Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Jan. 2004 - 4 StR 539/03

bei uns veröffentlicht am08.01.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 539/03
vom
8. Januar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. Januar 2004 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 7. Juli 2003 im Ausspruch über die Maßregel der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, Vergewaltigung, Freiheitsberaubung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen Diebstahls in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt; ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und bestimmt, daß dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er allgemein das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen
Rechts rügt. Das Urteil hat zum Maßregelausspruch nach § 63 StGB Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Strafausspruch sowie zum Maßregelausspruch nach § 69 a StGB keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 8. Dezember 2003.
2. Dagegen hält der Maßregelausspruch über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Diese - unbefristete und für den Betroffenen schon deshalb in besonderem Maße belastende – Maßregelanordnung setzt die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Defekts voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 26 f.; 42, 385 f.), ferner, daß der Täter in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begangen hat, die mit diesem Defekt in einem kausalen, symptomatischen Zusammenhang steht. Daß diese Voraussetzungen gegeben sind, ist im angefochtenen Urteil nicht rechtsfehlerfrei dargelegt.

a) Das Landgericht hat sich zur Schuldfähigkeit des Angeklagten den Ausführungen des gehörten psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. Dr. L. angeschlossen, der bei dem Angeklagten ein "polyvalentes Verwahrlosungssyndrom mit langjähriger Heroinsucht" diagnostiziert und die Auffassung vertreten hat, aufgrund dieser von ihm als schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB qualifizierten Persönlichkeitsstörung sei „eine erhebli-
che Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit beim Angeklagten zu den jeweiligen Tatzeiten festzustellen". Zur Begründung ist dazu u.a. ausgeführt:
"Dieses Erscheinungsbild einer Persönlichkeitsstörung sei auf schwere frühkindliche Milieuschäden zurückzuführen. Im Rahmen dieser Persönlichkeitsstörung bestehe bei dem Angeklagten eine Unfähigkeit zu einer normalen Beziehung, die sich in fehlender gemütsmäßiger Stetigkeit, Alles-oder-NichtsDenken und mangelnder echter Einfühlung in die Erfordernisse einer Partnerschaft manifestiere. Der vor dem Hintergrund dieser Situation bestehende Beziehungskonflikt mit der Nebenklägerin habe dazu geführt, daß die Bindung an die Geschädigte bei dem Angeklagten sich im Sinne einer fixen Idee entwickelte. Die Überwertigkeit dieser Idee habe auf das gesamte Verhalten des Angeklagten einen determinierenden Einfluß gehabt." (UA 19)

b) Diese Ausführungen der Strafkammer zur Persönlichkeitsstörung des Angeklagten und zu der das Gutachten des Sachverständigen tragenden fachlichen Begründung sind so allgemein gehalten, daß sich nicht zuverlässig beurteilen läßt, ob die festgestellte Störung den vom Landgericht mit dem Sachverständigen angenommenen Schweregrad erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) erreicht. So bleibt schon offen, ob das im Urteil als schwere seelische Abartigkeit gewertete "polyvalente Verwahrlosungssyndrom" überhaupt einer in psychiatrischen Fachkreisen allgemein anerkannten Kategorie psychischer Störungen entspricht. Jedenfalls aber bedurfte es bei der so beschriebenen Persönlichkeitsstörung einer erkennbaren Abgrenzung gegenüber solchen Eigenschaften und Verhaltensweisen, die sich noch innerhalb der Bandbreite menschlichen Verhaltens bewegen und Ursache für strafbares Tun sein können, ohne daß sie die Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB "erheblich" - eine vom Richter ohne Bindung an die Auffassung des Sachverständigen
zu beantwortende Rechtsfrage (BGHSt 43, 66, 77) - berühren (BGHSt 42, 385, 387; BGH StV 1997, 630; NStZ-RR 2003, 165 f.). Dazu bedarf es einer Gesamtschau , ob die nicht pathologisch bestimmten Störungen in ihrem Gewicht den krankhaften seelischen Störungen entsprechen und Symptome aufweisen, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Täters vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 28; 37, 397, 401; speziell zur Schuldfähigkeitsbeurteilung bei „Verwahrlosungstendenzen“ , „dissozialer Entwicklung“ und „Polytoxikomanie“ vgl. Senatsbeschluß vom 20. Dezember 2001 - 4 StR 540/01; ferner BGH NStZ-RR 2000, 298). Daran fehlt es.

