Garten. Der Angeklagte wollte – unwiderlegt – durch das Schlafzimmer flüchten, das er möglicherweise durch zustands- und situationsbedingte Wahrnehmungsverzerrungen nach der Flucht der Geschädigten in die andere Richtung als einzig möglichen Fluchtweg verkannte. In der Schlafzimmertür traf er auf den erwachten und aufgestandenen Ehemann der Geschädigten. Ihm versetzte der Angeklagte , um seine Flucht zu ermöglichen, mit direktem Tötungsvorsatz sieben Stiche mit dem Messer, das er noch bei sich führte. Der Mann brach im Schlafzimmer zusammen und verblutete alsbald.
Dem Angeklagten gelang die Flucht durch das Schlafzimmerfenster. Ermittelt – und zwei Wochen später festgenommen – wurde er durch eine DNA-Spur an einer im Garten des Tatortes aufgefundenen Zigarettenkippe.
Die Geschädigte hatte durch laute Schreie vom Garten aus ihre Kinder alarmieren können. Sie brach alsbald zusammen, gab ihrem Sohn und Rettungskräften noch den Hinweis, der Täter sei „Ausländer“ mit „mulattischer“ Hautfarbe – der Vater des Angeklagten war Schwarzafrikaner –, und fiel dann in Bewußtlosigkeit, aus der sie bis zu ihrem mehr als ein Vierteljahr später verletzungsbedingt eingetretenen Tod nicht mehr erwachte.
2. Zutreffend beanstanden die Beschwerdeführer es als rechtsfehlerhaft , daß das Schwurgericht in beiden Fällen eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes abgelehnt hat.

a) Allerdings ist das Mordmerkmal der Heimtücke in beiden Fällen im Ergebnis zutreffend verneint worden. Entgegen der Wertung des Schwurgerichts hängt dies nicht einmal mit der besonderen psychischen Belastung des Angeklagten bei Begehung der Taten zusammen.
Die Hauseigentümerin wurde naheliegend durch Wahrnehmung ungewohnter Geräusche oder Bewegungen geweckt; als sie den Flur betrat, traf sie hier in ihrem Privathaus unvermutet auf einen Einbrecher, den ihr fremden Angeklagten. Es liegt auf der Hand, daß ihr in dieser Situation jede Arglosigkeit genommen war. Ihre Reaktion, laut schreiend auf den Einbrecher zuzugehen und auf ihn einzuschlagen, ist schwerlich geeignet, das Gegenteil zu beweisen. Sie ist kaum – mit dem Schwurgericht – als überraschungsbedingte Verkennung der Gefahrensituation (vgl. BGHSt 33, 363) zu verstehen, sondern vielmehr ersichtlich als gänzlich unbedachte Panikreaktion. Jedenfalls besteht mit Rücksicht auf diese Situation keine Grundlage für eine gesicherte Überzeugung von der Annahme des Angeklagten, die zutiefst erschrockene Frau sei ihm gegenüber arglos gewesen. Damit fehlte es – zumindest subjektiv – an dem für das Mordmerkmal der Heimtücke erforderlichen Element der Arglosigkeit zum maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns des tödlichen Angriffs (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 17). Nichts anderes gilt für den Angriff auf den Ehemann, als er sich – alarmiert durch die Schreie seiner Frau – anschickte, vom Schlafzimmer aus zum Ort des Geschehens zu eilen. Ungeachtet der Kürze der Zeit seit seinem Erwachen war er beim Zusammentreffen mit dem Angeklagten für diesen augenscheinlich in panischer Sorge, mithin nicht arglos. Daß beide Opfer dem Angeklagten in der Tatsituation letztlich wehrlos ausgeliefert waren, ließ sich – jedenfalls aus dessen für den Vorsatz maßgeblicher Sicht – nicht auf Arglosigkeit zurückführen, ist mithin zur Erfüllung des Mordmerkmals der Heimtücke nicht ausreichend (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 211 Rdn. 18a).

b) Als sachlichrechtlich fehlerhaft erweist sich indes in beiden Fällen die Verneinung einer Tötung, um eine andere Straftat zu verdecken.
Der Angeklagte, dem es bei den Tötungshandlungen eingestandenermaßen um die Ermöglichung seiner Flucht zur Vermeidung negativer Konsequenzen in seiner Situation der Führungsaufsicht und offenen Bewährung ging, handelte damit unverkennbar zugleich in der Absicht, den Einbruch und die damit mindestens verbundene Straftat des Hausfriedensbruchs zu verdecken. Auch unter Berücksichtigung seiner Intoxikation und der Paniksituation beim plötzlichen Zusammentreffen mit den Geschädigten ist für vernünftige Zweifel daran, daß er sich bei der nahezu instinktiv empfundenen Sorge um seine Bewährung selbstverständlich zugleich der jene Sorge begründenden Strafbarkeit seines Einbruchs – mindestens als Hausfriedensbruch , wenn nicht als versuchter Einbruchsdiebstahl oder gar (etwa alternativ festzustellen) als versuchte sexuelle Nötigung – mitbewußt war, kein Raum (vgl. dazu BGHR StGB § 211 Abs. 2 Verdeckung 10; Schneider in MünchKomm-StGB 2003 § 211 Rdn. 187 ff.).
Auch die weiteren gegen die Verdeckungsabsicht vorgebrachten Argumente erweisen sich als nicht tragfähig. Zunächst zweifeln die Beschwerdeführer angesichts des der Geschädigten beigebrachten wuchtigen, nahezu 20 cm tiefen Bruststiches nachvollziehbar an der Annahme eines lediglich bedingten Tötungsvorsatzes, und zwar auch unter Berücksichtigung der Spontanität des Tatentschlusses und des Umstandes, daß der bei dieser Tat noch mit geringerer Intensität handelnde Angeklagte auf die Frau nur einmal eingestochen hat. Jenseits davon liegt eine Fallgestaltung, für welche die Rechtsprechung Bedenken gegen eine Vereinbarkeit des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht mit nur bedingtem Tötungsvorsatz angenommen hat (vgl. dazu Tröndle/Fischer aaO § 211 Rdn. 31a und 33; Schneider aaO § 211 Rdn. 190 ff.; jeweils m.w.N.), bei dem vorliegenden tödlichen Angriff auf ein nicht bekanntes Opfer zur Fluchtermöglichung grundsätzlich nicht vor. Die vom Schwurgericht erwogenen Überlegungen des Angeklagten, im Falle eines Überlebens der Frau werde er identifiziert werden, weil sie ihn gesehen habe und wiedererkennen werde, dürften überhaupt nur unter der Voraussetzung als geeignet angesehen werden, das Mordmerkmal der Verdek- kungsabsicht in Zweifel zu ziehen, wenn der Angeklagte mit einer Identifizie- rung für den Fall des Überlebens seines Opfers fest gerechnet hätte. Jedenfalls machen die Beschwerdeführer aber zutreffend geltend, daß die Annahme derart differenzierter Überlegungen des Angeklagten im eklatanten Widerspruch zu den Feststellungen zu seiner intoxikations- und situationsbedingt verwirrten Geistesverfassung bei der spontanen Tatbegehung steht. Der Ausschluß des Mordmerkmals beruht mithin auf einer tatsächlich nicht fundierten und damit sachlichrechtlich fehlerhaften Unterstellung zugunsten des Angeklagten.
All dies gilt in verstärktem Maße für die Überlegung des Schwurgerichts , der Angeklagte habe bei der anschließend verübten direkt vorsätzlichen Tötung des Ehemannes zur Ermöglichung seiner Flucht womöglich bedacht , er könne damit nicht selbstverständlich zugleich seine Vortaten – Einbruch und Verletzung der Frau – wirksam verdecken, da er von seiner späteren Identifizierung durch die entkommene schwerverletzte Frau ausgegangen sei.

