Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Aug. 2017 - 4 StR 349/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:300817B4STR349.17.0
bei uns veröffentlicht am30.08.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 349/17
vom
30. August 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:300817B4STR349.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 30. August 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 30. Januar 2017 wird
a) der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen des Geschehens in der F. straße in I. am 13. Juni 2016 (Urteilsgründe II., Tat 2) des versuchten Totschlags in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe schuldig ist;
b) der Strafausspruch für die vorbezeichnete Tat sowie der Gesamtstrafenausspruch jeweils mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freispruch im Übrigen – wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe sowie wegen unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel erzielt den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die vom Landgericht nicht weiter begründete tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB hat keinen Bestand. Nach den Feststellungen zur Tat 2 (Urteilsgründe II.) hat der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz einen Schuss mit seiner halbautomatischen Selbstladepistole auf den Fahrer des im Tatzeitpunkt neben ihm befindlichen Fahrzeugs der Marke BMW, den Nebenkläger W. , abgegeben. Der Schuss verfehlte sein Ziel und schlug – vom Nebenkläger zunächst unbemerkt – in die B-Säule des von ihm gefahrenen Fahrzeugs ein.
3
Diese Feststellungen belegen einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht. Eine solche Verurteilung setzt bei Schüssen auf Fahrzeuge im Straßenverkehr voraus, dass die konkrete Gefahr für eines der in § 315b Abs. 1 StGB genannten Schutzobjekte jedenfalls auch auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte (Dynamik des Straßenverkehrs) zurückzuführen ist (vgl. BGH, Be- schluss vom 4. November 2008 – 4 StR 411/08, NStZ 2009, 100, 101). Daran fehlt es, wenn der Schaden – wie hier – ausschließlich auf der durch die Pistolenschüsse freigesetzten Dynamik der auftreffenden Projektile beruht (BGH aaO). Um insoweit auch nur zu einer Verurteilung wegen Versuchs zu gelangen , hätte der Angeklagte in seine Vorstellung aufnehmen und billigen müssen, dass es infolge des Schusses zu einem Beinahe-Unfall kommen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015 – 4 StR 117/15, NStZ 2016, 407, 408); Feststellungen dazu hat das Landgericht indes nicht getroffen.
4
Der Senat hat für die Tat 2 den Schuldspruch entsprechend abgeändert. Er schließt aus, dass in einer erneuten Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden könnten, die eine Verurteilung wegen (versuchten) gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr tragen würden.
5
2. Die für die Tat 2 verhängte Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat die tateinheitliche Begehung eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafschärfend verwertet (UA 42). Der Senat kann daher trotz der moderaten Bemessung dieser Strafe ein Beruhen nicht ausschließen.
6
3. Dies entzieht der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage.
7
4. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Feilcke Paul

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 315b Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr


(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er 1. Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt,2. Hindernisse bereitet oder3. einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,und dadurch Leib oder Leben

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Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Nov. 2008 - 4 StR 411/08

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bei uns veröffentlicht am 16.07.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR117/15 vom 16. Juli 2015 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu Nr. 1 a) mit dessen Zustimmung – und des Beschw