c) Eine nähere Erörterung war insoweit auch nicht mit Blick auf die Annahme des Sachverständigen entbehrlich, bei dem Angeklagten habe sich die Bindung an die Geschädigte im Sinne einer "fixen Idee" entwickelt, deren "Überwertigkeit" auf das gesamte Verhalten des Angeklagten einen determinierenden Einfluß gehabt habe (UA 19). Denn auch die Feststellung einer "fixen" oder "überwertigen" Idee sagt noch nichts über die rechtliche "Erheblichkeit" eines solchen Zustandes, der fließende Übergänge von einer unterhalb der forensischen Erheblichkeitsschwelle liegenden seelischen Störung bis hin zu einer expansiv paranoischen Entwicklung aufweisen kann (vgl. BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 25). Eine eingehende Auseinandersetzung mit dieser Frage drängte sich hier zumal deshalb auf, weil die Taten, soweit sie sich gegen die Nebenklägerin und deren jetzigen Ehemann richteten, sich auch normal-psychologisch aus Enttäuschung des Angeklagten über die gescheiterte Liebesbeziehung zu der Nebenklägerin erklären lassen (vgl. zur Schuldfähigkeitsbeurteilung in solchen Fällen vgl. BGH NStZ 1998, 296 m. Anm. Winckler/Foerster; Senatsbeschluß vom 25. September 2003 - 4 StR 316/03).
Dies hat auch das Landgericht letztlich nicht verkannt, denn im Rahmen der Strafzumessung wertet es allgemein strafmildernd, daß der Angeklagte sämtliche Taten "aus einer nicht völlig unverständlich erscheinenden Motivation" und "aus einer momentanen Erregung heraus" begangen habe (UA 23/24). Damit ist aber die Annahme, die Taten seien symptomatischer Ausdruck einer überdauernden , in ihrem Gewicht den krankhaften seelischen Störungen vergleichbaren schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung mit einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang zur Tatbegehung, wie sie die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus voraussetzt (BGHSt 42, 385, 388), nicht ohne weiteres vereinbar.
3. Über den Maßregelausspruch ist deshalb - tunlichst unter Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen - umfassend neu zu befinden. Der Senat hebt deshalb auch die „zugehörigen“ Feststellungen auf. Mit aufgehoben sind damit auch die auf die bisherige psychiatrische Begutachtung gestützten tatsächlichen Feststellungen zum Zustand des Angeklagten, die der Schuldfähigkeitsbeurteilung durch das Landgericht zugrunde liegen. Der Schuld- und der Strafausspruch des angefochtenen Urteils bleiben hiervon jedoch unberührt. Denn eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit scheidet hier nach
Lage der Dinge von vornherein aus; durch die Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB ist der Angeklagte bei der Strafzumessung nicht beschwert.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

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Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 316/03
vom
25. September 2003
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. September 2003 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 28. April 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen einer im Zustand der zumindest verminderten Schuldfähigkeit begangenen Körperverletzung und Bedrohung (§§ 223 Abs. 1, 241 Abs.1, 52, 21 StGB) angeordnet. Die mit der Sachrüge begründete Revision des Beschuldigten hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen der Strafkammer suchte der seit einigen Monaten depressiv gestimmte Beschuldigte aufgrund eines tags zuvor gefaßten Tatplans seine Bekannte J. auf, um sie mit einem Beil zu töten, da er sich in sie verliebt hatte und sie, die seine Gefühle nicht erwiderte, „in wahnhafter Verkennung der Realität für seinen Zustand verantwortlich machte“ (UA 6). Nachdem er sie mit den Worten „Na du Schlampe, hast du Lust zu sterben?“ angesprochen und ihr mit der Faust ins Gesicht geschlagen hatte,
ging er mit erhobenem Beil auf sie zu, woraufhin sie in Todesangst flüchtete. Der Beschuldigte folgte ihr noch kurz, gab jedoch sein Vorhaben auf, da er dies „doch nicht übers Herz bracht(e)“ (UA 9).
