Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2006 - 4 StR 561/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 9. Juni 2004 wegen Untreue in 77 Fällen und wegen Verletzung der Buchführungspflicht durch unterlassene Bilanzerstellung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.
- 2
- Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten wurde durch Beschluss des Senats vom 30. September 2004 – 4 StR 381/04 (NStZRR 2005, 86) verworfen, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen Verletzung der Buchführungspflicht durch unterlassene Bilanzerstellung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten richtete. Damit ist das Urteil in diesem Umfang rechtskräftig geworden. Soweit der Angeklagte wegen Untreue in 77 Fällen verurteilt worden war sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe wurde das Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit zurückverwiesen.
- 3
- Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer hat das Verfahren nunmehr hinsichtlich 54 Bargeldabhebungen von Konten der S. -GmbH in der Zeit bis zum 31. Oktober 2001 gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und den Angeklagten wegen Untreue in 23 Fällen und Verletzung der Buchführungspflicht durch unterlassene Bilanzerstellung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
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- Das Urteil hat keinen Bestand, weil nach den nunmehr getroffenen Feststellungen wiederum nicht auszuschließen ist, dass hinsichtlich der 23 Fälle der Untreue ein Strafverfolgungshindernis besteht.
- 5
- Zwar würde das Fehlen des gemäß § 266 Abs. 2 i.V.m. § 247 StGB grundsätzlich erforderlichen Strafantrages der beiden Mitgesellschafterinnen des Angeklagten dann kein Strafverfolgungshindernis begründen, wenn die Untreuehandlungen zu einem im Rahmen des § 266 StGB bedeutsamen Vermögensnachteil der GmbH selbst, nämlich zu einer konkreten Existenzgefährdung für die Gesellschaft, geführt hätten (vgl. Senatsbeschluss aaO). Die Annahme des Landgerichts, durch die 23 Entnahmen von Bargeld aus dem Vermögen der S. -GmbH in Höhe von insgesamt rund 250.000 Euro in dem Zeitraum zwischen dem 7. November 2001 und dem 21. Januar 2002 sei es zu einer "Existenzund Liquiditätsgefährdung" der Gesellschaft gekommen, ist aber nicht hinreichend belegt.
- 6
- Nach Auffassung des Landgerichts hatte die S. -GmbH bereits am 31. Oktober 2001 unter Berücksichtigung eines "neutralisierten" Gewinns bis zum Stichtag in Höhe von 556.338,64 DM und der bis dahin erfolgten Entnahmen in Höhe von mindestens 577.154,64 DM und des zum Jahresanfang vorhanden gewesenen Eigenkapitals von 56.187,62 DM ein Eigenkapital von nur noch 35.371,62 DM und damit eine Kapitalunterdeckung (UA 9). Diese Berechnung des am 31. Oktober 2001 noch vorhandenen Eigenkapitals genügt den Anforderungen, die an die Darstellung eines die Grundsätze des § 30 Abs. 1 GmbHG verletzenden Angriffs auf das nach dem Gesellschaftsvertrag ausgewiesene Stammkapital, also das rechnerisch nach Bilanzierung die Verbindlichkeiten übersteigende Reinvermögen in Höhe der Stammkapitalziffer (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 6; BGHZ 76, 326, 335), zu stellen sind (vgl. dazu BGHSt 35, 333, 338), schon deshalb nicht, weil das bei der Bilanzierung auf der Aktivseite zu berücksichtigende Anlagevermögen (vgl. § 266 Abs. 2 HGB) nicht berücksichtigt worden ist. Vielmehr hätte es zur Feststellung einer konkreten Existenzgefährdung der Gesellschaft einer Prüfung des Sachverhalts auf der Grundlage einer nach Zerschlagungswerten aufgestellten, die Abwicklungskosten und etwaige Sozialansprüche mit berücksichtigenden Bilanz bedurft (vgl. BGHZ 76, 326, 335).
