Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juli 2000 - 4 StR 255/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) des Angeklagten Peter L. wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 17. November 1999 im Schuldspruch dahin abgeändert, daß er des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, des Diebstahls in vier Fällen, des versuchten Diebstahls und der Sachbeschädigung in Tateinheit mit versuchter Nötigung schuldig ist;
b) des Angeklagten Sch. wird das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch dahin abgeändert, daß er des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, des Diebstahls in fünf Fällen und des versuchten Diebstahls schuldig ist;
c) beider Angeklagter wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen in den Aussprüchen über die in den Fällen II 4, 5, 7 und 8 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und die Gesamtstrafen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere - allgemeine - Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten Peter L. unter Freisprechung im übrigen wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung , versuchten Diebstahls [im besonders schweren Fall], Bandendiebstahls in vier Fällen und Sachbeschädigung in Tateinheit mit versuchter Nötigung in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren, den Angeklagten Sch. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung , Diebstahls [im besonders schweren Fall], versuchten Diebstahls [im besonders schweren Fall] und Bandendiebstahls in vier Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Außerdem hat es gegen beide Angeklagte Maßregeln nach den §§ 69, 69 a StGB angeordnet. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen; der Angeklagte Sch. beanstandet darüber hinaus auch das Verfahren. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge teilweise Erfolg, im übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten in den Fällen II 4, 5, 7 und 8 der Urteilsgründe bandenmäßig gehandelt, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand:
a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen waren die miteinander befreundeten Angeklagten "irgendwann” im Jahre 1996 übereingekommen, "in Zukunft miteinander Einbrüche zu begehen". Sie wollten "bei sich bietenden Gelegenheiten", ähnlich wie bei einem im Oktober 1995 gescheiterten Einbruch in eine Bank (Fall II 2), "gemeinsam vorgehen" und die Beute teilen (UA 27). In Ausführung dieses Vorhabens begingen sie in der Nacht zum 2. Dezember 1997 einen Einbruch in ein Firmengebäude (Fall II 4), am 21. Februar 1998 einen Einbruch in einen "Aldi-Markt" (Fall II 5), in der Nacht zum 28. März 1998 einen Einbruch in ein Basaltwerk (Fall II 7) und in der Nacht zum 13. Juni 1998 einen Einbruch in ein Firmenbüro (Fall II 8).
b) Das Landgericht geht davon aus, daß die Angeklagten bandenmäßig im Sinne des § 244 Abs. 1 StGB [folgerichtig wäre: des § 244 a Abs. 1 StGB] gehandelt haben, weil sie sich "seit Anfang 1996 zu einer Gruppe von zwei Mitgliedern zusammengeschlossen (hatten), die sich zumindest stillschweigend zur Verübung fortgesetzter, im einzelnen noch ungewisser Diebestaten verbunden hatte" (UA 37). Das genügt zur Begründung bandenmäßigen Handelns jedoch nicht und zwar unabhängig von der Frage, ob schon zwei Personen eine Bande bilden können (verneinend BGH StV 2000, 315 [Anfragebeschluß]; BGH, Beschluß vom 4. April 2000 - 5 ARs 20/00; Engländer JZ 2000, 630 f.; Otto StV 2000, 313, 314 f.). Die Annahme bandenmäßiger Begehung setzt vielmehr - über eine mittäterschaftliche Begehungsweise hinaus - ein Handeln mit gefestigtem Bandenwillen voraus (BGHSt 42, 255, 259; BGH NStZ 1996, 339, 340), wobei für den der jeweils gemeinschaftlich begangenen Tat zugrunde liegenden, auf eine gewisse Dauer angelegten und verbindlichen "Gesamtwillen" kennzeichnend ist, daß sich der Bandentäter im übergeordneten Interesse der bandenmäßigen Verbindung betätigt (vgl. BGH NStZ 1996, 443; NJW
1998, 2913; StV 1998, 599; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 244 Rdn. 13). Einen solchen "gefestigten Bandenwillen" hat die Strafkammer nicht festgestellt. Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist nicht zu entnehmen , daß die Angeklagten bei ihren Taten - über ihr individuelles Interesse am Erlangen von Beute hinaus - ein übergeordnetes Bandeninteresse verfolgt haben.
c) Da weitere Feststellungen, die den Vorwurf bandenmäßiger Begehung tragen könnten, in einer neuen Hauptverhandlung nicht zu erwarten sind, ändert der Senat die Schuldsprüche dahin ab, daß die Angeklagten in den Fällen II 4, 5, 7 und 8 der Urteilsgründe lediglich des Diebstahls [die Worte ”im besonders schweren Fall” werden in die Urteilsformel nicht aufgenommen, vgl. BGHSt 23, 254, 256 f.; 27, 287, 289 f.] schuldig sind. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil die Angeklagten sich gegen die geänderten Schuldsprüche nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können und mit dem Fortfall bandenmäßiger Begehung lediglich ein erschwerender Umstand wegfällt.
d) Die Ä nderung der Schuldsprüche führt zur Aufhebung der in den genannten Fällen festgesetzten Einzelstrafen und der Gesamtstrafen, weil nicht sicher auszuschließen ist, daß die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Bewertung niedrigere Strafen verhängt hätte.
2. Im Fall II 3 der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten Peter L. v om Vorwurf der Sachbeschädigung (in Tateinheit mit versuchter Nötigung) aus tatsächlichen Gründen freigesprochen (UA 35), in den Schuldspruch aber versehentlich auch diese Tat aufgenommen und eine Einzelstrafe
von einem Jahr und drei Monaten verhängt (UA 103 f.). Der Schuldspruch ist daher auf die Revision des Angeklagten Peter L. dahin abzuändern, daß er der Sachbeschädigung in Tateinheit mit versuchter Nötigung nur in einem Fall (Fall II 6 der Urteilsgründe) schuldig ist. Die gegen ihn im Fall II 3 verhängte Einzelstrafe entfällt. Eines gesonderten Freispruchs bedarf es nicht, weil der Angeklagte bereits "im übrigen" freigesprochen ist.
3. Die weiter festgesetzten Einzelstrafen und die Maßregelanordnungen können bestehen bleiben; sie werden von den Rechtsfehlern nicht berührt.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
- 1.
einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter - a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
- 2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt oder - 3.
einen Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in der Wohnung verborgen hält.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 3 ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(4) Betrifft der Wohnungseinbruchdiebstahl nach Absatz 1 Nummer 3 eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.