c) Da keine Anhaltspunkte für eine Fluchtabsicht ohne gleichzeitige Verdeckungsabsicht bestehen, ist daneben für die Annahme einer Tötung aus sonst niedrigen Beweggründen (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 211 Rdn. 29a) kein Raum.

d) Der Senat hat erwogen, wegen der aus dem angefochtenen Urteil ersichtlichen nahezu eindeutigen Beweislage und im Blick auf die letztlich haltlosen Unterstellungen, die in beiden Fällen zur Verneinung des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht geführt haben, zum Schuldspruch auf Mord in zwei Fällen durchzuentscheiden. Da es letztlich insoweit an positiven tatgerichtlichen Feststellungen zu den hierfür erforderlichen Vorstellungen des Angeklagten fehlt, hat der Senat – auch vor dem Hintergrund, daß die Motivation des Angeklagten, in das Haus der Getöteten einzubrechen, letztlich weitgehend im Dunkeln geblieben ist – hiervon gleichwohl Abstand ge- nommen und die Entscheidung neuer tatgerichtlicher Beurteilung überlassen. Um dem neuen Tatgericht dann aber auch eine umfassende, von Vorgaben freie neue Sachaufklärung zu ermöglichen, hebt der Senat das Urteil vollständig auf. Er sieht deshalb auch davon ab, etwa Feststellungen zum äußeren Tathergang und zur Schuldfähigkeit des Angeklagten aufrechtzuerhalten, die das Schwurgericht im angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei getroffen hat, die aber auch das neue Tatgericht unschwer erneut wird feststellen können.
3. Der Rechtsfolgenausspruch entfällt mit der Aufhebung des Schuldspruchs. Der Senat weist indes darauf hin, daß das angefochtene Urteil auch insoweit nicht bedenkenfrei ist.

a) Zwar hat das Schwurgericht rechtsfehlerfrei eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten (§ 21 StGB) bejaht. Die Begründung, mit der es dem Angeklagten eine hierauf gründende Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB zugebilligt hat, ist aber, wie die Staatsanwaltschaft zutreffend rügt, durchgreifend bedenklich. Daß das Tatgericht nicht festzustellen vermochte, daß dem Angeklagten eine Neigung zu vergleichbaren Straftaten unter dem Einfluß von Drogen und Alkohol bewußt gewesen wäre, mag ungeachtet seiner einschlägigen Vorbelastungen hinzunehmen sein. Kaum vertretbar erscheint indes die Wertung, daß der Angeklagte mit entsprechendem Fehlverhalten in derart berauschtem Zustand allein im Blick auf den seit den Vortaten eingetretenen Zeitablauf und auf sein konkretes Wirken als Einzeltäter auch nicht hätte rechnen müssen. Nach Aburteilung des Angeklagten wegen zweier massiver Gewaltdelikte im Vollrausch, das zweite davon bereits mit tödlichem Ausgang, ist ersichtlich das Gegenteil der Fall. Vor diesem spezifischen Hintergrund mußte ihm sein dauerhaft unkontrollierter Alkohol- und Drogenmißbrauch angelastet werden, auf den der massiv enthemmte Zustand zurückging, der die hier abgeurteilten Kapitalverbrechen bedingte. Dies gilt verstärkt, da er aufgrund der letzten einschlägigen Vortat noch unter Bewährung stand, zumal auch bezogen auf den mit dem Hang unmittelbar ver- bundenen Maßregelausspruch der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Bei dieser Besonderheit legt nicht einmal der Umstand die Zubilligung einer Strafrahmenverschiebung nahe, daß der Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit letztlich auch auf psychische Defekte, namentlich einen fortbestehenden Hang zur Berauschung, zurückgeht. Diesem Milderungsmoment steht die massiv verstärkende Warnfunktion der laufenden Bewährung vor spezifisch einschlägigem Hintergrund gegenüber.
Jedenfalls aus der Sicht des Schwurgerichts war die Zubilligung der Strafrahmenverschiebung durchgreifend bedenklich vor dem Hintergrund, daß das Gericht letztlich allein im Blick auf die psychische Verfassung des Angeklagten bei Begehung der Taten bereits nicht zu Schuldsprüchen wegen Mordes gelangt ist. Dieses Moment hätte bei der Strafrahmenbestimmung zusätzlich zum Nachteil des Angeklagten bedacht werden müssen.
Nach der letztlich vom Angeklagten vorwerfbar verursachten tatauslösenden Intoxikation wird sich die Zubilligung einer Strafrahmenverschiebung sogar dann nicht von selbst verstehen, wenn der Angeklagte bei Versagung der Strafrahmenverschiebung wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe zu verurteilen wäre. Dies setzte freilich besonders schwerwiegende Gründe voraus, die einer solchen Milderung entgegenstehen (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 7, 8, 12, 18, 24, 25). Indes wären die vorliegend zu beurteilenden Taten bei – unterstellt – uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Täters zweifelsfrei als zwei Fälle des Mordes mit lebenslanger Gesamtfreiheitsstrafe unter Feststellung besonderer Schwere der Schuld des Täters gemäß § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 57b StGB zu ahnden gewesen; zu berücksichtigen ist zudem eine spezifisch einschlägige Vorbelastung, die ihrerseits bereits die Tötung eines Menschen zum Gegenstand hatte. Vor diesem Hintergrund erschiene vorliegend auch bei Schuldsprüchen wegen Mordes – namentlich für die zweite Tat – die Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach tatgerichtlichem Ermessen nicht undenkbar, eventuell mit der Konsequenz, im Blick auf die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit von der Feststellung besonderer Schuldschwere abzusehen.

