Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Sept. 2017 - 4 StR 391/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. September 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen sowie wegen Computerbetrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen den Strafausspruch sowie die Nichtanordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
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- 1. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abzusehen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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- Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Zuschrift an den Senat das Folgende ausgeführt: „Die sachverständig beratene Strafkammer hat aufgrund des festgestell- ten langjährigen Missbrauchs von Alkohol und Drogen einen Hang des Angeklagten im Sinne des § 64 StGB bejaht, dann aber gemeint, ein symptomatischer Zusammenhang sei nicht gegeben, weil der Hang nicht (mit)ursächlich für die Begehung der Taten sei und auch die Gefährlichkeit des Angeklagten nicht konditioniere. Die Straftaten seien vielmehr Ausfluss des über viele Jahre praktizierten Lebensstils des Angeklagten, zu dem das Konsumverhalten gehöre. Auch bestehe keine Erfolgsaussicht einer Therapie, weil der Angeklagte bereits eine Therapie abgebrochen habe und trotz des von ihm geäußerten Therapiewillens keine Anhaltspunkte für einen ernsthaften Willen, vom Alkohol- und Drogenkonsum wegzukommen, erkennbar seien (UA S. 25).
a) Sie lassen zunächst besorgen, dass das Landgericht von einem zu engen Verständnis von dem erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen einem Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln und der Anlasstat des Täters ausgegangen ist.
Ein symptomatischer Zusammenhang liegt vor, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist (BGH, Beschlüsse vom 25. November 2015 – 1 StR 379/15, NStZ-RR 2016, 113; vom 6. November 2013 – 5 StR 432/13 und vom 25. Mai 2011 – 4 StR 27/11,NStZ-RR 2011, 309), mithin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13,NStZ-RR 2014, 75). Dieser Zusammenhang liegt bei Delikten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, nahe (BGH, Beschluss vom BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75; Beschluss vom 12. Januar 2017 – 1 StR 604/16).
Zwar hat das Landgericht in der knappen Begründung auch die Mitursächlichkeit in den Blick genommen, allerdings mit dem bloßen Verweis auf den Lebensstil des Angeklagten keine auf der Grundlage der festgestellten Taten basierende Bewertung vorgenommen. Angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte das von ihm betrügerisch erlangte (Taten II.1 und 2) sowie das erpresste (Taten II.3 und 4) Geld nach seiner eigenen unwiderlegten Einlassung zur Finanzierung seines Alkohol- und Drogenkonsums gebraucht und hierfür ausgegeben (UA S. 17 - 18) und die Taten II.3 und 4 zudem unter Alkoholeinfluss begangen hat (UA S. 15 - 16), liegt die Annahme eines symptomatischen Zusammenhangs nicht fern. Eine hangbedingte Gefährlichkeit ist bereits mit Blick auf das Gewicht der Anlasstaten in den Fällen II.3 und 4 nicht von vornherein zu verneinen, zumal der Angeklagte auch die der Verurteilung durch das Amtsgericht Villingen-Schwenningen vom 27. November 2013 zugrundeliegende Tat (Raub in Tateinheit mit Körperverletzung) aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat (UA S. 13).
b) Letztlich begegnen auch die Erwägungen, mit denen die Kammer die konkrete Erfolgsaussicht einer Therapie abgelehnt hat, durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Soweit das Landgericht – dem Sachver-
ständigen folgend – auf die im Jahr 2014 abgebrochene Therapie des Angeklagten abgestellt hat, hat es sich mit dem vom Angeklagten hierfür angegebenen Grund, er sei gemobbt worden (UA S. 4), nicht auseinander gesetzt. Auch hat die Strafkammer nicht erwogen, ob die vom Angeklagten aktuell geäußerte Therapiebereitschaft trotz des zurückliegenden erneuten Alkoholkonsums nach seiner letzten Haftentlassung am 11. November 2015 geeignet ist, eine konkrete Erfolgsaussicht zu begründen. Der in diesem Zusammenhang erfolgte Hinweis auf die seit Ende des Jahres 2015 bestehende Beziehung zu seiner „Freundin/Verlobten“ (UA S. 25)genügt hierfür nicht. Denn die Kammer hat sich nicht damit auseinander gesetzt, ob die zwischenzeitlich eingetretene Veränderung der privaten Lebensverhältnisse des Angeklagten, nämlich das Verlöbnis während der Untersuchungshaft in dieser Sache (UA S. 4), geeignet ist, eine andere Bewertung seines Therapiewillens zu stützen.
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGHSt 37, 5, 7; BGH NStZ-RR 2009, 59). Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Angesichts der erheblichen Vorstrafen und des gesamten Tatbildes ist auszuschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.“
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- Dem tritt der Senat bei. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei der gebotenen vertieften Prüfung die Erfolgsaussicht einer Therapie im Maßregelvollzug bejaht hätte.
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- 2. Die weitere Überprüfung des Urteils im Umfang der Anfechtung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Quentin Feilcke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.