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet oder
3.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Handelt der Täter unter den Voraussetzungen des § 315 Abs. 3, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 411/08
vom
4. November 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 4. November 2008 gemäß §§ 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 17. April 2008 im Schuldspruch dahin abgeändert, dass die Angeklagten jeweils des tateinheitlich begangenen versuchten vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig sind.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe, den Angeklagten A. darüber hinaus in Tateinheit mit versuchter Nötigung, sowie (beide Angeklagten ) weiterhin des Diebstahls und der Brandstiftung für schuldig befunden. Es hat deswegen den Angeklagten A. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und drei Monaten, die Angeklagte B. zu einer solchen von sieben Jahren verurteilt. Ferner hat es gegen den Angeklagten A. die Unter- bringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie allgemein die Verletzung sachlichen Rechts rügen. Die Revisionen der Angeklagten haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweisen sich die Rechtsmittel als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung der Angeklagten wegen (vollendeten) vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Das Landgericht hat insoweit festgestellt:
3
Nach Begehung des Banküberfalls, der Gegenstand der Verurteilung wegen schweren Raubes ist, flüchteten die Angeklagten mit einem Pkw, den sie zuvor entwendet hatten. Gelenkt wurde das Fluchtfahrzeug von dem Angeklagten A. . Der Zeuge W. , der das Tatgeschehen zufällig beobachtet hatte , nahm mit seinem Geländewagen die Verfolgung auf. Auf Grund der stärkeren Motorisierung des eigenen Fahrzeugs hatte W. keine Schwierigkeiten, sich dicht hinter das Fluchtfahrzeug der Angeklagten zu setzen. Der Angeklagte A. bemerkte die Verfolgung und fasste den Entschluss, mit einer der bei dem Banküberfall verwendeten Pistolen auf das verfolgende Fahrzeug zu schießen, um es fahruntauglich zu machen und auf diese Weise dessen Fahrer an einer weiteren Verfolgung zu hindern. Er unterrichtete die Angeklagte B. von seiner Absicht, die hiermit einverstanden war und ihm zur Ausführung seines Vorhabens eine Schusswaffe reichte. W. hatte zwischenzeitlich zum Überholen angesetzt. Als beide Fahrzeuge sich bei einer Geschwindigkeit von etwa 80 bis 90 km/h auf gleicher Höhe befanden, gab der Angeklagte A. in schneller Reihenfolge drei Schüsse auf das etwa 1,5 m entfernte Fahr- http://localhost:8025/jportal/portal/t/5/page/dvdbundesrechtsonderedition.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE052603307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 4 - zeug des Zeugen W. ab. Zwei Schüsse trafen, wobei die Projektile in einer Höhe von 97 und 118 cm jeweils die Karosserie durchschlugen, ohne jedoch W. zu verletzen. Die beiden Einschüsse führten nicht zu einer Fahrzeugerschütterung. Der Zeuge W. , der die auf sein Fahrzeug gerichtete Waffe gesehen und auch die Einschüsse akustisch wahrgenommen hatte, „fühlte sich nicht in seiner Fahrsicherheit beeinträchtigt“. Er ließ sich, auch weil sich zwischenzeitlich Gegenverkehr näherte, jedoch wieder hinter das Fahrzeug der Angeklagten zurückfallen. An dem Fahrzeug des Zeugen W. entstand durch den Einschlag der Projektile ein Sachschaden in Höhe von ca. 3.000 €.
4
b) Diese Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen eines vollendeten Delikts nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB.
5
aa) Der Tatbestand des § 315 b StGB ist dreistufig aufgebaut: Durch eine der in Abs. 1 bezeichneten Tathandlungen muss die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt und hierdurch eine konkrete Gefahr für eines der genannten Individualrechtsgüter begründet worden sein. Erforderlich ist danach , dass die Tathandlung eine abstrakte Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs bewirkt, die sich zu einer konkreten Gefahr für eines der genannten Schutzobjekte verdichtet (BGHSt 48, 119, 122; BGH NStZ 2007, 34, 35). Regelmäßig werden hierbei der Eingriff und die Begründung der abstrakten Gefahr zeitlich dem Eintritt der konkreten Gefahr vorausgehen, etwa, wenn der Eingriff zu einer kritischen Verkehrssituation führt, durch die sodann eines der Schutzgüter konkret gefährdet wird (sog. „Beinahe-Unfall“). Nach der Senatsrechtsprechung ist dies jedoch nicht zwingend (grundlegend BGHSt 48, 119, 122 ff.). Danach kann der Tatbestand des § 315 b Abs. 1 StGB in sämtlichen Handlungsalternativen auch dann erfüllt sein, wenn - wie hier - die Tathandlung (Abgabe des Schusses) unmittelbar zu einer konkreten Gefahr oder Schädigung (Beschädigung des Kraftfahrzeugs) führt.
6
bb) Dies gilt indes nicht uneingeschränkt. Nicht jede Sachbeschädigung (oder auch Körperverletzung) im Straßenverkehr ist tatbestandsmäßig im Sinne des § 315 b StGB. Vielmehr gebietet der Schutzzweck des § 315 b StGB insoweit eine restriktive Auslegung der Norm, als unter einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert nur verkehrsspezifische Gefahren verstanden werden dürfen (BGHSt aaO S. 124). Dies ist der Fall, wenn die konkrete Gefahr - jedenfalls auch - auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte (Dynamik des Straßenverkehrs) zurückzuführen ist.
7
cc) Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann die Verurteilung wegen vollendeten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nicht bestehen bleiben. Eine konkrete Gefahr im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ (vgl. hierzu BGH NJW 1995, 3131 f.) hat das Landgericht zu Recht nicht angenommen, da weder das Fahrverhalten noch die Fahrsicherheit des Zeugen W. durch die Schüsse in irgendeiner Weise beeinträchtigt worden sind. Aber auch die Beschädigung des Kraftfahrzeuges durch die einschlagenden Projektile rechtfertigt hier entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht die Annahme einer vollendeten Tat nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB. Denn dieser Sachschaden steht in keinem relevanten Zusammenhang mit der Eigendynamik der Fahrzeuge zum Tatzeitpunkt, sondern ist ausschließlich auf die durch die Pistolenschüsse freigesetzte Dynamik der auftreffenden Projektile zurückzuführen. Er ist somit keine spezifische Folge des Eingriffs in die Sicherheit des Straßenverkehrs und muss daher bei der Bestimmung eines „bedeutenden“ Sachschadens bzw. einer entsprechenden Gefährdung außer Betracht bleiben (vgl. BGHSt aaO S. 125).
8
c) Nach den getroffenen Feststellungen haben sich die Angeklagten jedoch jeweils des versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig gemacht. Zwar hat das Landgericht nicht mit der erforderlichen Sicherheit einen (bedingten) Tötungs- oder Körperverletzungsvorsatz der Angeklagten feststellen können. Es liegt aber auf der Hand, dass die Angeklagten jedenfalls damit rechneten und dies auch billigend in Kauf nahmen, dass es durch die Schüsse zu einer kritischen Verkehrssituation und damit zu einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben desZeugen W. und/oder des von ihm geführten Fahrzeugs kommen könnte. Der Senat ändert daher die Schuldsprüche entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da ausgeschlossen werden kann, dass sich die - im Wesentlichen geständigen - Angeklagten gegen den geänderten Schuldspruch wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.
9
2. Die Strafaussprüche werden durch die Änderungen der Schuldsprüche nicht berührt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht, das die insoweit verhängten Strafen rechtsfehlerfrei dem Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB entnommen hat, bei zutreffender Beurteilung des weiteren tateinheitlich verwirklichten Delikts nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB als Versuchstat auf geringere Einzelstrafen erkannt hätte.
10
3. Der nur geringfügige Erfolg der Rechtsmittel gibt keinen Anlass, die Angeklagten auch nur teilweise von der Auferlegung von Kosten oder Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR117/15
vom
16. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
– zu Nr. 1 a) mit dessen Zustimmung – und des Beschwerdeführers
am 16. Juli 2015 gemäß § 154a Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 30. Oktober 2014 wird
a) die Strafverfolgung aa) in den Fällen unter B. 2. 1. der Urteilsgründe mit Ausnahme der Fälle „WÜ 18 [Fall „B. “]“ (UA 28/29), „M. “ (UA 39) und „G. “ (UA 45/46) jeweils auf den Vorwurf des vorsätzlichen unerlaubten Führens einer Schusswaffe und bb) in den Fällen unter B. 2. 2. der Urteilsgründe mit Ausnahme des Falles „KO 26“ (UA 66/67) jeweils auf den Vorwurf des vorsätzlichen unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition, jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung, beschränkt,
b) das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben aa) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den oben unter Ziff. 1. a) aa) und 1. a) bb) bezeichneten Fällen, soweit die Strafverfolgung gem. § 154a Abs. 2 StPO beschränkt wird, bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen – versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, vorsätzlichem unerlaubten Führen einer Schusswaffe und Sachbeschädigung (Fall „WÜ 18 [Fall B. ]“), – versuchten Mordes in zwei tateinheitlichen Fällen jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, vorsätzlichem unerlaubten Füh- ren einer Schusswaffe und Sachbeschädigung („Fall M. “), – versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, vorsätzlichem unerlaubten Führen einer Schusswaffe und Sachbeschädigung (Fall „G. “), – versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, vorsätzlichem unerlaubten Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition und Sachbeschädigung (Fall „KO 26“), – 87 tatmehrheitlichen Fällen des vorsätzlichen unerlaubten Führens einer Schusswaffe jeweils in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und Sachbeschädigung, – 21 tatmehrheitlichen Fällen des vorsätzlichen unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition jeweils in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und Sachbeschädigung, sowie wegen – vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verfeuern von Patronenmunition, vorsätzlichem Besitz einer verbotenen Waffe und vorsätzlichem unerlaubtem Besitz von Munition zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.