b) Zum Maßregelausspruch merkt der Senat an, daß die bisher zugunsten des Angeklagten getroffene tatgerichtliche Ermessensentscheidung nach § 66 Abs. 2 StGB, dessen formelle Voraussetzungen nach der bisherigen rechtsfehlerfreien tatgerichtlichen Beurteilung ebenso vorliegen wie ein Hang und eine damit einhergehende Gefährlichkeit des Angeklagten (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB), insbesondere vor dem Hintergrund dreier Straftaten mit tödlichem Ausgang nicht überaus überzeugend anmutet. Angesichts der Möglichkeit strengerer Bewertung der Taten ist insoweit ohnehin eine neue tatgerichtliche Beurteilung erforderlich. Insbesondere bei etwa abweichendem Ergebnis wäre ein erneut erwogener – im angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei ausgesprochener – Maßregelausspruch nach § 64 StGB auch nach Maßgabe des § 72 StGB zu hinterfragen.
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 241/11
vom
30. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 30. Juni 2011 gemäß
§ 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Die Revisionen der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 3. Dezember 2010 werden als unzulässig verworfen. 2. Die Beschwerdeführer tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und Fahren ohne Fahrerlaubnis , wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis und wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt.
2
Die Revisionen der Nebenkläger, mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen, sind unzulässig im Sinne des § 349 Abs. 1 StPO.
3
1. Die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit der Aussage des Zeugen A. (§ 244 Abs. 2 StPO) ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
4
Ob sich dies, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt hat, schon daraus ergibt, dass ein Nebenkläger nach § 400 Abs. 1 StPO nicht befugt ist, eine Verurteilung wegen Vollendung (des Nebenklagedelikts ) statt wegen Versuchs zu erstreben (so Riegner NStZ 1990, 13; a.A. Meyer -Goßner StPO, 54. Aufl., § 400 Rn. 3b; Löwe-Rosenberg/Hilger StPO, 26. Aufl., § 400 Rn. 12), kann dahinstehen. Jedenfalls würde die Prüfung dieser Rüge durch den Senat eine im Revisionsverfahren regelmäßig nicht mögliche Rekonstruktion der Beweisaufnahme voraussetzen.
5
2. Der Zulässigkeit des Revisionsvortrags im Übrigen steht § 400 Abs. 1 StPO entgegen.
6
Der Nebenkläger kann ein Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – 3 StR 424/87, BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 1). Der Angeklagte ist wegen einer Tat verurteilt worden, aus der sich die Befugnis zum Anschluss als Nebenkläger ergibt (§ 395 Abs. 1 Nr. 2 StPO). Die Revisionen machen nicht geltend, dass eine Rechtsnorm, deren Verletzung zum Anschluss berechtigen würde, nicht oder nicht richtig angewandt worden ist. Sie richten sich vielmehr allein gegen die verhängte Strafe. Dies gilt für das in eine weitere Aufklärungsrüge gekleidete Vorbringen, die Höhe der erkannten Strafe sei zu gering, weil das Landgericht rechtsfehlerhaft von einem Mitverschulden des Tatopfers ausgegangen sei, ebenso wie für die Sachrüge, mit der die gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommene Strafrahmenmilderung beanstandet und weitere Rechtsfehler bei der Strafzumessung (§ 46 StGB) geltend gemacht werden. Ernemann Roggenbuck Franke Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 152/16
vom
23. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:230616B5STR152.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juni 2016 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. November 2015 aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Mordes verurteilt worden ist, wobei die Feststellungen zum äußeren Geschehen vor, bei und nach der Tat Bestand haben,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe sowie
c) im Maßregelausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes und wegen Störung der Totenruhe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die gegen die Verurteilung wegen Mordes gerichtete Revision des Angeklagten führt mit der Sachbeschwerde zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 9. Mai 2016 Folgendes ausgeführt: Die rechtliche Würdigung zum Vorliegen eines nur bedingten Tötungsvorsatzes bei gleichzeitiger Annahme von Verdeckungsabsicht kann rechtlicher Prüfung nicht standhalten. Zwar kommt die Annahme von Verdeckungsabsicht im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn der Tod des Opfers nicht mit direktem Vorsatz angestrebt, sondern lediglich bedingt vorsätzlich in Kauf genommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1995 – 1 StR 475/95, BGHSt 41, 358, 360; Senat, Urteil vom 30. März 2004 – 5 StR 428/03, NStZ 2004, 495, 496). Das ist nach den zitierten Entscheidungen aber nur dann der Fall, wenn der Täter von der getöteten Person keine Straftataufdeckung zu befürchten hat. Die vorliegende Sachverhaltskonstellation entspricht dem nicht. Die im Rahmen der rechtlichen Würdigung hierzu aufgestellte Behauptung des Schwurgerichts, der Angeklagte hätte erkannt, dass sich der Geschädigte auch durch weitere Schläge oder verbale Bedrohungen und damit anders als durch die Tötung von einer Anzeige hätte abbringen lassen (UA S. 35), vermag die Annahme einer derartigen Fallgestaltung nicht zu rechtfertigen. Dieser Gedanke ist unter anderem schon deshalb kaum nachvollziehbar, weil sich alle Beteiligten gut kannten, häufig Umgang miteinander hatten und sich deshalb der Glaube an die sichere Beseitigung der Gefahr durch eine Strafanzeige lediglich durch weitere Bedrohungen des Opfers nicht von selbst erklärt, mag der Angeklagte dem Opfer auch geistig überlegen gewesen sein (UA S. 35). Wesentlicher ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass sich die Annahme nur bedingten Tötungsvorsatzes mit den Feststellungen auf Seite 14 des Urteils, die auf den für glaubhaft erachteten Angaben des Angeklagten zu seiner Motivation zur Tat beruhen, nicht in Übereinstimmung bringen lässt. Gleiches gilt hinsichtlich der bereits angeführten Behauptung auf Seite 35 des Urteils in Bezug auf die festgestellten Persönlichkeitsbesonderheiten des Angeklagten. Im Einzelnen: Das Schwurgericht hat die Angaben des Angeklagten zu den Beweggründen seiner Tatbegehung, die er anlässlich seiner polizeilichen Vernehmung geschildert hatte, den Feststellungen (UA S. 14 unten) rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt. Denn diese waren durch die Aussagen der Mitangeklagten (UA S. 27/28) bestätigt worden: Danach wollte der Angeklagte mit der Tötung verhindern, dass der Geschädigte dem ehemaligen Lebensgefährten der Mitangeklagten von deren vorangegangener Körperverletzung berichten würde. Denn er befürchtete, dass jener deswegen Strafanzeige erstatten würde, wie er es bereits mehrfach getan hatte. Dieser den Angeklagten bei der Tötung leitende Wille ist mit der Annahme nur bedingten Tötungsvorsatzes (UA S. 33) indessen nicht kongruent, das Urteil deshalb rechtsfehlerhaft. Die behauptete Erkenntnis des Angeklagten (UA S. 35) lässt sich zudem nicht mit den Feststellungen zu den Auswirkungen seiner hirnorganischen Persönlichkeitsstörung (UA S. 18 f.) in Übereinstimmung bringen: Danach sind kognitive Wahrnehmungsschemata nur eingeschränkt vorhanden (UA S. 18). Der Angeklagte ist zudem nur eingeschränkt in der Lage, wahrscheinliche Konsequenzen seines eigenen Handelns vorauszusehen und in konfliktbeladenen Situationen Problemlösungsstrategien zu entwerfen (UA S. 19). Es ist deshalb ohne erläuternde Begründung nicht nachvollziehbar, wie der erheblich alkoholisierte Angeklagte in einer konfliktbeladenen Situation und der sich hieran sehr schnell anschließenden Spontantötung zu differenzierten Überlegungen über anderweitige Beseitigungsmöglichkeiten der Gefahr einer Strafanzeige in der Lage gewesen sein sollte. Nachvollziehbare Erklärungen hierzu lassen sich dem Urteil auch im Gesamtzusammenhang nicht entnehmen. Die festgestellten Tatumstände lassen es gleichwohl als möglich erscheinen, dass die Annahme direkten Tötungsvorsatzes in Verknüpfung mit Verdeckungsabsicht rechtsfehlerfrei festgestellt werden könnte. Denn angesichts des gezielten Wurfes des Angeklagten mit dem fast 20 kg schweren Tresor in Richtung des Kopfes des Opfers, der bei einem Treffer offensichtlich dessen Tod zur Folge haben musste, und des durch den Angeklagten geschilderten Motivationsbildes ist der Schluss auf einen direkten Tötungsvorsatz in Verbindung mit Verdeckungsabsicht auch eingedenk der Spontanität des Tatentschlusses, der Alkoholisierung des Angeklagten und seiner Persönlichkeitsbesonderheiten, die zur Annahme des § 21 StGB führten, nicht nur denktheoretisch möglich. Eine (erneute) Verurteilung wegen Verdeckungsmordes kann deshalb derzeit nicht ausgeschlossen werden. Weil die geschilderten Rechtsfehler bei den Feststellungen zum Vorsatz und zur Verdeckungsabsicht zum Wegfall der subjektiven Tatseite führen, hat dies zur Folge, dass auch die Verurteilung wegen Mordes aus Heimtücke (vorerst) entfallen muss. Insoweit erschiene es im Übrigen wünschenswert, wenn das Mordmerkmal der Heimtücke - sollte es erneut zu einer diesbezüglichen Verurteilung kommen - vor dem Hintergrund der psychischen Erkrankung des Angeklagten ebenfalls eingehender als bisher begründet werden würde, auch wenn es naheliegt, dass der Angeklagte trotz seiner Persönlichkeitsbesonderheiten in der Lage war, die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers zu erkennen und sie zur Beseitigung der Gefahr vor Erstattung einer Strafanzeige bewusst auszunutzen (vgl. hierzu auch MüKo/Schneider, StGB, 2. Aufl., § 211 Rn. 182/183 ff.).
3
Dem tritt der Senat bei und bemerkt – auch hier in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Generalbundesanwalts – ergänzend, dass eine Ablehnung des Tötungsvorsatzes nach den gegebenen Umständen auch eingedenk der organischen Persönlichkeitsstörung sowie der Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit entgegen der Auffassung der Revision fernliegt.
4
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Mordes entzieht der insoweit verhängten Einzelfreiheitsstrafe von elf Jahren ohne Weiteres die Grundlage. Zudem waren der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und die Maßregelentscheidung aufzuheben. Die Feststellungen zum äußeren Geschehen sind hingegen rechtsfehlerfrei getroffen und können aufrechterhalten werden. Ergänzende Feststellungen sind möglich, sofern sie den bestehenden nicht widersprechen.
5
3. Die Verurteilung wegen Störung der Totenruhe weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Das Gleiche gilt für den insoweit getroffenen Einzelstrafausspruch.
6
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass gegebenenfalls die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) sorgfältiger zu begründen wäre, als dies im angefochtenen Urteil geschehen ist. Namentlich bedürften die Art der Krankheit des Angeklagten und die damit verbundenen Auswirkungen ebenso näherer Erläuterung wie dessen Vorverurteilungen wegen Gewalttaten, die das angefochtene Urteil für die Annahme der Gefährlichkeit des Angeklagten gerade aufgrund der organischen Persönlichkeitsstörung ohne nähere Erläuterungen heranzieht. Insoweit kann auch die nicht hinreichend belegte Feststellung, „auto- und fremdaggressives Agieren in Überforderungssituationen sei bei dem Angeklag- ten bekannt“ (UA S. 41), den Anforderungen nicht genügen.
Sander Schneider Dölp
König Feilcke