Das Landgericht ist – sachverständig beraten – davon ausgegangen, daß beim Beschuldigten eine überdauernde Persönlichkeitsstörung vom schizoid -antisozialen Typ als schwere andere seelische Abartigkeit und zudem im Tatzeitraum eine hierauf gründende wahnhaft-depressive Psychose (UA 14) in der Form eines „sensitiven Beziehungswahns“ (UA 12) als krankhafte seelische Störung bestand. Davon ausgehend, hat die Strafkammer – auch darin dem Sachverständigen folgend – gemeint, daß durch das Zusammenwirken beider geistig-seelischen Störungen „die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten in das Unrecht seines Handelns möglicherweise aufgehoben“, zumindest aber erheblich vermindert gewesen sei (UA 13, ebenso UA 8).
2. Damit sind die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB unbeschadet der Gefährlichkeitsprognose durch das Landgericht nicht hinreichend belegt. Die Anordnung nach § 63 StGB setzt die positive Feststellung eines länger andauernden geistig-seelischen Defekts voraus, der zumindest eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begründet (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 26 f.). Davon ist das Landgericht zwar ausgegangen. Es hat jedoch nicht bedacht, daß nach ständiger Rechtsprechung eine lediglich verminderte Einsichtsfähigkeit strafrechtlich erst dann von Bedeutung ist, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat (vgl. nur BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 21 Rdn. 3 m.w.N.). Der Täter, der trotz generell verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in
das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist – sofern nicht seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert ist – voll schuldfähig (BGHSt 21, 27, 28; 34, 22, 25 f.). Fehlt dagegen bei der Tat die Unrechtseinsicht infolge generell verminderter Einsichtsfähigkeit, so ist für § 21 StGB nur Raum, wenn dies dem Täter vorzuwerfen ist; ohne Schuld (§ 20 StGB) handelt der Täter unter diesen Umständen nur dann, wenn ihm das Fehlen der Unrechtseinsicht nicht vorzuwerfen ist (st. Rspr.; BGHSt 40, 341, 349; 42, 385, 389; BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 2, 3; § 21 Einsichtsfähigkeit 1 bis 5; § 63 Tat 4). Hiermit hat sich die Strafkammer nicht auseinandergesetzt. Ob hiernach die Strafkammer die Anwendung des § 21 StGB zu Recht bejaht hat, kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnommen werden, weil sich das Urteil nur zur Einsichts-, nicht aber auch zur Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten verhält. Der Senat vermag dem Urteil auch nicht zu entnehmen, daß sich das Landgericht lediglich im Ausdruck vergriffen und die Steuerungsfähigkeit als zumindest erheblich vermindert angesehen hat. Dagegen spricht nicht nur die wiederholte Bezugnahme auf die Fähigkeit zur Unrechtseinsicht, sondern auch der Zusammenhang mit der vom Landgericht mit dem Sachverständigen in den Vordergrund gestellten Wahnproblematik , die in erster Linie die Einsichtsfähigkeit berührt, während das Landgericht die vor allem die Steuerungsfähigkeit berührende alkoholische Beeinträchtigung beim Beschuldigten gerade als „nicht ... wesentlich“ (UA 13) angesehen hat.
Eine nicht ausschließbar lediglich erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit bei der Tat genügt aber – wie dargelegt – für die sichere Annahme von § 21 StGB nicht und ebensowenig für eine Anordnung nach § 63 StGB (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 207). Anders verhielte es sich, wenn sich das Landgericht
von einem vollständigen Fehlen der Unrechtseinsicht überzeugt hätte. Das ist indes entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht der Fall. Gegen eine fehlende Unrechtseinsicht bei der Tat sprechen hier zudem auch die Umstände, die das Landgericht zutreffend als freiwilligen Rücktritt vom Totschlagsversuch gewertet hat. Über die Maßregelanordnung ist deshalb neu zu entscheiden.