- 7
- Allerdings kann die Aufstellung einer solchen Bilanz nach Zerschlagungswerten zur Feststellung eines Angriffs auf das Stammkapital einer GmbH dann entbehrlich sein, wenn sich die Gefährdung der Existenz oder - worauf das Landgericht abgestellt hat - der Liquidität der GmbH allein auf Grund des tatsächlichen Geschehensablaufs feststellen lässt (vgl. BGHSt aaO). Das ist aber nach den bisherigen Feststellungen nicht der Fall, zumal danach nicht auszuschließen ist, dass die S. -GmbH im Tatzeitraum zunächst weiterhin Einnahmen hatte und die Firmenkonten zum Zeitpunkt der jeweiligen Abhebungen ein Guthaben aufwiesen. Sofern dies nicht der Fall gewesen sein sollte, hätte es näherer Feststellungen dazu bedurft, ob und in welchem Umfang es im Tatzeitraum zu Überziehungen der Firmenkonten und zu Liquiditätsproblemen der Gesellschaft gekommen ist. Dass über das Vermögen der S. -GmbH durch Beschluss vom 16. Mai 2002 des Amtsgerichts Zweibrücken wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, vermag für sich genommen die Annahme einer Liquiditätsgefährdung bereits zu Beginn des Tatzeitraums nicht zu rechtfertigen, zumal der Insolvenzantrag nicht von einem Gläubiger der S. -GmbH, sondern vom Angeklagten selbst als Geschäftsführer der GmbH am 4. März 2002 gestellt wurde.
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- Die Sache bedarf daher nochmals neuer Verhandlung und Entscheidung.
Solin-Stojanović Ernemann
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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
Ist durch einen Diebstahl oder eine Unterschlagung ein Angehöriger, der Vormund oder der Betreuer verletzt oder lebt der Verletzte mit dem Täter in häuslicher Gemeinschaft, so wird die Tat nur auf Antrag verfolgt.
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.
(1) Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 des Aktiengesetzes) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind. Satz 1 ist zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen.
(2) Eingezahlte Nachschüsse können, soweit sie nicht zur Deckung eines Verlustes am Stammkapital erforderlich sind, an die Gesellschafter zurückgezahlt werden. Die Zurückzahlung darf nicht vor Ablauf von drei Monaten erfolgen, nachdem der Rückzahlungsbeschluß nach § 12 bekanntgemacht ist. Im Fall des § 28 Abs. 2 ist die Zurückzahlung von Nachschüssen vor der Volleinzahlung des Stammkapitals unzulässig. Zurückgezahlte Nachschüsse gelten als nicht eingezogen.
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.
(1) Die Bilanz ist in Kontoform aufzustellen. Dabei haben mittelgroße und große Kapitalgesellschaften (§ 267 Absatz 2 und 3) auf der Aktivseite die in Absatz 2 und auf der Passivseite die in Absatz 3 bezeichneten Posten gesondert und in der vorgeschriebenen Reihenfolge auszuweisen. Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1) brauchen nur eine verkürzte Bilanz aufzustellen, in die nur die in den Absätzen 2 und 3 mit Buchstaben und römischen Zahlen bezeichneten Posten gesondert und in der vorgeschriebenen Reihenfolge aufgenommen werden. Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a) brauchen nur eine verkürzte Bilanz aufzustellen, in die nur die in den Absätzen 2 und 3 mit Buchstaben bezeichneten Posten gesondert und in der vorgeschriebenen Reihenfolge aufgenommen werden.
(2) Aktivseite
- A.
Anlagevermögen: - I.
Immaterielle Vermögensgegenstände: - II.
Sachanlagen: - III.
Finanzanlagen:
- B.
Umlaufvermögen: - I.
Vorräte: - II.
Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände: - III.
Wertpapiere: - IV.
Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks.
- C.
Rechnungsabgrenzungsposten. - D.
Aktive latente Steuern. - E.
Aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung.
(3) Passivseite
- A.
Eigenkapital: - B.
Rückstellungen: - C.
Verbindlichkeiten: - 1.
Anleihen davon konvertibel; - 2.
Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten; - 3.
erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen; - 4.
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen; - 5.
Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener Wechsel; - 6.
Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen; - 7.
Verbindlichkeiten gegenüber Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht; - 8.
sonstige Verbindlichkeiten, davon aus Steuern, davon im Rahmen der sozialen Sicherheit.
- D.
Rechnungsabgrenzungsposten. - E.
Passive latente Steuern.