(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.

(2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.

(1) Wer im Straßenverkehr

1.
ein Fahrzeug führt, obwohl er
a)
infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder
b)
infolge geistiger oder körperlicher Mängel
nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder
2.
grob verkehrswidrig und rücksichtslos
a)
die Vorfahrt nicht beachtet,
b)
falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt,
c)
an Fußgängerüberwegen falsch fährt,
d)
an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt,
e)
an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält,
f)
auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder
g)
haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
die Gefahr fahrlässig verursacht oder
2.
fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 361/17
vom
15. Februar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen
ECLI:DE:BGH:2018:150218U4STR361.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Februar 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –, Staatsanwältin – bei der Verkündung – als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts, Rechtsanwalt als Verteidiger,
Rechtsanwalt als Vertreter der Nebenklägerin, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 20. März 2017 – auch soweit das Rechtsmittel zu Gunsten des Angeklagten wirkt – mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit versuchtem Totschlag durch Unterlassen zu einer Freiheitstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Es hat ferner Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB getroffen. Von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag der Nebenklägerin hat es abgesehen.
2
Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Revision rügt die Nebenklägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes und wendet sich insbesondere gegen die Ablehnung des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht. Ihr Rechtsmittel hat Erfolg, führt aber auch zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, soweit es gemäß § 301 StPO zu Gunsten des Angeklagten wirkt.

A.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

I.


4
1. Während einer Familienfeier wurde der Angeklagte von der Nebenklägerin , der damaligen Freundin seines Bruders, in den frühen Morgenstunden des 19. Juli 2015 gebeten, mit ihr eine Fahrt mit seinem, des Angeklagten, Motorrad zu unternehmen. Der Angeklagte, der zwischen 17.30 und 00.30 Uhr vier bis fünf Flaschen Bier getrunken hatte und zudem sehr müde war, weigerte sich zunächst unter Hinweis auf seine Alkoholisierung, der Bitte der Nebenklägerin nachzukommen. Schließlich gelang es ihr, den Angeklagten doch noch zu überreden. Beide brachen daraufhin zu einer Fahrt in die nähere Umgebung auf, die Nebenklägerin saß auf dem Soziussitz. Motorradhelme und Schutzkleidung trugen beide nicht. Etwa um 03.15 Uhr kippte das Motorrad aus ungeklärter Ursache in Höhe des Friedhofs in M. auf die Straße. Durch den Sturz erlitt die Nebenklägerin lebensbedrohliche Kopfverletzungen und der Angeklagte u.a. ein Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades; er verlor kurzzeitig das Bewusstsein. Als er wieder zu sich kam, kroch er zu der reglos auf dem Bauch liegenden Nebenklägerin. Er sah ihre stark blutende Kopfwunde und nahm – zutreffend – an, sie habe das Bewusstsein verloren. Er dachte daran, sie in die stabile Seitenlage zu bringen, nahm davon jedoch Abstand, weil er nicht wusste, wie er dies hätte bewerkstelligen müssen. Stattdessen versuchte er, das Smartphone der Nebenklägerin zu betätigen und legte es, nachdem ihm auch dies nicht gelungen war, neben dem Tatopfer auf dem Boden ab. Sodann hob er sein Motorrad auf, brachte es in Gang und fuhr nach Hause. Gegen 04.45 Uhr wurde die Nebenklägerin von anderen Verkehrsteilnehmern in nicht ansprechbarem und unterkühltem Zustand am Unfallort gefunden.
5
Die Nebenklägerin ist infolge der erlittenen Hirnblutung u.a. linksseitig gelähmt. Eine vollständige Wiederherstellung ihrer Gesundheit ist ausgeschlossen. An das Unfallgeschehen erinnert sie sich nicht.
6
2. Beim Verlassen des Unfallortes war dem Angeklagten bewusst, dass die Nebenklägerin auf Grund ihrer schweren Verletzungen dringend auf Hilfe angewiesen war und ohne umgehende medizinische Versorgung sterben könnte. Er wusste ferner, dass es wegen der Tageszeit und der Lage des Unfallortes dem Zufall überlassen blieb, ob der leblos auf dem Fußweg liegenden Nebenklägerin geholfen werden würde. Durch das Wegfahren von der Unfallstelle „wollte der Angeklagte seine Teilnahme an der vorausgegangenen Trunken- heitsfahrt bewusst verschleiern“. Er habe „den Tod der Nebenklägerin deswegen billigend in Kauf genommen, um die Beteiligung an dem Unfall zu verde- cken“.Zu Hause angekommen überlegte er erneut, ob er durch einen Anruf medizinische Hilfe für die Nebenklägerin herbeiholen sollte, entschied sich jedoch dagegen und legte sich ins Bett.
7
Infolge seiner Alkoholisierung – seine Blutalkoholkonzentration um 8.05 Uhr betrug 0,52 Promille – im Zusammenwirken mit dem Schädel-HirnTrauma befand sich der Angeklagte im Tatzeitpunkt bei fortbestehender Unrechtseinsichtsfähigkeit im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit.