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß die Schuldfähigkeitsbeurteilung durch den neuen Tatrichter – tunlichst unter Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen – eingehenderer Prüfung als bisher bedarf. Insbesondere wird sich der neue Tatrichter um eine eindeutige Zuordnung des Zustands des Beschuldigten zu den Eingangsmerkmalen des § 20 StGB zu bemühen haben. Eine nähere Darlegung war hier schon deshalb geboten, weil depressive wie auch wahnhafte Elemente einer Persönlichkeitsstörung anhaften können, ohne zugleich eine krankhafte seelische Störung i.S.d. §§ 20, 21 StGB zu begründen (vgl. BGHR § 20 Seelische Abartigkeit 2 und 3 m.w.N. und mit Anm. Winckler/Foerster NStZ 1998, 297 und Blau JR 1998, 207; Jähnke in LK 11. Aufl. § 20 Rdn. 38 f.; ferner aus psychiatrischer Sicht: Nedopil, Forensische Psychiatrie, 2. Aufl., S. 122; Venzlaff in Venzlaff /Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 3. Aufl., S. 116 f., 128 f., 130). Zudem sind die Grundlagen für die Annahme einer rechtlich erheblichen tatauslösenden Wahnstörung beim Beschuldigten (vgl. zum Liebes- oder sensitiven Beziehungswahn Marneros MschrKrim 1997, 300 ff. und Tölle, Psychiatrie, 11. Aufl., S. 172 f., 180, 182 f.) nicht ausreichend dargetan. Insoweit ist insbesondere nicht ersichtlich, inwieweit das objektive Verhalten der Geschädigten vom Beschuldigten im Rahmen ihrer Beziehung falsch wahrgenommen wurde. Vielmehr empfand er ihre – richtig erkannte – Ablehnung als „Demütigung“ und
ungerechtfertigte Behandlung und machte sie daher für seinen unglücklichen Zustand verantwortlich (UA 6). Hinsichtlich der von der Strafkammer weiter angenommenen Persönlichkeitsstörung vom schizoid-antisozialen Typ bedarf es einer erkennbaren Abgrenzung gegenüber solchen Eigenschaften und Verhaltensweisen , die sich noch innerhalb der Bandbreite menschlichen Verhaltens bewegen und Ursache für strafbares Tun sein können, ohne daß sie die Schuldfähigkeit „erheblich“ im Sinne des § 21 StGB berühren (vgl. BGHSt 42, 385, 388; BGHR StGB § 21 Psychose 1, Seelische Abartigkeit 25, 35, 36; § 63 Zustand 26, 29, 34; BGH, Beschl. v. 20. Mai 2003 – 4 StR 174/03). Sofern die neue Hauptverhandlung das Vorliegen der Voraussetzungen des § 63 StGB nicht schon – wie bisher angenommen – allein aufgrund einer überdauernden geistig-seelischen Störung des Beschuldigten ergibt, wird der neue Tatrichter die Frage einer Maßregelanordnung (§§ 63, 64 StGB) schließlich auch mit Blick auf die nicht unerhebliche Alkoholisierung des Beschuldigten zur Tatzeit und seinen mehrjährigen, bereits früher mit Körperverletzungsdelikten in Verbindung stehenden Alkoholmißbrauch zu prüfen haben (vgl. BGHSt 44, 338 ff.; 369 ff.; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 18, Konkurrenzen 1, Tat 5; § 64 Zusammenhang , symptomatischer 1, 2; § 21 Blutalkoholkonzentration 27; BGH NStZ-RR 1997, 231 f.; BGH, Beschl. v. 16. Juli 2002 – 4 StR 179/02).
Maatz Kuckein Athing Ernemann Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben. Maatz

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.