I.


3
Nach den Feststellungen des Landgerichts schoss der Angeklagte in einer Vielzahl von Fällen aus dem von ihm auf Bundesautobahnen geführten Lkw heraus im fließenden Verkehr auf andere Fahrzeuge, insbesondere auf Autotransporter oder andere Lkws mit Auflieger, die sich zum Teil im Gegenverkehr , zum Teil im gleichgerichteten Verkehr bewegten. Dabei verwendete er zunächst (Zeitraum vom 2. September 2009 bis zum 4. Mai 2012, Fälle unter B. 2. 1. der Urteilsgründe) eine selbstgebaute Kipplaufpistole des Kalibers .22 und ab dem 13. Juni 2012 eine Pistole P 38 des Kalibers 9 mm (Fälle unter B. 2. 2. der Urteilsgründe). In vier Fällen (Fälle „WÜ 18 [Fall „B. “]“; „M. “ und „G. “ unter B. 2. 1. und Fall „KO 26“ unter B. 2. 2. der Urteilsgründe) verurteilte ihn das Landgericht u.a. wegen versuchten Mordes; in den verbleibenden 108 Fällen (87 Fälle unter B. 2. 1. sowie 21 Fälle unter B. 2. 2. der Urteilsgründe) konnte sich die Strafkammer vom Vorliegen eines zumindest bedingten Tötungsvorsatzes nicht überzeugen.