II.


8
Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe sich wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen (in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort) schuldig gemacht. Als Garant aus vorangegangenem Tun habe er dafür einstehen müssen, dass die Nebenklägerin nicht infolge mangelnder medizinischer Versorgung zu Tode kommen würde. Der Angeklagte habe mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt. Eine Strafbarkeit wegen Verdeckungsmordes hat das Landgericht abgelehnt.

B.


9
Das angefochtene Urteil enthält hinsichtlich des versuchten Tötungsdelikts zur subjektiven Tatseite sachlich-rechtliche Mängel, die sich sowohl zum Vorteil als auch – was gemäß § 301 StPO auf die Revision der Nebenklägerin ebenfalls zu prüfen ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 – 4 StR 589/09, NStZ-RR 2010, 205, 206 mwN) – zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben können. Es unterliegt auf die zulässige Revision der Nebenklägerin insgesamt der Aufhebung.

I.


10
1. Die Erwägungen des Landgerichts zur Ablehnung eines versuchten Verdeckungsmordes sind in mehrfacher Hinsicht durchgreifend rechtsfehlerhaft:
11
a) Zwar ist das Landgericht im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass Verdeckungsabsicht und bedingter Tötungsvorsatz einander nicht grundsätzlich ausschließen, sondern auch zusammen bestehen können (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 239/10, NStZ 2011, 34; Urteil vom 23. November 1995 – 1 StR 475/95, BGHSt 41, 358, 360). Dies kann der Fall sein, wenn die maßgebliche Handlung vom Täter vorgenommen oder eine gebotene Handlung von ihm unterlassen wird, um eine vorangegangene Straftat zu verdecken, dieser Erfolg nach seinem Vorstellungsbild aber auch ohne den Eintritt des für möglich gehaltenen und billigend in Kauf genommenen Todeserfolges bewirkt wird, der bedingt vorsätzlich herbeigeführte Tod des Opfers mithin keine verdeckungsspezifische Funktion aufweist. So ist Verdeckungsab- sicht etwa anzunehmen, wenn der Täter durch Vornahme seiner Verdeckungshandlung vorsätzlich eine Person zu Tode bringt, von der ihm – wie erweiß – überhaupt keine Entdeckung droht (vgl. BGH, Urteile vom 23. November1995 – 1 StR 475/95, BGHSt 41, 358, 360; und vom 30. März 2004 – 5 StR 428/03, NStZ 2004, 495, 496; Beschlüsse vom 4. August 2010 – 2 StR 239/10, NStZ 2011, 34; vom 30. Juni 2011 – 4 StR 241/11; und vom 23. Juni 2016 – 5 StR 152/16, NStZ-RR 2016, 280; vgl. auch MüKoStGB/Schneider, 3. Aufl., § 211 Rn. 245; SSW-StGB/Momsen, 3. Aufl., § 211 Rn. 80). Geht der Täter dagegen davon aus, dass nur der Tod des Opfers zur Vortatverdeckung führt, können Verdeckungsabsicht und lediglich bedingter Tötungsvorsatz nicht nebeneinander angenommen werden. Hiervon wird in der Regel auszugehen sein, wenn das Opfer den Täter kennt und er deshalb befürchtet, durch dessen Angaben überführt zu werden, falls es überlebt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1988 – 3 StR 89/88, NJW 1988, 2682).
12
b) Mit Rücksicht auf diesen Zusammenhang weist das Urteil aber bereits deshalb einen durchgreifenden Rechtsfehler auf, weil das Landgericht nicht widerspruchsfrei dargelegt hat, welchen Vorsatz der Angeklagte in Bezug auf den Tod der erkannt schwer verletzten Nebenklägerin hatte, als er die Unfallstelle verließ, ohne die rechtlich gebotene Hilfe herbeizurufen. So hat das Landgericht einerseits festgestellt, der Angeklagte habe den Tod der Nebenklägerin (nur) billigend in Kauf genommen, und begründet dies mit der Erwägung, ihm sei der Tod der Nebenklägerin gleichgültig gewesen, um nicht als Verursacher eines Unfalls unter Alkoholeinfluss entdeckt zu werden. Andererseits hat es im Rahmen der rechtlichen Würdigung darauf verwiesen, der Angeklagte sei davon ausgegangen, dass „seine Trunkenheitsfahrt allenfalls beim Tod, nicht aber bei einer Rettung der Nebenklägerin hätte verdeckt werden können“. Letzteres deu- tet indes auf direkten Tötungsvorsatz hin mit der Folge, dass auch die Annahme einer Verdeckungsabsicht nahegelegen hätte. Mit der Abgrenzung der Vorsatzformen hätte sich das Landgericht deshalb auseinandersetzen und den bestehenden Widerspruch auflösen müssen.
13
c) Aber selbst wenn das Landgericht die Annahme eines lediglich bedingten Tötungsvorsatzes rechtsfehlerfrei begründet hätte, hielte die Verneinung einer Verdeckungsabsicht rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung begegnet durchgreifenden Bedenken, weil wesentliche Umstände im Hinblick auf das Vorstellungsbild des Angeklagten bei Verlassen des Unfallortes unerörtert bleiben.
14
Die Annahme des Landgerichts, dass die Trunkenheitsfahrt, ihre Strafbarkeit unterstellt, nach der Vorstellung des Angeklagten nur durch den Tod der Nebenklägerin hätte verdeckt werden können und deshalb mit einem nur bedingten Tötungsvorsatz unvereinbar sei, greift auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe zu kurz. Zwar waren die Nebenklägerin und der Angeklagte miteinander gut bekannt. Dass die Vorstellung des Angeklagten deshalb dahin ging, die Nebenklägerin werde ihn im Fall ihres Überlebens als Unfallverursacher benennen, ergibt sich hieraus unter den hier gegebenen Umständen aber noch nicht. Zum einen war die Nebenklägerin – wieauch der Angeklagte wahrgenommen hatte – schwer verletzt, sodass es nicht fern lag, dass sie – wie tatsächlich geschehen – außerstande sein würde, den Angeklagten zu überführen. Zum anderen lag es mit Rücksicht auf die persönliche Verbundenheit des Angeklagten mit der Nebenklägerin (Freundin seines Bruders) und ihrer Mitverantwortung für die Unfallfahrt (Überredung des Angeklagten, die zunächst von ihm abgelehnte Fahrt durchzuführen) nicht fern, dass sie ihn nicht einer Straftat belasten würde. Bedingter Tötungsvorsatz und Verdeckungsabsicht wären auch dann miteinander vereinbar, wenn die Ver- deckungshandlung – die Flucht vom Tatort – nach der Vorstellung des Angeklagten nicht der Verschleierung seiner Unfallbeteiligung, sondern allein dazu dienen sollte, Zeit zu gewinnen, um den Nachweis einer für den Unfall strafrechtlich relevanten Trunkenheit oder einer Trunkenheitsfahrt zu verdecken.
15
d) Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht ohne diese den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler zur Annahme eines direkten Tötungsvorsatzes oder einer mit dem bedingten Vorsatz vereinbaren Verdeckungsabsicht und damit zu einer Verurteilung wegen versuchten Mordes durch Unterlassen gekommen wäre.
16
2. Der Senat weist jedoch – den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift folgend – darauf hin, dass das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht voraussetzt, dass der Täter die Tötungshandlung vornimmt oder die ihm zur Abwendung des Todeseintritts gebotene Handlung unterlässt, um dadurch eine andere Straftat zu verdecken (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2002 – 4 StR 297/02, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Verdeckung 15). Nachvollziehbare Feststellungen zur Verdeckung einer Trunkenheitsfahrt , wovon das Landgericht auszugehen scheint, oder jedenfalls der Vorstellung des Angeklagten vom Vorliegen einer solchen Straftat (vgl. BGH, Urteil vom 3. August 1978 – 4 StR 397/78, BGHSt 28, 93, 95) hat das Landgericht nicht getroffen. Das Vorliegen oder die Vorstellung lediglich einer Ordnungswidrigkeit würde für die Annahme des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht nicht ausreichen (BGH, Urteil vom 3. August 1978 aaO; Beschluss vom 2. Juli 2004 – 2 StR 174/04, NStZ-RR 2004, 333 [Ls]).

II.


17
Die Wertung der Strafkammer, der Angeklagte habe mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, weist auch Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 301 StPO).
18
1. Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186; und vom 5. Dezember 2017 – 1 StR 416/17, Tz. 18; jeweils mwN). Die Prüfung, ob Vorsatz oder (bewusste) Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert insbesondere bei Tötungs- oder Körperverletzungsdelikten eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements regelmäßig erforderlich ist, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung sowie seine Motivation und die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise – mit in Betracht zieht (BGH, Urteil vom 22. März 2012 aaO; ebenso Urteile vom 4. April 2013 – 3 StR 37/13, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 64; und vom 14. Januar 2016 – 4 StR 84/15, NStZ-RR 2016, 79, 80 mwN). Diese individuelle Gesamtschau sämtlicher objektiven und subjektiven, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles ist insbesondere dann erforderlich, wenn der Tatrichter allein oder im Wesentlichen aus äußeren Umständen auf die innere Einstellung eines Angeklagten zur Tat schließen muss (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 – 1 StR 410/05, NJW 2006, 386 f.). Sie ist lückenhaft, wenn der Tatrichter sich mit wesentlichen, den Angeklagten be- oder entlastenden Umständen nicht auseinandersetzt, die für die subjektive Tatseite bedeutsam sind (BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 aaO).
19
2. Eine solche Gesamtschau hat die Strafkammer nicht in der gebotenen Vollständigkeit vorgenommen.
20
Das Landgericht verweist in seinen Rechtsausführungen zur subjektiven Tatseite auf die fehlende Anwesenheit Dritter am Unfallort, auf die frühe Morgenstunde und die wenig frequentierte Straße. Der Angeklagte habe zudem die stark blutende Kopfverletzung der Nebenklägerin wahrgenommen und das Tatopfer zutreffend für bewusstlos gehalten. Diesen Umständen kommt zwar grundsätzlich Bedeutung für die im Urteil vorgenommene Wertung zu, der Angeklagte habe die Notwendigkeit sofortiger medizinischer Hilfe für die Nebenklägerin erkannt, auf (externe) Hilfe nicht ernsthaft vertrauen können und deshalb bedingt vorsätzlich gehandelt. Die Strafkammer hat aber weitere, den Angeklagten insoweit möglicherweise entlastende Umstände, deren Berücksichtigung sich nach den getroffenen Feststellungen aufdrängte, nicht in den Blick genommen. Ausweislich der Urteilsgründe ist sie der eigenen Einlassung des Angeklagten „zum größten Teil“ gefolgt. Danach hat sie ihren Feststellungen insbesondere zugrunde gelegt, der Angeklagte habe nach Wiedererlangung seines Bewusstseins daran gedacht, die Nebenklägerin in die stabile Seitenlage zu bringen, davon aber mangels entsprechender Kenntnisse Abstand genommen. Ob und gegebenenfalls welche Schlüsse daraus hinsichtlich der subjektiven Tatseite, hier insbesondere hinsichtlich des voluntativen Elements des bedingten Vorsatzes zu ziehen waren, bleibt jedoch gänzlich unerörtert. Entsprechendes gilt für die Feststellung, der Angeklagte habe vergeblich versucht, das Smartphone der Nebenklägerin zu bedienen und habe es sodann neben der am Boden Liegenden abgelegt, bevor er sich entfernte. Auch die vom Landgericht angenommene erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten infolge seiner Alkoholisierung im Zusammenwirken mit dem erlittenen SchädelHirn -Trauma wäre als vorsatzkritischer Umstand in die Gesamtabwägung einzubeziehen gewesen.
21
Auf diesen den Angeklagten beschwerenden Erörterungsmängeln in der Beweiswürdigung kann das Urteil beruhen. Die Sache bedarf daher auch insoweit (§ 301 StPO) neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Rechtsfehler in der Beweiswürdigung bedingen die Aufhebung der getroffenen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 594/05
vom
16. März 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. März
2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 9. August 2005 werden verworfen.
2. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels aufzuerlegen. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen tateinheitlich begangenen dreifachen Mordes in Tateinheit mit dreifacher gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und mit vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Es hat ihm ferner die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von zwei Jahren bestimmt.
2
Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer auf die Sachbeschwerde gestützten, zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision seine Verurteilung auch wegen tateinheitlich begangenen dreifach versuchten Mordes und die Verhängung einer höheren Jugendstrafe. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.


3
Nach den Feststellungen war der Angeklagte am 19. Juni 2004 gegen 1.15 Uhr von der Abschlussfeier seines Fußballvereins nach Hause zurückgekehrt. Er war darüber verärgert, dass ihm, als er auf der Feier am Tisch eingeschlafen war, ein Büschel Haare abgeschnitten worden war. Um seine Wut abzureagieren , fuhr der Angeklagte mit dem von ihm und anderen Familienmitgliedern genutzten Opel Zafira zum Deggendorfer Kreuz und weiter in Richtung Regensburg. Gegen 3.30 Uhr verließ er bei Schwarzach die Autobahn. Nach kurzem Halt fuhr er, ohne die Scheinwerfer einzuschalten, über die Autobahnausfahrt Schwarzach in Gegenrichtung auf die Autobahn. Dort setzte er auf der Standspur die Fahrt fort und beschleunigte das Fahrzeug, obwohl er auf eine Entfernung von mindestens 500 m erkannte, dass ihm ein Fahrzeug entgegenkam. Entweder befuhr der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt mit seinem Fahrzeug bereits die rechte Fahrspur der A 3 oder er war, als er das entgegenkommende Fahrzeug wahrgenommen hatte, mit seinem Fahrzeug von der Standspur auf die rechte Fahrspur gewechselt. Dabei handelte er in der Absicht, einen Unfall zu verursachen, um Selbstmord zu begehen und nahm billigend in Kauf, dass durch einen Zusammenstoß mit dem entgegenkommenden Pkw andere Verkehrsteilnehmer getötet oder schwer verletzt werden. Ihm war bewusst , dass die Insassen des entgegenkommenden Fahrzeugs nicht damit rechneten, dass ihnen ein unbeleuchtetes Fahrzeug entgegenkam, so dass der Führer des Fahrzeugs keine Möglichkeit haben würde, einen Unfall zu vermeiden. Als eine Kollision der Fahrzeuge auf der rechten in Richtung Regensburg führenden Fahrspur für den Angeklagten und den Führer des entgegenkommenden Fahrzeugs objektiv durch eine Bremsung nicht mehr zu vermeiden war, gab der Angeklagte - jedenfalls nicht ausschließbar - seine Suizidabsicht auf und schaltete das Licht an seinem Fahrzeug ein, um den Führer des entge- genkommenden Fahrzeugs auf sich aufmerksam zu machen. Dieser versuchte nach links auszuweichen, was ihm jedoch nicht mehr gelang. Die Fahrzeuge stießen überlappend mit dem jeweils rechten Frontbereich zusammen. In dem Fahrzeug, mit dem der vom Angeklagten geführte Opel Zafira kollidierte, befanden sich sechs Personen. Der Beifahrer, die hinter diesem auf dem Rücksitz sitzende Ehefrau des Fahrzeuglenkers und seine neben ihrer Mutter sitzende vierjährige Tochter erlitten tödliche Verletzungen. Der Führer des Fahrzeugs und seine beiden hinter ihm auf dem Rücksitz sitzenden Töchter wurden schwer verletzt.