II.


4
1. Der Senat beschränkt die Strafverfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang.
5
Die Beschränkung umfasst diejenigen 108 Fälle, in denen der Angeklagte auf die Ladung bzw. Aufbauten von Autotransportern, anderen Lkws oder auf Wohnanhänger schoss und diese auch traf, ohne dass die Strafkammer Feststellungen dazu getroffen hat, dass es nach der Vorstellung des Angeklagten durch die Schüsse zu einer kritischen Verkehrssituation kommen konnte. Eine Verurteilung wegen versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr setzt bei Schüssen auf Fahrzeuge im Straßenverkehr indes voraus, dass nach der Vorstellung des Täters die konkrete Gefahr für eines der in § 315b Abs. 1 StGB genannten Schutzobjekte jedenfalls auch auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte (Dynamik des Straßenverkehrs ) zurückzuführen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 4. November 2008 – 4 StR 411/08, NStZ 2009, 100, 101). Daran fehlt es, wenn der Schaden – wie hier – ausschließlich auf der durch die Pistolenschüsse freigesetzten Dynamik der auftreffenden Projektile beruht (BGH aaO). Danach hätte der Angeklagte jeweils in seine Vorstellung aufnehmen und billigen müssen, dass es infolge der Schüsse zu einem Beinahe-Unfall kommen könnte; Feststellungen dazu hat das Landgericht aber nicht getroffen.
6
2. Die Beschränkung der Strafverfolgung, die aus prozessökonomischen Gründen erfolgt, führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung der Strafaussprüche über die Einzelstrafen in den genannten Fällen. Der Wegfall der vorgenannten Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.

III.


7
Im verbleibenden Umfang hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 10. April 2015 keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf hier nur Folgendes:
8
1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich im Fall „M. “ (UA 39) auch wegen gefährlicher Körperverletzung in der Variante „mittels einer Waffe“ gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar gemacht, wird von den getroffenen Feststellungen nicht getragen. Eine Körperverletzung „mittels einer Waffe“ begeht, wer seinem Opfer durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes Tatmittel eine Körperverletzung im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB beibringt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 22. Dezember 2005 – 4 StR 347/05, NStZ 2006, 572; Beschlüsse vom 20. Dezember 2012 – 4 StR 292/12, StV 2013, 438 f., und vom 30. Juni 2011 – 4 StR 266/11).
9
Eine solche unmittelbare Einwirkung des vom Angeklagten abgeschossenen Projektils auf den Körper der beiden Opfer belegen die Feststellungen nicht. Der Geschädigte K. wurde lediglich durch Splitter der durch den Schuss geborstenen Glasscheibe verletzt. Ferner erlitten beide Geschädigte ein Knalltrauma. Die Körperverletzungserfolge sind daher erst durch das Zerbersten der Scheibe und damit durch eine Folge des Schusses eingetreten, nicht aber „mittels“ der eingesetzten Waffe.
10
Der Rechtsfehler wirkt sich jedoch weder auf den Schuld- noch auf den Strafausspruch aus, weil die Feststellungen den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB tragen und das Landgericht den Umstand, dass nach seiner Auffassung zwei Tatvarianten des § 224 Abs. 1 StGB verwirklicht waren, nicht strafschärfend berücksichtigt hat.
11
2. Das Landgericht hat – erkennbar versehentlich – für den gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Fall „KO 31“ (PB Bl. 153 d.A.; UA 74, 86) trotz des aus der Einstellung folgenden Verfahrenshindernisses eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt (UA 175 unten). Der Angeklagte ist dadurch im Ergebnis aber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beschwert. Weder der Schuld- noch der Strafausspruch werden von dem Versehen berührt. Denn die Fälle „KO 16“ und „KO 17“ stehen entgegen der konkurrenzrechtlichen Bewer- tung durch das Landgericht nicht in Tateinheit, sondern in Tatmehrheit zueinander , da der Angeklagte hier im Abstand von 15 Minuten unterschiedliche Fahr- zeuge beschoss. Die Strafkammer hat für alle „KO“-Fälle mit Ausnahme des Falles „KO 26“ Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren verhängt.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
RiBGH Dr. Mutzbauer ist urlaubsbedingt abwesend und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Sost-Scheible Quentin

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.