II.


4
Die Revision des Angeklagten:
5
1. Die Verfahrensrügen, mit denen der Angeklagte die Verletzung der Aufklärungspflicht rügt, sind unbegründet. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 28. Dezember 2005 Bezug genommen.
6
2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt.
7
a) Insbesondere hält auch die vom Beschwerdeführer in mehrfacher Hinsicht beanstandete Beweiswürdigung zur inneren Tatseite rechtlicher Nachprüfung stand. Das Ergebnis der Beweisaufnahme festzustellen, ist allein Sache des Tatrichters. Die revisionsrechtliche Beurteilung ist auf die Prüfung beschränkt , ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich- rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die Denkgesetze oder anerkannte Erfahrungssätze verstößt (vgl. Kuckein in KKStPO 5. Aufl. § 337 Rn. 29 m.N.). Gemessen an diesen Grundsätzen lässt die Beweiswürdigung keinen Rechtsfehler erkennen.
8
Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte die Autobahn bewusst in der falschen Fahrtrichtung befahren hat und auf das entgegenkommende Fahrzeug zugefahren ist, um Selbstmord zu begehen, entgegen der Auffassung der Revision auf eine zureichende Tatsachengrundlage gestützt. Dabei hat es sich, beraten durch vier Sachverständige, umfassend auch mit den vom Angeklagten behaupteten Umständen (Alkoholisierung, Übermüdung und Unterzuckerung), die zu einer kurzfristigen Erinnerungslosigkeit geführt haben sollen, auseinandergesetzt und eine so genannte Geisterfahrt mit rechtsfehlerfreien Erwägungen verneint. Der vom Landgericht insbesondere aus der Fahrweise des Angeklagten bis zur Kollision mit dem entgegenkommenden Fahrzeug und der Vorgeschichte gezogene – hier zudem nahe liegende - Schluss, dass der Angeklagte den Unfall absichtlich herbeigeführt hat, ist möglich und daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
9
b) Die Annahme des Landgerichts, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat weder aufgehoben noch erheblich vermindert war, ist ebenfalls hinreichend belegt. Entgegen der Auffassung der Revision weisen die Urteilsausführungen auch insoweit keinen Erörterungsmangel auf. Das Landgericht hat sich – allerdings im Rahmen seiner Ausführungen zur inneren Tatseite – mit der Frage einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe, soweit sie nach den hier gegebenen Umständen in Betracht zu ziehen waren, ausführlich auseinan- dergesetzt und im einzelnen dargelegt, dass eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, eine affektive Störung, eine Persönlichkeitsstörung ebenso wie eine durch den „Ärgeraffekt“ und die alkoholische Beeinträchtigung ausgelöste tiefgreifende Bewusstseinsstörung ausgeschlossen werden können.
10
c) Die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts weist, auch soweit sie den Schuldspruch wegen tateinheitlich begangenen dreifachen Mordes betrifft, keinen Rechtsfehler auf.
11
aa) Zutreffend hat das Landgericht das Mordmerkmal der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln bejaht. Dieses Mordmerkmal kann auch dann erfüllt sein, wenn – wie hier – ein Tötungsmittel eingesetzt wird, das seiner Natur nach nicht gemeingefährlich ist, sofern das Mittel in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat (vgl. BGH NStZ 2006, 167, 168 m.N.). Diese Anforderungen sind nach den Feststellungen erfüllt.
12
Mit seiner Fahrweise hatte der Angeklagte die sechs Insassen des PKW, mit dem das von ihm geführte Fahrzeug zusammenstieß, aber auch die Insassen weiterer entgegenkommender Kraftfahrzeuge gefährdet. Der Fahrer des PKW, der zum Überholen angesetzt hatte, konnte nur durch eine Vollbremsung einen Zusammenstoß mit den vor ihm kollidierenden Fahrzeugen vermeiden und erlitt dabei leichte Verletzungen. Welche und wie viele Personen durch das vom Angeklagten mit einer Geschwindigkeit von mindestens 117 km/h in den Gegenverkehr gelenkte Fahrzeug gefährdet, verletzt und getötet werden konnten , war für den Angeklagten nicht beherrschbar. Dieser hatte durch die für die entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer unberechenbare Fahrt „in besonderer Rücksichtslosigkeit“ eine Gefahr für eine unbestimmte Vielzahl von Perso- nen geschaffen. Er hatte es nicht in der Hand, wie viele Menschen als Repräsentanten der Allgemeinheit in den von ihm geschaffenen Gefahrenbereich geraten und durch sein Verhalten gefährdet werden konnten (vgl. BGH aaO).
13
bb) Auch das Mordmerkmal der Heimtücke ist rechtsfehlerfrei belegt.
14
Dass der Angeklagte unmittelbar vor der Kollision die Scheinwerfer einschaltete , steht der Annahme der Arg- und Wehrlosigkeit der Insassen des ihm entgegenkommenden PKW nicht entgegen, denn hinsichtlich der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ist auf den Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs abzustellen (vgl. BGHSt 19, 321, 322; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3). Der Angeklagte hatte zur Ausführung seines mit bedingtem Tötungsvorsatz geführten Angriffs aber bereits mit dem gezielten Zufahren mit seinem unbeleuchteten PKW auf das entgegenkommende Fahrzeug angesetzt. Die zu diesem Zeitpunkt gegebene Arg- und Wehrlosigkeit der Fahrzeuginsassen bestand auch nach dem Erkennen der Gefahrensituation fort, denn die danach bis zur Kollision verbliebene Zeitspanne ließ, auch für den Führer des PKW, keine Möglichkeit, dem Angriff auszuweichen (vgl. BGH NStZ 2006, 167, 168 m.N.). Nach den Feststellungen war dem Anklagten bewusst, das die Insassen des entgegenkommenden PKW nicht mit Gegenverkehr rechneten und der Führer des Fahrzeugs keine Möglichkeit haben würde, den Unfall zu vermeiden.
15
Entgegen der Auffassung der Revision hält auch die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte zur Durchführung der Tat die sich aus der Arglosigkeit der Tatopfer und deren sich daraus ergebende Wehrlosigkeit ausgenutzt hat, rechtlicher Nachprüfung stand.
16
Das für die Annahme der Heimtücke erforderliche Ausnutzungsbewusstsein setzt voraus, dass der Täter die äußeren Umstände der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers wahrgenommen und sie bewusst zur Tatbegehung instrumentalisiert hat (st. Rspr., vgl. die Zusammenfassung bei Schneider in MünchKomm StGB § 211 Rdn. 140 m.N.). Dabei kann die Spontaneität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlt (vgl. BGH NJW 1983, 2456; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26). Andererseits hindert nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen (vgl. BGH NStZ 2006, 167, 168 m.N.). Wird das Ausnutzungsbewusstsein bejaht, bedarf es allerdings besonders dann, wenn der Täter durch die Tat zugleich seinem eigenen Leben ein Ende setzen will, einer Darlegung der Erwägungen, die das Gericht zu der Annahme des Ausnutzungsbewusstseins geführt haben, weil in einem derartigen Fall in der Regel die Möglichkeit nicht fern liegen wird, dass der Täter sich der Bedeutung der von ihm erkannten Arg- und Wehrlosigkeit für die Ausführung der Tat nicht bewusst gewesen ist (vgl. BGH GA 1979, 337, 338). Hier bedurfte es einer ausdrücklichen Erörterung dieser Möglichkeit jedoch nicht.
17
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, musste der Angeklagte , um den Unfall, wie beabsichtigt, herbeizuführen, die Insassen, insbesondere den Führer des entgegenkommenden Fahrzeugs überraschen, und fuhr deshalb ohne Licht. Die Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit der Insassen des entgegenkommenden Fahrzeugs war hier unverzichtbarer Teil des Tatplans.

III.


18
Revision der Staatsanwaltschaft:
19
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat auch keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten aufgedeckt.
20
1. Die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte von dem dreifach versuchten Mord zum Nachteil der Fahrzeuginsassen, die überlebt haben, mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten ist, indem er kurz vor der Kollision das Licht an seinem Fahrzeug einschaltete, hält rechtlicher Nachprüfung stand.
21
Soweit es die Mordversuche betrifft, sind die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts gemäß § 24 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB erfüllt, denn der Angeklagte hat nach den rechtsfehlerfrei in Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo (vgl. dazu BGH VRS 61, 262, 263) getroffenen Feststellungen freiwillig die Vollendung der Tat verhindert. Mit dem Einschalten der Scheinwerfer ermöglichte der Angeklagte dem Führer des entgegenkommenden Fahrzeugs , einen Frontalzusammenstoß zu vermeiden, so dass die Fahrzeuge nur überlappend im Beifahrerbereich kollidierten. Die Annahme des Landgerichts, dass dieses Verhalten des Angeklagten zumindest mitursächlich dafür war, dass die Personen, die jeweils auf der Fahrerseite gesessen hatten, keine tödlichen Verletzungen erlitten, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dass der Täter – wie hier – eine neue Kausalreihe in Gang setzt, die für die Nichtvollendung der Tat mindestens mitursächlich ist, reicht aus (vgl. BGH aaO; BGHSt 33, 295, 301, jew. m.w.N.). Ein gemäß § 24 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB strafbefreiender Rücktritt setzt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht voraus, dass der Täter, der die Vollendung der Tat erfolgreich verhin- dert und dies – wovon das Landgericht zutreffend zu Gunsten des Angeklagten ausgegangen ist – auch anstrebt, unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung die sicherste oder „optimale“ gewählt hat (vgl. BGHSt 48, 147 m.N.). Der Annahme der Freiwilligkeit des Rücktritts steht nicht entgegen, dass der Angeklagte zunächst mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Maßgeblich ist, dass er beim Einschalten der Scheinwerfer – nicht ausschließbar (UA 33/34) – davon ausging, dass der Unfall dadurch noch vermieden werden konnte (vgl. BGH VRS 61, 262, 263), mithin den für möglich gehaltenen Todeserfolg nicht mehr billigte.
22
2. Auch die Bemessung der gemäß § 17 Abs. 2 JGG wegen der Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe weist keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf. Insbesondere ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dabei nicht in erster Linie auf das Gewicht des Tatunrechts abgestellt hat, denn auch bei einer wegen der Schwere der Schuld zu verhängenden Jugendstrafe ist deren Höhe vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten zu bemessen (vgl. nur BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 10 m.N.).
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 15/12
vom
28. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
28. Februar 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 12. September 2011 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zur Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision.
2
Nach den Feststellungen hielt der Angeklagte die sich wehrende Geschädigte , mit der er zuvor einvernehmlichen vaginalen Geschlechtsverkehr ausgeübt hatte, mit den Händen fest, drückte sie auf das Bett und führte gegen ihren Willen den Analverkehr durch.
3
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen begegnet der Strafausspruch durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken.
4
Die Strafkammer hat gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG auf den zum Tatzeitpunkt 19 Jahre alten Angeklagten rechtsfehlerfrei Jugendstrafrecht angewendet und einen minder schweren Fall der Vergewaltigung (gemeint ist ein Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 2 StGB) verneint. Zur Erforderlichkeit der Verhängung von Jugendstrafe und deren Dauer hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Der Angeklagte habe das Vertrauen der Geschädigten ausgenutzt , sie mit der Ausübung des Analverkehrs in besonderem Maße erniedrigt und bei ihr schwere psychische Schäden hervorgerufen. Die Verhängung einer Jugendstrafe sei auch aus erzieherischen Gesichtspunkten geboten, weil er durch die Tatbegehung Defizite in der Bereitschaft gezeigt habe, ein normgerechtes Leben zu führen. Eine Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten sei unter Abwägung aller für (Abstand zur Tat von zwei Jahren; nicht ausschließbare alkoholische Enthemmung) und gegen (konkrete Tatausführung, Tatfolgen, Vorahndungen, Verwirklichung von zwei Delikten) den Angeklagten sprechenden Umstände schuldangemessen.
5
Diese Strafzumessung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar hat die Jugendkammer unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe im Ergebnis noch ausreichend dargelegt, dass wegen der Schuldschwere die Verhängung von Jugendstrafe erforderlich ist. Ihre Ausführungen zur Strafhöhe begründen jedoch die Besorgnis, sie habe nicht bedacht, dass sich auch bei einer wegen Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe gemäß § 18 Abs. 2 JGG deren Höhe vorrangig nach erzieherischen Gesichts- punkten bemisst (BGH, Beschluss vom 21. Juli 1995 - 2 StR 309/95, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 10; Beschluss vom 18. August 1992 - 4 StR 313/92, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 8; Eisenberg, JGG, 15. Aufl., § 18 Rn. 13, 20 f.). Den Erziehungsgedanken hat sie lediglich bei der Begründung der Schuldschwere pauschal mit den durch die Tatbegehung hervorgetretenen Defiziten in der Bereitschaft, ein normgerechtes Leben zu führen, angesprochen. Da solche Defizite regelmäßig bei der Begehung einer Straftat hervortreten , ist diese Begründung nicht geeignet, den erforderlichen Erziehungsbedarf ausreichend zu begründen. Bei der konkreten Strafzumessung verhalten sich die Urteilsgründe zum Erziehungsgedanken überhaupt nicht und stellen - wie bei einem Erwachsenen - ausschließlich auf das Gewicht des Tatunrechts und die Tatfolgen ab. Ob und welche Erziehungsdefizite zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung , die fast zwei Jahre nach der Tat stattfand, vorlagen, lässt sich den Ausführungen des Landgerichts nicht zweifelsfrei entnehmen. Zudem fehlt die erforderliche Abwägung zwischen dem Tatunrecht und den Folgen der Verbüßung der verhängten Jugendstrafe für die weitere Entwicklung des Angeklagten (BGH, Beschluss vom 11. April 1989 - 1 StR 108/89, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 3; BGH, Beschluss vom 14. Januar 1992 - 5 StR 657/91, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 7).
6
Die Sache bedarf daher zum Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker von Lienen Hubert
Schäfer Menges

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.